Aktenzeichen 1 BvR 2636/04
§ 93c Abs 1 S 1 BVerfGG
§ 15 Abs 1 VersammlG
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 25. Oktober 2004, Az: 5 A 2764/03, Beschlussvorgehend VG Minden, 16. April 2003, Az: 11 K 671/02, Urteilvorgehend BVerfG, 1. März 2002, Az: 1 BvQ 5/02, Einstweilige Anordnung
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 16. April 2003 – 11 K 671/02 -, soweit darin die Klage des Beschwerdeführers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auflage Nr. 4 in dem Auflagenbescheid des Polizeipräsidiums Bielefeld vom 1. März 2002 – VL 12.5-231-W-02/01 – abgewiesen wird, und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Oktober 2004 – 5 A 2764/03 -, soweit darin der Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen wird, verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 8 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Die Entscheidungen werden in dem vorgenannten Umfang aufgehoben. Die Sache wird zur Entscheidung an das Verwaltungsgericht Minden zurückverwiesen.
…
Gründe
1
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer als Veranstalter einer Versammlung gegen verwaltungsgerichtliche
Entscheidungen, die eine versammlungsrechtliche Auflage gemäß § 15 Abs. 1 VersG zum Gegenstand haben, aufgrund derer die Teilnehmer
der Versammlung vor Beginn der Veranstaltung polizeilich durchsucht werden.
I.
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1. Der Beschwerdeführer meldete aus Anlass der vom 27. Januar bis zum 17. März 2002 in Bielefeld gezeigten Ausstellung “Verbrechen
der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941 – 1944″ (im Folgenden: Wehrmachtsausstellung) für den 2. März 2002
in Bielefeld eine Versammlung unter freiem Himmel mit dem Motto “Die Soldaten der Wehrmacht waren Helden, keine Verbrecher”
an. Mit sofort vollziehbarer Verbotsverfügung vom 18. Februar 2002 verbot das Polizeipräsidium Bielefeld die Versammlung.
Die hiergegen vom Beschwerdeführer angestrengten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor den Verwaltungsgerichten blieben
erfolglos (vgl. VG Minden, Beschluss vom 27. Februar 2002 – 11 L 185/02 -, juris; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss
vom 1. März 2002 – 5 B 388/02 -, juris).
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2. Mit Beschluss vom 1. März 2002 stellte die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts im Wege der einstweiligen
Anordnung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Beschwerdeführers gegen die Verbotsverfügung wieder her (vgl. BVerfG,
Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. März 2002 – 1 BvQ 5/02 -, NVwZ 2002, S. 982).
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3. Mit Bescheid vom 1. März 2002 ordnete das Polizeipräsidium Bielefeld daraufhin für die Durchführung der Versammlung eine
Reihe von Auflagen an, darunter auch die Auflage Nr. 4:
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“Die Teilnehmer der Versammlung werden vor Beginn der Veranstaltung polizeilich durchsucht”.
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4. Im Laufe des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht legte der Beschwerdeführer eidesstattliche Versicherungen von zwei Teilnehmern
der einen Monat zuvor am 2. Februar 2002 durchgeführten, ebenfalls gegen die Wehrmachtsausstellung gerichteten Versammlung
der NPD vor (im Folgenden: Anti-Wehrmachtsausstellungs-Versammlung am 2. Februar 2002). Darin schilderten die zwei Teilnehmer,
dass ihnen auf der Versammlung die Aufgabe zugefallen sei, den Lautsprecherwagen gegen eventuelle Übergriffe gewaltsamer Gegendemonstranten
zu sichern, insbesondere zu verhindern, dass eventuell Steinwürfe oder sonstige Wurfgeschosse die Fenster beschädigten. Des
Weiteren legte der Beschwerdeführer die eidesstattliche Versicherung eines Teilnehmers einer Versammlung am 1. September 2001
in Leipzig vor. Darin schilderte dieser, dass die Versammlung von linken Demonstranten mit Steinen, Flaschen und anderen Gegenständen
beworfen worden sei. Nur den Ordnern der Versammlung sei es zu verdanken gewesen, dass die Teilnehmer der Versammlung von
einer berechtigten Notwehrreaktion hätten zurückgehalten werden können. Einmal sei eine Polizeikette gegen die Teilnehmer
vorgegangen, als sie sich hätten verteidigen wollen.
