Medizinrecht

Polizeidiensttauglichkeit

Aktenzeichen  M 5 K 15.5658

Datum:
26.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG BayBG Art. 128 Abs. 1 S. 1
FachV-Pol/VS FachV-Pol/VS § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 6
BeamtStG BeamtStG § 9
GG GG Art. 33 Abs. 5

 

Leitsatz

Die Feststellung der Polizeidiensttauglichkeit setzt eine über die aktuelle Dienstfähigkeit hinausgehende, die Zeit bis zum Erreichen der Regelaltersrente betreffende Prognose voraus, ob der Bewerber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dauernd dienstfähig sein wird. Grundlage dieser Prognose sind im Einzelfall vorliegende tatsächliche Anhaltspunkte, die regelmäßig durch einen Mediziner auf einer fundierten medizinischen Tatsachenbasis zu ermitteln sind (ebenso BVerwG BeckRS 2013, 58696).  (redaktioneller Leitsatz)
Zwar können zur Erstellung einer Prognose über die Diensttauglichkeit eines Bewerbers auch generalisierende Dienstvorschriften herangezogen werden. Stehen aber medizinisch-prognostische Tatsachenfragen im Raum, bei deren Beantwortung es auf den rechtlich zutreffenden Prognosemaßstab ankommt, bedarf es einer individuellen medizinischen Begutachtung des Bewerbers (Parallelentscheidung zu OVG LSA BeckRS 2014, 55160).  (redaktioneller Leitsatz)
Es ist nachvollziehbar, dass eine Krampfaderoperation im jugendlichen Alter auf eine Bindegewebsschwäche hindeutet, die die dienstliche Verwendung eines Polizeivollzugsbeamten einschränkt. Das Fehlen von statistischen Daten hierzu kann dieser negativen Prognose nicht entgegengehalten werden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Einstellung in die zweite Qualifikationsebene des Polizeivollzugsdienstes. Der Bescheid des Präsidiums der Bayerischen Bereitschaftspolizei vom 4. Mai 2015 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 16. November 2015 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die mit dem Hauptantrag verfolgte Einstellung in den Polizeivollzugsdienst als Beamtin auf Widerruf in den Vorbereitungsdienst (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), da es ihr an der hierfür erforderlichen gesundheitlichen Eignung in Form der Polizeidiensttauglichkeit fehlt (§ 9 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern – Beamtenstatusgesetz/BeamtStG). Das ist als Einstellungsvoraussetzung in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 der Verordnung über die Fachlaufbahn Polizei und Verfassungsschutz/FachV-Pol/VS ausdrücklich genannt. Nach Art. 128 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Beamtengesetzes/BayBG müssen Polizeivollzugsbeamte den besonderen Anforderungen an den Polizeivollzugsdienst genügen. Das sind gesundheitliche Anforderungen, die über die allgemeine gesundheitliche Eignung von Beamten hinausgehen. Der Polizeivollzugsdienst stellt besondere körperliche Anforderungen an die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit sowie an die seelische Belastbarkeit (Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Februar 2016, Art. 128 BayBG Rn. 10 ff.).
a) Die gesundheitliche Eignung eines im Zeitpunkt der Einstellungsuntersuchung dienstfähigen Beamtenbewerbers kann im Hinblick auf die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe oder eine chronische Erkrankung mit progredientem Verlauf verneint werden (BVerwG, U. v. 25.7.2013 – 2 C 12.11 – BVerwGE 147, 244).
Die gegenwärtig vorhandene gesundheitliche Eignung kann wegen künftiger Entwicklungen nur verneint werden, wenn durch tatsächliche Anhaltspunkte, die in aller Regel ein Mediziner auf einer fundierten medizinischen Tatsachenbasis für die Prognose auf der Grundlage allgemeiner medizinischer Erkenntnisse und der gesundheitlichen Verfassung des Bewerbers erstellen muss, belegt werden kann, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen ist (so unter Aufgabe seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung: BVerwG, U. v. 25.7.2013, a. a. O.).
