Medizinrecht

Rechtmäßigkeit der Anordnung eines absoluten Haltverbots

Aktenzeichen  W 6 K 19.1174

Datum:
8.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6663
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVO § 44, § 45 Abs. 1, Abs. 9
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
ZustGVerk Art. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die verkehrsrechtlichen Anordnungen der Beklagten vom 11. April 2019 und vom 12. April 2019 werden aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, ab Rechtskraft des Urteils die aufgrund der vorgenannten Anordnungen aufgestellten Verkehrszeichen 283 (Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO lfd. Nr. 62) in der Obergasse (ab dem Anwesen O-gasse 15 in Richtung H-straße bis zur Einmündung O-gasse) zu entfernen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu voll-streckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten auf deren Durchführung verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die Klage hat vollumfänglich Erfolg, denn das mit Aufstellung der Verkehrszeichen 283 (Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO lfd. Nr. 62) verlautbarte einseitige absolute Haltverbot in der O-gasse wurde weder mit der verkehrsrechtlichen Anordnung des Gemeinderats vom 11. April 2019, noch mit derjenigen des zweiten Bürgermeisters vom 12. April 2019 rechtmäßig angeordnet. Beide Anordnungen waren daher aufzuheben und der Beklagten die Beseitigung der aufgestellten Verkehrszeichen aufzugeben.
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage in Verbindung mit einem Folgenbeseitigungsantrag zulässig.
1.1. Die erhobene Anfechtungsklage ist zulässig.
Die durch Verkehrszeichen verlautbarte verkehrsrechtliche Anordnung eines einseitigen absoluten Haltverbots in der O-gasse (ab dem Anwesen 15) in Richtung H-straße bis zur Einmündung O-gasse stellt einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung in Form einer Allgemeinverfügung (Art. 35 Satz 2 BayVwVfG) dar (BVerwG, U.v. 27.1.1993 – 11 C 35/92 – BVerwGE 92, 32). Verkehrszeichen bedürfen einer (vorangehenden) verkehrsrechtlichen Anordnung der zuständigen Straßenverkehrsbehörde, die üblicherweise – wenn auch nicht zwingend – schriftlich ergeht und aus der sich die tragenden Gründe für die Anordnung ergeben (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auf. 2018, § 39 Rn. 31, § 45 Rn. 41). Erst die von den aufgestellten Verkehrszeichen ausgehenden Verbote sind dann als Verwaltungsakte verbindlich. Hiergegen kann gemäß § 42 Abs. 1 VwGO Anfechtungsklage erhoben werden, deren Anfechtungsfrist (§ 74 Abs. 1 VwGO) für einen Verkehrsteilnehmer erst dann zu laufen beginnt, wenn er zum ersten Mal auf das Verkehrszeichen trifft und mangels Rechtsbehelfsbelehrung:ein Jahr beträgt (§ 74 Abs. 1 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO; BVerwG, U.v. 23.9.2010 – 3 C 37/09 – BVerwGE 138, 21). Die Klage wurde vorliegend am 2. September 2019 und damit unproblematisch innerhalb eines Jahres nach Erlass der verkehrsrechtlichen Anordnung erhoben.
Der Kläger ist klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO), denn ein Verkehrsteilnehmer kann als Verletzung seiner Rechte geltend machen, die rechtssatzmäßigen Voraussetzungen für eine auch ihn betreffende Verkehrsbeschränkung nach § 45 Abs. 1 StVO seien nicht gegeben (BVerwG, U.v. 27.1.1993 – 11 C 35/92 – BVerwGE 92, 32). In diesem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 GG) ist auch der Kläger selbst von dem absoluten Haltverbot als Verkehrsteilnehmer betroffen.
Dagegen kann sich der Kläger nicht auf eine Einschränkung seines Anliegergebrauchs (Art. 17, 14 des Bayerischen Straßen und Wegegesetzes – BayStrWG, sog. gesteigerter Gemeingebrauch als Rechtsinstitut des einfachen Rechts) berufen, da dieser lediglich die Zugänglichkeit des Grundstücks zur Straße schützt, soweit eine angemessene Nutzung des Grundstückseigentums die Benutzung der Straße erfordert. Nicht geschützt wird jedoch vor Einschränkungen und Erschwernissen der Zufahrtsmöglichkeit für ein innerörtliches Grundstück; ebenso vermittelt der Anliegergebrauch kein Recht auf einen eigenen Parkplatz vor bzw. in unmittelbarer Nähe eines Grundstücks (BayVGH, U.v. 15.3.2006 – 8 B 05.1356 – juris). Solche abwägungserheblichen qualifizierten (Anlieger-)Interessen des Klägers waren vorliegend nicht gegeben, da die Zugänglichkeit des klägerischen Grundstücks zur Straße durch die verkehrsrechtliche Anordnung selbst nicht tangiert war.
