Aktenzeichen 10 CS 21.1113
BayVersG Art. 15 Abs. 1
BayIfSMV § 7 Abs. 1 12.
GG Art. 2 Abs. 2 S. 1, 8 Abs. 1
Leitsatz
Verfahrensgang
Au 8 S 21.925 2021-04-15 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
II. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird in Abänderung von Nr.
I. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15. April 2021 der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung insgesamt abgelehnt.
III. In Abänderung von Nr.
II. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15. April 2021 trägt die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt
Gründe
I.
Die Beschwerden der Antragstellerin und der Antragsgegnerin richten sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. April 2021 mit der Maßgabe, dass die Teilnehmerzahl auf 200 Personen beschränkt (Nr. 1.) und die Antragstellerin verpflichtet wird, über die von ihr üblicherweise genutzten sozialen Netzwerke auf die Beschränkung der Teilnehmerzahl hinzuweisen (Nr. 2.), angeordnet und der Eilantrag im Übrigen abgelehnt worden ist.
Mit dem Bescheid vom 10. April 2021 untersagte die Antragsgegnerin die Durchführung der von der Antragstellerin für den 17. April 2021 in der Zeit von 13:30 bis 17:00 Uhr angezeigten stationären Versammlung im …stadion bzw. (zuletzt) auf dem K.platz in K. (Allgäu) mit dem Thema „1 Jahr Verfassungsurteil zur Versammlungsfreiheit Art. 8 GG“ und 8000 erwarteten Teilnehmern. Das auf Art. 15 Abs. 1 BayVersG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 4 12. BayIfSMV gestützte Verbot sei erforderlich, da die geplante Versammlung infolge der zuletzt stark angestiegenen Infektionszahlen und voll ausgelasteter Intensivbetten im Klinikum K. aus gesundheitlichen Gründen nicht zu verantworten sei. Schon aufgrund der Erfahrungen mit vergangenen Versammlungen der „Querdenken-Gruppierung“, bei denen der gebotene Mindestabstand nicht eingehalten und die Maskenpflicht nicht hinreichend beachtet worden sei, sei mit erneuten derartigen Verstößen zu rechnen. Eine Beschränkung der Teilnehmerzahl dieser überregional beworbenen Veranstaltung mit 8000 erwarteten Teilnehmern sei nicht in gleicher Weise geeignet, die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit und den Schutz der Gesundheit zu gewährleisten. Denn angereiste Versammlungsteilnehmer würden sich gleichwohl davon nicht abhalten lassen und angeordnete Beschränkungen nicht beachten.
Mit Beschluss vom 15. April 2021 hat das Verwaltungsgericht dem Eilantrag der Antragstellerin insoweit stattgegeben, als es die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Klage gegen den streitbefangenen Bescheid im Wesentlichen mit der Maßgabe angeordnet hat, dass eine auf eine Teilnehmerzahl von 200 Personen beschränkte Versammlung zulässig ist, und den Antrag im Übrigen abgelehnt hat. Eine vollständige Untersagung der angezeigten Versammlung erweise sich voraussichtlich als unverhältnismäßig. Denn die Beschränkung der Teilnehmerzahl auf 200 stelle vorliegend ein geeignetes, aber milderes Mittel dar. Die Antragsgegnerin habe nicht hinreichend substantiiert dargelegt, warum sie bei der ortsfesten Versammlung von der Regelvermutung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 12. BayIfSMV abweiche. Der Verweis auf eine angeblich nicht beherrschbare Versammlung am 21. November 2020 mit 1000 Teilnehmern und die von der Antragstellerin ebenfalls veranstaltete Versammlung am 19. Dezember 2020 oder auf Erfahrungen von Versammlungen in anderen Städten sei für die angestellte Gefahrenprognose nicht tragfähig. Der Anreise einer zu großen Teilnehmerzahl werde durch eine rechtzeitige Information mittels sozialer Medien über die Beschränkung der Teilnehmerzahl entgegengewirkt. Anhaltspunkte, dass sich interessierte Versammlungsteilnehmer von vornherein nicht an diese Beschränkung halten würden, lägen dem Gericht nicht vor. Eine größere Zahl an Teilnehmern als die mit der gerichtlichen Maßgabe zugelassenen 200 komme dagegen infektionsschutzrechtlich nicht in Betracht. Insbesondere fehle etwa ein ausreichendes Hygienekonzept der Antragstellerin, das eine deutlich größere Anzahl an Teilnehmern rechtfertigen könnte. Es sei auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin bei der Gefahrenprognose auf die gestiegenen Inzidenzwerte und die Auslastung der Intensivbetten abgestellt habe. Der Einwand der Antragstellerin, von Versammlungen unter freiem Himmel gehe keine relevante Infektionsgefahr aus, sei mit Blick auf die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und dessen Bewertung in § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG nicht durchgreifend.
Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts haben sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin Beschwerde erhoben.
Zur Begründung ihrer Beschwerde, mit der sie sinngemäß die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung der (noch zu erhebenden Klage) in vollem Umfang begehrt, bringt die Antragstellerin im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht habe die Bedeutung des Versammlungsrechts auch in Pandemiezeiten verkannt. Die Begrenzung der Teilnehmerzahl auf 200 sei ebenso willkürlich wie die Festlegung des Verordnungsgebers in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 12. BayIfSMV. Eine Infektionsgefahr bei Versammlungen unter freiem Himmel bestehe nach den aktuellen Erkenntnissen auf dem Gebiet der Aerosolforschung ebenso wenig wie bei der Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Das (bloße) Abstellen auf Inzidenzen auf der Grundlage von PCR-Tests sei für die erforderliche Gefahrenprognose und die Beurteilung des realen Schweregrades der Pandemie völlig ungeeignet. Die tatsächlichen Zahlen (Sterbezahlen im März 2021, Zahlen von Personen auf den Intensivstationen) sprächen vielmehr gegen eine besondere Gefährdungslage. Die Antragstellerin habe sich im Übrigen ungeachtet der ohnehin nicht bestehenden Gefahr kooperativ verhalten und ausdrücklich vorgetragen, dass die Abstände während der Versammlung eingehalten würden. Sie sei auch bereit, die Ordner entsprechend den behördlichen Vorgaben anzuweisen und die Teilnehmer auf die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung hinweisen. Es wäre Aufgabe der Polizei bzw. der Versammlungsbehörde, dem Versammlungsleiter mitzuteilen, wie viele Ordner bei der erwarteten Teilnehmerzahl erforderlich seien. Im Falle von Verstößen müsse regelmäßig erst die Versammlung unterbrochen und das kooperative Gespräch mit dem Versammlungsleiter gesucht werden.
Die Antragsgegnerin, die die Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg und Ablehnung des Eilantrags der Antragstellerin in vollem Umfang beantragt, trägt zur Begründung ihrer Beschwerde im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Durchführung der angezeigten Versammlung im konkreten Fall selbst bei einer Beschränkung der Teilnehmerzahl auf 200 infektionsschutzrechtlich nicht mehr vertretbar und deshalb die öffentliche Sicherheit und Ordnung konkret gefährdet wäre. Dies ergebe sich aufgrund der besorgniserregenden aktuellen Infektionslage mit einem aktuell bei 248,7 liegenden Inzidenzwert im Bereich der Stadt K. und der auch hier vorherrschenden Variante des COVID-19-Erregers B.1.1.7 sowie aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit Veranstaltern und Teilnehmern der Querdenken-Bewegung beispielsweise bei Versammlungen in K. am 21. November 2020, 19. Dezember 2020 und 29. März 2021, bei denen auch die Antragstellerin maßgeblich mitgewirkt, sich allerdings nicht willens und in der Lage gezeigt habe, die Einhaltung der angeordneten infektionsschutzrechtlichen Beschränkungen zu gewährleisten. Sie habe vielmehr ihre ablehnende Haltung gegenüber derartigen Beschränkungen offen gezeigt und beispielsweise gegenüber der zuständigen Mitarbeiterin der Antragsgegnerin zuletzt am 7. April 2021 geäußert, die Antragsgegnerin „könne entscheiden was sie wolle, die Personen würden trotzdem in der Stadt spazieren gehen, wie in anderen Städten auch“. Die Antragsgegnerin stütze sich insoweit auf die in der Anlage beigefügte ausführliche Gefahrenprognose