Dieser neue Prognosemaßstab zur Feststellung der (Polizei-)Diensttauglichkeit ist auch bei der Anwendung der Polizeidienstvorschrift „Ärztliche Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und der Polizeidienstfähigkeit“ (PDV 300) zu beachten, denn deren besondere Bestimmungen enthalten Erfahrungssätze und führen dementsprechend Gesundheitsbeeinträchtigungen generalisierend und typisierend zum Teil katalogartig auf (vgl. BVerwG, B. v. 3.6.2004 – 2 B 52/03 – juris Rn. 5). Stehen aber medizinisch-prognostische Tatsachenfragen im Raum, bei deren Beantwortung es – wie im gegebenen Fall – auf den rechtlich zutreffenden Prognosemaßstab ankommt, bedarf es einer weitergehenden individuellen medizinischen Begutachtung des Beamtenbewerbers (OVG LSA, B. v. 14.7.2014 – 1 M 69/14 – DÖD 2014, 279, juris Rn. 7 ff.).
Während die Polizeidiensttauglichkeit die „gesundheitliche Eignung für die Einstellung in den Polizeivollzugsdienst“ betrifft, bezeichnet die Polizeidienstfähigkeit die „gesundheitliche Fähigkeit, Polizeivollzugsdienst zu leisten“ (Nr. 1.2 PDV 300; vgl. zu einem solchen Fall: BayVGH, B. v. 15.1.2014 – 3 ZB 13.1074 – juris Rn. 13 f.). Daran anknüpfend ergeben sich unterschiedliche Voraussetzungen für die Annahme der Polizeidienstfähigkeit einerseits und die Polizeidiensttauglichkeit andererseits.
Für die Bejahung der (allgemeinen) Dienstfähigkeit ist es ausreichend, dass der Beamte (aktuell) in der Lage ist, (gegebenenfalls auch trotz vorliegender gesundheitlicher Beeinträchtigungen) die ihm obliegenden Dienstpflichten seines abstrakt-funktionelles Amtes zu erfüllen. Mit Blick auf die besonderen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes setzt die Polizeidienstfähigkeit voraus, dass der Polizeivollzugsbeamte zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden Stellung einsetzbar ist (VG Düsseldorf, U. v. 16.9.2015 – 2 K 83/15 – juris Rn. 40 m. w. N.; BVerwG, U. v. 3.3.2005 – 2 C 4.04 – ZBR 2005, 308, juris Rn. 9).
Die Polizeidiensttauglichkeit, also die gesundheitliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst, verlangt hingegen eine über die aktuelle Dienstfähigkeit hinausgehende, die Zeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze betreffende Prognose, ob der Bewerber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (künftig) dauernd polizeidienstunfähig oder bis zum Eintritt in den Ruhestand regelmäßig erhebliche Ausfallzeiten aufweisen werden wird.
Die unterschiedlichen Anforderungen an die Polizeidienstfähigkeit und Polizeidiensttauglichkeit sind mit Blick auf die verschiedenen Zielsetzungen gerechtfertigt. Die Feststellung der Polizeidienst(un)fähigkeit ist dafür maßgeblich, ob der Polizeivollzugsbeamte derzeit seinen Dienst ausüben kann, oder ob möglicherweise – wegen gesundheitlicher Einschränkungen – seine Zurruhesetzung oder ein Laufbahnwechsel einzuleiten ist. Dagegen dient die Feststellung der Polizeidiensttauglichkeit dem Zweck, eine Abschätzung über die Entwicklung der Dienstfähigkeit über die gesamte Dienstzeit bis zur Regelaltersgrenze zu treffen. Dies folgt aus dem Lebenszeit- und Alimentationsprinzip (Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland/GG), die den Dienstherrn zur lebenslangen Versorgung der Ruhestandsbeamten verpflichten. Daher verleihen sie dem Interesse des Dienstherrn an einem ausgewogenen zeitlichen Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit der Beamten einen verfassungsrechtlichen Stellenwert. Durch die Festlegung der Höchstaltersgrenze für die Verbeamtung und der Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand bringen Gesetz- und Verordnungsgeber zum Ausdruck, welche Lebensdienstzeit angemessen ist, um die Altersversorgung zu erdienen. Dementsprechend kann der Dienstherr unter Berufung auf den gesundheitlichen Zustand des Bewerbers die Begründung eines Beamtenverhältnisses ablehnen, wenn absehbar ist, dass bei diesem das angemessene Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit voraussichtlich spürbar gestört sein wird (BVerwG, U. v. 30.10.2013 – 2 C 16/12 – BVerwGE 148, 204).
Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn bei der Einstellung in den Polizeivollzugsdienst ein über die aktuelle Polizeidienstfähigkeit hinausgehender Gesundheitszustand verlangt wird. Ebenso ist es sachgerecht, an die Beurteilung der Polizeidienstfähigkeit wegen der sich über viele bzw. regelmäßig sogar mehrere Jahrzehnte erstreckenden Dienstzeit und dem damit ohnehin einhergehenden natürlichen Rückgangs der physischen Leistungsfähigkeit abweichende Anforderungen zu stellen (vgl. zum Ganzen: OVG NRW, B. v. 26.3.2015 – 6 A 1443/14 – ZBR 2016, 66 (Ls.), juris Rn. 7 ff. m. w. N.; VG Berlin, U. v. 22.1.2014 – 7 K 117.13 – ZBR 2014, 263, juris Rn. 22; offen: VG Düsseldorf, U. v. 16.9.2015 – 2 K 83/15 – juris Rn. 53; VG Gießen, U. v. 17.9.2014 – 5 K 1123/13.GI – juris Rn. 18).
b) Der als Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vernommene Amtsarzt Leitender Medizinaldirektor Dr. K. ist der Leiter des Sachgebiets Einstellungsuntersuchung beim Ärztlichen Dienst der Bayerischen Polizei. Ihm kommt aufgrund der Kenntnis der gesundheitlichen Anforderungen an den Polizeivollzugsdienst sowie der Distanz zum Bewerber wie zum Dienstherrn eine besondere Sachkunde zu (BayVGH, B. v. 15.1.2014 – 3 ZB 13.1074 – juris Rn. 18). Da Dr. K. die Klägerin nicht selbst untersucht hat, war er als Sachverständiger zu vernehmen (Proksch, BayVBl 1976, 649).
Der Sachverständige hat dargelegt, dass ausgehend von dem Umstand, dass bei der Klägerin bereits im Alter von 19 Jahren eine Krampfaderoperation durchgeführt werden musste, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt der Polizeidienstunfähigkeit der Klägerin vor Erreichen der Regelaltersgrenze zu rechnen ist. Diese Ausführungen sind nachvollziehbar und überzeugend.
Der Sachverständige hat den zutreffenden Prognosemaßstab für die Polizeidienst-tauglichkeit (vgl. hierzu oben a) und insbesondere zu Recht die Anforderung zugrunde gelegt, dass ein Polizeivollzugsbeamter zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden Stellung einsetzbar sein muss. Ausgehend von Nr. 8.7 der PDV 300, nach der eine ausgeprägte Varikosis zur Verschlimmerung neigt, insbesondere wenn sie mit anderen deutlichen Zeichen einer Bindegewebsschwäche verbunden ist, hat der Sachverständige eine Bewertung der Polizeidiensttauglichkeit der Klägerin im Einzelfall vorgenommen.