1.2. Der Folgenbeseitigungsantrag auf Entfernung der durch die Beklagte aufgestellten Verkehrszeichen ist ebenfalls zulässig. Im Hinblick auf § 168 Abs. 1 Nr. 1 VwGO war dieser in Anwendung von § 88 VwGO dahingehend zu verstehen, dass eine Beseitigung der aufgestellten Verkehrszeichen – welche im Ergebnis die Vollstreckung des Anfechtungsantrags darstellt – erst mit Rechtskraft des Urteils verlangt werden kann. Der Antrag auf Entfernung der Schilder ist ein Folgenbeseitigungsantrag, der mit seinem Klagebegehren auf die Umsetzung einer erfolgreichen Anfechtungsklage in die Praxis gerichtet ist. Für die Zulässigkeit der Folgenbeseitigungsklage genügt, dass die Verkehrszeichen nach außen hin im tatsächlichen Sinne fortwirken, was der Fall ist, wenn sie nach wie vor an ihrer ursprünglichen Stelle belassen werden. Auf den rechtlichen Grund dieser Fortwirkung kommt es für die Zulässigkeit der Klage nicht an (BVerwG, U.v. 17.1.1980 – 7 C 63.77 – beck-online).
Grundsätzlich geht das Gericht davon aus, dass aufgrund der Bindung an Recht und Gesetz gemäß Art. 20 Abs. 3 GG eine Behörde die gerichtliche Entscheidung akzeptieren und umsetzen wird, sodass das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers zweifelhaft wäre. Andererseits übersieht das Gericht nicht, dass Verkehrszeichen nur auf Grundlage einer verkehrsrechtlichen Anordnung aufgestellt werden, jedoch als Dauerverwaltungsakte das durch sie angeordnete Ge- oder Verbot auch nach Aufhebung des zugrundeliegenden Verwaltungsakts allein durch ihre Aufstellung im Straßenverkehr fortwährend neu bekannt machen (BayVGH, U.v. 28.5.2014 – 11 B 13.2154 – beck-online Rn. 20) und grundsätzlich zu beachten sind, wenn sie im Verkehrsraum stehen (BayObLG, NJW 1968, 1848, OLG Düsseldorf, NZV 2016, 243).
Nachdem die Beklagte vorliegend mit ihrem Gesamtvorbringen im Rahmen des Klageverfahrens deutlich gemacht hat, dass aus ihrer Sicht die aufgestellten Verkehrszeichen nicht nur rechtmäßig, sondern auch „erforderlich und alternativlos“ (Schriftsatz v. 18.2.2020) seien, besteht ausnahmsweise der begründete Anlass zur Annahme, dass die Beklagte an den verfahrensgegenständlichen Verkehrszeichen weiterhin festhalten will und diese weiterhin im Verkehrsraum stehen bleiben, ggf. so lange bis die Beklagte sie auf eine neue, in der Zukunft zu erlassende verkehrsrechtliche Anordnung stützen kann. Mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils würde dies jedoch bei sofort vollziehbaren Dauerverwaltungsakten, wie es Verkehrszeichen sind, auf eine Untergrabung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG hinauslaufen, da der Kläger einen als rechtswidrig festgestellten Zustand in Form der rechtswidrig aufgestellten Verkehrszeichen erdulden müsste. Daher wird vorliegend ausnahmsweise das Rechtsschutzbedürfnis gesehen.
2. Die Klage ist auch begründet. Die von der Beklagten in der O-gasse (ab dem Anwesen 15) in Richtung H-straße bis zur Einmündung O-gasse vorgenommene Anordnung eines absoluten Haltverbots, verlautbart durch Verkehrszeichen 283 (Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO lfd. Nr. 62), ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), da ihr keine rechtmäßige verkehrsrechtliche Anordnung zugrunde liegt. Sowohl der Gemeinderatsbeschluss vom 11. April 2019 als auch die Anordnung durch den zweiten Bürgermeister vom 12. April 2019 können keine Grundlage für die Aufstellung der Verkehrszeichen darstellen (2.1.). Überdies leiden beide an fehlender Bestimmtheit i.S.v. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG (2.2.). Darüber hinaus ist fraglich, ob die Tatbestandsvoraussetzungen für die verlautbarte verkehrsrechtliche Anordnung eines absoluten Haltverbots nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 StVO vorgelegen haben (2.3.). Jedenfalls fehlt es an der erforderlichen Ermessensausübung (2.4.). Folglich sind die Verkehrszeichen abzubauen, § 113 Abs. 4 VwGO (2.5.).