der Polizeiinspektion K. vom 14. April 2021, in der zahlreiche gravierende Verstöße gegen versammlungsrechtliche Beschränkungen bei den oben aufgeführten früheren Versammlungen dokumentiert seien. Platzverweise oder sogar eine Auflösung der Versammlung durch die Polizei seien nicht in gleicher Weise geeignet, Infektions- oder Gesundheitsgefahren effektiv abzuwehren, da es dann bereits zu einer Verwirklichung der Gefahr und damit Störung im Sinne des Sicherheitsrechts gekommen wäre. Das Verwaltungsgericht habe auch die überregionale Bewerbung der Versammlung und die sich daraus ergebenden Folgen für die Gefahrenprognose nicht ausreichend berücksichtigt. Ungeachtet des Versammlungsverbotes und der vom Verwaltungsgericht verfügten Teilnehmerbeschränkung werde die Versammlung nach wie vor unter dem Motto „wir fluten K.“ überregional bzw. deutschlandweit im Internet beworben. Die für die Versammlung angekündigten Redner seien überregional bekannt, Busanreisen beispielsweise aus Franken seien angekündigt und organisiert, bei einer gleichzeitigen Versammlung in München sei vom Veranstalter im Hinblick auf die Veranstaltung in K. sogar die Teilnehmerzahl nachträglich reduziert worden. Die verwaltungsgerichtliche Maßgabe bzw. Verpflichtung der Antragstellerin, auf die Beschränkung der Teilnehmeranzahl in den sozialen Medien hinzuweisen, sei vor dem Hintergrund von gestern im Internet veröffentlichten Stellungnahmen von „Querdenken083-Allgäu“ mit dem Zusatz „Es bleibt dabei, dass sich ein Spaziergang am Samstag in K. anbietet.“ und #k.wirkommenimmernoch nicht geeignet, das geschilderte Versammlungsgeschehen zu begrenzen und beherrschbar zu machen. Nach alledem sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein Verbot der Versammlung rechtmäßig.
Der am Verfahren beteiligte Vertreter des öffentlichen Interesses hält die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ebenfalls für begründet, weil die Antragsgegnerin zu Recht von voraussichtlich infektionsschutzrechtlich nicht mehr vertretbaren Gefahren durch die streitbefangene Versammlung ausgegangen sei und die infektionsschutzrechtlichen Anforderungen auch nicht durch versammlungsrechtliche Beschränkungen als mildere Mittel sichergestellt werden könnten. Insbesondere sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts die Beschränkung der Versammlung auf 200 Teilnehmer im konkreten Fall ungeeignet. Das vollständige Verbot der Versammlung stehe auch unter Berücksichtigung der Bedeutung und Reichweite des Grundrechts der Versammlungsfreiheit nicht außer Verhältnis zu seinem legitimen Zweck.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die jeweiligen Beschwerdebegründungen und Beschwerdeerwiderungen sowie im Übrigen wird auf die vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zurückzuweisen. Demgegenüber hat die Beschwerde der Antragsgegnerin Erfolg.
1. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen nicht die von ihr begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses und Anordnung der aufschiebenden Wirkung insgesamt.
Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO zu treffende Abwägungsentscheidung führt nicht zu dem Ergebnis, dass das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin in weitergehendem Umfang hätte anordnen müssen. Vielmehr wird sich die noch zu erhebende Anfechtungsklage gegen den streitbefangenen Bescheid vom 10. April 2021 im Hauptsacheverfahren voraussichtlich in vollem Umfang als unbegründet erweisen.
