Medizinrecht

MVZ – Anforderungen an die ärztliche Leitung

Aktenzeichen  L 12 KA 69/14

Datum:
27.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V SGB V § 77 Abs. 3 S. 2, § 95 Abs. 1 S. 3, Abs. 3, Abs. 4

 

Leitsatz

1. Bestellung eines Arztes zum ärztlichen Leiter eines Medizinischen Versorgungszentrums. (amtlicher Leitsatz)
Ärztliche Leiter eines MVZ müssen der Satzungsgewalt der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung unterliegen und deshalb grundsätzlich wenigstens eine halbe Stelle innehaben. (redaktioneller Leitsatz)
In Medizinischen Versorgungszentren muss für jedes Fachgebiet wenigstens eine halbe Arztstelle zur Verfügung stehen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 1 KA 2/14 2014-04-09 Urt SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I.
Auf die Berufungen des Beklagten sowie der Beigeladenen zu 1) und 2) wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg insoweit aufgehoben, als der Bescheid des Zulassungsausschusses vom 12.07.2013 in der Gestalt des Bescheides des Beklagten vom 09.12.2013 aufgehoben wurde und festgestellt wurde, dass die Übertragung der ärztlichen Leitung des MVZ auf Prof. Dr. K. zulässig ist.
Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2) im Berufungsverfahren.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufungen des Beklagten sowie der Beigeladenen zu 1) und 2) sind zulässig und auch begründet.
Auf diese Berufungen hin ist das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 09.04.2014 insoweit aufzuheben, als der Bescheid des Zulassungsausschusses vom 12.07.2013 in der Gestalt des Bescheides des Beklagten vom 09.12.2013 aufgehoben und festgestellt wurde, dass die Übertragung der ärztlichen Leitung des MVZ des Klägers auf Prof. Dr. K. zulässig ist, und die Klage der Klägerin ist abzuweisen.
Der Bescheid des Beklagten vom 09.12.2013, mit dem der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses vom 12.07.2013 zurückgewiesen wurde, und damit die Entscheidung getroffen wurde, dass die Klägerin keinen Anspruch darauf hat, dass Prof. Dr. K., der bei der Klägerin mit 10 Stunden pro Woche angestellt ist, die alleinige ärztliche Leitung der Klägerin übernimmt, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 3 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2011 (BGBl I S. 2983), in Kraft getreten zum 01.01.2012, muss der ärztliche Leiter in dem Medizinischen Versorgungszentrum selbst als angestellter Arzt oder als Vertragsarzt tätig sein, er ist in medizinischen Fragen weisungsfrei. Das Erfordernis einer wenigstens halbtägigen Beschäftigung des ärztlichen Leiters im MVZ ergibt sich zwar nicht direkt aus dem Wortlaut des § 95 Abs. 1 Satz 3 SGB V, aber aus Sinn und Zweck der Erfordernisse einer ärztlichen Leitung. Dem ärztlichen Leiter eines MVZ kommt eine besondere Pflichtenstellung hinsichtlich des ordnungsgemäßen Ablaufs der vertragsärztlichen Versorgung im MVZ zu. Er hat die Verantwortung für die ärztliche Steuerung der Betriebsabläufe und eine Gesamtverantwortung gegenüber der KÄV (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 14.12.2011, B 6 KA 33/10 R Rdnr. 18). Dieser Gesamtverantwortung gegenüber der KÄV entspricht es, dass zu den Anforderungen an den ärztlichen Leiter eines Medizinischen Versorgungszentrums auch gehört, dass etwaige Pflichtverletzungen des ärztlichen Leiters durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung disziplinarrechtlich verfolgt werden können. Dieser direkte disziplinarrechtliche Durchgriff auf den Leiter des MVZ ist auch deshalb notwendig, weil sich das MVZ zwar die Pflichtverletzungen der bei ihr tätigen und in die Behandlung der