Aktenzeichen 11 C 19.1980
FeV § 11 Abs. 3 Nr. 5, Nr. 5, Nr. 6, Nr. 7, § 16 Abs. 1, § 17 Abs. 1, § 20 Abs. 2, § 22 Abs. 4 S. 1
Leitsatz
1. Es besteht kein Anspruch auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis und damit keine hinreichende Erfolgsaussicht einer darauf gerichteten Verpflichtungsklage, wenn der Bewerber einen von der Fahrerlaubnisbehörde geforderten Befähigungsnachweis gemäß § 20 Abs. 2 FeV nicht erbracht hat. Ob Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Bewerber die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr besitzt, beurteilt sich im Wege einer Gesamtschau, wobei vor allem der Zeitdauer fehlender oder eingeschränkter Fahrpraxis entscheidende Bedeutung zukommt, aber auch dem Zeitraum, über den sich die Fahrpraxis des Bewerbers in der jeweiligen Fahrerlaubnisklasse erstreckt hatte, bevor ihm die Fahrerlaubnis entzogen wurde (Fortführung von BayVGH BeckRS 2012, 52695 Rn. 28 ff.). Eine solche Tatsache kann bei einer fehlenden Fahrpraxis von fünfzehn Jahre angenommen werden, auch wenn der Betroffene bis zum letztmaligen Verlust seiner Fahrerlaubnis zehn Jahre im Besitz einer Fahrerlaubnis war. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. In dem Verpflichtungsbegehren auf Erteilung einer Fahrerlaubnis ist bei sachgerechter Auslegung das Begehren auf Zulassung zur Fahrerlaubnisprüfung als Minus enthalten. Dieses setzt voraus, dass alle sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis vorliegen und insbesondere keine Bedenken gegen die Kraftfahreignung des Bewerbers bestehen (BayVGH BeckRS 2009, 37473 u. BeckRS 2008, 27971 Rn. 69). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Falle von Straftaten iSv § 2 Abs. 4 StVG und § 11 Abs. 3 Nr. 5 bis 7 FeV bedarf es für eine positive medizinisch-psychologische Begutachtung des Nachweises, dass sich die Persönlichkeitsbedingungen, Krankheitsbedingungen und sozialen Bedingungen, die für das frühere gesetzwidrige Verhalten verantwortlich waren, entscheidend positiv verändert oder ihre Bedeutung soweit verloren haben, dass negative Auswirkungen auf das Verhalten als Kraftfahrer nicht mehr zu erwarten sind. Dabei sind Angaben des Betroffenen bei der gutachterlichen Würdigung nur dann verwertbar, wenn sie dem gesicherten Erfahrungswissen, den wissenschaftlichen Erkenntnissen und/oder der Aktenlage, insbes. strafgerichtlichen Feststellungen nicht widersprechen (vgl. BayVGH BeckRS 2018, 35651 Rn. 12). (Rn. 17 und 18) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Fahrerlaubnisbehörde kann grundsätzlich von den für die Fahreignung relevanten strafrichterlichen Feststellungen ausgehen. An ihnen muss sich der Betroffene festhalten lassen, sofern nicht ausnahmsweise gewichtige Anhaltspunkte für ihre Unrichtigkeit bestehen, insbesondere neue Tatsachen oder Beweismittel als Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO vorliegen, die für die Unrichtigkeit der tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil sprechen (stRspr, vgl. BayVGH BeckRS 2019, 32440 Rn. 14 mwN). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 7 K 18.1673 2019-09-04 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Gegenstand der Beschwerde ist die Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis gerichtete Verpflichtungsklage.
Am 26. Juli 2016 beantragte der Kläger beim Landratsamt Oberallgäu, ihm die Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, AM und L neu zu erteilen. Nach einem Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 28. Juli 2016 wurde er im Zeitraum von 2001 bis 2015 wegen verschiedener Straftaten, bei deren Begehung er teilweise unter Alkoholeinfluss stand, rechtskräftig verurteilt.