1.1. § 7 Abs. 1 Zwölfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (im Folgenden: 12. BayIfSMV v. 5.3.2021, BayMBl. Nr. 171) bestimmt für Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes unter anderem einen Mindestabstand von 1,5 m zwischen allen Teilnehmern und verlangt, dass jeder Körperkontakt mit anderen Versammlungsteilnehmern oder Dritten vermieden wird (Satz 1). Die nach Art. 24 Abs. 2 BayVersG zuständigen Behörden haben, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist, durch entsprechende Beschränkungen nach Art. 15 BayVersG sicherzustellen, dass die Bestimmungen nach Satz 1 eingehalten werden (Satz 2 Nr. 1) und die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren auch im Übrigen auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt bleiben; davon ist in der Regel auszugehen, wenn die Versammlung nicht mehr als 200 Teilnehmer hat und ortsfest stattfindet (Satz 2 Nr. 2). Sofern diese Anforderungen nicht sichergestellt werden können, ist die Versammlung zu verbieten (§ 7 Abs. 1 Satz 4 der 12. BayIfSMV). Damit konkretisiert § 7 Abs. 1 der 12. BayIfSMV die versammlungsrechtliche Befugnisnorm des Art. 15 Abs. 1 BayVersG sowohl auf der Tatbestandswie auch auf der Rechtsfolgenseite im Hinblick auf von Versammlungen unter freiem Himmel ausgehende Gefahren für die Gesundheit und das Leben Einzelner (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie den Schutz des Gesundheitssystems vor einer Überlastung (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 31/20 – juris Rn. 15; vgl. auch BayVGH, B.v. 11.9.2020 – 10 CS 20.2063).
Versammlungsverbote dürfen als tiefgreifendste bzw. stärkste Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG auch in Ansehung der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit für das demokratische und freiheitliche Gemeinwesen allerdings nur verfügt werden, wenn mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen und der hierdurch bewirkte Grundrechtseingriff insgesamt nicht außer Verhältnis steht zu den jeweils zu bekämpfenden Gefahren und dem Beitrag, den ein Verbot zur Gefahrenabwehr beizutragen vermag (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – Rn. 16; vgl. auch BayVGH, B.v. 29.4.2010 – 10 CS 10.1040 – juris Rn. 12 m.w.N.; B.v. 16.1.2021 – 10 CS 21.166 – juris Rn. 10). Ein Versammlungsverbot scheidet nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit demnach aus, solange mildere Mittel und Methoden der Rechtsgüterkonfliktbewältigung wie versammlungsrechtliche Beschränkungen und der verstärkte Einsatz polizeilicher Kontrollen nicht ausgeschöpft oder mit tragfähiger Begründung ausgeschieden sind (BayVGH a.a.O. unter Verweis auf BVerfG, B.v. 4.9.2009 – 1 BvR 2147/09 – juris Rn. 17 m.w.N.).
1.2. Ausgehend davon erweist sich die angefochtene Verbotsverfügung der Antragsgegnerin auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der Antragsgegnerin voraussichtlich als rechtmäßig und mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG vereinbar. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat das Verwaltungsgericht die „Bedeutung des Versammlungsgrundrechts auch in Pandemiezeiten“ nicht verkannt; der Hinweis in der Beschwerdebegründung auf ein Kurzgutachten des Rechtsanwalts M. K., wonach „die zuständige Versammlungsbehörde und die Polizei in der Pflicht (seien), als Beschützer der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit Freiheitsräume für Veränderungen in Gestalt der Austragung politischer Konflikte offen zu halten“, führt insoweit nicht weiter und entbindet die Versammlungsbehörde nicht etwa von der Prüfung, ob die Anforderungen gemäß § 7 Abs. 1 12. BayIfSMV nur durch ein Verbot der Versammlung sichergestellt werden können.
1.2.1. Die von der Antragsgegnerin angestellte Gefahrenprognose wird auch durch das Vorbringen der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung nicht durchgreifend erschüttert bzw. infrage gestellt.