Als Rechtsgrundlage für die verkehrsrechtliche Anordnung kommt nur § 45 Abs. 1 i.V.m. § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO in Betracht. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken. Zu derartigen Verkehrsbeschränkungen gehört auch die Anordnung eines absoluten Haltverbots (VZ 283 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO). Nach § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Aus Wortlaut und Systematik der Vorschriften ergibt sich, dass § 45 Abs. 9 StVO die allgemeine Ermächtigungsgrundlage des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO zwar modifiziert und konkretisiert, aber nicht ersetzt. Zu § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO a.F. hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass Maßnahmen im Regelungsbereich dieser Vorschrift bei Vorliegen der dort aufgeführten tatbestandlichen Voraussetzungen grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Straßenverkehrsbehörde stehen (vgl. BVerwG U.v. 5.4.2001 – 3 C 23/00 -, NJW 2001, 3139). Dies gilt auch für § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO, wobei angesichts der sehr strengen tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift an die Ermessensausübung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2012 – 11 ZB 11.2195 – juris; OVG Rh.-Pf., U.v. 24.5.2012 – 7 A 10976/11 – juris).
Die Vorschrift des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO zielt darauf ab, die allgemeinen Verhaltensvorschriften im Straßenverkehr im Bewusstsein der Verkehrsteilnehmer aufzuwerten und die „Subsidiarität der Verkehrszeichenanordnung“ zu verdeutlichen. „Zwingend erforderlich“ ist ein Verkehrszeichen unter Berücksichtigung dieses Regelungszwecks und des Wortlauts der Vorschriften daher nur dann, wenn das Verkehrszeichen die zur Gefahrenabwehr unbedingt erforderliche und allein in Betracht kommende Maßnahme ist. Das ist nicht der Fall, wenn die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Straßenverkehrsordnung – wie z.B. die Regelung über das Halten und Parken in § 12 StVO – mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf gewährleisten (BVerwG, B.v. 1.9.2017 – 3 B 50/16 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 25.7.2011 – 11 B 11.921 – juris). Dass der Normgeber mit der Ersetzung des in § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO bisher verwendeten Begriffs „geboten“ durch „erforderlich“ durch die Erste Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung vom 30. November 2016 (BGBl. I S. 2848) andere Anforderungen stellen wollte, ist nicht ersichtlich (BVerwG, B.v. 1.9.2017 – 3 B 50/16 – juris Rn. 7).
Das Aufstellen von Verkehrszeichen hat damit Ausnahmecharakter. Die Straßenverkehrsbehörde hat eine besondere Darlegungslast, wenn sie sich für die Anbringung eines Verkehrszeichens entscheidet. Die zuständige Straßenverkehrsbehörde ist vor Erlass einer verkehrsrechtlichen Anordnung zu einer Prüfung der objektiven Gefahrenlage für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verpflichtet (vgl. VG Würzburg, U.v. 25.2.2015 – W 6 K 14.55, U.v. 4.12.2019 – W 6 K 18.1207; VG München, U.v. 8.7.2014 – M 23 K 13.3214 – juris Rn. 30).
Maßgeblich ist aufgrund des Charakters der Verkehrsregelung als Dauerverwaltungsakt die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. wenn eine solche nicht durchgeführt wird, der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.2010 – 3 C 32/09 – juris Rn. 17). So können gemäß § 114 Satz 2 VwGO noch im Klageverfahren Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes ergänzt werden. Hierbei handelt es sich jedoch nur um Fälle, in welchen unvollständige Ermessenserwägungen ergänzt werden, nicht hingegen jene, in denen es an Ermessenserwägungen bisher fehlte oder wesentliche Teile der Ermessenerwägungen nachträglich nachgeschoben wurden (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 114 Rn. 50).
2.1. Entgegen der Auffassung der Beklagten gibt es schon keine verkehrsrechtliche Anordnung, auf welche die Aufstellung der Verkehrszeichen 283 (Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO lfd. Nr. 62 – absolutes Haltverbot) gestützt werden könnte. Denn der Gemeinderat der Beklagten hat in seiner Sitzung vom 11. April 2019 kein absolutes Haltverbot beschlossen und der zweite Bürgermeister konnte mangels Organzuständigkeit in der Anordnung vom 12. April 2019 keine eigenständige verkehrsrechtliche Anordnung treffen.
2.1.1. Soweit ausweislich des Beschlussbuchauszugs der Beklagten vom 11. April 2019 ein rechtsseitiges Parkverbot (Richtung H-straße) beschlossen wurde, ist dies mitnichten gleichbedeutend mit einem absoluten Haltverbot und kann daher nicht – wie vorliegend mit Gemeinderatsbeschluss vom 10. Oktober 2019 geschehen – nachträglich in ein solches umdeklariert werden.
