Aktenzeichen M 6 S 16.2997
FeV FeV § 11 Abs. 8, § 14 Abs. 1 S. 2, § 46 Abs. 1, Abs. 3
Leitsatz
Bei vorangegangenen Betäubungsmittelstraftaten (hier: Kokain) genügt es zur Entlastung im Fahrerlaubnisverfahren nicht, auf Anforderung eines Gutachtens hin lediglich Abstinenznachweise auf Grundlage von Urinuntersuchungen vorzulegen. Diese ersetzen nicht das geforderte ärztliche Gutachten. Ein ärztliches Gutachten erschöpft sich nicht in der bloßen Kenntnisnahme von Laborergebnissen von Urinuntersuchungen, sondern hat eine eingehende medizinische Untersuchung des Probanden unter dem Aspekt einer möglicherweise erfolgten Einnahme von Betäubungsmitteln zu enthalten. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf Euro 3.750,- festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit eines Bescheids zur Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen B sowie A1 und A2.
Mit seit … Juli 2014 (hinsichtlich Schuldspruch und Tagessatzanzahl) bzw. … August 2014 (hinsichtlich der Tagessatzhöhe) rechtskräftigem Strafbefehl vom … Juni 2014 verurteilte das Amtsgericht A. den Antragsteller wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln, weil er am … April 2014 wissentlich und willentlich a. Gramm Kokaingemisch mit sich geführt hatte.
Mit Schreiben vom … November 2014 forderte die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin den Antragsteller deswegen auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens über seine Fahreignung hinsichtlich einer Einnahme von Betäubungsmitteln auf. Weil der Bevollmächtigte des Antragstellers nachfolgend … Bestätigungen der … GmbH A. (… GmbH) über Urinuntersuchungen auf Betäubungsmittel im Rahmen eines vom April 2014 bis … April 2015 laufenden Abstinenzkontrollprogramms mit jeweils negativem Ergebnis vorgelegt hatte, widerrief die Fahrerlaubnisbehörde mit Schreiben vom … April 2015 die Anordnung zur ärztlichen Begutachtung. Stattdessen ordnete sie mit diesem Schreiben nunmehr die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV an, weil aufgrund der Vorlage der Abstinenznachweise von einem Betäubungsmittelkonsum in der Vergangenheit ausgegangen werden müsse. Danach gingen bei der Fahrerlaubnisbehörde noch ein … Untersuchungsergebnis und eine Abstinenzbestätigung der … GmbH vom … April 2015 ein.
Mit Schreiben vom … Juli 2015 erklärte die Fahrerlaubnisbehörde gegenüber dem Bevollmächtigten des Antragstellers, die Gutachtensanordnung vom … April 2015 aufzuheben. Anlass zur Überprüfung nach §14 Abs. 2 Nr. 2 FeV, ob der Antragsteller noch abhängig sei oder – ohne abhängig zu sein – weiterhin Betäubungsmittel einnehme, habe nicht bestanden. Die Klärung der Frage, ob der Antragsteller Betäubungsmittel eingenommen habe oder einnehme, bleibe einem ärztlichen Gutachten vorbehalten.
Mit am … November 2015 zugestelltem Schreiben vom … November 2015 forderte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV i. V. m. § 46 Abs. 3 FeV zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung innerhalb von 3 Monaten ab Zustellung des Schreibens auf. Die Anordnung – wegen des Strafbefehls aufgrund des Besitzes von Kokain am … April 2014 – erfolge nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei werde der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Anordnung wurden sodann im Einzelnen begründet. Zur Erstellung des Gutachtens wurden unter Berücksichtigung des erbrachten Abstinenznachweises über ein Jahr noch zwei Urinscreenings im Rahmen der ärztlichen Begutachtung nach näher dargestellten Kriterien gefordert. Das Gutachten sollte die Frage beantworten:
„Nimmt bzw. nahm die/der Untersuchte Betäubungsmittel im Sinne des BtMG oder andere psychoaktiv wirkenden Stoffe im Sinne des StVG ein, die die Fahreignung nach Anlage 4 FeV in Frage stellen?“
Neben dem Hinweis auf die Möglichkeit der Einsicht in die der begutachtenden Stelle zu übersendenden Unterlagen wurde der Antragsteller insbesondere noch darauf hingewiesen, dass auf seine fehlende Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen und seine Fahrerlaubnis entzogen werde, wenn er die angeordnete Begutachtung verweigere bzw. das angeordnete Gutachten nicht vorlege (§ 46 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).
