Aktenzeichen S 28 KA 698/15
SGB V § 72 Abs. 1 S. 2, § 81a, § 95 Abs. 3 S. 1, § 106a Abs. 1, Abs. 2 S. 1
Leitsatz
1. Die Dreimonatsgrenze gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV ist nicht durch Addition der Vertretertage, sondern fortlaufend von dem Zeitpunkt an zu errechnen, an dem Vertretene abwesend ist und der Vertreter erstmalig tätig wird, wobei die Berechnung des Dreimonatszeitraums nicht anhand von Kalendertagen, sondern Tagen mit Sprechstundenzeit erfolgt. Beginnt ein Urlaub an einem Wochenende oder einem Feiertag, ist für diese Tage – in Praxen mit einer Sprechstundenzeit von Montag bis Freitag – keine Vertretung erforderlich. (redaktioneller Leitsatz)
2. Hat der Arzt im Rahmen der Vertretermeldungen an die Beklagte vorsätzlich fehlerhafte Angaben zur Dauer seiner Abwesenheiten gemacht, entfällt die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärungen in den streitgegenständlichen Quartalen mit der Folge, dass der Kassenärztlichen Vereinigung im Rahmen der Honorarneufestsetzung ein weites Schätzungsermessen zusteht. Übt sie dieses fehlerhaft aus, hat das Gericht die Schätzung selbst vorzunehmen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Bescheid vom 04.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.04.2015 wird insoweit abgeändert, als die Beklagte von der Klägerin nur einen Betrag in Höhe von 43.885,12 EUR zurückfordern kann. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt 60% und die Beklagte 40% der Kosten des Verfahrens.
Gründe
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Der angefochtene Bescheid vom 04.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.04.2015 ist insoweit abzu-ändern, als die Beklagte nur einen Betrag i.H.v. 43.885,12 EUR zurückfordern kann.
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage sind erfüllt; insbesondere ist die Klage fristgemäß eingelegt worden (§ 87 SGG).
Die Klage ist auch teilweise begründet.
Rechtsgrundlage der in Streit stehenden sachlich-rechnerischen Richtigstellung aufgrund Plausibilitätskontrolle ist § 106a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB V (in der Fassung vom 01.07.2008; im Folgenden „a.F.“). Nach § 106a Abs. 1 SGB V a.F. prüfen die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V a.F.).
Nach der Rechtsprechung des BSG entfällt im Fall der (zumindest) grob fahrlässigen unrichtigen Abrechnungs-Sammelerklärung für die Kassenärztliche Vereinigung grundsätz-lich die Verpflichtung, als Voraussetzung der Rechtswidrigkeit des Honorarbescheides dem Arzt mehr als eine unrichtige Abrechnung pro Quartal nachzuweisen. Sie ist rechtlich nicht gehalten, in allen Behandlungsfällen, in denen sie unrichtige Abrechnungen vermutet, den Nachweis der Unrichtigkeit zu führen. Im Ergebnis liegt somit das Honorar-Risiko auf der Seite des Arztes, der in seiner Honorarabrechnung unrichtige Angaben gemacht hat (BSG, Urteil vom 17.09.1997, Az. 6 RKa 86/95, Rn. 21). Der Wegfall der Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung bei Vorliegen schon einer einzelnen grob fahrlässig falschen Angabe auf einem Behandlungsausweis – mit der Folge, dass der Honorarbescheid für das Quartal im Ganzen rechtswidrig ist – unterliegt keinen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit. Denn das bedeutet nicht, dass dem Arzt überhaupt kein Anspruch auf Vergütung für die in dem Quartal erbrachten Leistungen zusteht. Soweit davon auszugehen ist, dass Leistungen tatsächlich und ordnungsgemäß erbracht wurden, hat die Kassenärztliche Vereinigung nach Aufhebung des unrichtigen Honorarbescheides das dem Vertragsarzt für diese Leistungen zustehende Honorar neu festzusetzen. Bei der Neufestsetzung hat sie allerdings ein weites Schätzungsermessen (BSG, ebenda, Rn. 23). Bei Schätzungen besteht nach der Rechtsprechung kein der Gerichtskontrolle entzogener Beurteilungsspielraum. Sie gehören zu den Tatsachenfeststellungen, für die die Tatsacheninstanzen ihrerseits zuständig sind. Das Gericht hat deshalb die Schätzung selbst vorzunehmen bzw. jedenfalls selbst nachzuvollziehen (BSG, ebenda, Rn. 28).