Die Unterscheidung zwischen Halten und Parken und deren Verschiedenheit ergibt sich aus § 12 Abs. 2 StVO, demgemäß derjenige parkt, der sein Fahrzeug verlässt oder länger als drei Minuten hält. Halten ist nach der Verwaltungsvorschrift zur StVO eine gewollte Fahrtunterbrechung, die nicht durch die Verkehrslage oder eine Anordnung veranlasst ist (VwV-StVO zu § 12 Abs. 1 StVO). Folglich verbietet ein absolutes Haltverbot schon das Halten an der betreffenden Stelle im Allgemeinen, während ein eingeschränktes Haltverbot lediglich das Parken verbietet, d.h. das Halten bis zu drei Minuten oder das Halten zum Ein- oder Aussteigen bzw. Be- oder Entladen bleiben zulässig. Bis zur Novelle der StVO 2009 wurde das eingeschränkte Haltverbot als Parkverbot bezeichnet (vgl. § 12 der StVO vom 16.11.1970 in der bis zum 31.3.2013 geltenden Fassung – BGBl. I S. 1565, 1971 I S. 38), was sich bis heute in der umgangssprachlichen Bezeichnung eines eingeschränkten Haltverbots als Parkverbot fortgesetzt hat. Ein Parkverbot, d.h. ein eingeschränktes Haltverbot entfaltet demnach keinesfalls dieselbe Wirkung wie ein absolutes Haltverbot, sodass ein beliebiger Austausch der Begrifflichkeit nicht möglich ist.
Wenn nun die Beklagte in einem vorgelegten Beschlussbuchauszug aus einer Gemeinderatssitzung ein halbes Jahr später (10.10.2019) feststellen will, dass „zwar in der Diskussion über ein Parkverbot gesprochen, […] allerdings ein absolutes Haltverbot“ gemeint gewesen sei, kann dies schon nicht nachvollzogen werden, da dies mit keinem Wort in der Protokollierung der Sitzung Niederschlag findet: Aus dem Beschlussbuchauszug vom 11. April 2019 wird sowohl aus dem Sachvortrag als auch der Beschlussfassung deutlich, dass es ausschließlich um ein Parkverbot und damit ein eingeschränktes Haltverbot ging („parkende Fahrzeuge“, „Abstellen der Fahrzeuge der Anwohner auf dem eigenen Anwesen“, evtl. eine spätere Einzeichnung von „Parkbuchten“). Dem entspricht auch der Wortlaut des gefassten Beschlusses („rechtsseitiges Parkverbot“). Im Übrigen spricht die Beklagte selbst in ihrem Schriftsatz vom 18. Februar 2020 wiederum vom Parken, nämlich bei der Einlassung, man habe abgewogen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit und dem Einzelinteresse an einer „Pkw-Parkmöglichkeit vor der eigenen Haustür“, zumal die vorherige entsprechende Bitte an die Anlieger der Straße keinen Erfolg gehabt habe (Schriftsatz v. 18.2.2020, S. 1). Auch dies spricht für ein eingeschränktes Haltverbot i.S.e. Parkverbots und nicht für ein absolutes Haltverbot, in dessen Geltungsbereich kein Fahrzeugführer nicht einmal kurz mit seinem Kraftfahrzeug halten darf.
Soweit im Beschlussbuchauszug vom 11. April 2019 beim Beschluss selbst anstelle der tatsächlich gemeinten O-gasse einmalig der Name „Spielgasse“ auftaucht, handelt es sich aus Sicht des Gerichts um eine versehentliche Falschbezeichnung, die unschädlich ist. Aus dem Sachvortrag zum Beschluss ergibt sich, dass die Situation in der (wiederholt genannten) O-gasse gelöst werden soll. Die diesbezüglich erfolgte Richtigstellung mit Beschluss vom 10. Oktober 2019 wäre daher zulässig gewesen.
2.1.2. Das Vorbringen der Beklagten, die Aufstellung der Verkehrszeichen könne jedenfalls auf die Anordnung des zweiten Bürgermeisters der Beklagten vom 12. April 2019 gestützt werden, vermag die Verkehrszeichen ebenso wenig auf eine taugliche verkehrsrechtliche Anordnung zu stellen. Denn der zweite Bürgermeister war schon mangels Organzuständigkeit nicht befugt, eine solche Anordnung rechtmäßig zu treffen.