Nachdem nachfolgend ein Gutachten bei der Fahrerlaubnisbehörde nicht einging, hörte diese den Antragsteller mit Schreiben vom … März 2016 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an. Anschließend entzog sie dem Antragsteller mit Bescheid vom 4. Juli 2016, zugestellt am … Juli 2016, die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Klassen (Nr. 1 des Bescheids), verlangte die unverzügliche – spätestens innerhalb einer Woche ab Zustellung – Abgabe des Führerscheins (Nr. 2), drohte für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe ein Zwangsgeld über a. Euro an (Nr. 3) und ordnete in Nr. 4 des Bescheids die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 an. Nr. 5 und 6 des Bescheids enthalten Festsetzungen zu den Kosten des Verwaltungsverfahrens.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV wurde im Wesentlichen auf die Nichtvorlage des mit Schreiben vom … November 2015 geforderten Gutachtens gestützt, § 11 Abs. 8 FeV. Die Untersuchungsanordnung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV sei rechtmäßig erfolgt. Die Teilnahme am Abstinenzkontrollprogramm und die vorgelegten Befundberichte rechtfertigten keine andere Entscheidung, weil sie das Gutachten nicht ersetzen könnten. Insbesondere habe im Rahmen der ärztlichen Begutachtung auch eine medizinische Untersuchung stattzufinden, die unter anderem den Gesamtkörperstatus zum Gegenstand habe.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 4 des Bescheids wurde auf dessen Seiten 6 und 7 im Wesentlichen mit dem Besitz einer geringen Menge an Kokain – die ein deutliches Indiz für einen zumindest beabsichtigten Eigenkonsum sei – und der Nichtvorlage des Gutachtens begründet. Der Antragsteller habe sich geweigert, an der Ausräumung der mit dem Besitz der harten Droge Kokain entstandenen Zweifel an der Fahreignung mitzuwirken.
Dagegen erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers für diesen mit Schriftsatz vom … Juli 2016 am … Juli 2016 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Ziel, den Bescheid vom … Juli 2016 aufheben zu lassen (M 6 K 16.2996). Mit weiterem Schriftsatz ebenfalls vom … Juli 2016 stellte er außerdem den Antrag,
den Bescheid der Antragsgegnerin vom 4. Juli 2016 in Ziffer 4 gem. § 80 Abs. 5 VwGO aufzuheben, soweit die sofortige Vollziehung von Ziffer 1 und Ziffer 2 dieses Bescheids angeordnet wurde.
Er begründete Klage und Antrag im Wesentlichen damit, dass der Antragsteller das Screening begonnen habe, um den Nachweis zu führen, dass er keine Drogen nehme und das Kokain nicht zu seinem Eigenbedarf bestimmt gewesen sei. Das – im Ergebnis dann erfolgreiche – Drogenkontrollprogramm habe nicht die Annahme gerechtfertigt, dass er zuvor Drogen genommen habe. Deswegen habe die Antragsgegnerin die MPU-Anordnung zurücknehmen müssen. Nun erneut eine – zuvor widerrufene – Anordnung eines ärztlichen Gutachtens zu erlassen sei rechtswidrig und angesichts der verstrichenen Zeit auch weder zielführend noch verhältnismäßig.
Angesichts dessen sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung überzogen. Der Antragsteller habe bereits in der Vergangenheit seine Bereitschaft erklärt, weitere Urinscreenings durchzuführen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz verwiesen.
Mit Schriftsatz vom … Juli 2016 wies der Bevollmächtigte des Antragstellers auf die Eilbedürftigkeit einer Entscheidung über den Antrag hin. Nach der Rückkehr aus seinem gegenwärtigen Urlaub könne der Antragsteller sonst geschäftlich keinen Gebrauch von seinem Fahrzeug machen. Dies würde zu erheblichen geschäftlichen Einschränkungen führen, da er ein …-unternehmen führe.
Die Antragsgegnerin legte mit Schriftsatz vom 28. Juli 2016 zunächst ihre Akte vor und beantragte sodann mit weiterem Schriftsatz vom 28. Juli 2016,
den Antrag abzulehnen.