Unter Bezugnahme auf die im Bundeszentralregister ausgewiesenen Straftaten ordnete das Landratsamt mit Schreiben vom 13. Dezember 2016 die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zum Aggressionspotenzial des Klägers und dem Bestehen von Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit an. Ferner ordnete es mit Schreiben vom selben Tag eine theoretische und praktische Prüfung nach § 16 Abs. 1, § 17 Abs. 1 FeV zum Nachweis der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für die Klassen B und BE an. Hieran bestünden im Hinblick darauf, dass der Kläger über einen Zeitraum von etwa fünfzehn Jahren keine Kraftfahrzeuge mehr im öffentlichen Straßenverkehr geführt habe, Zweifel. Sobald ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten vorgelegt werde, werde dem zuständigen TÜV ein entsprechender Prüfauftrag erteilt.
Im Mai 2017 sandte die A. GmbH, B., die der Kläger mit der Erstellung eines Fahreignungsgutachtens beauftragt hatte, die Behördenakten an das Landratsamt zurück. Mit Schreiben vom 26. Juli 2017 teilte der Kläger mit, dass das Gutachten negativ ausgefallen sei, legte dieses jedoch nicht vor, sondern eine Stellungnahme seines Hausarztes vom 7. Juni 2017, der es für „durchaus möglich“ hielt, dass sein Patient am Straßenverkehr teilnehmen könne. Am 20. Juni 2018 legte der Kläger dem Landratsamt ein Fahreignungsgutachten der TÜV S. L2. Service GmbH, Kempten, vom 13. Juni 2018 vor, wonach zu erwarten sei, dass er künftig unter Alkoholeinfluss am Straßenverkehr teilnehmen und erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde, körperliche und/oder geistige Beeinträchtigungen, die mit einem missbräuchlichen Konsum von Alkohol oder mit Alkoholabhängigkeit in Zusammenhang gebracht werden könnten, jedoch nicht festgestellt wurden.
Nach Anhörung des Klägers lehnte das Landratsamt mit Bescheid vom 28. August 2018, zugestellt am 10. September 2018, seinen Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis ab.
Hiergegen ließ der Kläger am 1. Oktober 2018 durch seinen Bevollmächtigten beim Verwaltungsgericht Augsburg Klage erheben und beantragen, den Bescheid aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm die beantragte Fahrerlaubnis der Klassen AM, B, BE und L neu zu erteilen. Des Weiteren beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten und führte zur Begründung aus, das Gutachten sei nicht nachvollziehbar. Er lebe nach eigener Einlassung seit dem 16. Oktober 2015 abstinent, was sein Hausarzt für realistisch halte. Auch nach dem Fahreignungsgutachten sei davon auszugehen, dass eine Abstinenz von zwölf Monaten belegt sei und keine körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen bestünden, die seine Fahreignung entfallen ließen. Nicht nachvollziehbar sei daher, dass er nicht in der Lage sein solle, kontrolliert mit Alkohol umzugehen. Ferner habe er seine Verfehlungen, die zu den verschiedenen Verurteilungen geführt hätten, zu einem großen Teil eingeräumt, auch wenn er diese zum Teil nicht als richtig oder gerecht empfinde. Dies könne – was nicht in Betracht gezogen werde – daran liegen, dass Zeugen nicht oder nicht vollständig wahrheitsgemäß ausgesagt hätten. In seinem damaligen Milieu sei die Annahme, alle anderen Beteiligten hätten immer die Wahrheit gesagt, unrealistisch. Eine Auseinandersetzung mit den früheren Taten könne nicht bedeuten, dass er alle Schuld auf sich nehmen müsse. Unabhängig davon seien die zeitliche Komponente und seine Entwicklung zu berücksichtigen. Die Vielzahl der vom Gutachter angeführten Verstöße liege in den Jahren 2001 bis 2009, die letzte Verurteilung resultiere aus dem Jahr 2015 und liege somit mehr als drei Jahre zurück, was für eine signifikante Veränderung spreche.