Gemäß Art. 29 GO wird die Gemeinde durch den Gemeinderat verwaltet, soweit nicht der erste Bürgermeister selbstständig nach Art. 37 GO entscheidet. Nachdem es sich vorliegend um kein unaufschiebbares Geschäft i.S.v. Art. 37 Abs. 3 Satz 1 GO gehandelt hat und ausweislich der vorgelegten Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Beklagten keine Übertragung auf den ersten Bürgermeister i.S.v. Art. 37 Abs. 2 Satz 1 GO stattgefunden hat, könnte es sich höchstens um eine laufende Angelegenheit, die keine grundsätzliche Bedeutung hat und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen, handeln, Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO. Hiergegen spricht jedoch bereits die Tatsache, dass zuvor der Gemeinderat mit diesem Vorgang befasst und offenkundig zur Entscheidung durch Beschlussfassung aufgerufen war: „Daher beschließt der Gemeinderat mehrheitlich, ein Parkverbot […] zu erlassen“ (Beschlussbuchauszug v. 11.4.2019). Dies ist angesichts der Größe des Gemeindegebiets der Beklagten einerseits und dem Ausmaß der im Ergebnis umgesetzten verkehrsrechtlichen Anordnung andererseits – diese erstreckt sich auf einer Länge von ca. 125 m – auch einleuchtend. Bei der Beklagten handelt es sich um eine sehr kleine Gemeinde mit knapp über 2.000 Einwohnern, die sich ihrerseits auf acht Ortsteile verteilen. Es ist weder ersichtlich noch wurde es vorgetragen, dass bei der Beklagten derartige verkehrsrechtliche Anordnungen in regelmäßiger Wiederkehr stattfinden. Gerade bei verkehrsrechtlichen Anordnungen kann die konkrete Ermessensausübung im Hinblick auf ein mögliches Präjudiz für das restliche Gemeindegebiet weitreichende Folgen haben. Lediglich ergänzend sei hier noch auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hingewiesen, der eine Stadt mit 12.000 Einwohnern als „eher kleine Gemeinde“ bezeichnete und daher eine verkehrsrechtliche Anordnung nicht als laufende Angelegenheit ansah (BayVGH, U.v. 21.2.2011 – 11 B 09.3032).
Da es sich vorliegend um keine laufende Angelegenheit handelt, war der zweite Bürgermeister in Vertretung der ersten Bürgermeisterin mangels Zuständigkeit nicht befugt, eine entsprechende verkehrsrechtliche Anordnung zu treffen.
2.2. Des Weiteren leiden sowohl die verkehrsrechtliche Anordnung vom 11. April 2019 also auch diejenige vom 12. April 2019 an fehlender Bestimmtheit i.S.v. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. So lässt sich aus dem Beschluss vom 11. April 2019 schon nicht der Geltungsbereich der verkehrsrechtlichen Anordnung erkennen. Bei beiden Anordnungen fehlen Beschilderungspläne, aus denen sich die konkreten Aufstellungsorte der Verkehrszeichen erkennen ließen.
Die Beklagte ist als Straßenverkehrsbehörde nach § 45 Abs. 3 StVO verpflichtet festzulegen, wo, wie viele und welche Verkehrszeichen aufgestellt werden sollen und ab wann die Anordnung gelten soll (vgl. BayVGH, B.v. 3.2.2011 – 11 ZB 10.988 – juris Rn. 12; VG München, U.v. 10.3.2010 – M 23 K 09.44 – juris Rn. 26).
Vorliegend ist dem Beschlussbuchauszug vom 11. April 2019 lediglich zu entnehmen, dass ein rechtsseitiges Parkverbot (Richtung H-straße) beschlossen werden soll. Eine Eingrenzung des Geltungsbereichs des „Parkverbots“ wurde nicht vorgenommen. Der Wortlaut legt daher nahe, dass die gesamte O-gasse betroffen sein könnte und nicht nur der Teilbereich ab dem Anwesen Haus Nr. 15, was die Unbestimmtheit der Anordnung aufzeigt. Ausweislich der aktuellen Beschilderung wurde die Beschilderung in einen Teilbereich der O-gasse, nämlich ab dem Anwesen O-gasse 15 bis zur Einmündung in die H-straße, aufgestellt. Dies korrespondiert zwar mit der verkehrsrechtlichen Anordnung des zweiten Bürgermeisters vom 12. April 2019. Da diese jedoch kein eingeschränktes, sondern absolutes Haltverbot ausweist und der Bürgermeister aber keine eigene Organzuständigkeit für den Erlass einer verkehrsrechtlichen Anordnung besitzt (s.o. 2.1.2.), vermag dies auch nicht als Konkretisierung der ursprünglichen Anordnung zu gelten.