Nach Überzeugung der Kammer waren die von den Vertragsärzten der Klägerin abgegebenen Abrechnungs-Sammelerklärungen in den streitgegenständlichen Quartalen auf-grund Vorliegens vorsätzlich falscher Angaben unrichtig. Entgegen den Abrechnungserklärungen wurden nicht sämtliche abgerechneten Leistungen entsprechend den beste-henden Bestimmungen zur vertragsärztlichen Versorgung erbracht.
Dr. C. hat in den Jahren 2010, 2011 und 2012 gegen die vertragsärztlichen Vertretungsregelungen, die Anwesenheitspflicht sowie die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verstoßen.
Gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV hat der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben. Bei Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung kann er sich innerhalb von zwölf Monaten bis zur Dauer von drei Monaten vertreten lassen (§ 32 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV). Dauert die Vertretung länger als eine Woche, so ist sie der Kassenärztlichen Vereinigung mitzuteilen (§ 32 Abs. 1 Satz 4 Ärzte-ZV).
Im Fall der Klägerin findet § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV Anwendung, da es sich um eine fachübergreifende Gemeinschaftspraxis handelt und der Ausfall eines Partners nicht durch die weiterhin tätigen anderen Partner aufgefangen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2011, Az. B 6 KA 31/10 R, Rn. 29).
Grundsätzlich gilt, dass ein Vertragsarzt, der seiner Tätigkeitsverpflichtung nicht nachkommen kann, verpflichtet ist, für eine geeignete ärztliche Vertretung zu sorgen (Bedei/Zalewski in: Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, Stand August 2016, Zulassungsord-nung-Ärzte, E 32 – 2; Bäune in: Bäune/Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte, 2008, § 32 Rn. 11).
Vorliegend hat sich Dr. C. während seiner Fernreisen in den Jahren 2010, 2011 und 2012, ohne seine (vollständigen) Abwesenheitszeiten der Beklagten zu melden, umfassend durch seinen Gemeinschaftspraxispartner Dr. D. vertreten lassen.
Dr. D. kann jedoch nicht das gesamte Spektrum der vertragsärztlichen Tätigkeit von Dr. C. vertreten. Da er als Facharzt für Nuklearmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zu-gelassen ist, sind Röntgenwie auch CT-Leistungen für ihn fachfremde Leistungen (vgl. hierzu näher Urteile der Kammer vom 10.07.2015, Az. S 28 KA 544/12, S 28 KA 1518/12 und S 28 KA 1039/13). Grundsätzlich benötigt Dr. C. daher einen externen Vertreter (BSG, ebenda, Rn. 29). Das Gericht weist ergänzend darauf hin, dass einer „praxisinternen Vertretung“ durch Dr. D. die Abrechnungsbestimmungen des EBM entgegenstehen (vgl. hierzu BSG, ebenda, Rn. 41 ff. sowie die o.g. Urteile der Kammer vom 10.07.2015).
Die Beklagte beanstandet die fehlerhafte Vertretung durch Dr. D. aber nicht grundsätzlich, sondern verweist darauf, dass sie selbst bis zur Veröffentlichung des Urteils des BSG vom 14.12.2011 die Rechtsauffassung gehabt habe, dass Vertretungen im Sinne von § 32 Ärzte-ZV grundsätzlich auch innerhalb von Fachgebiets- und/oder versorgungsbereichs-übergreifenden Berufsausübungsgemeinschaften zulässig sind. Für die Vertretungen von Dr. C. durch Dr. D., die – innerhalb von zwölf Monaten – nicht über drei Monate hinausgin-gen (§ 32 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV), gewährt die Beklagte daher der Klägerin Vertrauensschutz.
Die Beklagte macht aber den Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten geltend, soweit Dr. C. länger als drei Monate im Kalenderjahr (innerhalb von zwölf Monaten) abwesend war und sich von Dr. D. vertreten ließ. Dabei hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass es für die Klägerin am günstigsten sei, den Zwölfmonatszeitraum jeweils am 01.01. eines Jahres beginnen zu lassen.
Die Kammer schließt sich der Bewertung der Beklagten an, dass Dr. C. in den Jahren 2010, 2011 und 2012 nicht die Dreimonatsgrenze gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV ein-gehalten hat. Hinsichtlich der Frage, wie viele Tage Dr. C. in den streitgegenständlichen Jahren über den Dreimonatszeitraum hinaus abwesend war, ist folgendes auszuführen:
Bereits in der Vergangenheit entsprach es der überwiegend herrschenden Meinung, dass die Dreimonatsfrist nicht durch Addition der Vertretertage sondern fortlaufend von dem Zeitpunkt an zu errechnen ist, an dem der Vertreter erstmalig tätig wird (vgl. die Nachweise bei Bäune, ebenda, Rn. 18). Teilweise wurde hingegen die Auffassung vertreten, dass der Dreimonatszeitraum durch Addition der einzelnen Vertretertage zu bestimmen ist (Bäune, ebenda, § 32 Rn. 18).
