Aktenzeichen W 1 K 15.950
BayVwVfG BayVwVfG § 48 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4
BayBesG BayBesG Art. 15 Abs. 2
BGB BGB § 812, § 819
Leitsatz
1. Die Angaben in einer ärztlichen Abrechnung können als – widerlegbares – Indiz dafür dienen, dass es sich um die Abrechnung tatsächlich erbrachter Leistungen handelt. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Werden Beihilfeleistungsbescheide durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, indem eine Arztrechnung ohne weitere Kommentierung eingereicht und die Richtigkeit ihrer Angaben versichert und damit zum Ausdruck gebracht wird, die konkret abgerechneten medizinischen Leistungen seien erbracht worden, entfällt Vertrauensschutz gem. Art. 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 BayVwVfG; auf die Frage eines Verschuldens kommt es insoweit nicht an. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Mangel iSd Art. 15 Abs. 2 BayBesG ist offensichtlich, wenn der Empfänger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat (wie BVerwG BeckRS 9998, 27507); grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn der Begünstigte nach dem Inhalt des Verwaltungsaktes und/oder nach den ihm bekannten Umständen mit der Rücknahme hätte rechnen müssen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, aber nicht begründet.
Der Bescheid des LfF vom 01.09.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Sowohl die (teilweise) Aufhebung des Beihilfebescheids vom 02.09.2009
(1.) als auch die Rückforderung zu viel geleisteter Beihilfe in Höhe EUR 1.215,00
(2.) unterliegen keinen rechtlichen Bedenken.
1. Rechtsgrundlage für die (teilweise) Rücknahme des Beihilfebescheids vom 02.09.2009 ist Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Nach Satz 2 dieser Vorschrift darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er 1. den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, oder 3. die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
Der Beklagte ist in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 01.09.2015 zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG für eine (teilweise) Rücknahme des Beihilfebescheids vom 02.09.2009 erfüllt sind und die Einschränkungen des Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG der Rücknahme nicht entgegenstehen.
Die genannten Beihilfebescheide sind jedenfalls in dem Umfang, in welchem sie von dem Beklagten im Ergebnis aufgehoben worden sind, rechtswidrig, da der Klägerin hinsichtlich des zurückgeforderten Betrages in Höhe von EUR 1.215,00 kein Anspruch auf die Bewilligung von Beihilfe auf der Grundlage des Art. 96 BayBG i.V.m. mit den Bestimmungen der Bayerischen Beihilfeverordnung vom 2. Januar 2007 (BayBHV) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen während des Aufenthalts des Klägerin in der … Fachklinik in … … im Jahre 2009 gültigen Fassung zusteht.
Zur Überzeugung des erkennenden Gerichts steht nämlich fest, dass die von der Klägerin bei der Beklagten eingereichte Arztrechnung vom 02.09.2009 in wesentlichen Teilen unrichtig ist, da Leistungen abgerechnet wurden, die tatsächlich nicht erbracht wurden. Nach § 7 BayBHV sind beihilfefähig nur solche ärztlichen Aufwendungen, die tatsächlich erbracht wurden und die nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) angemessen sind. Die in der zugrundeliegenden privatärztlichen Liquidation vom 02.09.2009 abgerechneten ärztlichen Leistungen und Heilbehandlungen wurden jedoch zu einem erheblichen Teil tatsächlich nicht erbracht.