Insbesondere führte sie zur Begründung aus, dass sich die Notwendigkeit der Anordnung eines ärztlichen Gutachtens nicht dadurch erübrig habe, dass sie die frühere Anordnung vom … November 2014 mit der späteren Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vom … April 2015 aufgehoben habe. Sie habe die unzutreffende Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens unter dem … Juli 2015 aufgehoben und nochmals auf die Notwendigkeit der ärztlichen Begutachtung verwiesen. Sie habe somit nie zu erkennen gegeben oder gar zugesichert, dass auf eine Begutachtung der Fahreignung verzichtet werde. Der durch ein ärztliches Gutachten erzielbare Aufklärungsbedarf erledige sich auch nicht mit der Vorlage von Urinscreenings. Mit der Weigerung, sich einer ärztlichen Begutachtung zu unterziehen, habe der Antragsteller die medizinische Feststellung etwaiger Konsumgewohnheiten, -anlässe und die Dauer eines etwaigen Drogenkonsums ebenso vermieden wie evtl. damit zusammenhängende gesundheitliche Folgen. Diese seien für die Beurteilung seiner Fahreignung relevant.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz verwiesen.
Mit Beschluss vom 12. August 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 6 K 16.2996 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ist zulässig, jedoch unbegründet und daher ohne Erfolg.
1. Der Antrag ist gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom … Juli 2016 gegen die in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids vom 4. Juli 2016 enthaltene Entziehung seiner Fahrerlaubnis aller Klassen und hinsichtlich der in Nr. 2 des Bescheids enthaltenen, fristmäßig konkretisierten, Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins (§ 47 Abs. 1 Satz 2 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV -; BayVGH, B. v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – juris) begehrt.
2. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 4 des Bescheids vom 4. Juli 2016 genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in: Eyermann, VwGO – Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43).
Dem genügt die ersichtlich auf den vorliegenden Einzelfall abstellende Begründung auf den Seiten 6 und 7 im Bescheid vom 4. Juli 2016. Die Fahrerlaubnisbehörde hat dargelegt, warum sie konkret im Fall des Antragstellers im Interesse der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs die sofortige Vollziehung anordnet. Im Übrigen ergibt sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im Bereich des Sicherheitsrechts regelmäßig – so auch hier – gerade aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsakts selbst maßgebend waren.
3. Hinsichtlich der in Nr. 4 des Bescheids vom 4. Juli 2016 angeordneten sofortigen Vollziehung war die aufschiebende Wirkung der Klage vom … Juli 2016 bzgl. der Nrn. 1 und 2 nicht wiederherzustellen.
3.1 Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt zum einen, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat. Die aufschiebende Wirkung entfällt aber auch dann, wenn dies gesetzlich angeordnet ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO).
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessensabwägung.
3.2 Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war der Antrag abzulehnen, weil sich die in Nr. 1 des Bescheids vom 4. Juli 2016 enthaltene Entziehung der Fahrerlaubnis aller Klassen des Antragstellers nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtmäßig darstellt und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, so dass die hiergegen erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Dabei ist zunächst anzumerken, dass maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage vorliegend wegen der unmittelbaren Klageerhebung der der Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids vom 4. Juli 2016 an den Bevollmächtigten des Antragstellers am … Juli 2016 ist (BayVGH, B. v. 4.12.2012 – 11 ZB 12.2667 – juris). Im Falle einer Widerspruchseinlegung hätte der Antragsteller das geforderte ärztliche Gutachten noch in einem Widerspruchsverfahren nachreichen können, worauf die Antragsgegnerin mit Schreiben vom … Juni 2016 ausdrücklich hingewiesen hatte. Dieser Möglichkeit hat er sich mit seiner unmittelbaren Klageerhebung begeben.