Das BSG hat, soweit ersichtlich, lediglich in einem Beschluss aus dem Jahr 2014 zu der Frage Stellung genommen und ausgeführt, dass bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift hervorgehe, dass es nicht auf die einzelnen Tage ankomme, an denen der Vertreter tätig wird, sondern auf den Zeitraum, in dem die Vertretung aus einem der genannten Gründe erforderlich ist (BSG, Beschluss vom 13.08.2014, Az. B 6 KA 3/14 B, Rn. 6 zum gleichlau-tenden § 32 Abs. 1 Satz 2 Zahnärzte-ZV). „Dies entspricht auch dem erkennbaren Sinn der Regelung. Gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2, § 95 Absatz 3 Satz 1 SGB V ist der Zahnarzt aufgrund der Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Nach § 32 Absatz 1 Satz 1 Zahnärzte-ZV hat er die vertragszahnärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben. Wenn er daran z. B. durch Krankheit gehindert ist, wird ihm durch § 32 Absatz 1 Satz 2 Zahnärzte-ZV als Ausnahme vom Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung ermöglicht, die Leistung im Zeitraum der Verhinderung durch einen Vertreter zu erbringen und trotzdem gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung wie eine eigene Leistung abzurechnen ohne dafür einer Genehmigung zu bedürfen. Auch wenn ein Zahnarzt seiner Verpflichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nur ungenügend nachkommt, indem er sich nur in geringem Umfang vertreten lässt, so kann dies nach dem Sinn der Regelung nicht zu einer Verlängerung des Zeitraums der genehmigungsfreien Vertretung führen. Ob etwas anderes für Konstellationen gilt, in denen der Vertretungsbedarf z. B. wegen Teilnahme des Zahnarztes an Fortbildungen wiederholt tageweise entsteht (zur Schwierigkeit der Berechnung in einer solchen Konstellation vgl. Schallen, Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten, 8. Aufl. 2012, § 32 RdNr. 40; Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte, 2008, § 32 RdNr. 18; Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, Stand 4/2014, Zulassungsverordnung für Vertragsärzte RdNr. E 32 – 4), kann hier dahinstehen“ (BSG, ebenda, Rn. 7 f.).
Aus alledem ergibt sich, dass es entgegen der Auffassung der Klägerseite nicht auf die Anzahl der Vertretertage, sondern auf den Zeitraum ankommt, in dem Dr. C. tatsächlich abwesend war. Dabei ist dieser von dem Zeitpunkt an zu errechnen, an dem der Vertreter erstmalig tätig wurde (so ausdrücklich Bedei/Zalewski, ebenda, E 32 – 4; Scholz in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck?scher Online-Kommentar Sozialrecht, Stand 01.12.2016, § 32 Ärzte-ZV Rn. 19, der jedoch auf die Zeitspanne zwischen erst- und letztmaligem Einsatz des Vertreters abstellt).
Die Beklagte hat somit zutreffend auf die Abwesenheitszeiträume von Dr. C. und nicht auf die Anzahl der Vertretertage abgestellt.
Sie hat dabei regelmäßig vom ersten Abwesenheitstag an die Kalendertage gerechnet, an denen Dr. C. abwesend war, ohne Rücksicht darauf, ob an diesem Tag auch der Vertreter erstmalig tätig wurde oder hätte tätig werden müssen. In den Jahren 2010, 2011 und 2012 begannen insgesamt fünf Urlaube von Dr. C. an einem Samstag oder an einem Feiertag (Freitag). Da die klägerische Praxis regelmäßig Sprechstunden von Montag bis Freitag anbietet, musste der Vertreter in diesen Fällen erst am Montag, oder wenn dieser ein Feiertag war (Pfingstmontag), am Dienstag das erste Mal tätig werden.
Nach Auffassung der Kammer ist die Berechnung der Abwesenheitstage in den Fällen, in denen der erste Abwesenheitstag nicht zugleich erster Vertretertag war, zu beanstanden. In diesen Fällen ist der Zeitraum erst ab dem Tag zu berechnen, an dem der Vertreter erstmalig tätig wurde bzw. werden musste.