Es ist nachvollziehbar, dass anhand statistischer Daten eine Krampfaderoperation bei einer 19-jährigen Frau als medizinisch außergewöhnlich angesehen wird, da in diesem jungen Lebensalter ein solcher Eingriff sehr selten ist. Hinzu kommt die erhebliche Ausbildung des Krankheitsbildes bei der Klägerin von HACH III auf der von HACH I bis IV je nach Schweregrad aufsteigenden medizinischen Einteilung der Stammveneninsuffizienz (vgl. Schreiben des Sachverständigen vom 8.10.2015 im Verwaltungsverfahren). Ebenso überzeugt, dass der Arzt im weiteren Verlauf wieder mit dem Auftreten eines entsprechenden Krankheitsbildes bei der Bewerberin rechnet. Hinzu kommt die allgemeine Tendenz, dass sich mit zunehmendem Lebensalter verstärkt Krampfadern ausbilden. Bei einem Fortschreiten der Erkrankung wurden erhebliche Beschwerden wie etwa Schwellung der Beine, Schädigung der Haut und Gefahr einer Thrombose geschildert. Daher ist es nachvollziehbar und überzeugt, wenn der Sachverständige zur Schlussfolgerung kommt, dass die Klägerin Situationen als gesundheitlich nicht zumutbar darstellen wird, in denen eine Belastung der Venen besonders hoch ist. Denn im Polizeivollzugsdienst kommt es zu längeren Phasen eines beengten Sitzens in Kraftwagen oder zu längerem Stehen bei Kontrollen oder Verkehrsregelungen. Diese Tätigkeiten belasten die Venen besonders, da der Rückfluss des Blutes durch die Körperhaltung ungünstig beeinflusst wird. Treten jedoch Krampfadern auf, wird ein Betroffener diese Situationen umgehen, um keine Verschlimmerung des Leidens bzw. auch bereits aufgetretener Beschwerden hinnehmen zu müssen. Entsprechend wird ein Beamter dann angeben, dass ihm bestimmte Einsätze/Tätigkeiten gesundheitlich nicht zumutbar sind, bei denen die Venen besonders belastet sind. Das schränkt die dienstliche Verwendung eines Polizeivollzugsbeamten ein. Außerdem sind Beine, in denen Krampfadern auftreten, aufgrund der dünnwandigeren Gefäße und der höheren Blutmenge im Bein verletzungsgefährdeter. Das ist alles vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Klägerin ab der Einstellung eine ganz erhebliche Dienstzeit (über 40 Jahre) vor sich hat, was das Risiko des erneuten Auftretens von Krampfadern erhöht.
Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass es keine Statistik gibt, in welchem Verhältnis Dienstunfähigkeit aufgrund von Venenleiden im Verhältnis zu anderen Erkrankungen festgestellt sind bzw. welche Ausprägungen der Erkrankung in welchem Lebensalter bei einer Venenerkrankung des Grades einer operativ versorgten HACH III – Venenerkrankung auftreten. Das Fehlen von statistischen Daten kann der negativen Prognose nicht entgegen gehalten werden. Die für die Klägerin negative Prognose ist für das Gericht anhand der konkreten Umstände des vorliegenden Falls plausibel und nachvollziehbar. Bei einer ausgeprägten Insuffizienz einer Stammvene (HACH III), die im Alter vom 19 Jahren operativ versorgt wurde, ist es schlüssig, wenn der Sachverständige – auch ohne dass hierzu statistische Daten vorliegen – von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit mit einer Polizeidienstunfähigkeit der Betroffenen vor Erreichen des regulären Ruhestandeintrittsalters von 62 Jahren (Art. 129 Satz 1 BayBG für Polizeivollzugsbeamte) aufgrund einer Einschränkung der umfassenden Einsatzfähigkeit ausgeht.
Die von der Klagepartei vorgelegten Atteste von Dr. T. vom 4. Mai 2015 und von Dr. R. vom 15. Dezember 2015 lassen die besonderen Belastungssituationen für Venen im Polizeivollzugsdienst außer Betracht. Darauf ist der Sachverständige jedoch ausführlich eingegangen.
Auch der Gesichtspunkt, dass durch das ständige Tragen von Kompressionsstrümpfen die Prognose in der Weise beeinflusst werden kann, dass dann nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mit einer Polizeidienstunfähigkeit vor Erreichen der regulären Altersgrenze zu rechnen ist – was der Sachverständige ausdrücklich angegeben hat – verhilft der Klage nicht zum Erfolg. Denn das setzt voraus, dass die Klägerin über 40 Jahre ständig Kompressionsstrümpfe tragen müsste, außer im Liegen. Wie der Sachverständige bemerkt hat, hält er das nur für ein theoretisches Konstrukt. Denn er rechnet aufgrund seiner praktischen Lebenserfahrung nicht damit, dass eine Person jeden Tag solche, als unangenehm empfundene Strümpfe trägt, die das ganze Bein bedecken. Das wäre auch – gerade im privaten Bereich – nicht zu überwachen. Die Anordnung einer solchen Auflage zur Herstellung der Polizeidiensttauglichkeit ist als unzumutbar anzusehen, da sie aufgrund der Dauer – bis auf Liegen ganztägig über einen Zeitraum von nahezu 40 Jahren – erheblich in die private Lebensführung einschneidend eingreift, gerade auch außerhalb des Dienstes (vgl. BayVGH, B. v. 1.2.1999 – 3 CS 98.2773 – NVwZ 2000, 222, juris Rn. 40; B. v. 13.6.1997 – 3 CS 96.3804 – NVwZ-RR 1998, 666).