Es gibt insbesondere keine vernünftigen Zweifel daran, dass die im von der Polizei im Rahmen der Ermittlungen gegen den Klinikleiter sichergestellten EDV-Programm „Therapieplan-Mamp“ enthaltene und dem Gericht sowohl als Behandlungswie auch als Wochenplan vorliegende Aufstellung die tatsächlichen Behandlungen der Klägerin bei ihrem Klinikaufenthalt widerspiegelt. Aufgrund der Angaben des Zeugen PHK K., der die polizeilichen Ermittlungen maßgeblich durchgeführt hat, ist das Gericht davon überzeugt, dass der in der EDV der Klinik abgespeicherte Plan nicht nur eine unverbindliche Absichtserklärung oder Behandlungsempfehlung darstellte, sondern als Grundlage nicht nur der späteren Patientenabrechnungen, sondern auch der Abrechnungen der Therapeuten diente und deshalb bei Änderungen stets aktualisiert wurde. Dies hat PHK K. auf der Grundlage der übereinstimmenden Auskünfte der von ihm befragten Mitarbeiter der Klinik als sein Ermittlungsergebnis bestätigt. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dies im Falle der Klägerin anders sein sollte als bei den sonstigen von der Polizei ermittelten und auch vom Landgericht Ravensburg seinem rechtskräftigen Urteil vom 09.02.2015 zugrunde gelegten Fällen. Weitere Ermittlungen dahingehend, ob das von der Polizei nicht sichergestellte und mit den Handzeichen der Klägerin versehene Papierexemplar des Wochenplans noch auffindbar ist, haben sich daher nicht aufgedrängt, zumal auch die Zeugin M., die in der fraglichen Zeit bei …-Klinik für die Abrechnungen zuständig war, ebenfalls bestätigt hat, dass die tatsächlichen Behandlungen nicht nur (in Papierform) in einem Ordner, sondern auch im Computer abgelegt waren.
Im Falle der Klägerin wurden damit folgende Behandlungen durchgeführt, die in der Arztrechnung vom 02.09.2009 nicht aufgeführt sind:
Am 06.08.2009, 14:00 Uhr: Aurum Manus; 16:15 Uhr: Traumatherapie.
Am 07.08.2009, 8:30 Uhr: Biografiearbeit.
Am 10.08.2009, 10:00 Uhr: Energetische Wirbelsäulenbehandlung.
Am 11.08.2009, 16:45 Uhr: Traumatherapie.
Am 13.08.2009, 9:00 Uhr: Aurum Manus; 10:30 Uhr: Traumatherapie.
Am 17.08.2009, 10:00 Uhr: Energetische Wirbelsäulenbehandlung; 15:00 Uhr: Craniosacral-Therapie.
Am 18.08.2009, 10:30 Uhr: Traumatherapie.
Am 19.08.2009, 8:00 Uhr: Energetische Wirbelsäulenbehandlung; 11:00 Uhr: Hawai-Massage.
Am 20.08.2009, 14:00: Traumatherapie; 16-45 Uhr: Dorn-Teil-Therapie.
Am 21.08.2009, 8:30 Uhr: Biografie-Arbeit; 15:00 Uhr: Psychische Massage.
Am 24.08.2009, 9:00 Uhr: Craniosacral-Therapie; 11:45 Uhr: Traumatherapie; 16:15 Uhr: Facial Harmony.
Am 25.08.2009, 7:45 Uhr: Traumatherapie.
Am 26.08.2009, 10:30 Uhr: Dorn-Teil-Therapie; 15:15 Uhr: Biografiearbeit.
Am 28.08.2009, 8:30 Uhr: Biografiearbeit.
In der Arztrechnung vom 02.09.2009 sind dagegen folgende angeblichen ärztlichen Behandlungen aufgeführt:
Am 06.08.2009: GOÄ-Nrn. 861 (EUR 92,50) sowie 506, 514, 505, 846, 3305, 558 (zusammen EUR 70,19) und 269a, 45, 642n, 554, 527, 510 (zusammen EUR 121,72).
Am 07.08.2009: GOÄ-Nrn. 861 (EUR 92,50) sowie 269a, 624b, 506, 514, 505, 846, 3305, 558 (zusammen EUR 152,09).
Am 08.08.2009: GOÄ-Nrn. 269a, 506, 514, 505, 846, 3305, 558 (zusammen EUR 117,11).
Am 10.08.2009: GOÄ-Nrn. 269a, 506, 221, 514 (zusammen EUR 75,55).
Am 11.08.209: GOÄ-Nrn. 861 (EUR 140,76) sowie 514, 558, 862, 554, 527, 510 (zusammen EUR 96,61).