Soweit die Antragstellerin die erforderliche unmittelbare konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit bei der Durchführung der streitbefangenen Versammlung (s. Art. 15 Abs. 1 BayVersG) schon ganz grundsätzlich unter Hinweis auf den – mit zahlreichen Wortzitaten wiedergegebenen – „wissenschaftlichen Erkenntnisstand“ und die „erdrückende Tatsachen- und Beweislage“ insbesondere auf dem Gebiet der Aerosolforschung und danach „nicht existierende Infektionsgefahr unter freiem Himmel“ sowie auf die (angebliche) Ungeeignetheit des Abstellens auf die vom Robert-Koch-Institut ermittelten und veröffentlichten Fallzahlen (Inzidenz) bestreitet, vermag sie damit nicht durchzudringen.
Die erhobene Behauptung (vgl. S. 4 ff. der Beschwerdebegründung), von Versammlungen unter freiem Himmel gehe keine relevante Infektionsgefahr aus, gibt dem Senat – zumal im Eilverfahren – keinen Anlass, von der Bewertung in § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG durch den Gesetzgeber, dem eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der infektiologischen Gefährlichkeit von sozialen Kontakten zukommt (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.2020 – 1 BvR 1027/20 – juris Rn. 7), abzuweichen (stRspr des Senats, vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 27.2.2021 – 10 CS 21.602 – juris Rn. 22; B.v. 21.2.2021 – 10 CS 21.526 – juris Rn. 16).
Soweit in dem Zusammenhang auf einen offenen Brief der Gesellschaft für Aerosolforschung, der sich im Wesentlichen mit deren Stellungnahme im aktuellen Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des IfSG (abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource/blob/834724/768b0ffcb60eb27c083564448e-10108b/19_14_0323-7-_Gesellschaft-fuer-Aerosolforschung_-viertes-BevSchGdata.pdf) deckt, Bezug nimmt, ergibt sich zwar daraus die besondere Bedeutung von Kontakten in Innenräumen für das Infektionsgeschehen, nicht aber die generelle Ungefährlichkeit von Versammlungen unter freiem Himmel. Die insoweit genannten Beispiele betreffen allesamt Individualkontakte weniger Personen und keine größeren Menschengruppen. Auch im wesentlich ausführlicheren „Positionspapier der Gesellschaft für Aerosolforschung zum Verständnis der Rolle von Aerosolpartikeln beim SARS-CoV-2 Infektionsgeschehen“ vom 7. Dezember 2020 (abrufbar unter https://www.info.gaef.de/positionspapier) ist wörtlich ausgeführt: „Bei Menschenmengen mit geringen Abständen ist aber auch im Freien eine Ansteckung nicht ausgeschlossen“ (a.a.O. S. 16).
Ihr Vorbringen, das bloße Abstellen auf die vom RKI ermittelten Inzidenzwerte genüge nicht zur Bestimmung der Erforderlichkeit von Schutzmaßnahmen (vgl. S. 8 bis 24 der Beschwerdebegründung), greift ebenfalls nicht durch. Die Maßgeblichkeit der vom RKI ermittelten Inzidenzwerte wird in § 28a Abs. 3 Satz 4 12 IfSG vom Bundesgesetzgeber vorgegeben und ist zumindest nicht evident sachwidrig (vgl. auch BayVerfGH, E.v. 22.3.2021 – Vf. 23-VII-21 – Rn. 26 ff.), sodass es – jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. nur Sieckmann/Kessal-Wulf in v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, § 100 Rn. 8 ff.) – nicht darauf ankommt, auf welcher Grundlage die vom RKI veröffentlichten Fallzahlen ermittelt wurden (BayVGH, B.v. 30.3.2021 – 20 NE 21.805 – juris Rn. 46; B.v. 25.2.2021 – 20 NE 21.475 – juris Rn. 28; B.v. 8.9.2020 – 20 NE 20.2001 – juris Rn. 28; im Einzelnen OVG Berlin-Bbg., B.v. 5.3.2021 – 11 S 17/21 – juris Rn. 41 bis 52). Das sinngemäße Argument der Antragstellerin (vgl. S. 13 ff. der Beschwerdebegründung), dass mittels PCR-Tests keine aktuelle Infektiösität der Testperson nachgewiesen werden und deshalb die Voraussetzungen des IfSG für Schutzmaßnahmen nach den §§ 28 und 28a IfSG nicht durch den Verweis auf das mittels PCR-Tests ermittelte Infektionsgeschehen nachgewiesen werden könne, beruht zudem auf einer unzutreffenden Interpretation der gesetzlichen Grundlagen und ist deshalb irrelevant (vgl. dazu ausführlich BayVGH, B.v. 24.1.2021 – 10 CS 21.249 – BeckRS 2021, 479 – Rn. 34).
