Medizinrecht

Rechtmäßiges Versammlungsverbot in Form einer Allgemeinverfügung

Aktenzeichen  AN 4 S 18.01627

Datum:
20.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 29270
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BayVersG Art. 13, Art. 15, Art. 25

 

Leitsatz

Werden im Vorfeld einer möglichen Veranstaltung erhebliche Straftaten angekündigt, ist ein Versammlungsverbot in Form einer Allgemeinverfügung rechtmäßig. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine von dem Antragsgegner erlassene Allgemeinverfügung vom 17. August 2018, mit der dieser für das Gemeindegebiet … für die Zeit von Sonntag, 19. August 2018, 00:00 Uhr bis Dienstag, 21. August 2018, 12:00 Uhr ein Versammlungsverbot anordnet.
Die Gemeinde … sowie das Landratsamt …wurden am 19. Juli 2018 per Mail-Nachricht von einem anonymen Absender über eine mögliche Veranstaltung am 20. August 2018 im Gemeindegebiet … informiert. Weitere Recherchen bestätigten, dass für diesen Tag im Internet und in sozialen Netzwerken zu einer Veranstaltung bzw. Versammlung aufgerufen wurde. Unter anderem wurde via Twitter aufgefordert am 20. August 2018 um 16:00 Uhr nach … man solle kommen und „…“. Weitere Aufrufe zum „…“ finden sich in verschiedensten YouTube Videos. In diesen Foren wurde von einer möglichen Personenanzahl von 500 bis 1000 Personen berichtet. Anlaufpunkt soll das Anwesen eines YouTubers sein, der im Netz unter dem Pseudonym „…“ tätig ist.
Mit Bescheid vom 17. August 2018 erließ das Landratsamt …folgende Allgemeinverfügung:
Im Gemeindegebiet … (siehe beiliegender Lageplan) ist es gemäß Art. 15 Abs. 1 Bayerisches Versammlungsgesetz in der Zeit von Sonntag, 19.08.2018, 00:00 Uhr bis Dienstag, 21.08.2018, 12:00 Uhr verboten, anlässlich des Aufrufs im Internet „…!“ Versammlungen durchzuführen. Auf den Inhalt des Bescheides wird ergänzend Bezug genommen.
Der Antragsteller ließ am 18. August 2018 sinngemäß beantragen, die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage gegen die Allgemeinverfügung des Beklagten vom 17. August 2018 anzuordnen.
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die Versammlung keinesfalls unter dem Motto „…“ stehe oder stand und keinesfalls von der ironischen Aussage eines Einzelnen auf die Masse geschlossen werden dürfe. Anlass und Gründe der Versammlung können dem Schreiben des Antragsgegners entnommen werden. Der Antragsgegner stelle richtigerweise fest, dass weder Leiter noch Veranstalter auszumachen sei. Dies hänge damit zusammen, dass es keine Leitung oder ähnliches gebe. Die Versammlung sei von einzelnen Zugehörigen eines Kollektivs, das heiße von einem führungslos sozialen Gebilde, angekündigt und bekräftigt worden. Die Allgemeinverfügung könne sich nicht auf den verwendeten Art. 15 Abs. 1 BayVersG berufen da dieser einen Fall nach Art. 12 Abs. 1 BayVersG voraussetze. Ferner könne sie sich nicht auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung berufen. Bei kritischen Versammlungen werde es regelmäßig so gehandhabt, dass Polizeipräsenz gezeigt werde.
Der Antragsteller begründe seinen Erlass auf eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Er belege dies anhand mehrerer „Aufrufe“ aus sozialen Netzwerken. Diese Aufrufe stammen durchwegs von anonymen Nutzern, bei denen schon allein von Nutzernamen her („…“) die Ernsthaftigkeit der Ankündigung zu bezweifeln sein. Der Antragsgegner picke sich Kommentare aus dem Kontext heraus, der innerhalb des Kollektivs durchgehend von Ironie und Übertreibung geprägt sei. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit sei auszuschließen. Das Kollektiv bestehe aus friedlichen Schaulustigen, nicht aus Personen, die Interesse daran haben, Unruhe zu stiften. Für den Zeitpunkt der Veranstaltung habe es nie einen festen Treffzeitpunkt gegeben. Dies unterstütze die Annahme einer Spontanversammlung. Auf das weitere Vorbringen wird ergänzend Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 20. August 2018, den Antrag abzulehnen.
Auf die Begründung wird ergänzend verwiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist jedenfalls unbegründet. Der Antragsgegner hat voraussichtlich zu Recht ein Versammlungsverbot für das Gemeindegebiet ausgesprochen. Das Gericht kam daher im Rahmen einer Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass das Vollzugsinteresse des Antragsgegners das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt.
1. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Falle des § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen.
Das Gericht trifft dabei eine eigene, originäre Ermessensentscheidung. Es hat zwischen dem in der gesetzlichen Regelung – hier Art. 25 BayVersG – zum Ausdruck kommenden Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der auf-schiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der zugrundeliegende Bescheid bei dieser Prüfung hin-gegen als rechtswidrig und das Hauptsacheverfahren damit voraussichtlich als erfolgreich, ist das Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig zu verneinen. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens hingegen offen, kommt es zu einer allgemeinen Abwägung der wider-streitenden Interessen.
Die im vorliegenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene, aber auch ausreichende summarische Prüfung ergibt, dass eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. August 2018 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
a) Der streitgegenständliche Bescheid ist voraussichtlich rechtmäßig, da die Voraussetzungen für ein Verbot der Versammlung nach Art. 15 Abs. 1, 1. Alt. BayVersG vorlagen.
Art. 15 Abs. 1 Var. 1 BayVersG setzt voraus, dass nach den zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist.
Die Versammlung, deren kollektive Äußerung wohl auf eine Ablehnung des YouTubers „…“ gerichtet ist, ist nicht durch einen Veranstalter im Sinne des Art. 13 BayVersG angezeigt worden. Dies allein begründet zwar noch kein Versammlungsverbot (Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, § 7 Rn. 6 f.). Es bestehen jedoch konkrete Anhaltspunkte, dass die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die geplante Versammlung gefährdet sind. Hinsichtlich der Gefahrenprognose kann zunächst auf die Feststellungen im angefochtenen Bescheid verwiesen werden. Demnach sind im Vorfeld des Verbots ganz erhebliche Straftaten angekündigt worden. Unter anderem wurde zum Mord aufgerufen und eine Belohnung hierfür in Aussicht gestellt.
Der Antragsteller verweist in seinem Schriftsatz auf die Ironie der Netzbeiträge bzw. auf deren mangelnde Ernsthaftigkeit. Das Kollektiv selbst bestehe aus friedlichen Schaulustigen. Zunächst stellt sich die Frage, wie der Antragsteller – ohne selbst Veranstalter zu sein – verbindlich für das von ihm geltend gemachte „Kollektiv“ sprechen will. Die fehlende Ernsthaftigkeit vermag ferner nicht zu erklären, weshalb es in der Vergangenheit wiederholt zu Straftaten gekommen ist, wie sich das aus dem angegriffenen Bescheid ergibt.
Ein milderes Mittel, etwa durch den Erlass von Auflagen, ist vorliegend nicht möglich, da die geplante Versammlung ohne Veranstalter stattfinden soll. Für Auflagen fehlt es an einem geeigneten Ansprechpartner.
b) Im Ergebnis fällt die Abwägung der widerstreitenden Interessen daher zulasten des Antragsstellers aus. Das in Art. 25 BayVersG niedergelegte Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheids greift vorliegend durch.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 45.4 des Streitwertkatalogs 2013.

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