Am 12.08.2009: GOÄ-Nrn. 3305, 506, 558, 514, 846, 269a, 865 (zusammen EUR 141,85).
Am 13.08.2009: GOÄ-Nrn. 861 (EUR 140,76) sowie 506, 514, 505, 846, 3305, 558 (zusammen EUR 70,19).
Am 14.08.2009: GOÄ-Nrn. 5066, 514, 505, 846, 3305, 558, 252, 862 (zusammen EUR 104,80).
Am 15.08.2009: GOÄ-Nrn. 506, 514, 505, 846, 3305, 558 (zusammen EUR 70,19).
Am 17.08.2009: GOÄ-Nrn. 3306, 506, 558, 514, 846, 800, 831, 505, 801 (zusammen EUR 153,45).
Am 18.08.2009: GOÄ-Nr. 862 (EUR 46,25).
Am 19.08.2009: GOÄ-Nrn. 861 (EUR 92,50), 3305, 506, 558, 514, 846, 269a, 865, 871 (zusammen EUR 184,33).
Am 20.08.2009: GOÄ-Nrn. 846, 506, 558, 514, 510, 551, 554, 527, 510 (zusammen EUR 95,44).
Am 21.08.2009: GOÄ-Nrn. 861 (EUR 92,50) sowie 269a, 506, 846, 3305, 558, 862 (zusammen EUR 166,36).
Am 22.08.2009: GOÄ-Nrn. 870, 506, 514, 505, 846, 3305, 558 (zusammen EUR 170,74).
Am 24.08.2009: GOÄ-Nrn. 861 (EUR 140,76) sowie 506, 514, 505, 846, 3305, 558, 269a, 801 (zusammen EUR 139,63).
Am 25.08.2009: GOÄ-Nrn. 861 (EUR 92,50) sowie 3306, 506, 558, 514, 846, 800, 831, 505, 862 (zusammen EUR 139,18).
Am 26.08.2009: GOÄ-Nrn. 861 (EUR 92,50), sowie 865, 871, 269a506, 514, 505, 846, 3305, 558 (zusammen EUR 174,58).
Am 27.08.2009: GOÖ-Nrn. 861 (EUR 92,50) sowie 269a, 846, 506, 551,m 514 (zusammen EUR 95,68).
Am 28.08.2009: GOÄ-Nrn. 506, 514, 505, 846, 3305, 558, 862 (zusammen EUR 63,42).
Am 29.08.2009: GOÄ-Nr. 870 (EUR 100,55).
Am 31.08.2009: GOÄ-Nrn. 961 (EUR 92,50) sowie 856 und 857 (zusammen EUR 50,05).
Am 01.09.2009: GOÄ-Nrn. 861 (EUR 92,50) sowie 506, 514, 505, 846, 3305, 558, 861 (zusammen EUR 47,12).
