Aktenzeichen 20 NE 21.480
12. BayIfSMV § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1
IfSG § 28 Abs. 1 S. 1, § 28a Abs. 3, § 32 S. 1
Leitsatz
1. Die pandemiebedingte Schließung der Gastronomie (§ 13 Abs. 1 der 12. BayIfSMV) erweist sich bei summarischer Prüfung gegenwärtig als geeignet, erforderlich und angemessen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob das Verbot touristischer Übernachtungsangebote (§ 14 Abs. 1 der 12. BayIfSMV) als Mittel zur Beschränkung der Mobilität in Anbetracht der bestehenden Reisemöglichkeiten ins Ausland mit dem Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren ist, bedarf einer abschließenden Klärung im Hauptsacheverfahren. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
1. Der Antragstellerin, die in Bayern ein Hotel- und Gaststätte betreibt, begehrt mit ihrem Eilantrag die vorläufige Außervollzugsetzung der §§ 13 Abs. 1 und 2, 14 Abs. 1 Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 5. März 2020 (12. BayIfSMV; BayMBl. 2021 Nr. 171), die mit Verordnung vom 25. März 2021 geändert wurde (BayMBl. 2021 Nr. 224).
2. Der Antragsgegner hat durch das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege die o.g. Verordnung erlassen, die mit Ablauf des 18. April 2021 außer Kraft tritt (§ 30 12. BayIfSMV) und auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
§ 13 Gastronomie
(1) Gastronomiebetriebe jeder Art einschließlich Betriebskantinen sind vorbehaltlich der Abs. 2 und 3 untersagt.
(2) 1Zulässig sind die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken. 2Für das Personal, soweit es in Kontakt mit Kunden kommt, und für Kunden gilt § 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 entsprechend. 3Bei der Abgabe von Speisen und Getränken ist ein Verzehr vor Ort untersagt.
(3) Der Betrieb von nicht öffentlich zugänglichen Betriebskantinen ist ausnahmsweise unter folgenden Voraussetzungen zulässig:
1. Der Verzehr von Speisen und Getränken vor Ort ist für die Betriebsabläufe zwingend erforderlich.
2. Ein Mindestabstand von 1,5 m ist zwischen allen Gästen, die nicht zu demselben Hausstand gehören, gewährleistet.
3. Der Betreiber hat ein Schutz- und Hygienekonzept auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen.
§ 14 Beherbergung
(1) 1Übernachtungsangebote dürfen von Hotels, Beherbergungsbetrieben, Schullandheimen, Jugendherbergen, Campingplätzen und allen sonstigen gewerblichen oder entgeltlichen Unterkünften nur für glaubhaft notwendige, insbesondere für berufliche und geschäftliche Zwecke zur Verfügung gestellt werden. 2Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken sind untersagt.
(2) Für Übernachtungsangebote nach Abs. 1 Satz 1 gilt:
1. Der Betreiber stellt durch geeignete Maßnahmen sicher, dass zwischen Gästen, die nicht zu demselben Hausstand gehören, und zwischen Gästen und Personal grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m eingehalten wird.
2. Gäste, die im Verhältnis zueinander nicht zu demselben Hausstand gehören, dürfen nicht zusammen in einem Zimmer oder einer Wohneinheit untergebracht werden.
3. Für das Personal im Servicebereich oder in Bereichen, in denen ein Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden kann, sowie für die Gäste, solange sie sich nicht am Tisch des Restaurantbereichs oder in ihrer Wohneinheit befinden, gilt Maskenpflicht; § 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 Halbsatz 2 gilt entsprechend.
4. Der Betreiber hat ein Schutz- und Hygienekonzept auf der Grundlage eines von den Staatsministerien für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und für Gesundheit und Pflege bekannt gemachten Rahmenkonzepts für Beherbergungsbetriebe auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen.
5. Der Betreiber hat die Kontaktdaten der Gäste nach Maßgabe von § 2 zu erheben.
(3) Für gastronomische Angebote gelten die jeweils speziellen Regelungen dieser Verordnung.