Das Verwaltungsgericht Augsburg lehnte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 4. September 2019 wegen mangelnder Erfolgsaussichten der Klage ab. Ein Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis bestehe nicht, solange Eignungszweifel vorlägen, welche sich aus dem medizinisch-psychologischen Gutachten vom 13. Juni 2018 ergäben. Außerdem sei auch der Nachweis der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zum Führen eines Kraftfahrzeugs noch nicht geführt. Zwar habe das Gericht durchgreifende Zweifel daran, ob das Landratsamt unter Berufung auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV dazu berechtigt gewesen sei, die Fahreignung des Klägers im Hinblick auf eine Alkoholproblematik zu überprüfen, da eine frühere Alkoholabhängigkeit nicht nachgewiesen und ein früherer Alkoholmissbrauch nicht feststellbar seien. Auf die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung komme es jedoch nicht mehr an, da das vorgelegte Gutachten als neue Tatsache verwertbar sei. Das Gericht teile die Auffassung, dass eine positive Begutachtung (unter anderem) voraussetze, dass die Darstellung des Sachverhalts durch den Kläger mit den Feststellungen in den Strafurteilen übereinstimme. Nach dem Kriterium 0.4 N der Beurteilungskriterien für die Fahreignungsbegutachtung dürften die Angaben des Klienten nicht dem gesicherten Erfahrungswissen, den wissenschaftlichen Erkenntnissen und/oder der Aktenlage widersprechen. Als Kontraindikator würden auch nach Konfrontation oder Erläuterung nicht auflösbare Widersprüche zwischen einem im Gerichtsurteil oder im Polizeibericht beschriebenen Tathergang und den vom Klienten geschilderten Abläufen gelten. So liege es hier. Die klägerischen Aussagen widersprächen in etlichen Fällen den in den jeweiligen rechtskräftigen Urteilen festgestellten Sachverhalten, von denen sowohl die Begutachtungsstelle für Fahreignung als auch die Fahrerlaubnisbehörde und das Verwaltungsgericht ausgehen müssten. Denn gewichtige Anhaltspunkte, die für die Unrichtigkeit der tatsächlichen Feststellungen in den Strafurteilen sprächen, insbesondere neue Tatsachen oder Beweismittel als Wiederaufnahmegründe, gebe es nicht. Die Gutachterin weise daher zu Recht darauf hin, dass der Kläger „wiederholt“, nämlich zu den meisten Verurteilungen, angegeben habe, hierzu sei es aufgrund unwahrer Aussagen oder falscher Einschätzung anderer gekommen. Sie stelle insofern schlüssig und nachvollziehbar Schuldabschiebungs- und Rechtfertigungstendenzen fest. Das Vorbringen des Klägers stelle diese Beurteilung nicht infrage. Der hausärztlichen Stellungnahme vom 7. Juni 2017 komme allenfalls ein geringer Indizwert zu, da dem Hausarzt die erforderliche wissenschaftliche Qualifikation für die Fahreignungsdiagnostik fehle und seine Neutralität im Hinblick auf § 11 Abs. 2 Satz 5 FeV fraglich sei. Da das Gutachten schlüssig und nachvollziehbar sei, soweit es um Eignungszweifel gehe, die hinsichtlich künftiger Verstöße gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen bestünden, komme es nicht darauf an, ob auch die getroffene Feststellung zur „Alkoholproblematik“ insgesamt nachvollziehbar sei. Der Kläger habe jedenfalls bestehende Fahreignungszweifel nicht ausräumen können, was zu seinen Lasten gehe. Ferner bestünden keine ernstlichen Zweifel daran, dass das Landratsamt die Ableistung einer Fahrerlaubnisprüfung zu Recht angeordnet habe.
Mit seiner Beschwerde macht der Kläger geltend, der Begutachtungsstelle habe der geforderte Abstinenznachweis für ein Jahr bei der zweiten medizinisch-psychologischen Untersuchung vorgelegen. Es treffe nicht zu, dass er hinsichtlich sämtlicher Strafurteile die Schuld auf andere schiebe. Er habe lediglich betont, dreimal – mangels Beweisen – zu Unrecht verurteilt worden zu sein. Seine damalige Freundin habe vor Gericht gelogen, als sie behauptet habe, er habe ihr Fahrzeug mit Absicht gerammt. Auch habe er sie niemals bedroht oder erpresst. Nach verschiedenen Vorfällen habe er selbst erkannt, dass es nicht sinnvoll sei, am Straßenverkehr teilzunehmen, und sich in ärztliche Behandlung begeben. Er könne auch nicht zugeben, dass er eine widerstandsunfähige Person missbraucht habe, weil dies eine Lüge sei. Er könne daher die medizinisch-psychologische Untersuchung immer wieder machen und werde diese immer wieder nicht bestehen. Die Belastungszeugen hätten Motive dafür gehabt, die Unwahrheit zu sagen. Der Strafrichter habe ihm gedroht, dass ein Berufungsurteil nur noch härter ausfallen werde. Die Körperverletzung und Freiheitsberaubung seien „nicht im Sinne der Verurteilung“ „geschehen“. Es habe sich um einen Unfall gehandelt. Außerdem sei fraglich, ob es sich um