Insgesamt ergibt das eine Rechnungssumme von EUR 4.262,39, für die durchgreifende Zweifel bestehen, ob die abgerechneten Behandlungen tatsächlich durchgeführt wurden. Während nämlich im Normalfall die Angaben in einer ärztlichen Abrechnung zumindest als Indiz dafür dienen können, dass es sich um die Abrechnung tatsächlich erbrachter Leistungen handelt, ist vorliegend aufgrund der Gesamtumstände diese Indizwirkung entfallen. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des LG Ravensburg vom 09.02.2015 (Az.: 2 KLs 31 Js 14206/12) steht nämlich fest, dass der Klinikleiter der … Fachklinik im Zeitraum von 2009 bis 2013 in insgesamt über 700 Einzelfällen, darunter auch der Fall der Klägerin, systematisch Behandlungsleistungen in den zur Abrechnung mit den Krankenversicherungen und Beihilfestellen bestimmten Rechnungen falsch deklariert hat, indem nicht abrechenbare Leistungen, darunter auch solche, die im oben erwähnten Therapie- bzw. Wochenplan für die Klägerin enthalten sind, durch nach der GOÄ abrechenbare Leistungen von etwa gleichem Wert ersetzt und so zu Unrecht abgerechnet wurden. Diese Praxis hat auch die vom Gericht gehörte Zeugin M. am 17.01.2017 nochmals ausdrücklich bestätigt. Da die ärztliche Liquidation vom 02.09.2009 keine der im Therapie- bzw. Wochenplan für die Klägerin enthaltenen Behandlungen aufführt und die Klägerin auch nicht vorgetragen und schon gar nicht unter Beweis gestellt hat, dass sie jene auf der Grundlage der GOÄ nicht abrechenbaren Behandlungen gesondert in Rechnung gestellt bekommen hat, bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass auch bei der Liquidation vom 02.09.2009 nach der üblichen Praxis nicht abrechenbare Behandlungen in GOÄ-kompatible Behandlungen umdeklariert wurden. Die Klägerin hat auch nicht substantiiert vorgetragen, ausschließlich abrechenbare Behandlungen absolviert zu haben. Vielmehr hat sie lediglich pauschal bestritten, dass sie nicht beihilfefähige Behandlungen in Anspruch genommen bzw. Kenntnis davon gehabt habe, dass die von ihr wahrgenommenen Behandlungen nicht beihilfefähig seien. Ein solches pauschales Bestreiten ist angesichts der erdrückend zu nennenden Indizienlage, dass auch in ihrem Fall in erheblichem Umfang nicht beihilfefähige Leistungen nicht nur in Anspruch genommen, sondern auch zu Unrecht als GOÄ-fähige Behandlungen abgerechnet wurden, weder geeignet, die Richtigkeit der ärztlichen Liquidation vom 02.09.2009 nachzuweisen, noch, hierzu weitere Ermittlungen des Gerichts auszulösen.
Bestehen daher durchgreifende Bedenken daran, dass die in der ärztlichen Liquidation vom 02.09.2009 abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht wurden, dann erübrigen sich weitere Feststellungen dazu, ob und wie die laut dem Therapie- bzw. Wochenplan für die Klägerin durchgeführten Behandlungen nach der GOÄ bzw. der BayBHV, insbesondere der Anlage 3 zu § 19 Abs. 1 BayBHV, beihilfefähig wären, da diese tatsächlich erbrachten Leistungen nicht Gegenstand einer ärztlichen Abrechnung waren und es somit jeweils an einem gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 BayBHV erforderlichen Beleg fehlt. Auf die vom Gericht in seinem Vergleichsvorschlag vom 18.01.2017 aufgeworfenen Fragen kommt es daher im Ergebnis nicht mehr an.
Die Bewilligung von Beihilfe für die mit der Liquidation vom 02.09.2009 abgerechnet Leistungen war somit objektiv rechtswidrig im Sinne des Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG.
2. Der teilweisen und der Höhe nach im Ergebnis auf EUR 1.215,00 begrenzten Rücknahme des Beihilfebescheids vom 10.09.2009 steht Art. 48 Abs. 1 S. 2 BayVwVfG nicht entgegen, da die Einschränkungen der Absätze 2 und 4 erfüllt sind.
Auf Vertrauensschutz, der grundsätzlich nach Art. 48 Abs. 2 S. 1 BayVwVfG einer Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte entgegensteht, kann sich die Klägerin nicht berufen, denn er wird im vorliegenden Fall durch Art. 48 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG ausgeschlossen.