…
3. Zur Begründung ihres am 17. Februar 2021 eingegangenen Eilantrags führt die Antragstellerin aus, sie habe durch die Untersagung erhebliche Umsatzeinbußen. Die Maßnahmen seinen unverhältnismäßig. Insbesondere werde nicht das mildeste Mittel zur Infektionsbekämpfung angewandt. Die bestehenden Hygienekonzepte und andere Maßnahmen seien ausreichend. Das Infektionsgeschehen werde nicht erkennbar durch Gastronomie- oder Hotelleriebetriebe angetrieben. Auch das RKI sehe dies so. Wirksamere Maßnahmen, wie das Tragen von FFP2-Masken im Personennahverkehr würden nicht getroffen. Differenziertere und lokal beschränkte Maßnahmen seien erforderlich. Hierzu gehöre der bessere Schutz von Alten- und Pflegeheimen und gezielte Testungen. Auch müsse man allmählich mit dem Virus leben. § 28a IfSG sei verfassungswidrig. Eine Überlastung des Gesundheitssystemes finde nicht statt. Ein angemessener Ausgleich durch staatliche Hilfen finde nicht statt. Mit Schriftsatz vom 29. März 2021 hat die Antragstellerin Verzögerungsrüge erhoben.
4. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Der in der Hauptsache erhobene Normenkontrollantrag gegen § 13 Abs. 1 12. BayIfSMV hat unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO bei summarischer Prüfung keinen Erfolg. Hinsichtlich § 14 Abs. 1 (Satz 2) 12. BayIfSMV sind die Erfolgsaussichten als offen anzusehen. Eine Folgenabwägung geht zulasten der Antragstellerin aus.
1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen oder noch zu erhebenden Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – NVwZ-RR 2019, 993 – juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann.
Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ juris Rn. 12).
Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – juris Rn. 12; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 106).
2. Nach diesen Maßstäben ist der Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung des § 13 Abs. 1 12. BayIfSMV abzulehnen, weil der in der Hauptsache zu erhebende Normenkontrollantrag bei summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg hat. Bei § 14 Abs. 1 12. BayIfSMV geht der Senat von offenen Erfolgsaussichten aus.
a) Der Senat geht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren davon aus, dass die angegriffenen Maßnahmen in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 12 (Übernachtungsangebote) und Nr. 13 (Gastronomie) IfSG eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage haben (BayVGH, B.v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 22 ff.). Eine weitergehende Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Norm muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
b) Die formellen Anforderungen an den Verordnungserlass gemäß § 28a Abs. 5 IfSG sind bei summarischer Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eingehalten. Der Verordnungsgeber hat die Fortführung der Regelung des § 14 12. BayIfSMV in der Begründung zur Änderungsverordnung vom 25. März 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 225 S. 4 f.) konkret begründet. Damit hat er die wesentlichen Entscheidungsgründe für die getroffene Maßnahme transparent gemacht, sodass der Verfahrensrationalität und Legitimationssicherung (vgl. BVerwG, B.v. 30.3.2016 – 5 B 11.16 – juris Rn. 4) genügt wurde. Eine empirische und umfassende Erläuterung ist nicht geschuldet (vgl. BT-Drs. 19/24334, a.a.O.).
c) Die Regelungen in § 13 Abs. 1 sowie § 14 Abs. 1 12. BayIfSMV stehen mit der Ermächtigungsgrundlage der § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 12 und 13 IfSG in Einklang, weil ihre Voraussetzungen vorliegen.
