Medizinrecht

Pflegeversicherung: Erstattungsfähige Kosten einer notwendigen Ersatzpflege

Aktenzeichen  S 21 P 144/18

Datum:
15.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 8514
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB XI § 4 Abs. 3, § 9 Abs. 1, § 36, § 37, § 38, § 39 Abs. 1
SGG § 84 Abs. 1 S. 1, § 193

 

Leitsatz

1. Bei der Pflege nach § 36 SGB XI durch eine zugelassene Pflegeeinrichtung ist es Sache dieser Einrichtung, einen urlaubs- oder krankheitsbedingten Ausfall von Pflegekräften abzudecken. Fällt also eine im Rahmen von § 36 SGB XI tätige Pflegeperson – auch aus den in § 39 SGB XI genannten Gründen – zeitweise aus, ist die Pflege auch in dieser Zeit nach § 36 SGB XI und nicht nach § 39 SGB XI zu erbringen (ebenso BSG BeckRS 2016, 70845 ). (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Inanspruchnahme von Verhinderungspflege besteht nicht unbegrenzt und ohne Prüfungsmöglichkeit hinsichtlich des Einzelfalls. Auch wenn es den Pflegebedürftigen frei steht auf welche Art und Weise sie ihre Pflege organisieren, so setzen dennoch die §§ 4 Abs. 3 und 9 Abs. 1 SGB XI Grenzen. Auch im Pflegeversicherungsrecht gilt, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht übersteigen dürfen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es steht dem Anspruch auf Verhinderungspflege nicht entgegen, dass der Kläger sich selbst auf einer Urlaubsreise befand, weil nicht danach zu unterscheiden ist, ob im Einzelfall die Reisepläne des Pflegebedürftigen Folge der Reisepläne der Pflegeperson waren oder umgekehrt (ebenso BSGBeckRS 2000, 41329). Allein entscheidend ist, dass die Pflegeperson an der Pflege verhindert ist. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die geltend gemachten Kosten für eine Ersatzpflegeperson sind dann nicht erstattungsfähig, wenn erklärtes Ziel einer Reise des Pflegebürftigen ist, lärmintensiven Baumaßnahmen zu entkommen und zu heiraten, da diese Ziele außerhalb des Leistungsbereichs der gesetzlichen Pflegeversicherung stehen.  (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die Klage auf Erstattung von Kosten der Verhinderungspflege gem. § 39 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben, jedoch nicht begründet. Die ablehnenden Bescheide der Beklagten vom 13.06.2018 und vom 04.05.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2018 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger kann die begehrte Kostenerstattung mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht beanspruchen.
1. Zunächst steht einer Entscheidung in der Sache nicht eine etwaige Bestandskraft des Bescheides vom 04.05.2018 entgegen. Zwar hat das Gericht Zweifel ob der Widerspruch vom 12.06.2018 nach § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG form- und fristgerecht erhoben wurde, da die Widerspruchsfrist von einem Monat vermutlich bereits abgelaufen war und das Schreiben vom 12.06.2018 als Antrag formuliert ist und nicht als Widerspruch. Diese Mängel wurde allerdings durch die sachliche Bescheidung des Widerspruchs durch die Beklagte geheilt (vgl. BSG, Urteil vom 12. Oktober 1979 – 12 RK 19/78 -, BSGE 49, 85-92, SozR 2200 § 1422 Nr. 1, SozR 1500 § 84 Nr. 3, Rn. 23; Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 13. Dezember 2017 – L 2 AL 43/17 -, Rn. 17, juris). Es wäre bloße Förmelei, eine solche Heilungsmöglichkeit nach Ermessen der Behörde als „Herrin des Vorverfahrens“ in Fällen ohne Drittbetroffene nicht zuzulassen, weil über die Wiedereinsetzung oder einen Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) jederzeit eine neue Sachprüfung eröffnet wäre.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Ersatzpflege im Zeitraum vom 20.12.2017 – 04.01.2018 und vom 02.05.2018 – 28.05.2018 nach § 39 SGB XI. Es handelt sich nicht um erstattungsfähige Kosten und es liegt keine notwendige Ersatzpflege vor.
Gemäß § 39 SGB XI übernimmt die Pflegekasse die nachgewiesenen Kosten einer notwendigen Ersatzpflege für längstens sechs Wochen je Kalenderjahr, wenn die Pflegeperson wegen Erholungsurlaubs, Krankheit oder aus anderen Gründen an der Pflege gehindert. Voraussetzung ist, dass die Pflegeperson den Pflegebedürftigen vor der erstmaligen Verhinderung mindestens sechs Monate in seiner häuslichen Umgebung gepflegt hat und der Pflegebedürftige zum Zeitpunkt der Verhinderung mindestens in Pflegegrad 2 eingestuft ist.
