Aktenzeichen L 4 KR 739/17
KHEntgG § 7
KHEntgG § 9
§ 17 b KHG
OPS. 2014
SGB V § 109 Abs. 4 S. 3
Leitsatz
1. Bei dem Setzen von sog. Bestrahlungsmarkerseeds (Goldmarker) handelt es sich um eine Operation.
2. Bei der im OPS 2016 vorgenommenen Änderung im OPS 5-509.0 handelt es sich um eine Neuregelung, die nur die Leber betrifft.
3. Die Abrechnung richtet sich auch bei der Nebenniere nach dem 5. Kapitel der OPS 2014 (OPS 5-073.x.).
4. Bei der Plazierung von Markerseeds an inneren Organen des menschlichen Körpers fehlt es an jeglicher Vergleichbarkeit mit den in dem OPS 8-527 gemeinten und konkret aufgezählten Fixations- und Behandlungshilfen.
Verfahrensgang
S 39 KR 742/16 2017-11-22 Urt SGMUENCHEN SG München
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. November 2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 3.861,83 EUR festgesetzt.
Gründe
Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet.
Die Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG ist begründet. Die Beklagte kann gegen den von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aufrechnen (§ 387 BGB analog). Gemäß § 153 Abs. 2 SGG wird auf die Entscheidungsgründe des Sozialgerichts verwiesen. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Der Erstattungsanspruch setzt u.a. voraus, dass der Berechtigte im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne Rechtsgrund erbracht hat.
Die Vergütung für Krankenhausbehandlungen des Versicherten bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs. 4 S. 3 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17 b Krankenfinanzierungshausgesetz (KHG). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Fallpauschalenvereinbarungen) konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den Fallpauschalenvereinbarungen auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KHEntgG.
Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert. Die Anwendung der zwischen den Vertragspartnern auf Bundesebene beschlossenen Deutschen Kodierrichtlinien (DKR – hier Version 2014) und der Fallpauschalenabrechnungsbestimmungen einschließlich der OPS erfolgt eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Nur dann kann eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, ihren Zweck erfüllen. Da das DRGbasierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes und damit lernendes System angelegt ist, sind bei zu Tage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (st. Rspr. des BSG, vgl. Urteil vom 17.11.2015, B 1 KR 41/14 R). Nach Darlegung des BSG handelt es sich bei der konkreten Auslegung der DKR und Abrechnungsbestimmungen um eine rechtliche Prüfung (BSG, B 1 KR 97/15 B – juris Rn. 8).
Unstreitig liegt bei der Patientin und Versicherten die Hauptdiagnose C79.7 „sekundäre bösartige Neubildung der Nebenniere“ vor. Zur Klärung des medizinischen Sachverhalts im Übrigen kann vom Gericht jedoch ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Aus dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten des Dr. L. ergibt sich zum einen, dass vorliegend zwei Gold-Marker gesetzt wurden. Die Implantation am 26.06.2014 im Bereich der linken Nebenniere bei Nebennierenmetastase ist komplikationslos und erfolgreich verlaufen. Als weitere Behandlung war dann die Bestrahlung mit der Cyberknife-Methode vorgesehen. Die Beklagte hat im Übrigen im Berufungsverfahren mitgeteilt, dass sie im Rahmen von IGV-Verträgen Cyberknifebehandlungen als Sachleistung übernimmt.
Soweit die Beklagte auch noch im Berufungsverfahren teilweise mit dem Setzen von „strahlenden Seeds“ argumentiert, stellt dies eine andere Therapie dar, die vorliegend nicht angewandt wurde.
Zum anderen stellte der Sachverständige heraus, dass grundsätzlich der Aufwand für die Markerplatzierung im Körper des Menschen vergleichbar ist, so dass sich kein medizinisch plausibles Argument herleiten lässt, warum die Markerplatzierung an der Nebenniere anders als bei der Leber alleine als Bestrahlungsplanung und somit als nicht-operativ zu werten wäre.
Die Einordnung der Kodierung nach dem OPS – hier in der Version 2014 – ist, wie dargelegt, dann eine Rechtsfrage und somit Aufgabe des Gerichts. Hierbei berücksichtigt der Senat die dargelegten medizinischen Ausführungen des Sachverständigen.
Grundsätzlich ist bei der Kodierung nach dem Wortlaut der OPS 2014 vorzugehen. Dabei ist vorliegend zwischen den Beteiligten streitig, ob der OPS 5-073x (Sonstige andere Operationen an der Nebenniere) oder, wie die Berufungsklägerin meint, der OPS 8-527x (Sonstige Konstruktion und Anpassung von Fixations- und Behandlungshilfen bei Strahlentherapie) einschlägig ist.