Die Anzahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Inzidenz) betrug am 28. März 2021 bundesweit 130 und in Bayern 136. Wegen der Überschreitung des Schwellenwertes von 50 sind nach § 28a Abs. 3 Satz 4 und 5 IfSG umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. Die 7-Tage-Inzidenz nimmt derzeit wieder deutlich zu, nun insbesondere in den Altersgruppen unter 60 Jahre, Kinder eingeschlossen. Der Anteil der besorgniserregenden Virusvarianten (VOC), vor allem der Variante B.1.1.7, die nach vorläufigen wissenschaftlichen Untersuchungen leichter übertragbar ist und potenziell zu einer größeren Anzahl schwerer Krankheitsverläufe führt, ist sehr rasch angestiegen (vgl. RKI, Bericht zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland, insbesondere zur Variant of Concern [VOC] B.1.1.7, Stand 24.3.2021, vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/DE SH/Bericht_VOC_2021-03-24.pdf? blob=publicationFile). Das Robert-Koch-Institut (RKI) schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein (vgl. Risikobewertung zu COVID-19, Stand 15.3.2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risi-kobewertung.html).
Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist nach dem Willen des Gesetzgebers, der in § 28a Abs. 3 IfSG zum Ausdruck kommt, ein gestuftes Vorgehen geboten, das sich an dem tatsächlichen regionalen Infektionsgeschehen orientieren soll (vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 35). Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen (§ 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG). Bei einer landesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben (§ 28a Abs. 3 Satz 10 IfSG). Mit einer landesweiten Inzidenz von 136 am 28. März 2021, die im Vergleich zu der 7-Tage-Inzidenz zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Verordnung am 5. März 2021 deutlich angestiegen ist (69, vgl. RKI-Lagebericht vom 5.3.2021, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coro-navirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-05-de.pdf? blob=publicationFile), besteht Handlungsbedarf zur effektiven Eindämmung des Infektionsgeschehens.
d) § 13 Abs. 1 12. BayIfSMV erweist sich gegenwärtig bei summarischer Prüfung weiterhin als geeignet, erforderlich und angemessen.
aa) Zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit von Betriebsschließungen aufgrund der Corona-Pandemie verweist der Senat zunächst auf seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2021 – 20 NE 21.406 – juris Rn. 21 ff. u.a. zu § 13 Abs. 1 11. BayIfSMV; B.v. 25.2.2021 – 20 NE 21.460 – BeckRS 2021, 3819, Rn. 20 ff.; B. v. 23.2.2021 – 20 NE 21.367 – BeckRS 2021, 2697, Rn. 18 ff.). Dass dem Normgeber mildere, aber gleichermaßen wirksame Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um in den geregelten Bereichen die Infektionsgefahr zu minimieren und damit der weiteren Ausbreitung der Pandemie entgegenzuwirken, ist nicht offensichtlich. Der Senat geht nach wie vor davon aus, dass die Betriebsschließungen mit der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag kraft Gesetzes zur Bekämpfung der Coronavirus-Krankheit-2019 grundsätzlich geeignete und erforderliche Infektionsschutzmaßnahmen sind. Dass der Bundestag bei seiner Gefährdungseinschätzung seinen weiten Gestaltungsspielraum im Rahmen der Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflichten gegenüber Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 12.5.2020 – 1 BvR 1027/20 – NVwZ 2020, 1823 – juris Rn. 6) überschritten hätte, ist nicht ersichtlich. Dafür, dass sich an dieser Risikoeinschätzung durch den Bundesgesetzgeber maßgeblich etwas ändert, bestehen keine Anhaltspunkte. Vielmehr wurde das Gesetz zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen (BT-Drs. 19/26545 und 19/27291) inzwischen im Deutschen Bundestag verabschiedet; der Bundesrat hat dem Gesetzentwurf mit Beschluss vom 26. März 2021 zugestimmt (BR-Drs. 197/21 [Beschluss]).