c) Das Gericht sieht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 86 VwGO) auch keine sich aufdrängenden Umstände, die der Sachverständige hinsichtlich der Einschätzung der Polizeidiensttauglichkeit der Klägerin nicht erörtert hätte. Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens drängt sich daher nicht auf (Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 86 Rn. 10).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein gerichtliches Sachverständigengutachten im Übrigen nur dann nicht verwertbar, wenn es unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen Gründen nicht überzeugend ist, wenn das Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn der Sachverständige erkennbar nicht über die notwendige Sachkunde verfügt oder Zweifel an seiner Unparteilichkeit bestehen, wenn sich durch neuen entscheidungserheblichem Sachvortrag der Beteiligten oder durch eigene Ermittlungstätigkeit des Gerichts die Bedeutung der vom Sachverständigen zu klärenden Fragen verändert haben, wenn ein anderer Sachverständiger über neue und überlegenere Forschungsmittel oder über größere Erfahrung verfügt, oder wenn das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch Eigenüberlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird (vgl. BVerwG, B. v. 26.6.1992 – 4 B 1-11.92 – NVwZ 1993, 572, juris Rn. 54) oder sonstige Verfahrensfehler bei Erstellung des Gutachtens festzustellen sind, die sich auf das Ergebnis auswirken.
Insbesondere weisen die Aussagen des Sachverständigen keine groben Mängel auf, die es zur Sachverhaltsaufklärung ungeeignet oder jedenfalls nicht ausreichend tragfähig erscheinen lassen (Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 86 Rn. 44). Solche groben Mängel wurden von der Klagepartei in der mündlichen Verhandlung am 26. Juli 2016 auch nicht gerügt. Die Vorhaltungen, dass die Aussagen des Sachverständigen nicht auf fachliche Richtigkeit hätten überprüft werden können, da keine konkreten zahlenmäßige Angaben dazu gemacht worden seien, wie sich das Auftreten von Venenleiden in jungen Jahren und einer vorzeitigen Polizeidienstfähigkeit verhalte, sowie dass Angaben dazu fehlten, wie sich Venenleiden überhaupt in Bezug auf die Dienstfähigkeit bei der Polizei auswirkten, bedingen – wie oben dargelegt – keine Umstände, die die Nachvollziehbarkeit der Bewertung des Amtsarztes in Zweifel ziehen könnten und erst recht keine groben Mängel.
Der Klagepartei wurde auch das in den Behördenakten vorhandene Schreiben des Sachverständigen vom 8. Oktober 2015 in der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2016 vor der Einvernahme des Sachverständigen in Kopie übergeben, das dem Klägerbevollmächtigten unbekannt gewesen sei, und eine angemessene Zeit zur Kenntnisnahme und Bewertung eingeräumt. Es wurde in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt, dass die Klagepartei in ihrer Argumentation unzumutbar beeinträchtigt gewesen wäre.
2. Da es der Klägerin an der zwingenden Einstellungsvoraussetzung der Polizeidiensttauglichkeit fehlt, kann auch der Hilfsantrag, das Bewerbungsverfahren der Klägerin für die zweite Qualifikationsebene des Polizeivollzugsdienstes unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts fortzuführen (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), keinen Erfolg haben.
3. Das Urteil konnte auch vor einer Entscheidung über die Beschwerde gegen den Beschluss vom 23. Juni 2016 ergehen. Eine Beschwerde hat nach § 149 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels zum Gegenstand hat. Hieran fehlt es vorliegend. Das Gericht war nicht gehalten, den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2016 zu vertagen, um vor einer Verhandlung mit Einvernahme des Sachverständigen und einer Entscheidung über die Klage die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs über die Beschwerde vom 20. Juli 2016 abzuwarten (OVG Berlin-Bbg, B. v. 21.5.2007 – OVG 4 N 106.05 – juris Rn. 7 f.).
4. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO I. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.

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