Ebenso wenig waren Beschilderungspläne oder Ähnliches der Anordnung vom 11. April 2019 oder derjenigen vom 12. April 2019 als Anlage beigefügt. Zwar befindet sich in der vorgelegten Behördenakte ein Katasterauszug des betroffenen Bereichs mit einer mit Textmarkerstift gezogenen gelben Linie und der Beschriftung „absol. Halteverbot“. Jedoch ist diese Karte ausweislich des Datums in der oberen Kopfzeile vom 21. August 2019 und damit erst nachträglich entstanden. Ungeachtet dessen fehlt es auch hier an einer Festlegung der Schilderstandorte.
Die ergangenen verkehrsrechtlichen Anordnungen werden dem Bestimmtheitserfordernis nicht gerecht, da der Geltungsbereich nicht eindeutig aus der Anordnung hervorgeht. Die Beklagte hätte in der verkehrsrechtlichen Anordnung den Geltungsbereich der verkehrsrechtlichen Anordnung hinreichend bestimmt beschreiben und zu diesem Zwecke die genauen Standorte der aufzustellenden Verkehrszeichen (mit deren genauen Bezeichnung), eventuell unter Bezugnahme auf einen Plan, festlegen müssen. Die Beschilderung hätte dann anhand der Beschreibung in der Anordnung vorgenommen werden müssen. Es ist nicht zulässig, in einer verkehrsrechtlichen Anordnung den genauen Geltungsbereich der verkehrsrechtlichen Anordnung offen zu lassen, da dieser ggf. später durch einfaches Umstellen der Schilder geändert werden könnte. Eine verkehrsrechtliche Anordnung wird durch die Verkehrszeichen nach Außen verlautbart, weshalb die in der verkehrsrechtlichen Anordnung geregelte Lage mit den tatsächlich aufgestellten Verkehrszeichen übereinstimmen muss. Sollen die Verkehrszeichen später ggf. versetzt werden, ist es erforderlich, die verkehrsrechtliche Anordnung zu ändern und erst dann entsprechend die Verkehrszeichen umzusetzen.
2.3. Darüber hinaus ist vorliegend fraglich, ob überhaupt die Tatbestandsvoraussetzungen für eine verkehrsrechtliche Anordnung nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 StVO gegeben waren. Es ist aus den vorgelegten Unterlagen und dem Vorbringen der Beklagten nämlich nicht ersichtlich, ob tatsächlich die Tatbestandsvoraussetzungen, d.h. eine objektive Gefahrenlage für die öffentliche Sicherheit und Ordnung i.S.d. § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO vorgelegen haben. Es ist weder ersichtlich noch dargelegt, dass die Beklagte als zuständige Straßenverkehrsbehörde vor Erlass der angefochtenen verkehrsrechtlichen Anordnung die objektive Gefahrenlage für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geprüft hat.
Zwar hat die Beklagte als zuständige örtliche Verkehrsbehörde eine Einschätzungsprärogative und auch den mit E-Mail vom 1. Juli 2018 vorgebrachten Einwänden des Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr der Beklagten kommt erhebliches Gewicht zu. Unstreitig ist jede Art von Straßenbarrieren, die durch geparkte Autos verursacht werden, nicht nur wegen des allgemeinen fließenden Straßenverkehrs, sondern auch im Falle eines Einsatzes von Rettungsdienst oder Feuerwehr zu vermeiden. Jedoch ist – mit Ausnahme der E-Mail des Kommandanten – weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass Behinderungen des Straßenverkehrs bereits in der Vergangenheit festgestellt worden waren. Auf diesbezügliche Nachfrage des Gerichts wurde lediglich vorgebracht, dass sich die Angehörigen der Feuerwehr mündlich mehrfach bei der Beklagten beschwert hätten, ohne dass dies zumindest in Form von Aktenvermerken festgehalten wurde.
Zudem wurde vorliegend keine Stellungnahme einer sachverständigen Stelle eingeholt, insbesondere wurde keine Verkehrsschau mit der örtlich zuständigen Polizeidienststelle durchgeführt. Nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (vom 26.1.2001 in der Fassung vom 22.5.2017, VwV-StVO) ist nach Ziff. II der Erläuterungen zu § 45 Abs. 3 StVO grundsätzlich vor der Entscheidung über die Anbringung oder Entfernung jedes Verkehrszeichens und jeder Verkehrseinrichtung die Polizei zu hören. Auch wenn die Beklagte im Gerichtsverfahren eine Stellungnahme der Polizeiinspektion Bad Neustadt a.d. Saale vom 14. Februar 2020 nachgereicht hat, wurde eine örtliche Besichtigung mit der Polizei erst am 11. Februar 2020 durchgeführt. Im Falle von – wie hier – Ermessensentscheidungen können aber wesentliche Umstände des Entscheidungsprozesses nicht nachträglich nachgeschoben werden. Im Übrigen weist die Polizeiinspektion Bad Neustadt a.d. Saale in ihrer Stellungnahme vom 14. Februar 2020 darauf hin, dass das Haltverbot nur für relativ kurze Zeiträume benötigt wird, nämlich die dringenden Einsätze der Freiwilligen Feuerwehr B., was wiederum Fragen für die Erforderlichkeit eines uneingeschränkten absoluten Haltverbots aufwirft.