bb) Auch der Vorhalt der Antragstellerin, die Infektionsgefahr in Gastronomiebetrieben sei nachgewiesen gering, sodass ihre Schließung weder geeignet noch erforderlich sei, um das Infektionsgeschehen einzudämmen, greift nicht durch. Zwar können auch Schutz- und Hygienekonzepte zu einer Reduzierung von Ansteckungen mit SARS-CoV-2 beitragen. In der derzeitigen Phase der Pandemie, die weiterhin von einem stark diffusen Ausbruchsgeschehen geprägt ist und in der in vielen Fällen das Infektionsumfeld nicht ermittelt werden kann (vgl. RKI, Lagebericht vom 28.3.2021, a.a.O., S. 2), ist die Prognose des Verordnungsgebers, dass die bestehenden Infektionszahlen zu hoch sind, um die ergriffenen Maßnahmen „umfassend zu lockern“ (vgl. Begründung vom 5.3.2021, BayMBl. 2021 Nr. 172) und dass notwendige Schutz- und Hygienevorkehrungen im Bereich des § 14 12. BayIfSMV (Freizeit) nicht mit gleicher Zuverlässigkeit beachtet würden wie etwa im Berufsleben (vgl. BayMBl. 2021 Nr. 225 S. 4), unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Vorgaben zur Ergreifung umfassender Schutzmaßnahmen bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (§ 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG) rechtlich nicht zu beanstanden.
cc) Auch gegen die Angemessenheit der weitreichenden Betriebsschließungen in der Gastronomie bestehen gegenwärtig keine durchgreifenden Bedenken (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2021 – 20 NE 21.406 – juris Rn. 21 ff. zu § 13 11. BayIfSMV). Dabei verkennt der Senat nicht, dass diese nicht zuletzt wegen ihrer Dauer zu schwerwiegenden wirtschaftlichen Einbußen der Betreiber führen und damit deren Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG schwer beeinträchtigen und ggf. im Einzelfall – mit zunehmender Dauer – auch in die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) eingreifen können. Gleichwohl erscheint das mit der Verordnung zur Änderung der 11. BayIfSMV vom 24. Februar 2021 (BayMBl. Nr. 149) bereits begonnene und mit der 12. BayIfSMV weiter umgesetzte Gesamtkonzept erster, vorsichtiger Öffnungsschritte nur in „spezifischen Settings“ (BayMBl. 2021, Nr. 150 S. 2) bei summarischer Prüfung als nicht von vorneherein unangemessene Reaktion auf das derzeit noch auf hohem Niveau befindliche pandemische Geschehen. Angesichts des weiterhin angespannten und sich zuletzt wieder deutlich verstärkenden Infektionsgeschehens sowie der gravierenden Auswirkungen im Fall einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems stehen die mit den Maßnahmen verbundenen Einschränkungen für die Grundrechte des Antragstellers auch gegenwärtig nicht offensichtlich außer Verhältnis zu Gewicht und Dringlichkeit der die Maßnahmen rechtfertigenden Gründe.
Im Übrigen kann die Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme grundsätzlich nicht mit einem Verweis auf mögliche Eingriffe in Rechte anderer Grundrechtsträger oder zu Lasten der Allgemeinheit in Frage gestellt werden, bloße Belastungsverlagerungen haben daher grundsätzlich außer Betracht zu bleiben haben (vgl. BayVGH, B.v. 26.11.2020 – 20 CE 20.2735 – juris Rn. 23; B.v. 13.8.2020 – 20 CS 20.1821 – BayVBl 2020, 707 – juris Rn. 34 m.w.N.).
e) Ob das Verbot touristischer Übernachtungsangebote als Mittel zur Beschränkung der Mobilität in Anbetracht der bestehenden Reisemöglichkeiten ins Ausland mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren ist, bedarf einer abschließenden Klärung im Hauptsacheverfahren. Der Senat geht deshalb insoweit von offenen Erfolgsaussichten aus.
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Zwar ist es grundsätzlich Sache des Normgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft und die er so als rechtlich gleich qualifiziert. Diese Auswahl muss er jedoch sachgerecht treffen (vgl. BVerfG, B.v. 19.11.2019 – 2 BvL 22/14 u.a. – BVerfGE 152, 274 – juris Rn. 95). Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gleichheitssatz verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Dabei ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz im Sinne eines stufenlosen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstabs unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (stRspr, vgl. nur BVerfG, B.v. 7.5.2013 – 2 BvR 909/06 u.a. – BVerfGE 133, 377 – juris Rn. 74).