2.1. Dabei lässt das Gericht dahingestellt, ob der Annahme des LfF, der ursprüngliche Verwaltungsakt sei durch arglistige Täuschung erwirkt, und damit sei Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG erfüllt, zu folgen ist. Diese Annahme einer arglistigen Täuschung kann nicht aus den Feststellungen des gegen den Klinikleiter ergangenen Strafurteils abgeleitet werden, da die Klägerin weder in dieses Strafverfahren einbezogen noch – nach Kenntnis des erkennenden Gerichts – gegen sie in diesem Zusammenhang ein Ermittlungsverfahren eröffnet wurde. Aber auch inhaltlich fehlt dem Gericht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2017 eine hinreichend sichere Überzeugung davon, dass die Klägerin arglistig getäuscht hat. Um arglistige Täuschung handelt es sich, wenn der Adressat des Verwaltungsakts durch Angaben, deren Unrichtigkeit ihm bewusst war oder deren Unrichtigkeit er für möglich hielt, jedoch in Kauf nahm, bei Behördenmitarbeitern einen Irrtum in dem Bewusstsein hervorruft, diese durch Täuschung zu einer für ihn günstigen Entscheidung zu bestimmen (BVerwG. U.v. 18.09.1985 – 2 C 30.84 – juris; Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 48 Rn. 112). Die Klägerin hat die vom LfF herangezogenen Erkenntnisse aus dem Strafverfahren, wonach die Patienten der … Klinik regelmäßig über die Praxis, nicht abrechenbare Behandlungen in GOÄ-kompatible Behandlungen umzuwandeln, aufgeklärt worden sind, bestritten. Zwar bestehen an diesen Angaben der Klägerin erhebliche Zweifel, zumal das Bestreiten auch insoweit unsubstantiiert ist; jedoch konnte die in der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2017 gehörte Zeugin M. gerade nicht bestätigen, mit der Klägerin ein entsprechendes Aufklärungsgespräch geführt zu haben. Aus den Aussagen der Zeugin lässt sich entnehmen, dass den Patienten auf Nachfrage mitgeteilt wurde, wie die entsprechenden Behandlungen abgerechnet werden sollten und dass diese Behandlungen auf der Grundlage der GOÄ nicht abrechenbar wären. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin insoweit die Augen verschlossen und nicht einen bewussten Täuschungsvorsatz gefasst hat.
2.2. Die Klägerin kann sich aber auf Vertrauensschutz jedenfalls deshalb nicht berufen, weil die Voraussetzungen von Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3 BayVwVfG erfüllt sind.
Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG ist einschlägig, weil die Klägerin die Leistungsbescheide durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, indem sie die Arztrechnung ohne weitere Kommentierung eingereicht und die Richtigkeit ihrer Angaben versichert und damit zum Ausdruck gebracht hat, die konkret abgerechneten medizinischen Leistungen seien erbracht worden. Die entsprechenden Feststellungen lassen sich den Akten entnehmen und sind auch nicht streitig. Auf die Frage eines Verschuldens kommt es insoweit nicht an.
Aber auch die Voraussetzungen von Art. 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 BayVwVfG sind gegeben. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Klägerin eine sogenannte A 29 Abrechnung vorgelegen hat oder nicht. Diese A 29 Abrechnungen wurden nach den Angaben der Zeugin erstellt auf der Grundlage der tatsächlich durchgeführten Therapien und dienten dem Zweck, den Patienten die Feststellung zu ermöglichen, welche Behandlungen sie tatsächlich durchlaufen haben. Die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 10.09.2009, der auf von der Klägerin erbrachten Fehlangaben beruhte, war ihr – wenn nicht bekannt – so doch zumindest infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt. Der Klägerin musste bei Parallelwertung in der Laiensphäre (vgl. dazu u. a. Ramsauer, a.a.O., § 48 Rn. 122) klar sein, dass ein auf unrichtigen oder in wesentlicher Hinsicht unvollständigen Sachverhaltsangaben beruhender Verwaltungsakt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht rechtmäßig ist. In diesem Zusammenhang kann sie sich – anders als bei der Frage einer arglistigen Täuschung – weder mit dem Hinweis auf ein bloßes Vergessen des Hinzufügens weiterer Informationen noch mit dem Hinweis auf Unklarheiten oder Fehlvorstellungen im Zusammenhang mit dem Begriff analoger Abrechnungen entlasten (VGH Baden-Württemberg, U.v. 14.08.2015 – 2 S 384/14 – juris-Rn. 31).