Versicherten einbezogenen Ärzte zurechnen lassen muss, das MVZ aber als solches mangels Mitgliedschaft bei der KVB nicht der Disziplinargewalt der KV unterliegt. Von daher besteht gegen das MVZ nur die Möglichkeit, die Zulassung ruhend zu stellen oder zu entziehen (vgl. hierzu Makoski/Krapohl, Ärztlicher Leiter des MVZ, Gesundheitsrecht 2013 S. 705, 710). Daneben ist zu beachten, dass die Leitungsbefugnis auch tatsächlich ausgeübt werden muss, das heißt der ärztliche Leiter muss zeitlich in der Lage sein, kurzfristig Entscheidungen zu treffen. Als Richtschnur ist hier auf die Vorgaben der Weiterbildungsordnung zu verweisen, wonach für die Erteilung der Weiterbildungsbefugnis eine mindestens halbtätige Beschäftigung erforderlich ist (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 MWBO), auch im Krankenhausrecht wird vertreten, dass ein leitender Abteilungsarzt mindestens eine halbe Stelle innehaben muss. Schließlich ist es für die Wahrung des fachübergreifenden Charakters des MVZ ebenfalls nötig, aber auch ausreichend, dass für jedes Fachgebiet jedenfalls eine halbe Arztstelle zur Verfügung steht (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2011, B 6 KA 232/11 R, Rdnr. 16). Aus alledem ergibt sich zusätzlich, neben der Notwendigkeit des Unterliegens des ärztlichen Leiters des MVZ unter die Satzungsgewalt der Beigeladenen zu 1), dass der ärztliche Leiter grundsätzlich eine halbe Stelle innehaben muss (vgl. zum Ganzen Makoski/Krapohl, a. a. O. S. 705, 706; ebenso Klöck, Das Medizinische Versorgungszentrum im GKV-Versorgungsstrukturgesetz NZS 2013, 368, 370, Gerlach in Krauskopf, Kommentar zum SGB V § 95 Rdz. 23; Rehborn/Usege in Gesundheitsrecht, Nomos Kommentar 2015 § 95 Rdnr. 81 und BSG, Urteil vom 11.12.2013, B 6 KA 39/12 R Rdnr. 25). Da sich die Notwendigkeit einer mindestens halbtägigen Beschäftigung des ärztlichen Leiters eines MVZ danach nicht nur aus dem Gesichtspunkt des Unterliegens des ärztlichen Leiters des MVZ unter die Disziplinargewalt der Beklagten ergibt, kommt es auf die von Klägerseite zuletzt in den Vordergrund gerückte Argumentation der Ersetzung der auf Mitgliedschaft beruhenden Unterwerfung unter die Satzungsgewalt der Beigeladenen zu 1) durch eine privatautonom erklärte Unterwerfungserklärung nicht entscheidungserheblich an.
Im Übrigen ist die Frage, wer der Disziplinargewalt der Kassenärztlichen Vereinigung unterliegt, in den §§ 81 Abs. 5 Satz 1, 77 Abs. 3 95 Abs. 4 Satz 3 SGB V abschließend geregelt und kann nicht durch eine einseitige Willenserklärung eines Arztes ersetzt werden. Gerade aus der Bestimmung des § 95 Abs. 4 Satz 3 SGB V ist abzuleiten, dass es für die Erstreckung der Disziplinargewalt auf Nichtmitglieder einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Hier werden der sonstige ermächtigte Arzt (vgl. § 31 ZV-Ä), der nicht etwa kraft persönlicher Ermächtigung (§ 116 SGB V) bereits Mitglied der Beklagten ist, und ermächtigte Institute der Disziplinargewalt der Beklagten unterworfen. Im Umkehrschluss zu § 95 Abs. 4 Satz 3 SGB V ergibt sich aber, dass eine weitergehende Erstreckung der Disziplinargewalt auf Nichtmitglieder – etwa auf unterhalbschichtig in MVZ´s angestellte Ärzte – der Beklagten nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund sind auch die Voraussetzungen gemäß § 32 SGB X den Kläger auf dem Wege einer Nebenbestimmung zu dem begehrten Verwaltungsakt der Disziplinargewalt der Beklagten kraft dessen Erklärung zu unterwerfen, nicht gegeben.
Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1, 3. Halbsatz SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

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