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5. Mit angegriffenem Urteil vom 16. April 2003 wies das Verwaltungsgericht – unter anderem – die Klage des Beschwerdeführers
auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auflage Nr. 4 im Auflagenbescheid vom 1. März 2002 ab. Für seine Gefahrenprognose
gemäß § 15 Abs. 1 VersG stützte sich das Verwaltungsgericht auf den Umstand, dass die zwei Teilnehmer der Anti-Wehrmachtsausstellungs-Versammlung
am 2. Februar 2002 Steinwürfe oder sonstige Wurfgeschosse befürchtet hätten. Außerdem bezog das Verwaltungsgericht den Umstand
mit ein, dass es laut der eidesstattlichen Versicherung des Teilnehmers der Versammlung am 1. September 2001 in Leipzig tatsächlich
zu Gewalttätigkeiten durch Gegendemonstranten gekommen sei. Ebenso wie die beiden Teilnehmer der Anti-Wehrmachtsausstellungs-Versammlung
am 2. Februar 2002 die Bereitschaft zu gewalttätigem (Angriffs- oder Abwehr-)Verhalten aus den Reihen der Gegenversammlung
für möglich gehalten hätten, habe das Polizeipräsidium Bielefeld Vergleichbares bei der geplanten Versammlung vier Wochen
später befürchten müssen, und zwar bei den Teilnehmern der vom Beschwerdeführer angemeldeten Versammlung genauso wie bei den
Gegendemonstranten, zumal zu beiden Versammlungen am 2. März 2002 jeweils zahlreiche, in der Menge schwer zu kontrollierende
Teilnehmer erwartet worden seien (der Beschwerdeführer sei bei der Anmeldung seiner Versammlung von 1.000 bis 2.000 Teilnehmern
ausgegangen). Unter diesen Umständen hätten objektive Anhaltspunkte für das Auffinden sicherstellbarer Gegenstände bestanden,
welche das Polizeipräsidium Bielefeld dazu berechtigt hätten, pauschal im Wege einer Auflage die polizeiliche Durchsuchung
aller Versammlungsteilnehmer vor dem Veranstaltungsbeginn anzuordnen. Eines konkreten Verdachts gegen bestimmte Versammlungsteilnehmer,
insbesondere gegen den Beschwerdeführer, habe es insoweit nicht bedurft.
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6. Mit angegriffenem Beschluss vom 25. Oktober 2004 wies das Oberverwaltungsgericht – unter anderem – den auf § 124 Abs. 2
Nr. 1 VwGO gestützten Antrag auf Zulassung der Berufung bezüglich der Auflage Nr. 4 zurück. Zur Begründung verwies das Oberverwaltungsgericht
entsprechend § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil. Im Übrigen sei die Auflage Nr. 4 verhältnismäßig,
weil sie dazu beitrage, die nach dem Versammlungsgesetz gebotene Gewaltlosigkeit der Versammlung und damit letztlich die Versammlung
selbst zu sichern.
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7. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung seines Grundrechts der Versammlungsfreiheit
aus Art. 8 Abs. 1 GG.
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8. Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Polizeipräsidium Bielefeld als Beklagter des Ausgangsverfahrens und der für das
Versammlungsrecht zuständige Sechste Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts Stellung genommen. Das Polizeipräsidium
hält die Auflage für durch eine hinreichende Gefahrenprognose gerechtfertigt. Demgegenüber hat das Bundesverwaltungsgericht
Zweifel, ob die angegriffenen Entscheidungen in jeder Hinsicht mit der Versammlungsfreiheit übereinstimmen. Der Landtag Nordrhein-Westfalen
hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
II.
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Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung
der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist.