2.3. Ermessensfehler bei der Rücknahmeentscheidung kann die Klägerin nicht für sich geltend machen. Mit Blick auf den fehlenden Vertrauensschutz ist regelmäßig eine Ermessensreduktion in Richtung einer Rücknahme auch für die Vergangenheit anzunehmen, wenn – wie hier – für einen Ausnahmefall nichts ersichtlich ist (vgl. Ramsauer, a.a.O., § 48 Rn.127b und 127c). Unabhängig davon ist die im Bescheid erfolgte Ermessensausübung nicht zu beanstanden.
2.4. Die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG stand der Rücknahme nicht entgegen. Mangels Nachweisbarkeit von Arglist folgt das allerdings noch nicht aus einer tatbestandlichen Unanwendbarkeit der Vorschrift (vgl. hierzu Art. 48 Abs. 4 Satz 2 BayVwVfG). Doch ist die Rücknahme rechtzeitig innerhalb der Frist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG erfolgt. Kenntnis der Behörde von den gesamten Umständen lässt sich frühestens ab Rechtskraft des gegen den Klinikleiter wegen Abrechnungsbetrugs ergangenen Strafurteils annehmen (17.02.2015). Damit war die am 01.09.2015 erfolgte Rücknahme rechtzeitig. Ohne Erfolg versucht die Klägerin dem entgegenzuhalten, der Beklagte habe schon vor dem Urteil des LG Ravensburg Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Beihilfebewilligung gehabt. Sie verkennt hierbei, dass erst die positive und vollständige Kenntnis aller Tatsachen im weitesten Sinn, die für die Behördenentscheidung über eine Rücknahme relevant sind oder sein können einschließlich der für die zu treffende Ermessensentscheidung unter Umständen relevanten Tatsachen die Frist in Lauf setzt (Ramsauer, a.a.O., § 48 Rn. 153 m. w. N.). Vor dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens kann von einer solchen Kenntnis jedenfalls nicht die Rede sein.
Damit war die Rücknahme der streitgegenständlichen Leistungsbescheide rechtmäßig.
3. Die Rückforderung der zu Unrecht erbrachten Beihilfeleistungen nach Art. 13 BayBG i.V.m. Art. 15 Abs. 2 BayBesG ist ebenfalls rechtmäßig.
Nach Art. 15 Abs. 2 BayBesG regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Besoldung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung steht es gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger oder die Empfängerin ihn hätte erkennen müssen. Von der Rückforderung kann aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden.
Die Klägerin kann sich hinsichtlich der zu Unrecht erhaltenen Beihilfeleistungen nicht gemäß Art. 15 Abs. 2 Satz 1 BayBesG i.V.m. § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Selbst wenn man nämlich zu Gunsten der Klägerin von einem Wegfall der Bereicherung ausgehen wollte, wofür ein substantiierter Sachvortrag erforderlich gewesen wäre, könnte sie sich nicht auf diesen berufen, da sie verschärft haftet.
Gemäß Art. 15 Abs. 2 Satz 2 BayBesG steht es der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung (vgl. § 819 Abs. 1 BGB) gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger oder die Empfängerin ihn hätte erkennen müssen. Auf einen strafrechtlichen Schuldvorwurf kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Mangel offensichtlich, wenn der Empfänger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat (BVerwG, U.v. 28.06.1990 – 6 C 41/88, juris m.w.N.). Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn der Begünstigte nach dem Inhalt des Verwaltungsaktes und/oder nach den ihm bekannten Umständen mit der Rücknahme hätte rechnen müssen.
Hiervon ausgehend musste der Klägerin, wie bereits ausgeführt, klar sein, dass ein auf unrichtigen oder in wesentlicher Hinsicht unvollständigen Sachverhaltsangaben beruhender Verwaltungsakt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht rechtmäßig ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Erstattungsanspruch auch nicht verjährt. Art. 71 AGBGB bestimmt, dass Rückforderungsansprüche in drei Jahren verjähren und die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und die Beklagte von den Anspruch begründenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Der Rückforderungsanspruch ist erst mit der Bekanntgabe des Bescheides vom 01.09.2015 entstanden und damit nicht verjährt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO, 167 VwGO.