Ausgehend von diesen Maßstäben besteht hinsichtlich des Konzepts des Verordnungsgebers, touristische Übernachtungsangebote im Inland zu untersagen, während touristische Reisen und Übernachtungen ins Ausland (vorbehaltlich einer etwaigen Test- und/oder Quarantäneverpflichtung) möglich bleiben, weiterer Aufklärungsbedarf. Ob sich der Verordnungsgeber bei dieser Differenzierung darauf berufen kann, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen (vgl. BayVerfGH, E.v. 22.3.3021 – Vf. 23-VII-21 – juris Rn. 39 m.w.N.), ist im Hauptsacheverfahren – gegebenenfalls auch mit Blick auf die zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten, die Reisetätigkeit ins Ausland zu beschränken (vgl. § 28a Abs. 1 Nr. 11 IfSG, der sich nur auf Reisebewegungen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beziehen soll, vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 34) – zu klären.
3. Die Folgenabwägung zwischen den betroffenen Schutzgütern der Normadressaten, insbesondere der freien wirtschaftlichen Betätigung aus Art. 12 Abs. 1 GG und ggf. des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) mit dem Schutzgut Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ergibt, dass die von der Antragstellerin dargelegten wirtschaftlichen Folgen hinter den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zurücktreten müssen.
Das pandemische Geschehen verstärkt sich aktuell erneut. Nach dem Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 28. März 2021 (abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-28-de.pdf? blob=publicationFile) nimmt die Zahl der Übertragungen von COVID-19 in der Bevölkerung in Deutschland deutlich zu. Die hohen bundesweiten Fallzahlen werden durch zumeist diffuse Geschehen mit zahlreichen Häufungen insbesondere in Haushalten, im beruflichen Umfeld und in Alten- und Pflegeheimen verursacht. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Nach der aktuellen Risikobewertung des RKI (Stand 15.3.2021, vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neu-artiges_Coronavirus/Risikobewertung.html) ist die Dynamik der Verbreitung einiger neuer Varianten (VOC) von SARS-CoV-2 besorgniserregend. Aufgrund der vorliegenden Daten hinsichtlich einer erhöhten Übertragbarkeit der Varianten und potenziell schwererer Krankheitsverläufe trägt dies zu einer schnellen Zunahme der Fallzahlen und der Verschlechterung der Lage bei. Alle Impfstoffe, die aktuell in Deutschland zur Verfügung stehen, schützen nach derzeitigen Erkenntnissen sehr gut vor einer Erkrankung durch die in Deutschland hauptsächlich zirkulierende VOC B.1.1.7 und auch vor schweren Erkrankungen durch die anderen Varianten. Für die Senkung der Neuinfektionen, den Schutz der Risikogruppen und die Minimierung von schweren Erkrankungen ist die Impfung der Bevölkerung von zentraler Bedeutung. Effektive und sichere Impfstoffe sind seit Ende 2020 zugelassen, stehen aber noch nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung und werden derzeit vorrangig den besonders gefährdeten Gruppen angeboten. Das individuelle Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken, kann anhand der epidemiologischen bzw. statistischen Daten nicht abgeleitet werden. Auch ohne bekannte Vorerkrankungen und bei jungen Menschen kann es zu schweren bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen kommen. Langzeitfolgen können auch nach leichten Verläufen auftreten.
In dieser Situation ergibt die Folgenabwägung, dass die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm im Hinblick auf die damit einhergehende mögliche Eröffnung weiterer Infektionsketten schwerer ins Gewicht fallen als die Folgen ihres weiteren Vollzugs für die Interessen der Normadressaten. Gegenüber den bestehenden Gefahren für Leib und Leben durch eine in ihrem Verlauf und ihren Auswirkungen bisher nicht zuverlässig einzuschätzende Pandemie, vor der zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG verpflichtet ist, müssen die Interessen der Betroffenen derzeit zurücktreten (vgl. auch BayVerfGH, E.v. 22.3.2021 – Vf. 23-VII-21 – juris Rn. 47 f.).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Da die angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 18. April 2021 außer Kraft tritt (§ 30 12. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren nach Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 nicht angebracht ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).