Demgemäß ist die Antragsgegnerin zu Recht davon ausgegangen, dass die aktuelle epidemiologische Lage gerade auch in K., die sie in der Beschwerdebegründung nochmals ausführlich darlegt, Schutzmaßnahmen in Form von Beschränkungen der Versammlungsfreiheit erforderlich macht. Auch der Vertreter des öffentlichen Interesses verweist in seiner Stellungnahme zu Recht auf die aktuelle Lageeinschätzung des Robert-Koch-Instituts, wonach aufgrund der anhaltend hohen Fallzahlen und des aktuell beschleunigten Wiederanstiegs der Inzidenz die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch eingeschätzt wird (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Apr_2021/2021-04-16-de.pdf? blob=publicationFile).
Selbst wenn man mit der Antragstellerin (vgl. S. 22 f. der Beschwerdebegründung) neben der 7-Tages-Inzidenz auf weitere Parameter wie die Auslastung des Gesundheitssystems oder die Positivrate der PCR-Tests abstellen wollte, wären Schutzmaßnahmen gegen die Verbreitung des Virus offensichtlich geboten. Allein die Anzahl der hospitalisierten Covid-19-Patienten einschließlich der entsprechenden Belegung von Intensivbetten auch in Bayern (Zahlenmaterial bei https://www.divi.de/joomlatools-files/docman-files/divi-intensivregister-tagesreports/DIVI-Intensivregister_Tagesreport_2021_04_16.pdf) genügt ohne Weiteres für die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG und daran anknüpfend § 28a Abs. 1 Nr. 10 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 IfSG. Die Positivrate der mittels PCR-Test durchgeführten Testungen liegt derzeit bei über 12% (vgl. Lagebericht des RKI vom 14.4.2021, S. 9; abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Apr_2021/2021-04-14-de.pdf? blob=publicationFileäglicher Lagebericht des RKI zu COVID-19).
Auch ihr Einwand, dass eine Studie der Universität Oxford für das Jahr 2020 und Deutschland eine Übersterblichkeit von 3,3 Prozent errechnet habe (vgl. S. 8 f. der Beschwerdebegründung) und im März 2021 gar eine große Untersterblichkeit vorliege (vgl. S. 23 f. der Beschwerdebegründung), belegt ebenfalls nicht, dass das pandemische Geschehen keine Schutzmaßnahmen erfordert. Die Angabe eines Mittelwertes ohne jede Angabe zu den Verlaufsdaten und zur Methodik einer nicht vorgelegten Studie ist ebenso wenig ein tragfähiger Beleg für die These einer nur „angeblichen Gefährdungslage“ wie das Herausgreifen eines einzelnen, nicht repräsentativen Monats im Jahr 2021. Das Statistische Bundesamt (abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/sterbefallzahlen.html) geht z.B. für die Höhepunkte der ersten bzw. zweiten Infektionswelle von einer Übersterblichkeit von 10% im April 2020 bzw. 32% im Dezember 2020 aus, und das trotz der massiven Schutzmaßnahmen und der besonders geringen Anzahl von Grippetoten.