Der Leistungsumfang hängt von der Pflegeperson ab, die die Ersatzpflege übernimmt. § 39 SGB XI nennt drei Personenkreise: Bei Pflegepersonen, die mit dem Pflegebedürftigen nicht bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert sind und nicht mit ihm zusammenleben (Fremdpflege), richtet sich der Leistungsumfang nach § 39 Absatz 1 Satz 1 und 3 SGB XI. Nachgewiesene Kosten einer notwendigen Ersatzpflege werden für längstens sechs Wochen je Kalenderjahr (§ 39 Abs. 1 Satz1 SGB XI) und bis maximal 1.612 Euro und unter Beachtung der Voraussetzungen des Abs. 2 bis maximal 2418 Euro erstattet. Die Beschränkungen des § 39 Abs. 3 SGB XI gelten für die Fremdpflege nicht. Anders als bei der Angehörigenpflege gem. § 39 Abs. 3 SGB XI wird bei der Pflege durch Nicht-Angehörige folglich die Höhe der durch die Pflegekassen erstattungsfähigen Aufwendungen nicht auf den Betrag des Pflegegeldes nach § 37 SGB XI begrenzt.
In beiden streitigen Zeiträumen wurde die Ersatzpflege durch Frau I., (seit 25.05.2018 Ehefrau des Klägers) erbracht. Bis zu der Hochzeit am 25.05.2018 handelte es sich bei Frau A. um eine Pflegeperson, die mit dem Pflegebedürftigen nicht bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert ist und nicht mit ihm zusammenlebte. Eine eventuell bestehende Verlobung ist von der Regelung nicht erfasst, so dass auch der/die Verlobte unter § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB XI fällt und nicht unter den Begriff der Angehörigenpflege nach § 39 Abs. 3 SGB XI.
Zur Überzeugung der Kammer liegen die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB XI sowohl in dem Zeitraum vom 20.12.2017 bis 04.01.2018 als auch vom 02.05.2018 bis 28.05.2018 nicht vor. Zum einen geht das Gericht davon aus, dass die Ersatzpflege in der durchgeführten Art und Weise nicht notwendig war, zum anderen sind die Kosten nicht erstattungsfähig.
a) Der Kläger war in dem streitigen Zeitraum pflegebedürftig entsprechend des Pflegegrades 2 und erhielt Kombinationsleistungen. Grundsätzlich ist jedoch auch bei Kombinationsleistungen nach § 38 SGB XI eine Verhinderungspflege möglich (vgl. Reimer in: Hauck/Noftz, SGB, 02/18, § 39 SGB XI, Rn. 5).
Das Gesetz geht davon aus, dass ein neben dem Bezug von Pflegesachleistungen bestehender weitergehender Bedarf an Pflegeleistungen in erster Linie von Familienangehörigen oder anderen ehrenamtlich tätigen Pflegepersonen abgedeckt wird. Beim Ausfall dieser Pflegepersonen steht dem Pflegebedürftigen in gleicher Weise wie in den Fällen, in denen er die häusliche Pflege ausschließlich durch ehrenamtlich tätige Pflegepersonen sicherstellt, ein Anspruch auf die zusätzlichen Leistungen nach § 39 SGB V zu. Maßgebend ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers, dass die Notwendigkeit der Beschaffung einer Ersatzpflege für den von der Pflegesachleistung nicht abgedeckten Bereich bei typisierender Betrachtung in gleicher Weise zusätzliche Kosten verursacht. (BSG vom 17.01.1996, 3 RK 4/95).
b) Die private Pflegeperson des Klägers Herr H. war in den beiden oben genannten Zeiträumen nach Angabe des Klägers verhindert.