Gemäß dem Wortlaut des OPS 5-073x müsste es sich bei dem Setzen der Bestrahlungs-Marker um eine „Operation“ handeln. Operation ist definiert als ein zu diagnostischen bzw. therapeutischen Zwecken durchgeführter chirurgischer Eingriff in den lebenden menschlichen Organismus und damit in die körperliche Integrität des Betroffenen (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch). Die allgemeine Definition nach dem Duden beschränkt sich auf einen „chirurgischen Eingriff in den Organismus“. Vorliegend wurden zwei Marker im Bereich der Nebenniere gesetzt. Dies erfolgte durch eine perkutane Punktion und Implantation mittels einer Hohlnadel. Der Senat hat keine Zweifel, dass dies einen Eingriff in den menschlichen Körper darstellt und somit unter den Begriff einer Operation zu subsumieren ist. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Eingriff CTgesteuert erfolgte.
Sieht man auch den Zweck des Eingriffs als Bestandteil der Definition an, so erfolgte dieser Eingriff zur Vorbereitung der Behandlung mit dem Cyberknife-System, also mittelbar zum Zwecke der „Therapie oder Diagnostik“. Bei dem Einsatz des Cyberknife-Systems selbst handelt es sich um eine Behandlung aus dem Bereich der Radiochirurgie mittels robotergestütztem Linearbeschleuniger. Allerdings steht hier die zielgenaue Bestrahlung im Vordergrund; so ist beispielsweise die Gamma-knife-Bestrahlung im OPS unter „Strahlentherapie“ im OPS 8-52 (8-523.2) und nicht im 5. Kapitel erfasst.
Zum Behandlungsablauf gehört als Vorbereitung, dass bei Tumoren im Körperbereich eine Markierung der Tumore vorgenommen wird. Dabei ist die Vorbereitung des Setzens der Marker gesondert von der Cyberknifebehandlung anzusehen und nicht als Teil der Gesamtbehandlung. Diese Vorbereitung erfolgt faktisch meist zeitlich und örtlich getrennt von der eigentlichen Behandlung. Bundesweit gibt bzw. gab es 2014 nicht viele Einrichtungen, bei denen diese Methode zur Anwendung kommt – in A-Stadt z.B. seit 2005 das Cyberknife Zentrum A-Stadt, das nach eigenen Angaben hinsichtlich der Vorbereitung bzgl. der Markierung der Tumore mit dem Institut für Klinische Radiologie am Klinikum der Universität A-Stadt (Klinikum A. – also der Klägerin) kooperiert. Auch liegt ein gewisser Zeitraum zwischen der Vorbereitung und dem Behandlungsbeginn. Schließlich stellt das Setzen der Marker wie dargelegt einen chirurgischen Eingriff in den Körper dar, während die Cyberknifebehandlung eine Bestrahlungsmethode bzw. Strahlentherapie ist. Dies äußert sich auch z.B. in der Art der Behandlung: Die Vorbereitung erfolgte hier stationär (1 Tag), die Cyberknife-Behandlung selbst kann regelmäßig ambulant durchgeführt werden.
Der OPS 2016 enthält eine neu aufgenommene Regelung in 5-509, also im Kapitel „Andere Operationen an der Leber“ – dies findet sich im Übrigen auch noch im OPS 2019. Dort erfasst der OPS 5-509.0 die Implantation von Bestrahlungsmarkern, perkutan. Dies spricht zunächst eindeutig dafür, dass auch das DIMDI die Implantation von Bestrahlungsmarkern perkutan als „Operation“ – wenn auch an der Leber – ansieht.
Unabhängig von der Frage, ob der OPS 2016 insoweit nur eine Klarstellung oder eine Neuregelung enthält, können hieraus jedenfalls Rückschlüsse auf die Frage gezogen werden, ob überhaupt eine Operation vorliegt. Dies ist vor dem Hintergrund der Vergleichbarkeit einer Implantation von Bestrahlungs-Marker-Seeds bei Leber und Nebenniere gemäß dem Sachverständigengutachten des Dr. L. zu bejahen.
Insgesamt gelangt der Senat somit zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Setzen der Goldmarker um eine Operation im Sinne der üblichen Definitionen handelt.
