Medizinrecht

Ruhen der Approbation als Psychologische Psychotherapeutin aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung

Aktenzeichen  21 ZB 15.2074

Datum:
20.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 41904
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
PsychThG § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 2, Abs. 3

 

Leitsatz

1 Lehnt es ein Approbationsinhaber ab, sich der angeordneten Untersuchung seiner gesundheitlichen Eignung zu unterziehen, rechtfertigt das nach der gesetzlichen Wertung die Annahme, dass er in gesundheitlicher Hinsicht bis zum Beweis des Gegenteils zur Ausübung seines Berufs nicht geeignet ist. (redaktioneller Leitsatz)
2 Während eines Prüfungsvorgangs betreffend die ergänzende Stellungnahme zum Gutachten über die gesundheitliche Eignung des Approbationsinhabers kann die Ruhensanordnung noch aufrecht erhalten werden. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

16 K 14.2627 2015-08-04 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III.
Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 4. August 2015 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 15.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich dagegen, dass das Ruhen ihrer Approbation als Psychologische Psychotherapeutin angeordnet wurde.
Die Bayerische Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Landeskammer) empfahl der Regierung von Oberbayern mit Schreiben vom 19. Juli 2013, die weitere gesundheitliche Geeignetheit der Klägerin zur Ausübung ihres Berufs als Psychologische Psychotherapeutin überprüfen zu lassen. Die Landeskammer führte dazu neben anderem aus: Die Klägerin sei durch schriftliche Mitteilungen aufgefallen, in denen sie unter anderem davon berichtet habe, ein Manuskript über die “moderne Teufelsneurose” erstellt zu haben, welches sie gerne veröffentlichen würde. Die Klägerin habe auch davon berichtet, dass ihr Hausarzt versucht habe, sie “eines natürlichen Todes” sterben zu lassen, in dem er ihr zehn Jahre lang alle vierzehn Tage HÄS gespritzt habe. Während eines Telefonats mit einem Mitarbeiter der Landeskammer am 6. Juni 2013 habe die Klägerin geäußert, bereits mehrere Patienten mit Teufelsneurose geheilt zu haben. Auch aus dem Inhalt des vorgelegten Manuskripts hätten sich erhebliche Zweifel im Hinblick auf den Fortbestand der gesundheitlichen Eignung der Klägerin ergeben. So sei dem Manuskript unter anderem Folgendes zu entnehmen: “Die Wende kam nach einer sehr heftigen Stunde, in der ich auf der Existenz des Teufels bestand. … Ich schrie den Patienten an und beschimpfte ihn, welch bösartiges Kleinkind er ist, der glaubt, alles zerstören zu können und in Wirklichkeit nichts zustande bringt, aber dafür noch bewundert werden will und noch sehr vieles mehr. … Seine Aggression und seine Angriffsbereitschaft milderte sich erheblich, als mir der Kragen platzte, ich ihn anschrie, welch miserabler widerwärtiger Säugling er sei und vieles mehr.”
Eine fachliche Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. Z… (Sachgebiet 53.1 der Regierung von Oberbayern) kam zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin deutliche Hinweise auf eine psychische Störung und ein patientengefährdendes Verhalten vorliege.
Nachdem die Regierung von Oberbayern die Klägerin unter Hinweis auf die Folgen einer Weigerung mehrfach vergeblich aufgefordert hatte, sich einer fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen, ordnete sie mit Bescheid vom 7. Mai 2014 das Ruhen der Approbation der Klägerin als Psychologische Psychotherapeutin an.
Die Klägerin hat dagegen Klage erhoben und sich auf Vorschlag des Verwaltungsgerichts einer psychiatrischen Untersuchung unterzogen.
Die Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie Prof. Dr. W. und Dr. B. kommen in ihrem psychiatrischen Gutachten vom 5. Mai „2105“ (gemeint ist ersichtlich „2015“) zu dem Ergebnis: „Gemäß unseren Untersuchungen gehen wir bei Frau … mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer gemischten Demenz und dem Verdacht auf einen schädlichen Gebrauch von Alkohol aus. Die Eignung für eine Tätigkeit als Psychologische Psychotherapeutin in gesundheitlicher Hinsicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 PsychThG erscheint daher nicht mehr gegeben.“
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 4. August 2015 abgewiesen.
Dagegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Das von der Klägerin innerhalb der Begründungsfrist Dargelegte, auf dessen Prüfung der Senat nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO im Grundsatz beschränkt ist, rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Der von der Klägerin allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) besteht nicht.
Ernstliche Zweifel an der für eine Berufungszulassung maßgebenden Ergebnisrichtigkeit (vgl. BVerwG, B. v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542/543) des angegriffenen Urteils ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht. Es stellt weder einen die Entscheidung tragenden Rechtssatz noch eine insoweit erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage, dass sich die gesicherte Möglichkeit der Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, B. v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642; BVerfG, B. v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/547).