Welche Bedeutung die Bewertung der epidemischen Lage in Wien in einer Stellungnahme der Wiener Behörden durch das Verwaltungsgericht Wien (vgl. S. 8 ff. der Beschwerdebegründung) für das vorliegende Verfahren haben soll, erschließt sich dem Senat nicht. Gleiches gilt für eine österreichische Studie zur Ansteckungsgefahr im öffentlichen Nahverkehr (vgl. S. 5 f. der Beschwerdebegründung), zumal im Vorliegenden Fall weder die Versammlungsbehörde noch das Verwaltungsgericht auf solche Gefahren abgestellt haben. Die von der Antragstellerin erstinstanzlich weiter angeführte Entscheidung des Amtsgerichts Weimar vom 8. April 2021 erachtet der Senat hinsichtlich der Annahme der Rechtswegzuständigkeit, der Verfahrensgestaltung, der Art und Weise der Sachverhaltsermittlung und schließlich des Ergebnisses als ausbrechenden Rechtsakt und misst ihr daher keine entscheidungserhebliche Bedeutung bei.
Soweit die Antragstellerin unabhängig von dem Vorstehenden weiter geltend macht, eine unmittelbare konkrete Gefahr bei der Durchführung ihrer Versammlung bestehe auch infolge ihrer Kooperationsbereitschaft sowie Bereitschaft zur Stellung ausreichender Ordner, der Einhaltung der erforderlichen Abstände durch die Teilnehmer (sogenannter Helikopter) und von ihr erfolgender Hinweise auf die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht, und demgegenüber auf die fehlende Kooperationsbereitschaft der Versammlungsbehörde und der Polizei verweist, verhilft auch das ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg. Vielmehr hat die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Gefahrenprognose für die streitbefangene Versammlung am 17. April 2021 unter Bezugnahme und Auswertung einer ausführlichen und nachvollziehbaren Stellungnahme (Gefahrenprognose) der Polizeiinspektion K. vom 14. April 2021 zu Erkenntnissen und Erfahrungen aus bisherigen Versammlungen der „Querdenken-Bewegung“ sowie zur Antragstellerin als „maßgebliche Protagonistin“ dieser Szene überzeugend dargelegt, dass die bekundete Kooperationsbereitschaft letztlich nur als Lippenbekenntnis zu werten und im Gegensatz dazu vielmehr zu erwarten ist, dass sie aufgrund ihrer offen gezeigten ablehnenden Haltung gegenüber staatlichen Infektionsschutzmaßnahmen und auch versammlungsrechtlichen Beschränkungen gerade nicht zuverlässig die Gewähr bietet, auf die Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen Anforderungen effektiv hinzuwirken. Dabei kommt es im Übrigen angesichts des Mottos der Versammlung und des zu erwartenden Teilnehmerkreises auch nicht entscheidungserheblich darauf an, dass die Antragstellerin zum Beispiel bei den Versammlungen in Kassel und Stuttgart nicht selbst Veranstalterin gewesen ist. Entscheidend ist vielmehr, dass es bei den angeführten vergleichbaren Versammlungen insbesondere auch in K. und unter maßgeblicher Beteiligung der Antragstellerin zu dokumentierten systematischen Verstößen gegen die Maskenpflicht und das Abstandsgebot gekommen ist.
2. Die ebenfalls zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist demgegenüber auch begründet. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe rechtfertigen die von ihr begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses und Ablehnung des Eilantrags der Antragstellerin in vollem Umfang.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat die Antragsgegnerin eine für das verfügte Versammlungsverbot hinreichend tragfähige Gefahrenprognose angestellt (2.1.). Auch ist sie in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen und der durch das Verbot bewirkte Grundrechtseingriff insgesamt nicht außer Verhältnis steht zu den zu bekämpfenden Infektionsgefahren und dem Beitrag, den diese Maßnahme zur Gefahrenabwehr beizutragen vermag (2.2.)
2.1. Die Antragsgegnerin ist im Rahmen ihrer Gefahrenprognose auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse und Erfahrungen mit früheren vergleichbaren Versammlungsgeschehen letztlich zu Recht davon ausgegangen, dass die Anforderungen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 12. BayIfSMV auch durch versammlungsrechtliche Beschränkungen und insbesondere auch nicht durch eine Beschränkung der Teilnehmerzahl hinreichend sichergestellt werden können (§ 7 Abs. 1 Satz 4 12. BayIfSMV).