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1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen zur Reichweite der Gewährleistung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit
aus Art. 8 Abs. 1 GG bereits entschieden und dabei auch die zu berücksichtigenden Grundsätze entwickelt. Dies gilt insbesondere
für die Bedeutung der Versammlungsfreiheit bei der Gefahrenprognose im Rahmen von Entscheidungen der Behörden und Gerichte
anhand von § 15 Abs. 1 VersG (vgl. BVerfGE 69, 315 ; speziell zu versammlungsrechtlichen Auflagen: Beschlüsse
der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. Dezember 2007 – 1 BvR 2793/04 -, NVwZ 2008, S. 671 ; vom 21. April 1998 – 1 BvR
2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 ), namentlich in der Konstellation von Störungen der öffentlichen Sicherheit durch Gegendemonstranten
(vgl. BVerfGE 69, 315 ; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 26. März 2001 – 1 BvQ 15/01 -, NJW 2001, S.
1411 ) und von polizeilichen Kontrollen im Vorfeld von Versammlungen (vgl. BVerfGE 69, 315 ; 84, 203 ).
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2. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen
Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG.
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a) Der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG ist eröffnet, da die Auflage, dass die Teilnehmer der Versammlung
vor Beginn der Veranstaltung polizeilich durchsucht werden, den freien Zugang zu einer bevorstehenden Versammlung betrifft.
Der gesamte Vorgang des Sich-Versammelns unterfällt dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 84, 203 ).
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b) Die Auflage bedeutet auch einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit. Ein Eingriff ist nicht nur dann gegeben, wenn eine
Versammlung verboten oder aufgelöst wird, sondern auch, wenn die Art und Weise ihrer Durchführung durch staatliche Maßnahmen
beschränkt wird (vgl. BVerfGE 69, 315 ). Die Auflage, dass die Teilnehmer einer Versammlung vor Beginn der Veranstaltung
polizeilich durchsucht werden, behindert den freien Zugang zu der Versammlung. Eine polizeiliche Durchsuchung ist – zumal
wenn sie pauschal jeden Versammlungsteilnehmer erfasst – geeignet, einschüchternde, diskriminierende Wirkung zu entfalten,
die Teilnehmer in den Augen der Öffentlichkeit als möglicherweise gefährlich erscheinen zu lassen und damit potentielle Versammlungsteilnehmer
von einer Teilnahme abzuhalten.
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c) Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bedürfen gemäß Art. 8 Abs. 2 GG zu ihrer Rechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage.
Im vorliegenden Fall wurde die Auflage auf § 15 Abs. 1 VersG gestützt.
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aa) Diese Norm sieht mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit Einschränkungen gegenüber
Versammlungen nur für den Fall vor, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung
erkennbaren Umständen bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist. Unter Berücksichtigung
der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde auch bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an
die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte
erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (vgl. Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats
vom 21. April 1998 – 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 ; vom 19. Dezember 2007 – 1 BvR 2793/04 -, NVwZ 2008, S. 671
; vom 7. November 2008 – 1 BvQ 43/08 -, juris Rn. 17). Für die Gefahrenprognose können Ereignisse im Zusammenhang mit
früheren Versammlungen als Indizien herangezogen werden, soweit sie bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des
Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplante Versammlung aufweisen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer
des Ersten Senats vom 4. September 2009 – 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, S. 141).
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Wenn sich der Veranstalter und sein Anhang allerdings friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit, insbesondere
Gewalttaten, lediglich von Gegendemonstrationen ausgehen, müssen sich behördliche Maßnahmen primär gegen die störenden Gegendemonstrationen
richten. Es ist Aufgabe der zum Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung berufenen Polizei, in unparteiischer Weise auf die Verwirklichung
des Versammlungsrechts hinzuwirken. Gegen die friedliche Versammlung, die den Anlass für die Gegendemonstration bildet, darf
nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (vgl. BVerfGE 69, 315 ;
Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. September 2000 – 1 BvQ 24/00 -, NVwZ 2000, S. 1406 ).
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Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt bei der Behörde (vgl.