Es ist letztlich nicht nachvollziehbar, wenn die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 18. Februar 2020 ausführt, die Anordnung des einseitigen Haltverbots sei alternativlos gewesen. So werden im Beschlussbuchauszug vom 11. April 2019 zunächst „drei Lösungsmöglichkeiten“ im Gemeinderat aufgezeigt, nämlich das Gespräch mit den Anwohnern suchen, ein Parkverbot in der O-gasse anordnen oder eine Verkehrsschau durchführen. Nach einer entsprechenden Beratung und der Stellungnahme des Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr wurde offenkundig das Gespräch mit den Anwohnern als wenig erfolgversprechend verworfen. Weshalb jedoch keine Verkehrsschau oder zumindest weitere Ermittlungen, wie z.B. ein Ortstermin mit der Polizei, nicht in Betracht gekommen sind, ist nicht ersichtlich. Auch ist nicht ersichtlich, woraus sich der Sprung von dem ursprünglich durch den Gemeinderat beratenen und beschlossenen Parkverbot, d.h. eingeschränkten Haltverbot, auf ein absolutes Haltverbot erklären könnte.
Es ist zu betonen, dass ein grundsätzliches Tätigwerden der Beklagten im verfahrensgegenständlichen Bereich durchaus veranlasst gewesen sein kann. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass bei einer Straßenbreite von 6 m bis 8 m und beidseitig geparkten Fahrzeugen die Durchfahrt – gerade bei Gegenverkehr – je nach Verteilung der geparkten Fahrzeuge erschwert bis unmöglich gemacht wird, insbesondere wenn ein großes Fahrzeug wie z.B. ein Löschfahrzeug hindurchfahren will. Auch durch parkende Fahrzeuge verursachte erhebliche Störungen der Flüssigkeit und Leichtigkeit des Verkehrs können zumindest die Ordnung des Verkehrs gefährden und zur Erfüllung der in § 45 Abs. 1 StVO enthaltenen Eingriffsvoraussetzung ausreichen (BVerwG, U.v. 25.4.1980 – 3 B 25/90 – juris; OVG Bremen, B.v. 10.11.1998 – 1 BA 20/97 – juris Rn. 30). Jedoch fehlt es offenkundig an einer Feststellung durch die Beklagte, wie viele Fahrzeuge regelmäßig in der O-gasse geparkt werden, wie hoch das Verkehrsaufkommen des Durchfahrtsverkehrs dort ausfällt, insbesondere ob es oft zu Begegnungsverkehr kommt. Denn aus dem Umfahren geparkter Fahrzeuge müssen sich nicht notwendig relevante Beeinträchtigungen des fließenden Verkehrs ergeben, wenn eine geringe Frequenz an Fahrzeugen mit wenig Gegenverkehr festzustellen wäre. Auch wenn einzelne Fahrzeuge wegen parkender Pkw ihre Geschwindigkeit ggf. reduzieren müssten, würde dies deshalb keine erheblichen Störungen der Flüssigkeit und Leichtigkeit des Verkehrs darstellen, sondern ergäbe sich aus dem Gebot des § 1 Abs. 2 StVO (BayVGH, B.v. 16.3.2015 – 11 ZB 14.2426 – juris Rn. 11). Folglich ist die Feststellung der Verkehrsverhältnisse vor Ort ein zwingender erster Schritt, um überhaupt abschätzen zu können, ob eine entsprechende objektive Gefahrenlage tatsächlich besteht.
2.4. Liegen die rechtssatzmäßigen Voraussetzungen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 StVO) für die Anordnung eines Haltverbots im streitgegenständlichen Bereich nicht vor, ist der Kläger bereits deshalb in seinen Rechten (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt. Auf die nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO auf der Rechtsfolgenseite zu treffende Ermessensentscheidung kommt es gar nicht mehr an.
Nachdem sowohl der Beschluss des Parkverbots am 11. April 2019 sowie die verkehrsrechtliche Anordnung vom 12. April 2019 einer Begründung, aus der insbesondere Ermessenserwägungen zu entnehmen wären, entbehren – was ebenfalls zu ihrer Rechtswidrigkeit führt, da schon nicht erkennbar ist, dass Ermessen ausgeübt worden wäre – sieht sich das Gericht zu folgenden Anmerkungen veranlasst:
Eine verkehrsrechtliche Anordnung nach § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 StVO steht im Ermessen der Behörde (BVerwG, U.v. 5.4.2001 – 3 C 23.00 – juris), das seitens des Gerichts nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüfbar ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Maßgeblich sind hierbei die in der verkehrsrechtlichen Anordnung selbst dargestellten Ermessenserwägungen (vgl. Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG). Die Straßenverkehrsbehörde hat eine besondere Darlegungslast, wenn sie sich für die Anbringung eines Verkehrszeichens entscheidet.