eine Freiheitsberaubung handele, wenn er jemanden drei bis fünf Minuten nicht aus der Wohnungstür gehen lasse, weil er auf seine Fragen keine Antworten erhalten habe. Auch habe er dem Strafrichter gesagt, dass er sich schon seit geraumer Zeit in Suchtbehandlung befinde, was dieser jedoch nicht gehört habe. Auf die Einlegung der Berufung habe er auf Bitte seiner Freundin verzichtet. Er appelliere an die Menschlichkeit. Natürlich gebe er zu, in einigen Punkten nicht ordentlich gehandelt zu haben. Allerdings habe er niemals alkoholisiert am Straßenverkehr teilgenommen, was ihm in dem medizinisch-psychologischen Gutachten für die Zukunft zur Last gelegt werde. Er habe als ehemaliger Berufskraftfahrer über eine Million Kilometer unfallfrei hinter sich. Das Ergebnis der medizinisch-psychologischen Untersuchung in Kempten entspreche fast wortgleich dem Gutachten aus einer medizinisch-psychologischen Untersuchung in Buchloe, das er der Führerscheinstelle nicht vorgelegt habe. Daher hätte die Begutachtungsstelle in Kempten dieses Gutachten niemals sehen dürfen. Hierin liege ein massiver Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung. Er habe das Deckblatt seiner Unterlagen gesehen, das aus dem Deckblatt der Begutachtungsstelle in Buchloe bestanden habe. Daraus folgere er, dass die Begutachtungsstelle in Kempten mit der Begutachtungsstelle in B. Kontakt aufgenommen habe. Ansonsten sei nicht zu erklären, dass er trotz eines Abstinenznachweises über ein Jahr weiterhin gefährdet sein solle, alkoholisiert am Straßenverkehr teilzunehmen. Er benötige eine Fahrerlaubnis, da seine Freundin aufgrund ihrer Erkrankung an Chorea Huntington dringend auf seine Mobilität angewiesen sei. Er habe seinen kompletten Lebenswandel geändert und lebe seit dem 16. Oktober 2015 absolut alkoholfrei. Er könne die Kosten für eine weitere medizinisch-psychologische Untersuchung mit entsprechenden Abstinenznachweisen nicht aufbringen und im Rahmen der Begutachtung auch keine andere Antworten geben.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde, mit der der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Fahrerlaubnis weiterverfolgt, ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 2 ZPO). Auf die wirtschaftliche Bedürftigkeit des Klägers kommt es daher nicht an.
Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt es regelmäßig, dass die Erfolgsaussichten offen sind oder es entscheidungserheblich auf schwierige Rechtsfragen ankommt, die höchstrichterlich noch nicht geklärt sind (BVerfG, B.v. 13.3.1990 – 2 BvR 94/88 – BVerfGE 81, 347 = juris 2. Ls.). Hinreichende Erfolgsaussichten liegen allerdings dann nicht vor, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen ist, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist oder konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.2.2002 – 1 BvR 1450/00 – NJW-RR 2002, 1069 = juris Rn. 12; B.v. 29.9.2004 – 1 BvR 1281/04 – NJW-RR 2005, 140 = juris Rn. 14).
Hieran gemessen sind die Erfolgsaussichten – was hier allein in Betracht kommt -nicht offen. Denn der Kläger hat bereits deshalb keinen Anspruch auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis, weil er den vom Landratsamt geforderten Befähigungsnachweis gemäß § 20 Abs. 2 i.V.m. §§ 15 ff. der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV; BGBI I S. 1980), zuletzt geändert durch die zum 1. Januar 2020 in Kraft getretene Verordnung vom 2. Oktober 2019 (BGBl I S. 1416), nicht erbracht hat. Nach § 20 Abs. 2 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde vor der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis zwingend eine Fahrerlaubnisprüfung anzuordnen, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Bewerber die nach § 16 Abs. 1 und § 17 Abs. 1 FeV erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr besitzt. Dies beurteilt sich im Wege einer Gesamtschau, wobei vor allem der Zeitdauer fehlender oder eingeschränkter Fahrpraxis entscheidende Bedeutung zukommt, aber auch dem Zeitraum, über den sich die Fahrpraxis des Bewerbers in der jeweiligen Fahrerlaubnisklasse erstreckt hatte, bevor ihm die Fahrerlaubnis entzogen wurde (BVerwG, U.v. 27.10.2011 – 3 C 31.10 – ZfSch 2012, 57 = juris Rn. 11 ff.; BayVGH, U.v. 17.4.2012 – 11 B 11.1873 – juris Rn. 28 ff.; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 20 FeV Rn. 2). Die Annahme des Verwaltungsgerichts und des Landratsamts, dass fünfzehn Jahre fehlender Fahrpraxis eine Tatsache im Sinne von § 20 Abs. 2 FeV darstellt, auch wenn der Betroffene bis zum letztmaligen Verlust seiner Fahrerlaubnis zehn Jahre im Besitz einer Fahrerlaubnis war, begegnet keinen Bedenken (vgl. BayVGH, B.v. 10.2.2009 – 11 C 08.2018 – juris Rn. 13).