BVerfG , Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. Mai 2001 – 1 BvQ 21/01 -, NJW 2001, S. 2078 ; vom 4. September 2009
– 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, S. 141 ).
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Zwar sind die Feststellung der Tatsachen, auf die sich die Gefahrenprognose gründet, sowie die Würdigung dieser Tatsachen
grundsätzlich Sache der Fachgerichte und entziehen sich einer Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hat allerdings
zu überprüfen, ob bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts der Einfluss der Versammlungsfreiheit hinreichend beachtet
worden ist. Eine solche Prüfung verlangt eine intensivierte Kontrolle, ob die von den Fachgerichten getroffenen tatsächlichen
Feststellungen die daraus gezogenen Schlussfolgerungen zu tragen vermögen (vgl. BVerfGE 84, 203 ).
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bb) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen für die Gefahrenprognose im Rahmen von § 15 Abs. 1 VersG wird die angegriffene
Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht gerecht.
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(1) Die von dem Verwaltungsgericht herangezogenen Umstände sind nicht geeignet, eine von der Versammlung selbst ausgehende
Gefahr für die öffentliche Sicherheit nahezulegen, die den Erlass einer gegenüber der Versammlung belastenden Auflage hätte
rechtfertigen können.
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Zwar durfte das Verwaltungsgericht grundsätzlich den Verlauf der Anti-Wehrmachtsausstellungs-Versammlung am 2. Februar 2002
als Indiz heranziehen, da sie wegen der Zielrichtung, hier der Propagierung einer bestimmten Interpretation der jüngeren deutschen
Geschichte, des Ortes und der zeitlichen Nähe Ähnlichkeiten zu der von dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung aufwies.
Die zwei Teilnehmer dieser Versammlung haben in ihren von dem Verwaltungsgericht angeführten eidesstattlichen Versicherungen
indes lediglich organisatorische Vorsichtsmaßnahmen auf Veranstalterseite gegen eventuelle Übergriffe gewaltbereiter linker
Gegendemonstranten beschrieben. Diese Aussagen privater Personen zu ihrerseits lediglich verdachtsgeleiteten Handlungen stellen
keine nachvollziehbaren tatsächlichen Anhaltspunkte dar, wie sie für eine Gefahrenprognose im Rahmen des § 15 Abs. 1 VersG
erforderlich sind. Vor allem lässt sich dieser Aussage nicht ansatzweise entnehmen, dass sich die Teilnehmer der Versammlung
bei dieser Gelegenheit nicht rechtstreu verhalten haben.
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Dagegen hat das Verwaltungsgericht keine tatsächlichen Feststellungen zu der Frage getroffen, ob und inwieweit die Versammlung
am 1. September 2001 in Leipzig Ähnlichkeiten zu der von dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung aufwies und daher
im Rahmen der Gefahrenprognose als Indiz herangezogen werden durfte. Außerdem hat der Teilnehmer der Versammlung in seiner
von dem Verwaltungsgericht angeführten eidesstattlichen Versicherung lediglich Übergriffe gewalttätiger linker Gegendemonstranten
beschrieben. Nach seiner Darstellung haben hauptsächlich die Ordner, in einem Fall die Einsatzkräfte der Polizei, die solchermaßen
provozierten Teilnehmer der Versammlung erfolgreich im Zaum gehalten. Anhaltspunkte dafür, dass die Teilnehmer der von dem
Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung aus eigenem Antrieb die gewalttätige Auseinandersetzung mit den linken Gegendemonstranten
gesucht hätten, ergeben sich aus dieser Aussage nicht.
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Auch soweit das Verwaltungsgericht bei seiner Gefahrenprognose auf die Größe des zu erwartenden Teilnehmerkreises der von
dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung abgestellt hat, trägt dieser Umstand die Auflage nicht. Denn allein aus der
Größe einer Versammlung kann nicht auf die Gewaltbereitschaft der Teilnehmer geschlossen werden.
