Aktenzeichen 240 C 8203/16
KHEntgG § 17 Abs. 3 S. 1
Leitsatz
Eine Wahlleistungsvereinbarung zwischen einem Patienten und einem Krankenhaus, wonach eine Person als Wahlarzt eingetragen wird, die weder Angestellter noch verbeamteter Arzt des Krankenhauses ist, ist gemäß § 134 BGB iVm § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG nichtig. § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG legt den Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte abschließend fest. (Rn. 19 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.656,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 05.08.2016 zu bezahlen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.656,19 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet.
A.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Rückforderungsanspruch aus abgetretenem Recht nach §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1, 398 BGB zu.
I.
Der Beklagte erhielt durch Leistung der Patienten Pi. und Bl. insgesamt 2.656,19 €.
II.
Diese Leistung erfolgte ohne rechtlichen Grund. Die Wahlleistungsvereinbarungen sind unwirksam.
1. Patient Pi.
Die Wahlleistungsvereinbarung des Patienten Pi. enthielt u. a. die Vereinbarung von Wahlleistungen für „ärztliche Leistungen aller an der Behandlung beteiligten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistung berechtigt sind, …“. Für die Fachabteilung Neurochirurgie war als Wahlarzt der Beklagte eingetragen.
Diese Wahlleistungsvereinbarung ist gemäß § 134 BGB i.V.m. § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG nichtig. Der Kreis der in Betracht kommenden Wahlärzte wird durch § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG abschließend festgelegt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der ausdrücklichen Aufführung des Beklagten als Wahlarzt.
a) § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG legt fest, dass sich eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten angestellten oder verbeamteten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen im Rahmen der vollstationären oder teilstationären sowie einer vor- und nachstationären Behandlung berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtung außerhalb des Krankenhauses erstreckt.
b) Unstreitig ist der Beklagte weder angestellter noch verbeamteter Arzt des St. Th.-Krankenhauses in N
c) Aus Sicht des Gerichtes legt § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG den Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte abschließend fest. Dies kann aus Sicht des Gerichts auch nicht durch Einsetzen des Beklagten in der Wahlleistungsvereinbarung umgangen werden. Das Gericht schließt sich der Entscheidung des Bundesgerichtshofes, Urteil vom 16.10.2014, Az. III ZR 85/14 an. Auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Beschluss vom 03.03.2015, Az. 1 BvR 3226/14 kommt das Gericht zu keinem anderen Ergebnis.
Dazu im Einzelnen:
(1.)
Der Wortlaut von § 17 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG ist eindeutig. Der Kreis der liquidationsberechtigen Ärzte wird in der Norm ohne Einschränkungen – wie „zum Beispiel“ oder „inbesondere“ – positiv beschrieben wird. Damit wird zugleich negativ geregelt, dass anderen Ärzten ein solches Liquidationsrecht nicht zusteht. Andernfalls würde durch einfache Vereinbarung mit den Patienten der in der Norm zum Ausdruck gebrachten Begrenzung leerlaufen. (BGH, aaO, Rdzeichen 24, BVerfG, aaO, Rn. 23).
(2.).
Auch aus systematischen Gründen kann keine andere Auslegung erfolgen. § 17 KHEntgG regelt die Wahlleistungen. § 18 KHEntgG regelt das Belegarztwesen. In § 19 KHEntgG, der § 17, 18 KHEntgG ergänzt, differenziert der Gesetzgeber zwischen Leistungen der Belegärzte in Absatz 1 und wahlärztlichen Leistungen in Abs. 2, die ein „Arzt des Krankenhauses“ nach § 17 Abs. 3 KHEntgG gesondert berechnen darf. § 19 Abs. 3 KHEntgG befasst sich mit der Kostenerstattung bei sonstiger voll- oder teilstationären Leistung, mithin Leistung, die der Arzt berechnen darf, die aber nicht unter § 17 Abs. 3 fallen. In dieser Regelung kommt damit der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass externe Ärzte keine wahlärztlichen Leistungen abrechnen können (zu alledem BGH, aaO, Rdnr. 28).