Auf die Verhinderung der für die C. tätigen Pflegekräfte Frau O. und Frau E. kommt es nicht an, da nach dem Zweck der Vorschrift professionelle Pflegekräfte im Sinne der §§ 36, 71, 77 SGB XI nicht verhinderte Pflegepersonen im Sinne des § 39 sein können. Bei der Pflege nach § 36 durch eine zugelassene Pflegeeinrichtung ist es Sache dieser Einrichtung, einen urlaubs- oder krankheitsbedingten Ausfall von Pflegekräften abzudecken. Fällt also eine im Rahmen von § 36 tätige Pflegeperson – auch aus den in § 39 genannten Gründen – zeitweise aus, ist die Pflege auch in dieser Zeit nach § 36 und nicht nach § 39 zu erbringen (vgl. BSG, Urteil vom 20. April 2016 – B 3 P 4/14 R -, BSGE 121, 108-119, SozR 4-3300 § 34 Nr. 3, Rn. 29; KassKomm/Leitherer, 101. EL September 2018, SGB XI § 39 Rn. 7-13; Reimer in: Hauck/Noftz, SGB, 02/18, § 39 SGB XI, Rn. 3). Es ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass in dem streitigen Zeitraum Pflegesachleistungen für den Kläger verfügbar waren.
c) Das Gericht ist jedoch davon überzeugt, dass die Inanspruchnahme von Ersatzpflege in der stattgehabten Art und Weise sowohl im Zeitraum vom 20.12.2017-04.01.2018 als auch im Zeitraum vom 02.05.2018-28.05.2018 nicht notwendig war.
An der in § 39 Satz 1 SGB XI vorausgesetzten „Notwendigkeit“ der Ersatzpflege wegen Verhinderung der Pflegeperson kann es fehlen, wenn dem Pflegebedürftigen eine Umdisposition zumutbar gewesen ist (vgl. BSG, Urteil vom 6. 6. 2002 – B 3 P 2/02 R, NZS 2003, 213) oder wenn ein Fall evidenten Missbrauchs (vgl. Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, SGB XI § 39 Rn. 15, BAYERN.RECHT) vorliegt. Zwar ist es dem Pflegebedürftigen – anders als bei der Pflegesachleistung nach § 36 SGB XI – überlassen, in welcher Art und Weise und zu welchem Preis er seine Verhinderungspflege sicherstellt. Der Pflegebedürftige ist auch nicht verpflichtet, aus dem vielfältigen Angebot die kostengünstigste Möglichkeit zu wählen. Nach der Rechtsprechung des BSG hat der Gesetzgeber unwirtschaftlichem Verhalten schon durch den nur begrenzten zeitlichen Rahmen und die Beschränkung auf Höchstbeträge vorgebeugt (Wiegand in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XI, 2. Aufl. 2017, § 39 SGB XI, Rn. 31). Die Inanspruchnahme von Verhinderungspflege besteht aber nicht unbegrenzt und ohne Prüfungsmöglichkeit hinsichtlich des Einzelfalls. Auch wenn es den Pflegebedürftigen frei steht auf welche Art und Weise sie ihre Pflege organisieren, so setzen dennoch die §§ 4 Abs. 3 und 9 Abs. 1 SGB XI Grenzen. Auch im Pflegeversicherungsrecht gilt, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht übersteigen dürfen. Leistungen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, können Pflegebedürftige nicht beanspruchen, dürfen die Pflegekassen nicht bewilligen und dürfen die Leistungserbringer nicht zu Lasten der sozialen Pflegeversicherung bewirken. Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 12/5262, S. 91) formuliert dies so: „Die Vorschrift macht deutlich, daß der notwendige Standard pflegerischer Leistungen gewährleistet wird, Leistungen im Übermaß jedoch ausgeschlossen sind.“.
Nach Auffassung der Kammer kann die Frage, wann ein Übermaß an Leistungen vorliegt nur anhand der konkreten, individuellen Situation des Pflegebedürftigen und seinem Hilfebedarf geprüft werden. Bezüglich der Pflegebedürftigkeit des Klägers ist dabei ausweislich des Sachverständigengutachtens der Frau Dr. K. in dem Verfahren S 21 P 1/18 von einem Hilfebedarf des Klägers in dem Bereich Selbstversorgung und wegen seiner Ängste auszugehen. Bei der Begutachtung durch Frau Dr. K. hat der Kläger jedoch angegeben, dass seine Pflegeperson Herr H. bereits seit acht Tagen nicht bei ihm war. Dennoch befand der Kläger sich bei dem Hausbesuch in einem gepflegten Zustand. Der Kläger war außerdem in der Lage die Reise von A-Stadt nach B. allein zu bewältigen. Seinen Hilfebedarf deckt der Kläger durch Kombinationsleistungen, d.h. er deckt einen Teil seines Hilfebedarfs über einen Pflegedienst ab. Bezüglich der ambulanten Hilfeleistungen durch einen Pflegedienst kommt ein Anspruch auf Verhinderungspflege nicht in Betracht, da es Sache des Pflegedienstes ist einen Ausfall der Pflegeperson aufzufangen und eine andere Pflegeperson zu schicken (vgl. dazu oben unter b)).
aa) Dies zugrunde gelegt handelt es sich nach Auffassung des Gerichts in dem Zeitraum vom 20.12.2017-04.01.2018 nicht um notwendige Ersatzpflege.