Die Abrechnung nach dem 5. Kapitel der OPS im Jahr 2014 ergibt sich aber nicht unmittelbar aufgrund der OPS-Version 2016. Nach Ansicht des Senats liegt in der Aufnahme der Implantation von Bestrahlungsmarkern, perkutan, im OPS 5-509.0 eine Neuregelung einer bisher nicht geregelten Abrechnungsfrage vor und keine bloße Klarstellung. Die Hinweise des DIMDI zu den erfolgten Änderungen im OPS Version 2016 sprechen hier von der „Einführung eines neuen Kodes…“. D.h., dass dieser Regelung keine Rückwirkung zukommt. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass die OPS-Stelle nur andere Operationen an der Leber betrifft und nicht die Nebenniere. Hierzu sieht auch der OPS 2016 keine Regelung vor.
Hintergrund für die Neuregelung im OPS 2016 war offensichtlich, wie sich auch aus dem Änderungsantrag der Klägerin zum OPS 2016 ergibt, dass eine sachgerechte Abbildung der Fälle im DRG-System gewollt war. Die Klägerin führte nämlich aus, dass eine Kodierung mit einem Operations-OPS für eine CTgesteuerte Implantation eines Markerseeds nicht ganz sachgerecht erscheine. Dadurch, dass man eine Bestrahlungsseed-Implantation aktuell nur mit einem OPS für sonstige Operationen kodieren könne, würden diese Eingriffe in der Grouperlogik wie Operationen behandelt.
Zu einer vergleichsweisen Erledigung war die Beklagte jedoch im vorliegenden Fall, der die Nebenniere betrifft, nicht bereit.
Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin zutreffend gemäß OPS 5-073.xx abgerechnet.
Auch der OPS 2014 kannte bereits unter 5-509 „Andere Operationen an der Leber“. Allerdings sah der OPS 2014 weder für die Niere noch für die Leber eine gesonderte Regelung in den OPS für die vorgenommene Maßnahme der Implantation von Bestrahlungs-Marker-Seeds vor.
Dennoch hielt es das DIMDI für erforderlich, im OPS 2016 eine gesonderte Nummer 5-509.0 für die Implantation von Bestrahlungsmarkern bei der Leber aufzunehmen. Dem lag u.a. der o.g. Änderungsvorschlag der Klägerin für den OPS 2016 zugrunde, der die Implantation eines Bestrahlungsmarkerseeds nicht nur an der Leber, sondern auch an der Lunge, Milz, Niere, Nebenniere, Prostata und am Pankreas vorsah. Eingang gefunden hat im OPS dann jedoch nur das Bestrahlungsmarkerseed an der Leber.
Das DIMDI hat zu der Änderung ausgeführt:
„Die Implantation eines Bestrahlungsmarkerseeds sollte mit einem Kode aus dem Kap. 5 für die jeweilige Lokalisation verschlüsselt werden.“ (zitiert aus einer Stellungnahme des DIMDI aus dem Jahre 2015, Bl. 12 der SG-Akte)
Wie dargelegt, ist die Situation jedoch vergleichbar mit der bei der Nebenniere, wie durch das Sachverständigengutachten bestätigt. Der Sachverständige Dr. L. hat für den Senat überzeugend ausgeführt, dass sich kein medizinisch plausibles Argument herleiten lässt, warum die Markerplatzierung an der Nebenniere anders als bei der Leber zu werten wäre. Dabei geht der Gutachter im Ergebnis weitergehend davon aus, dass nicht erklärbar sei, die Implantation alleine als Bestrahlungsplanung und somit als nicht-operativ zu werten.
Im Übrigen erscheint dem Senat im Ergebnis die Anwendung des OPS 8-527.x, wie von der Beklagten vorgenommen, zweifelsfrei verfehlt. Der OPS 8-527 betrifft die Konstruktion und Anpassung von Fixations- und Behandlungshilfen bei Strahlentherapie. Die der Ziff. x vorangehenden konkreten Fixations- und Behandlungshilfen betreffen „Fixationsvorrichtung“, „Thermoplastische Masken“ (8-527.1), „Vakuumkissen“ (8-527.2), „Behandlungshilfen“ einschließlich „Zahnschienen“, „Abschirmungen“, „Bolusmaterial“ (8-527.6), das „Anbringen eines Stereotaxieringes“ (8-527.7) oder „Individuelle Blöcke oder Viellamellenkollimator“ (8-527.8). Es handelt sich um Hilfen, um eine absolute Präzision von Strahlentherapie zu gewährleisten. Bei der hier vorgenommenen Plazierung von Markerseeds an inneren Organen des menschlichen Körpers fehlt es an jeglicher Vergleichbarkeit mit den in dem OPS 8-527 gemeinten und konkret aufgezählten Fixations- und Behandlungshilfen – insbesondere im Hinblick auf einen Eingriff in die körperliche Integrität des Betroffenen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197 a Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Streitwert ist bezifferbar im Sinne des § 52 Abs. 3 S. 1 GKG und mit 3.861,83 EUR festzusetzen.