Aus den in dem angegriffenen Gerichtsbeschluss ausführlich dargelegten Gründen kann dem Kläger auch keine Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten bewilligt werden, soweit er die Verurteilung des Beklagten begehrt, die zuständige Technische Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr gemäß § 22 Abs. 4 Satz 1 FeV mit seiner Prüfung zu beauftragen. Dieses Rechtsschutzbegehren ist bei sachgerechter Auslegung (§ 88 VwGO) als Minus in dem angekündigten Verpflichtungsbegehren auf Erteilung der Fahrerlaubnis enthalten (BayVGH, B.v. 19.6.2006 – 11 C 06.103 – juris Rn. 3; B.v. 28.5.2008 – 11 C 08.889 – juris Rn. 69; vgl. auch Trésoret in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand 24.6.2019, § 15 FeV Rn. 74). Die Fahrerlaubnisbehörde übersendet der Technischen Prüfstelle zusammen mit dem Prüfauftrag bereits den vorbereiteten Führerschein, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis vorliegen und insbesondere die nach § 2 Abs. 7 StVG, § 22 Abs. 2 Satz 1 und 5 FeV durchzuführenden Ermittlungen, ob Bedenken gegen die Kraftfahreignung des Bewerbers bestehen, zu einem für diesen positiven Ergebnis geführt haben (vgl. BayVGH, jeweils a.a.O.).
Die Einwände, die der Kläger gegen die bestehenden Zweifel an seiner Fahreignung und das vorgelegte Eignungsgutachten erhoben bzw. mit seiner Beschwerde wiederholt hat, greifen nicht durch.
Entgegen seiner Annahme liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Gutachten der TÜV S. L2. Service GmbH, Kempten, unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen zustande gekommen ist. Das Landratsamt hat der Begutachtungsstelle in Kempten nach Aktenlage keine Kenntnis von dem Fahreignungsgutachten der A. GmbH, B., verschafft. Weder hat der Kläger dieses Gutachten vorgelegt noch ist es in sonstiger Weise zu den Akten gelangt. Das Landratsamt hat der TÜV S. L2. Service GmbH lediglich die Behördenakten überlassen. Auch gehörte das von der A. GmbH erstellte Gutachten nach dem vorgelegten Gutachten (Seite 3 f.) nicht zu den bei der Begutachtung vorliegenden Unterlagen. Die dem Kläger aufgefallenen Ähnlichkeiten in Form und Inhalt der beiden Gutachten dürften mit der identischen Fragestellung (§ 11 Abs. 6 Satz 4 FeV) und den vorgegebenen Standards für die Gutachtenerstellung (vgl. § 11 Abs. 5 FeV; Anlage 4a zur FeV; Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Stand 31.12.2019, veröffentlicht unter www.b…de; Beurteilungskriterien, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 3. Aufl. 2013, mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27.1.2014 [VkBl 2014, 132] als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführt) zu erklären sein.