(3.)
Auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm folgt, dass der Kreis liquidationsberechtigter Ärzte stets weiter eingeschränkt wurde und zuletzt auf „angestellte und verbeamtete Ärzte des Krankenhauses“ begrenzt wurde. Auch insofern wird auf BGH aaO, Rdzeichen 30, verwiesen.
(4.)
Auch die theologische Auslegung von § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG bestätigt die abschließende Regelung. In § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG kommt zum Ausdruck, dass wahlärztliche Leistung „als Einheit“ angeboten und erbracht werden, um Probleme mit der Abrechnung zu vermeiden. (BVerfG, aaO, Rn. 24).
Ein weiterer Zweck der Regelung ist darin zu sehen, dass sich die behandelnden Ärzte des Krankenhauses im großen Maße der Mitarbeit der nachgeordneten Ärzte bedienen (müssen), so dass auch diese an den Einnahmen aus der Privatliquidation beteiligt werden sollen. Eine solche Beteiligung an der Abrechnung kann jedoch nur erfolgen, wenn der behandelnde Arzt im Krankenhaus angestellt oder verbeamtet ist (BVerfG, aaO).
(5.)
Von dieser Auslegung sind auch nicht aus Verfassungsgründen (Art. 12 Grundgesetz) Ausnahmen zu machen. Soweit das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung offen ließ, ob die Auslegung, wonach § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG die liquidationsberechtigten Ärzte abschließend festlegt, auch gilt, wenn der Arzt, wie hier, als Wahlarzt oder gewünschter Stellvertreter aufgeführt ist, kommt das Gericht zu keinem anderen Ergebnis. Auch unter Berücksichtigung von Art. 12 GG (Berufsfreiheit) kann es zu keiner anderen Auslegung kommen. Selbst wenn man zu einem Eingriff in Art. 12 GG käme, so wäre dieser zumindest gerechtfertigt. Die Rechtfertigung beruht vor allem auf der unter (4.) dargelegten Überlegung, dass eine über die Standardvergütung hinausgehende Vergütung von wahlärztlichen Leistungen zwingend einschließt, dass sich der liquidationsberechtigte Arzt den nachgeordneten Ärzten und Mitarbeitern des Krankenhauses bedient. Diese müssen daher an der gesonderten Liquidation beteiligt werden. Dies ist bei einem externen Arzt jedoch ausgeschlossen. Er ist den nachgeordneten Ärzten und Mitarbeitern nicht zahlungsverpflichtet.
(6.)
Auch § 17 Abs. 2 KHEntgG erweitert den Kreis der liqudationsberechtigten Wahlärzte nicht. § 17 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG betrifft nur sog. medizinische Wahlleistungen und nicht die Person des Leistenden (BGH, aaO, Rdnr. 21).
(7.)
Bei § 17 Abs. 3 Satz 1 GKEntgG handelt es sich um ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB (BGH, aaO).
2. Patientin Bl.
Auch hinsichtlich der Patientin Bl. ist aus den oben genannten Gründen die Wahlleistungsvereinbarung nichtig.
Zusätzlich ist insofern zu beachten, dass der Beklagte noch nicht einmal als Wahlarzt eingetragen war. Soweit der Beklagte meint, es seine Eintragung ergebe sich automatisch daraus, dass das Krankenhaus keine besondere Abteilung der Neurochirurgie besitze, ist eine solche Auslegung schon nach § 305 c Abs. 2 BGB nicht möglich. Gemäß § 305 c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingung zu Lasten des Verwenders. Bei der Wahlleistungsvereinbarung handelt es sich offensichtlich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 BGB. Die Auslegung des Beklagten, dass eine Nichteintragung automatisch eine gewollte Eintragung ergebe, weil das Krankenhaus über keine eigene Neurochirurgie verfüge, ist zweifelhaft.
III.
Die Ansprüche wurden wirksam abgetreten.
B.
Der Anspruch auf die ausgeurteilten Zinsen beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.