1.1 Der Klägerbevollmächtigte rügt, die Klägerin habe im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ihre Weigerung aufgegeben, sich der angeordneten fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Damit hätten zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den es hier ankomme, die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 PsychThG nicht mehr vorgelegen.
Das rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 PsychThG kann das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn Zweifel bestehen, ob die erforderliche gesundheitliche Eignung im Sinn des § 2 Abs. 1 Nr. 4 PsychThG noch besteht und der Approbationsinhaber sich weigert, sich einer von der zuständigen Behörde angeordneten amts- oder fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung ist zwar nicht der Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung, sondern der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, denn die Anordnung ist gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 PsychThG aufzuheben ist, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen (vgl. BayVGH, B. v. 14.12.1998 – 21 B 92.985 – juris; VGH BW, B. v. 19.7.1991 – 9 S 1227.91 – NJW 1991, 2366). Allerdings begründet allein der Umstand, dass der Approbationsinhaber während des gerichtlichen Verfahrens seine Weigerung aufgibt und sich untersuchen lässt, regelmäßig noch nicht die Pflicht zur Aufhebung der Ruhensanordnung. Lehnt es ein Approbationsinhaber ab, sich der angeordneten Untersuchung zu unterziehen, rechtfertigt das nach der gesetzlichen Wertung die Annahme, dass er in gesundheitlicher Hinsicht bis zum Beweis des Gegenteils zur Ausübung seines Berufs nicht geeignet ist (vgl. Schelling in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl. 2014, Rn. 17 zu § 6 BÄO).
Ein solcher Beweis ist bislang nicht erbracht. Das psychiatrische Gutachten vom 5. Mai 2015 kommt vielmehr zu dem Ergebnis, dass die Klägerin für eine Tätigkeit als Psychologische Psychotherapeutin in gesundheitlicher Hinsicht nicht mehr geeignet erscheint. Die von den Klägerbevollmächtigten gegen das Gutachten erhobenen Einwendungen zielen darauf ab, die Feststellungen der Gutachter in Frage zu stellen und belegen nicht die gesundheitliche Eignung der Klägerin. Dafür bedürfte es entsprechender amts- oder fachärztlicher Feststellungen.
Die als vorläufige Maßnahme erlassene Ruhensanordnung ist auch nicht schon deshalb aufzuheben, weil nach dem Ergebnis des psychiatrischen Gutachtens der Widerruf der Approbation wegen einer dauerhaft fehlenden gesundheitlichen Eignung in Betracht kommt. Die Regierung von Oberbayern hat die Einwendungen der Klägerbevollmächtigten ausweislich des im Zulassungsverfahren vom Beklagten vorgelegten Schreibens vom 16. September 2015 zum Anlass genommen, die Gutachter “im Hinblick auf weitere zu ergreifende approbationsrechtliche Maßnahmen” um eine ergänzende Stellungnahme zu bitten. Während eines solchen Prüfungsvorgangs kann die Ruhensanordnung noch aufrecht erhalten werden (vgl. BayVGH, B. v. 14.12.1998 – 21 B 92.985 – juris). Es ist weder vorgetragen noch offenkundig, dass diese Prüfung bereits unangemessen lange andauert.
1.2 Ebenso wenig greift der Einwand, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts leide darunter, dass die als vorläufige Maßnahme vorgesehene Anordnung des Ruhens der Approbation trotz mittlerweile vorliegender fachärztlicher Untersuchungsergebnisse dauerhaft aufrecht erhalten bleibe, ohne dass die Klägerin die Möglichkeit habe, die Feststellungen im Gutachten überprüfen zu lassen und auch nur deren Grundlagen zur Kenntnis nehmen zu können.
Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Ruhensanordnung auf der Grundlage des psychiatrischen Gutachtens vom 5. Mai 2015 dauerhaft bestehen bleiben soll. Wie ausgeführt bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass eine Ruhensanordnung für die (angemessene) Dauer der Prüfung fortbesteht, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf der Approbation vorliegen, wenn bestehende Eignungszweifel nach einer fachärztlichen Untersuchung nicht ausgeräumt wurden. Sollte sich herausstellen, dass die Klägerin auf Dauer nicht mehr die erforderliche gesundheitliche Eignung besitzt, wäre die Approbation zwingend zu widerrufen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 PsychThG). Die gutachtlichen Feststellungen wären dann gegebenenfalls in einem gegen den Widerruf angestrengten verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu würdigen. Umgekehrt wäre die Ruhensanordnung aufzuheben, wenn sich ergäbe, dass die Klägerin die erforderliche gesundheitliche Eignung besitzt.
1.3 Nach allem kommt es nicht mehr auf den Einwand des Klägerbevollmächtigten an, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht unter Verweis auf einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Dezember 2004 (13 B 2314/04 – NVwZ-RR 2005, 470) von einer Rechtmäßigkeit der angefochtenen Anordnung ausgegangen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Dabei erscheint in Anlehnung an Nr. 16.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anhang zu § 164 Rn. 14) wegen des nur vorläufigen Charakters der nicht sofort vollziehbaren Ruhensanordnung und mangels anderweitiger Anhaltspunkte die Hälfte des dort vorgeschlagenen Mindeststreitwerts angemessen (so auch BayVGH, B. v. 14.12.1998 – 21 B 92.985 – unveröffentlicht). Der Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts war entsprechend abzuändern.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 4. August 2015 rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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