Beginnt ein Urlaub nämlich an einem Wochenende oder einem Feiertag, ist für diese Tage – in Praxen mit einer Sprechstundenzeit von Montag bis Freitag – keine Vertretung erforderlich. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Berechnung auf Grundlage von Kalendertagen nicht zu nachteiligen Ergebnissen für den Vertragsarzt führen darf. Nach der Berechnungsweise der Beklagten schlägt jedoch ein Urlaub von Samstag bis Sonntag der Folgewoche mit neun Kalendertagen zu Buche, obwohl der Vertragsarzt lediglich an fünf Tagen mit Sprechstundenzeit nicht in der Praxis anwesend ist. Dieses Ergebnis ist nach Überzeugung der Kammer unbillig.
In diesem Zusammenhang ist auch auf das im Internet abrufbare Merkblatt der Beklagten „Allgemeine Informationen zum Thema Vertretung“, Stand 01.08.2016, zu verweisen, in dem diese zur genehmigungsfreien Vertretung gem. § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV zur Frage „Vertretungsdauer“ u.a. ausführt:
„3 Monate innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten genehmigungsfrei; dies entspricht 65 Tage bei Sprechstundenzeit Mo – Fr oder 78 Tage bei zusätzlicher Samstagssprechstunde in den letzten 12 Monaten; Vertretungen für Bereitschaftsdienst zählen zu den Vertretungstagen (außer der Bereitschaftsdienst wird nach § 11 BDO-KVB getauscht); stundenweise Vertretung wird als ein Vertretungstag gezählt“.
Danach geht die Verwaltungspraxis der Beklagten mittlerweile offensichtlich dahin, dass die Berechnung des Dreimonatszeitraums nicht anhand von Kalendertagen, sondern Tagen mit Sprechstundenzeit erfolgt. Insgesamt kann ein Vertragsarzt im Rahmen des § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV 13 Wochen (mit regelmäßig fünf bzw. sechs Sprechstundentagen) abwesend sein. Bei der Berechnung nach Tagen mit Sprechstundenzeit kommt es, eine Praxis wie die klägerische mit einer Sprechstundenzeit von Montag bis Freitag unterstellt, nicht darauf an, ob der erste Urlaubstag des Vertragsarztes ein Samstag oder ein Montag ist. Würde ein Arzt von Samstag bis Sonntag der Folgewoche Urlaub nehmen, wären fünf Tage mit Sprechstundenzeit zu veranschlagen.
In den streitgegenständlichen Jahren gab es hingegen noch keine Hinweise der Beklagten, den Dreimonatszeitraum gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV anhand der Tage mit Sprechstundenzeit zu berechnen. Dem Gericht liegen die früheren Merkblätter der Beklagten zum Thema „Vertretung“ vom 08.12.2009, 01.03.2011 und 18.02.2014 vor, in de-nen zur „Vertretungsdauer“ jeweils lediglich darauf verwiesen wurde, dass diese bis zu 3 Monate innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten ohne Genehmigung der KV möglich sei.
Die Kammer hat nach alledem keine Bedenken hinsichtlich der Vorgehensweise der Beklagten, die Abwesenheit von Dr. C. anhand der Kalendertage zu berechnen. Aus den o.g. Gründen sind die Abwesenheitstage jedoch immer erst von dem Tag an zu berechnen, an dem der Vertreter erstmalig tätig wurde bzw. werden musste.
Die Berechnungen der Beklagten sind folglich in den Fällen zu korrigieren, in denen der erste Abwesenheitstag von Dr. C. nicht zugleich erster Vertretertag war.
2010:
01.01. (Freitag, Neujahr) – 24.01.: Abwesenheit in Kalendertagen 21 (statt 24) 22.05. (Samstag) – 29.05.: Abwesenheit in Kalendertagen 5 (statt 8)
(Anmerkung: 24.05. war Pfingstmontag) 11.09. (Samstag) – 17.10.: Abwesenheit in Kalendertagen 35 (statt 37) 2011:
23.07. (Samstag) – 28.08. Abwesenheit in Kalendertagen 36 (statt 38) 2012:
24.03. (Samstag) – 21.04. Abwesenheit in Kalendertagen 27 (statt 29)
Aufgrund dieser Korrekturen reduziert sich die Abwesenheit des Dr. C. im Jahr 2010 um 8 auf insgesamt 99 Kalendertage, im Jahr 2011 um 2 auf insgesamt 94 Kalendertage sowie im Jahr 2012 um 2 auf insgesamt 101 Kalendertage. Nach Vornahme dieser Korrekturen steht fest, dass Dr. C. in den Jahren 2010, 2011 und 2012 jeweils nicht die Dreimonatsgrenze gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV, die 92 Kalendertagen entspricht, eingehalten hat.
