Medizinrecht

Rente wegen erlittenen Haushaltsführungsschadens

Aktenzeichen  24 W 725/18

Datum:
27.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 31434
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 3, § 9 Abs. 1 S. 1
GKG § 48 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Wird der Antrag auf Zahlung einer Rente zum Ersatz eines Haushaltsführungsschadens wegen deren teilweise angenommener zeitlichen Beschränkung bis zur Vollendung des 75. Lebensjahres mit einem diesbezüglichen Feststellungsantrag für die Zeit nach Vollendung des 75. Lebensjahres verbunden, so verbleibt es für die Bemessung des Gebührenstreitwerts (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 9 Satz 1 ZPO) beim dreieinhalbfachen Jahreswert des Rentenbezugs. Der funktional an die Stelle des auf Rentenzahlung gerichteten Antrags tretende Feststellungsantrag erhöht den Streitwert nicht.
2. Der bei der Bemessung des Gebührenstreitwerts eines positiven Feststellungantrags regelmäßig vorgenommene Abschlag von 20% gegenüber einem entsprechenden Leistungsantrag hat seinen Grund in der fehlenden Vollstreckbarkeit eines Feststellungsurteils. Geht es um die Feststellung der Pflicht zum Ersatz eines nur möglichen künftigen Schadens, kommen nach freiem Ermessen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO) mit Blick auf die Höhe des Risikos eines Schadenseintritts weitere Abschläge in Betracht (Anschluss an BGH, Beschluss vom 28.11.1990 – VIII ZB 27/90).

Tenor

1. Bei dem Beschluss des Senats vom 25.06.2018, Az. 24 W 725/18, hat es sein Bewenden.
2. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