Nach Auffassung der Kammer durfte der Kläger die in diesem Zeitraum ausgefallene Hilfe des Herrn T.H. nicht dadurch überbrücken, dass er eine Ersatzpflegeperson aus T. einfliegen ließ. Die Kammer sieht hier ein Übermaß an Leistungen als gegeben an, welches die durch §§ 4 Abs. 3 und 9 Abs. 1 SGB XI gezogenen Grenzen überschreitet und daher von der Pflegekasse nicht erstattet werden muss.
Es erscheint dem Gericht zumutbar, dass der Kläger für die Zeit der Verhinderung seiner privaten Pflegeperson umdisponiert und in dieser Zeit entweder erhöhte Pflegesachleistungen durch den Pflegedienst in Anspruch nimmt oder mit seinen durchaus vorhandenen eigenen Ressourcen diese Zeit überbrückt. Ausgefallen ist in dem Zeitraum vom 20.12.2017-04.01.2018 nur die Hilfe, die der Kläger von seiner privaten Pflegeperson Herrn T.H. erhielt. Von der gesetzlichen Konzeption her kann die Leistung eines ambulanten Pflegedienstes nicht unter den Begriff der „Verhinderungspflege“ fallen, da es bei Ausfall einer professionellen Pflegekraft Aufgabe des Pflegedienstes ist, einen Ersatz zur Verfügung zu stellen. Der Kläger kam auch in anderen Zeiträumen allein bzw. mit Hilfe des Pflegedienstes ohne seine private Pflegeperson zurecht. Der Kläger konnte ausweislich des Gutachtens der Frau Dr. K. beispielsweise einen Zeitraum von acht Tagen ohne seine private Pflegperson ohne Pflegedefizite überwinden. Der Kläger war ebenso in der Lage ohne Hilfe den Flug nach T. zu bewältigen und sich in T. zurechtzufinden.
Darüber hinaus erscheint dem Gericht die Anreise einer Pflegeperson aus T. zur Überwindung eines Pflegedefizites von 15 Tagen auf keinen Fall notwendig, geboten und vertretbar. Zwar enthält das Gesetz keine Einschränkung dahingehend, dass die Verhinderungspflege durch einen inländischen Anbieter/inländische Pflegeperson erbracht werden muss. Es steht für das Gericht jedoch außer Frage, dass es keinesfalls Wille und Zweck des Gesetzes war, die ausgefallene Hilfeleistung durch Anreise einer Pflegeperson über mehrere tausend Kilometer mit dem Flugzeug zu ermöglichen. Nach Auffassung des Gerichts bewegt sich der Kläger mit seinem Vorgehen außerhalb des rechtlich zulässigen Rahmens und hat Leistungen im Übermaß in Anspruch genommen, die nicht von der Pflegekasse zu übernehmen sind. Dies gilt im vorliegenden Fall im Besonderen, da es sich bei der Pflegeperson um seine spätere Ehefrau handelte und daher nach Auffassung der Kammer der private Zweck der Reise im Vordergrund stand und nicht die Pflege.
Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte tatsächlich bereits die Flugkosten der Ersatzpflegeperson übernommen und dem Kläger erstattet hat. Diese Bewilligung ist bestandkräftig geworden und steht nicht zu einer Überprüfung an. In dem hiesigen Klageverfahren bezüglich der Nachforderung ist die Frage der Notwendigkeit der Ersatzpflege für die vom Kläger geltende gemachte Nachforderung jedoch erneut zu prüfen und das Gericht kommt vorliegend zu einer anderen Einschätzung als die Beklagte.
bb) Auch bei dem für den Zeitraum vom 02.05.-28.05.2018 geltend gemachten Erstattungsanspruch, handelt es sich nach Auffassung der Kammer nicht um notwendige Ersatzpflege.
Keinesfalls kann der Kläger die eigenen Flug-, Taxi- und Unterbringungskosten in B. und Kosten für eine Reiserücktrittsversicherung etc. von der Pflegekasse erstattet bekommen. Diese Kosten sind von § 39 SGB XI nicht erfasst, denn es handelt sich nicht um Kosten, die bei der Ersatzpflegeperson entstanden sind, sondern um eigene Aufwendungen des Klägers für private Zwecke. Diese sind offensichtlich nicht erstattungsfähig nach § 39 SGB XI.