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Insgesamt scheint die Gefahrenprognose des Verwaltungsgerichts allein auf der – nicht ausgesprochenen – Vermutung zu gründen,
die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung könnten durch frühere Störungen von gewalttätigen linken
Gegendemonstranten gereizt nunmehr zum Präventivschlag ausholen. Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen ohne hinreichende
konkrete Tatsachengrundlage reichen jedoch, wie dargelegt, für die Gefahrenprognose im Rahmen des § 15 Abs. 1 VersG nicht
aus. Der Umstand, dass bei der von dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung Störungen der öffentlichen Sicherheit durch
gewaltbereite linke Gegendemonstranten zu befürchten waren, hätte den zuständigen Behörden Anlass sein müssen, zuvörderst
gegen die angekündigten Gegendemonstrationen Maßnahmen zu ergreifen. Das durch gewaltbereite Gegendemonstranten drohende Gefahrenpotential
ist der von dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung nicht zurechenbar.
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(2) Als Nichtstörerin hätte die vom Beschwerdeführer veranstaltete Versammlung daher nur im Wege des polizeilichen Notstandes
in Anspruch genommen werden können.
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Im Hinblick auf die besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes sind der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts
indessen weder die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen noch Ansätze für deren notwendige rechtliche Würdigung zu entnehmen.
Zwar dürfen die diesbezüglichen Anforderungen an Durchsuchungen, die letztlich nur der Ermöglichung einer friedlichen Wahrnehmung
der Versammlungsfreiheit dienen, in Situationen, die insgesamt durch drohende Gewalt geprägt sind, nicht zu hoch angesetzt
werden. Jedoch bedarf es insoweit zumindest der Darlegung, dass ein Schutz vor Gefahren für die öffentliche Sicherheit primär
durch Maßnahmen gegenüber den Störern ins Werk gesetzt wird und dass er auf diese Weise aber nur unzureichend gewährleistet
werden kann. Hieran fehlt es indes. So fehlen insbesondere Ausführungen dazu, dass und inwieweit gegen die angekündigten Gegendemonstrationen
gerichtete, behördliche Maßnahmen nicht ausgereicht haben, der gewaltbereiten Gegendemonstranten Herr zu werden und so der
Gefahr einer etwaigen gewalttätigen Eskalation zu begegnen. Feststellungen hierzu hat das Verwaltungsgericht nicht getroffen.
Unter dem Gesichtspunkt der Eskalation fehlt es weiterhin an konkreten und nachvollziehbaren tatsächlichen Anhaltspunkten
für die Annahme, dass die Teilnehmer der von dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung überhaupt unter Rückgriff auf
mitgebrachte Gegenstände zur Schutz- und Trutzwehr übergehen würden.
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cc) Der angegriffene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts teilt den festgestellten Mangel des verwaltungsgerichtlichen Urteils.
Das Oberverwaltungsgericht hat sich die Gründe des Verwaltungsgerichts ausdrücklich gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO zu Eigen
gemacht. Der über diese Bezugnahme hinausgehende pauschale Verweis auf die behauptete Verhältnismäßigkeit der Auflage erweist
sich angesichts der aufgezeigten verfassungsrechtlichen Defizite hinsichtlich der erforderlichen tatsächlichen Feststellungen
und der notwendigen rechtlichen Würdigung als nicht tragfähig.
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dd) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf dem aufgezeigten Grundrechtsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass die
Gerichte bei der erforderlichen erneuten Befassung und unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Anforderungen aus Art.
8 Abs. 1 GG zu einem anderen Ergebnis kommen. Hierbei werden die Gerichte – neben den bereits angesprochenen Gesichtspunkten
– zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls welche Gegenstände die polizeiliche Durchsuchung der Teilnehmer bei der Anti-Wehrmachtsausstellungs-Versammlung
am 2. Februar 2002 zutage gefördert wurden, die laut der Stellungnahme des Polizeipräsidiums Bielefeld in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
bereits gegenüber dieser Versammlung angeordnet worden war.
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3. Da die Verfassungsbeschwerde bereits wegen des Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 1 GG Erfolg hat, bedarf es keiner Prüfung, ob
daneben weitere Grundrechte verletzt sind.
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4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.