Die Feststellung der Beklagten im Schriftsatz vom 18. Februar 2020, die Maßnahme sei alternativlos gewesen, begegnet Bedenken, da dies eine Ermessensreduzierung auf Null voraussetzt, welche als Sonderfall besondere Anforderungen an die Begründungspflicht stellt. Nach dem Wortlaut sowohl des Gemeinderatsbeschlusses als auch der verkehrsrechtlichen Anordnung des zweiten Bürgermeisters ist schon nicht erkennbar, ob von der Beklagten überhaupt Ermessen ausgeübt wurde.
Überdies ist Kern einer jeden Ermessensausübung die Bewertung von verschiedenen Möglichkeiten und deren Abwägung untereinander. Vorliegend ist schon nicht ersichtlich, ob anstelle eines absoluten Haltverbots nicht auch ein eingeschränktes Haltverbot (Parkverbot) als weniger einschneidendes Mittel dieselbe Wirkung erzielen könnte. Auch ist unklar, weshalb das Haltverbot rechtsseitig beschlossen wurde und nicht beispielsweise wechselseitig. Eine Begründung hierzu wäre notwendig, um den Anschein von Willkür zu vermeiden. Ebenso wenig ist erkennbar, weshalb auf der gesamten Länge von 125 m ein einseitiges absolutes Haltverbot notwendig sein sollte. Wie bereits der Beklagten bekannt geworden ist (Beschlussbuchauszug vom 1. August 2019) führt ein derart langgezogenes Parkverbot bei einer schmalen Straßenbreite von 6 m bis 8 m unweigerlich zu Folgeproblemen, da die zu parkenden Fahrzeuge auf die andere Straßenseite verdrängt werden und dadurch die Straße künstlich über eine weite Strecke noch schmaler wird, was wiederum zu Schwierigkeiten beim Begegnungsverkehr führt.
2.5. Nach alldem waren die verkehrsrechtlichen Anordnungen der Beklagten – sowohl die Anordnung eines „Parkverbots“ am 11. April 2019 durch den Gemeinderat, als auch die Anordnung eines absoluten Haltverbots durch den zweiten Bürgermeister am 12. April 2019 – rechtswidrig und aufzuheben, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Nachdem der Anfechtungsantrag Erfolg hat, ist die Beklagte zugleich zu verurteilen, die in der O-gasse auf Grundlage der vorgenannten Anordnungen aufgestellten Verkehrszeichen VZ 283 (Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO lfd. Nr. 62) zu entfernen, nachdem die den aufgestellten Verkehrszeichen zugrunde liegenden verkehrsrechtlichen Anordnungen rechtwidrig und aufzuheben waren, § 113 Abs. 4 VwGO (so auch VG Hannover, U.v. 14.6.2016 – 7 A 13494/14 – NZV 2017, 42). Dies kann jedoch nur ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils gelten, da es sich vorliegend um eine Stufenklage handelt (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 113 Rn. 172) und die Beseitigung der Verkehrszeichen erst verlangt werden kann, wenn der Aufhebungsausspruch der den Verkehrszeichen zugrunde liegenden Anordnungen wirksam geworden ist. Die formelle Rechtskraft ist grundsätzliche Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Urteils dergestalt, dass es im Verhältnis zwischen den Beteiligten die Wirkungen hat, auf die es seinem Inhalt nach gerichtet ist, wie vorliegend dass der mit Erfolg angefochtene Verwaltungsakt aufgehoben ist. Urteile sind nur wenn sie kraft Gesetzes oder aufgrund besonderer Anordnung (vgl. § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO) vorläufig vollstreckbar sind, sofort – d.h. bevor sie rechtskräftig werden – auch hinsichtlich ihres Inhalts wirksam. Urteile in Anfechtungssachen werden immer erst mit ihrer Rechtskraft wirksam (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 121 Rn. 2). Daher war dies klarstellend im Tenor auszusprechen.
Zur Klarstellung ist überdies anzumerken, dass die Verkehrszeichen – sollte die Beklagte vor Eintritt der Rechtskraft eine neue verkehrsrechtliche Anordnung mit dem Inhalt eines absoluten Haltverbots beschließen – natürlich nur in dem Umfang abzunehmen sind, der nicht von der neuen Anordnung gedeckt sein sollte.
3. Nach allem war der Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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