Sie hat dabei zutreffend auf das hohe Infektionsniveau (u.a. mit einem aktuellen Inzidenzwert in K. von zuletzt 248,7, Stand 16.4.2021) verwiesen und zu Recht aus den Erfahrungen mit bisherigen Versammlungen der „Querdenken-Bewegung“ und mit der Antragstellerin als nach Einschätzung der Polizei maßgeblichen Protagonistin dieser Szene gefolgert, dass weder die Antragstellerin noch ein maßgeblicher Teil der zu erwartenden Versammlungsteilnehmer bereit sei, der Maskenpflicht und der Pflicht zur Einhaltung des erforderlichen Mindestabstandes (s. § 7 Abs. 1 12. BayIfSMV) zuverlässig nachzukommen oder eine Beschränkung der Teilnehmerzahl zu akzeptieren und zu befolgen. So hat sie insbesondere auf der Grundlage ihrer Erfahrungen mit Versammlungen der Querdenken-Bewegung am 21. November 2020, 19. Dezember 2020 und 29. März 2021, an denen die Antragstellerin teilweise maßgeblich mitgewirkt hat, bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung zu Recht angenommen, dass bei der offensichtlich überregional als Großdemonstration beworbenen Versammlung in K. – ganz unabhängig von einer diesbezüglichen Beschränkung – tatsächlich eine sehr große Anzahl von Teilnehmern zu erwarten ist. Sie hat dies in nicht zu beanstandender Weise auch vor dem Hintergrund von Verboten parallel geplanter Querdenken-Versammlungen nachvollziehbar aus dem großen Einzugsbereich, der offensiven Bewerbung mit Bekundungen in den einschlägigen sozialen Medien wie #k.wirkommenimmernoch oder „wir fluten K.“ bzw. „Es bleibt dabei, dass sich ein Spaziergang am Samstag in K. anbietet.“ und nicht zuletzt einer Äußerung der Antragstellerin, die Antragsgegnerin „könne entscheiden was sie wolle, die Personen würden trotzdem in der Stadt spazieren gehen, wie in anderen Städten auch“ gefolgert. Ihrer nachvollziehbaren Einschätzung, die Antragstellerin werde eine Beschränkung der Teilnehmerzahl weder akzeptieren noch auf die Teilnehmerzahl einwirken, ist die Antragstellerseite auch im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert entgegengetreten. Gerade auch aufgrund der sehr ambivalenten Bekundungen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren zum Einsatz von Ordnern und einem offensichtlich fehlenden Hygienekonzept durfte die Antragsgegnerin auch davon ausgehen, dass bei der zu erwartenden sehr großen Teilnehmerzahl die erforderliche Vermeidung von Infektionsgefahren weder durch die Antragstellerin noch durch eventuelle Ordner erfolgen könne und werde. Vor diesem Hintergrund durfte die Antragsgegnerin es letztlich auch als untauglich ansehen, die Antragstellerin zu verpflichten, über die von ihr üblicherweise genutzten sozialen Netzwerke auf die Beschränkung der Teilnehmerzahl (auf 200 Personen) hinzuweisen.
2.2. Aus den oben (2.1.) dargelegten Gründen ist auch die weitere Annahme der Antragsgegnerin, dass gegenüber dem Versammlungsverbot mildere Mittel im konkreten Fall nicht zur Verfügung stehen bzw. in Betracht kommen und das Versammlungsverbot mit Blick auf den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung (s. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) deshalb auch nicht einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht gemäß Art. 8 Abs. 1 GG bedeutet, rechtlich nicht zu beanstanden. Zutreffend hat sie dabei darauf verwiesen, dass (vielfache) Platzverweise oder eine Auflösung der Versammlung durch die Polizei nicht in gleicher Weise geeignet seien, Infektions- oder Gesundheitsgefahren effektiv abzuwehren, da es dann bereits zu einer Verwirklichung der Gefahr und damit Störung im Sinne des Sicherheitsrechts gekommen wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG. Da die Entscheidung die Hauptsache im Wesentlichen vorwegnimmt, sieht der Senat keinen Anlass, den Streitwert gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu mindern.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).