Ausgeschlossen ist auch die Übernahme der Kosten für das Notebook, das der Kläger der Ersatzpflegeperson und späteren Ehefrau übergeben hat und dessen Kosten er von der Pflegekasse ersetzt bekommen haben möchte. Bei den Kosten für ein Notebook handelt es sich nicht um erstattungsfähige Kosten seitens der Pflegekasse.
Aber auch die Kosten für den Flug und die Taxifahrten der Ersatzpflegeperson Frau I. von ihrem Wohnort in T. nach B., ihr Verdienstausfall und die sonstigen von ihr geltend gemachten Forderungen sind von der Beklagten nicht gem. § 39 Abs. 1 SGB XI zu erstatten. Die geltend gemachten Kosten sind nicht durch den Ausfall des Herrn H. bedingt, sondern private Aufwendungen für eine Urlaubsreise/Hochzeit, die nicht von der Pflegekasse zu erstatten sind.
Der Anspruch nach § 39 SGB XI ist grundsätzlich auf Fälle beschränkt, in denen die Verhinderung der Pflegeperson darauf beruht, dass die Pflegeperson Erholungsurlaub benötigt. Dies bedeutet jedoch nach der Rechtsprechung des Bundsozialgerichts nicht, dass allein die Urlaubspläne der Pflegeperson die Notwendigkeit, sich um eine Verhinderungspflege zu kümmern, ausgelöst haben müssen. Es ist nicht danach zu unterscheiden, ob im Einzelfall die Reisepläne des Pflegebedürftigen Folge der Reisepläne der Pflegeperson waren oder umgekehrt (BSG, Urteil vom 17. Mai 2000 – B 3 P 9/99 R -, SozR 3-3300 § 39 Nr. 3, Rn. 26). Allein entscheidend ist, dass die Pflegeperson – wie hier Herr H. – an der Pflege verhindert ist. Es steht dem Anspruch auf Verhinderungspflege daher nicht entgegen, dass der Kläger sich selbst auf einer Urlaubsreise befand. Bei einem bis zu sechswöchigen Auslandsaufenthalt können Versicherte auch im Ausland Leistungen der Verhinderungspflege in Anspruch nehmen (BSG, Urteil vom 20. April 2016 – B 3 P 4/14 R -, BSGE 121, 108-119, SozR 4-3300 § 34 Nr. 3).
Dennoch sind nach Auffassung der Kammer auch die von der Ersatzpflegeperson geltend gemachten Kosten nicht erstattungsfähig. Erklärtes Ziel dieser Reise des Klägers war es – wie dieser selbst vorträgt – den lärmintensiven Baumaßnahmen zu entkommen und Frau I. zu heiraten. Diese Ziele stehen außerhalb des Leistungsbereichs der gesetzlichen Pflegeversicherung. Der private Zweck der Reise zeigt sich im Besonderen daran, dass der Kläger nicht an den Wohnort seiner späteren Ehefrau geflogen ist, wo die Pflege ja auch hätte stattfinden können, sondern lediglich nach B.. Dort hat er in verschiedenen Hotels übernachtet. Seine Ehefrau flog dann ebenfalls mit dem Flugzeug nach B.. Dies zeigt deutlich, dass im Vordergrund der Reise die Eheschließung und ein privater Urlaub stand und nicht die Organisation der Pflege. Diese Ziele hat der Kläger mit seinen eigenen Mitteln zu erreichen und kann keinesfalls mit Mitteln der Pflegeversicherung gezahlt werden.
Dies gilt ebenso für die Kosten der Ersatzpflegeperson. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich um einen Fall evidenten Missbrauchs der Leistungen. Der Kläger begehrt die Anreise seiner zukünftigen Ehefrau nach B. zum Zweck der Eheschließung von der Pflegekasse ersetzt zu bekommen, da diese ihn pflegen müsse. Zum einen gilt auch hier, dass nach Auffassung der Kammer der individuelle Pflegebedarf des Klägers keinen pflegerischen Einsatz über 24 h pro Tag erfordert – eine solche Pflegemöglichkeit steht dem Kläger auch zu Hause in seinem Alltag nicht zu. Zum anderen tritt angesichts der Bedeutung einer Eheschließung nach Auffassung der Kammer die Pflege als Zweck der Reise zurück. Es war Sinn und Zweck der Reise – auch auf Seiten der Ersatzpflegeperson – die Ehe mit dem Kläger zu schließen. Diese Kosten können jedoch nicht von der Pflegekasse übernommen werden, sondern müssen privat finanziert werden.
Die Klage war daher abzuweisen.
3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.

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