Mit dieser Maßgabe nimmt die erkennende Kammer zunächst vollumfänglich Bezug auf die ausführlichen Gründe des Bescheids vom 4. Juli 2016 und macht sich diese zur Begründung der vorliegenden Entscheidung zu Eigen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Die Antragsgegnerin hat sowohl die den Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen zutreffend angegeben als auch im Ergebnis richtig festgestellt, dass dem Antragsteller die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – und § 46 Abs. 1 FeV mangels Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu entziehen war, weil er das mit Schreiben vom … November 2015 angeforderte ärztliche Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (womit – ohne weiteres erkennbar – ein ärztliches Gutachten eines Arztes in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung, der die Anforderungen nach Anlage 14 [zur FeV] erfüllt, gemeint war; § 14 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV) nicht bis zum Ablauf der dafür gesetzten Frist vorgelegt hat. Die Antragsgegnerin erachtete die Gutachtensaufforderung auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV zu Recht als rechtmäßig. Das Ermessen wurde erkannt und in der Sache in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt, auch wenn die verwendeten Begrifflichkeiten üblicherweise bei der Begründung der Verhältnismäßigkeit einer behördlichen Maßnahme Verwendung finden. Diese sprachliche Unschärfe führt nicht zu einer Rechtswidrigkeit der Gutachtensaufforderung. Die Gutachtensfrage war rechtlich nicht zu beanstanden und auch die Frist zur Vorlage war ausreichend lang bemessen. Ein hinreichender Grund zur Nichtvorlage des Gutachtens bestand nicht. Daher konnte und musste die Antragsgegnerin nach § 46 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV von der Nichteignung des Antragstellers ausgehen, worauf in der Gutachtensaufforderung auch hingewiesen worden war, § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV.
3.3 Das Vorbringen des Antragstellers führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.
3.3.1 Zum einen ist die Auffassung der Antragsgegnerin zutreffend, dass die vorgelegten Abstinenznachweise auf Grundlage von Urinuntersuchungen das geforderte ärztliche Gutachten nicht zu ersetzen vermögen. Ein ärztliches Gutachten – wie vom Normgeber gefordert – erschöpft sich nicht in der bloßen Kenntnisnahme von Laborergebnissen von Urinuntersuchungen. Erforderlich ist eine eingehende medizinische Untersuchung des Probanden unter dem Aspekt einer möglicherweise erfolgten Einnahme von Betäubungsmitteln. Das mag im Einzelfall – nach sachverständiger Einschätzung des ärztlichen Gutachters – noch weitere Befundsichtungen oder -erhebungen erfordern, u. U. auch durch eine Haaranalyse, selbst wenn die Fahrerlaubnisbehörde dies nicht von sich aus verlangt haben sollte.
In diesem Zusammenhang fällt ohnehin auf, dass der Antragsteller von sich aus keinerlei Ergebnisse einer Haaruntersuchung vorgelegt hat. Nach dem Vorfall mit dem Kokain am … April 2014 und dem ersten Urinscreening am Mai 2014 hätte eine hinsichtlich Betäubungsmittel negative Haaranalyse über einen aussagekräftigen Zeitraum möglicherweise in der Ermessenausübung der Antragsgegnerin über die Anforderung eines ärztlichen Gutachtens eine mitbestimmende Rolle spielen können, u. U. sogar müssen.
3.3.2 Die Antragsgegnerin hat auch nicht etwa ihre Befugnis, vom Antragsteller ein ärztliches Gutachten zu fordern, dadurch verwirkt, dass sie die erste dahingehende Gutachtensaufforderung vom November 2014 mit Schreiben vom April 2015 widerrief. Unabhängig davon, dass sich eine Sicherheitsbehörde wie hier die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin nicht ihrer Aufgaben und Befugnisse begeben kann, lag darin auch unter keinem Aspekt eine Zusicherung, nicht später doch ein solches Gutachten (erneut) zu fordern.
3.3.3 Die seit dem Vorfall mit dem Kokain am … April 2014 mittlerweile verstrichene Zeit ist allein für sich genommen auch kein Hinderungsgrund gewesen, diesen noch verwertbaren Vorgang zur Grundlage einer Gutachtensaufforderung zu machen.
3.3.4 Daher müssen die persönlichen Interessen des Antragstellers – auch solche beruflicher Art als angeblicher Inhaber eines …-unternehmens – hinter den Interessen der Allgemeinheit – hier insbesondere an der Sicherheit des Straßenverkehrs – zurücktreten.
3.4 Da somit die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis der summarischen gerichtlichen Überprüfung standhält, verbleibt es auch bei der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen Verpflichtung, den Führerschein abzuliefern. Diese – im Bescheid hinsichtlich der Frist konkretisierte – Verpflichtung ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i. V. m. § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
5. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i. V. m. den Empfehlungen in den Nrn. 1.5 Satz 1 sowie 46.2 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anh. § 164 Rn. 14).