Der Senat hält trotz der Einwände der Klägervertreter im Schriftsatz vom 03.08.2018 an seinem Beschluss vom 25.06.2018 fest. Eine Abänderung des Beschlusses ist nicht veranlasst.
(1) Haushaltsführungsschaden
Der Senat bleibt dabei, dass für die Bewertung des künftigen Haushaltsführungsschadens insgesamt nur der dreieinhalbfache Wert des einjährigen Bezugs angesetzt werden kann. Dies ergibt sich zwingend aus § 9 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der für das Recht auf wiederkehrende Leistungen insgesamt diese Wertberechnung vorschreibt, und zwar unabhängig davon, ob eine zeitlich unbegrenzte Klage auf wiederkehrende Leistungen (§ 258 ZPO) erhoben wird oder eine zeitlich begrenzte Klage auf wiederkehrende Leistungen (§ 258 ZPO) in Verbindung mit einer Feststellungsklage (§ 256 ZPO) für den anschließenden Zeitraum. Es geht in beiden Fällen um ein- und dasselbe „Recht auf wiederkehrende Leistungen“ im Sinn des § 9 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Nur der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass der Kläger im vorliegenden Fall mit dem Klageantrag III. eine zeitlich unbegrenzte Klage auf wiederkehrende Leistungen erhoben hat. Für die zusätzliche Berücksichtigung eines künftigen Haushaltsführungsschadens bei der Feststellungsklage besteht auch deshalb kein Raum.
Der Senat teilt ferner nicht die Auffassung der Bevollmächtigten des Klägers, dass es sich bei dem Anspruch auf Ersatz eines Haushaltsführungsschadens ab dem 76. Lebensjahr um einen „noch nicht entstandenen“ Anspruch handelt, der ggf. erst mit Erreichen des 76. Lebensjahrs durch den Kläger überhaupt entsteht. Davon unabhängig könnte der Anspruch ohnehin nicht mit einer Feststellungsklage geltend gemacht werden, wenn die Auffassung der Klägervertreter zuträfe. Die Feststellungsklage setzt ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis voraus. Eine Klage auf Feststellung von Rechtsfolgen aus einem künftig erst (möglicherweise) entstehenden Rechtsverhältnis wäre unzulässig (BGHZ 120, 239, 253).
(2) Immaterieller Vorbehalt
Der Senat hat der Bewertung des im Feststellungsantrag enthaltenen immateriellen Vorbehalts die – soweit ersichtlich – ganz herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur zugrunde gelegt, dass bei der Bewertung positiver Feststellungsklagen – wegen der fehlenden Vollstreckbarkeit von Feststellungstiteln – generell ein Abschlag von 20% zu machen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dieser generelle Abschlag auch dann vorzunehmen, wenn damit zu rechnen ist, dass der Schuldner sich einem Feststellungsausspruch beugt (vgl. z.B. BGH in MDR 2008, 829). Daneben ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Bewertung einer positiven Feststellungsklage auch zu berücksichtigen, wie hoch oder gering das Risiko eines Schadenseintritts ist (vgl. z.B. BGH in MDR 1991, 526). Dies ist damit eine Frage der Streitwertbemessung und nicht lediglich der Zulässigkeit der Feststellungsklage.
Bei der Bewertung des immateriellen Vorbehalts stellte sich im vorliegenden Fall die Frage, wie hoch das Risiko einzuschätzen ist, dass dem Kläger infolge der beanstandeten medizinischen Behandlung ein von dem mit Klageantrag I. geltend gemachten Schmerzensgeld nicht erfasster (zukünftiger, derzeit nicht absehbarer) Körperschaden entstehen wird, der ein (zukünftiges) Schmerzensgeld in der vom Kläger angesetzten Höhe (25.000 €, Seite 9 der Klagebegründung) rechtfertigen würde. Aus Sicht des Senats erscheint ein derart schwerwiegender künftiger Körperschaden zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, aber nicht überwiegend wahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund hält der Senat einen Abschlag von (weiteren) 20% bei der Bewertung des immateriellen Vorbehalts (und somit eine Bewertung des immateriellen Vorbehalts mit insgesamt 15.000 €) für gerechtfertigt. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Wahrscheinlichkeit eines zukünftigen Schadenseintritts bedurfte es nicht. Die Streitwertfestsetzung darf ohne Beweiserhebung erfolgen (vgl. z.B. OLG Naumburg in JurBüro 2011, 29).
(3) Pflegeschaden
Auch hinsichtlich des geltend gemachten Pflegeschadens ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einschlägig, wonach bei der Bewertung einer positiven Feststellungsklage berücksichtigt werden muss, wie hoch oder gering das Risiko eines Schadenseintritts ist. Aus Sicht des Senats spielen dabei insbesondere Gesichtspunkte eine Rolle:
– Es steht nicht fest, ob beim Kläger überhaupt ein Pflegebedarf künftig entstehen wird.
– Es steht nicht fest, ob und inwieweit ein eventueller künftiger Pflegebedarf des Klägers, auf den beanstandeten medizinischen Eingriff zurückzuführen ist.
– Es steht nicht fest, in welcher Weise ein eventueller künftiger Pflegebedarf des Klägers die prognostizierten Pflegeleistungen erforderlich machen wird.
– Es steht nicht fest, dass dem Kläger für eventuelle künftige Pflegeleistungen die prognostizierten Kosten entstehen werden.
Vor diesem Hintergrund hält der Senat einen Abschlag von insgesamt 80% von dem geltend gemachten Wert für gerechtfertigt. Der Vorwurf, es handle sich insoweit um einen willkürlich gegriffenen Abzug, ist letztlich vor dem Hintergrund zu sehen, dass es sich bereits bei den vom Kläger für künftige Pflegeleistungen angesetzten Kosten um einen mehr oder weniger beliebig gegriffenen Wert handelt. In der Gesamtabwägung ist die Bewertung eines zukünftigen etwaigen Pflegeschadens im Rahmen der Feststellungsklage mit ca. 20.000 € im konkreten Einzelfall aus Sicht des Senats angemessen. Die Wertfestsetzung erfolgt dabei im Rahmen des „freien Ermessens“ des Gerichts gemäß § 3 ZPO.
(4) Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 11.07.2012, Az. 9 W 15/12
Der Senat hat die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Die Entscheidung besagt, dass bei der Wertbestimmung der positiven Feststellungsklage von den Wertvorstellungen des Klägers auszugehen ist, dass aber „bestehenden Ungewissheiten“ der eingestellten Beträge durch prozentuale Abschläge Rechnung getragen werden kann. In dieser Weise sind das Landgericht und der Senat bei der Bemessung des Streitwerts der positiven Feststellungsklage auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorgegangen.

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