Aus Sicht des Gerichts hat Dr. C. im Rahmen der Vertretermeldungen an die Beklagte vorsätzlich fehlerhafte Angaben zur Dauer seiner Abwesenheiten gemacht. Die angegebenen Zeiten sind teilweise erheblich kürzer als die tatsächlichen Reisezeiträume; teilweise hat Dr. C. auch keine Meldungen abgegeben, obwohl diese nach § 32 Abs. 1 Satz 4 Ärzte-ZV notwendig gewesen wären (vgl. Auflistung der Beklagten im angefochtenen Bescheid). Nachvollziehbare Gründe für die Nichtangabe bzw. Angabe lediglich von Teilzeiträumen sind nicht ersichtlich. Insbesondere handelte es sich um Fernreisen (meist inkl. Motorradtransport), häufig auf andere Kontinente, die nach allgemeiner Lebenserfahrung weit im Voraus geplant werden. Nach Überzeugung des Gerichts waren Dr. C., der bereits seit dem 01.10.1997 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist und seit über 20 Jahren das (Fern-)Reisen zu seinen Hobbies zählt, die Vertretungsregelungen, insbesondere der Dreimonatszeitraum gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV, bekannt.
Infolgedessen haben die Vertragsärzte der Klägerin im Rahmen der Abrechnungs-Sammelerklärungen in den streitgegenständlichen Quartalen vorsätzlich falsche Angaben gemacht. Die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärungen in den streitgegen-ständlichen Quartalen ist somit entfallen.
Die Beklagte hat jedoch das ihr im Rahmen der Honorarneufestsetzung zustehende weite Schätzungsermessen teilweise fehlerhaft ausgeübt. Die von der Beklagten vorgenommene Schätzung ist für das Gericht nicht vollständig nachvollziehbar, so dass das Gericht die Schätzung selbst vorzunehmen hatte.
Wie bereits oben dargelegt, war Dr. C. im Jahr 2010 insgesamt 99 Kalendertage, im Jahr 2011 94 Kalendertage sowie im Jahr 2012 101 Kalendertage abwesend. Da die Beklagte jeweils ab dem 93. Abwesenheitstag gekürzt hat, sind für das Jahr 2010 7 Abwesenheitstage, für das Jahr 2011 2 Abwesenheitstage sowie für das Jahr 2012 9 Abwesenheitstage zu kürzen. Multipliziert mit dem jeweils durchschnittlichen GKV-Tageshonorar des Dr. C. (2010: 2.377,75 EUR; 2011: 2.546,64 EUR; 2012: 2.457,51 EUR) ergibt sich eine Gesamtrückforderungssumme von 43.855,12 EUR.
Das Gericht weist vorsorglich darauf hin, dass es im Schätzungsermessen der Beklagten liegt, ob die Berechnung der Rückforderung anhand der Kalendertage oder der Tage mit Sprechstundenzeit erfolgt. Eine Berechnung der Rückforderung anhand der Sprechstundentage würde zu ähnlichen Ergebnissen führen; in diesem Fall müsste die Anzahl der Sprechstundentage, an denen Dr. C. abwesend war, mit seinem durchschnittlichen GKV-Honorar, das er an einem Tag mit Sprechstundenzeit eingenommen hat, multipliziert werden. Bei der Ermittlung der abwesenden Tage mit Sprechstundenzeit müssten nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Fall Feiertage, außer zu Beginn der Vertretungstätigkeit, unberücksichtigt bleiben; denn es soll ja auf den Zeitraum ankommen, in dem die Vertretung erforderlich ist (BSG, ebenda, Rn. 6).
Die in den Quartalen 4/2008, 2/2011 und 4/2011 erfolgten, den Leistungserbringer Dr. D. betreffenden sachlich-rechnerischen Richtigstellungen (vgl. hierzu Urteile der Kammer vom 10.07.2015, Az. S 28 KA 544/12, S 28 KA 1518/12 und S 28 KA 1039/13) waren im Rahmen der Rückforderungsberechnung nicht zu berücksichtigen. Diese sachlich-rechnerischen Richtigstellungen betreffen radiologische Leistungen, die unter der LANR von Dr. D. erbracht wurden, während die streitgegenständliche Kürzung lediglich Leistungen umfasst, die unter der LANR von Dr. C. erbracht und abgerechnet wurden.
Die Kostenentscheidung basiert auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.