Der erbrachte Abstinenznachweis, von dem die Gutachter ausgegangen sind, kann allein nicht zu einer positiven medizinisch-psychologischen Begutachtung führen. Nach Nr. 3.16 der Begutachtungsleitlinien bedarf es im Falle von Straftaten im Sinne von § 2 Abs. 4 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Dezember 2019 (BGBl I S. 2008), § 11 Abs. 3 Nr. 5 bis 7 FeV des Nachweises, dass sich die Persönlichkeitsbedingungen, Krankheitsbedingungen und sozialen Bedingungen, die für das frühere gesetzwidrige Verhalten verantwortlich waren, entscheidend positiv verändert oder ihre Bedeutung soweit verloren haben, dass negative Auswirkungen auf das Verhalten als Kraftfahrer nicht mehr zu erwarten sind. Davon ist nur dann auszugehen, wenn eine unter den entscheidenden Aspekten positiv zu bewertende Veränderung der Lebensweise deutlich erkennbar ist und durch die jetzigen Lebensverhältnissen gestützt wird (soziale Beziehungen, wirtschaftliche Situation, Engagement in Beruf bzw. Ausbildung), diese Veränderung vom Betroffenen aus einem Problembewusstsein heraus vollzogen wurde (ggf. initiiert oder begleitet von einer angemessenen sozialpädagogischen, therapeutischen oder verhaltensmodifizierenden Intervention) und als zufriedenstellend erlebt wird, generelle Fehleinstellungen oder Störungen, die eine soziale Einordnung verhindern, sich nicht (mehr) feststellen lassen und sich diese Voraussetzungen über einen gewissen Zeitraum, in der Regel etwa ein Jahr, als stabil erwiesen haben (Nr. 3.16 der Begutachtungsleitlinien).
Das Verwaltungsgericht und die Gutachter haben zutreffend darauf abgestellt, dass Angaben des Betroffenen bei der gutachterlichen Würdigung nur dann verwertbar sind, wenn sie nicht dem gesicherten Erfahrungswissen, den wissenschaftlichen Erkenntnissen und/oder der Aktenlage widersprechen (Kriterium 0.4 N der für die Begutachtungsstellen entwickelten Beurteilungskriterien, S. 113 ff.; vgl. auch BayVGH, B.v. 19.12.2018 – 11 ZB 18.2210 – juris Rn. 12). Widersprüche hinsichtlich eines im Gerichtsurteil oder im Polizeibericht beschriebenen Tathergangs und den vom Betroffenen geschilderten Abläufen, die – wie hier – auch nach Konfrontation oder Erläuterung nicht auflösbar sind, gelten nach den Beurteilungskriterien (a.a.O. S. 116) als Kontraindikator. Daher durfte bzw. musste die psychologische Gutachterin die den strafgerichtlichen Feststellungen widersprechenden Erklärungen des Klägers für nicht glaubhaft und nachvollziehbar halten und zu der Einschätzung gelangen, dass er sich nur unzureichend mit den persönlichen Ursachen und Hintergründen seines Fehlverhaltens, das Anlass zu der Begutachtung gab, auseinandergesetzt habe und die Verhaltensänderung bei ihm nicht ausreichend stabil sei.
Nach ständiger Rechtsprechung kann grundsätzlich von den für die Fahreignung relevanten strafrichterlichen Feststellungen ausgegangen werden. An ihnen muss sich der Betroffene festhalten lassen, sofern nicht ausnahmsweise gewichtige Anhaltspunkte für ihre Unrichtigkeit bestehen, insbesondere neue Tatsachen oder Beweismittel als Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO vorliegen, die für die Unrichtigkeit der tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil sprechen (BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 11 ZB 19.1783 – juris Rn. 14; B.v. 19.8.2019 – 11 ZB 19.1256 – juris Rn. 13; B.v. 4.3.2016 – 11 ZB 15.2682 – juris Rn. 15 m.w.N.; Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 108 Rn. 59). Letzteres ist hier jedoch nicht der Fall. Mit der Behauptung, die jeweiligen Belastungszeugen hätten gelogen, hat der Kläger den strafgerichtlichen Feststellungen nichts Entscheidendes entgegengesetzt und keine neuen Beweismittel angeboten. Seine Mutter, die bei den streitgegenständlichen Straftaten nicht zugegen war, ist als Entlastungszeugin nicht geeignet. Im Übrigen hat das Strafgericht im Urteil vom 29. Oktober 2009 überzeugend dargelegt, aus welchen Gründen es seinen Einlassungen nicht gefolgt ist.
Damit war die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Im Beschwerdeverfahren gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe fallen – anders als im Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz – Gerichtskosten an, wobei eine Kostenerstattung nicht stattfindet (§ 166 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO). Eine Streitwertfestsetzung ist im Hinblick auf die nach § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG anfallende Festgebühr von 60,- EUR jedoch entbehrlich.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).