Aktenzeichen L 16 R 5110/16
Leitsatz
Die der Tätigkeit als Rundgangleiter einer Ausstellung vorgelagerte Schulung stellt ein weiteres gewichtiges Merkmal dar, das für eine abhängige Beschäftigung spricht, wenn diese Schulung den Rundgangleiter erst in die Lage versetzt, den Auftrag zu übernehmen. Dies kann eine der Tätigkeit vorgelagerte fachliche Weisung darstellen. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
S 14 R 1118/13 2016-05-04 Urt SGMUENCHEN SG München
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 4. Mai 2016 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige, insbesondere gem. § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 05.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 30.04.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Statthaft ist eine Anfechtungs- und Feststellungsklage gerichtet auf Aufhebung des feststellenden Verwaltungsaktes und Feststellung, dass Sozialversicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung nicht besteht.
Rechtsgrundlage ist § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV. Danach entscheidet die Beklagte auf Antrag, ob eine Tätigkeit versicherungspflichtig in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt wird oder als selbständige Tätigkeit nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt.
Ob gegen Entgelt tätige Personen versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), richtet sich nach § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Bei einer Tätigkeit in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Tätige in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht unterliegt. Die Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit insbesondere durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 25.04.2012 – B 12 KR 24/10 R).
Ausgangspunkt der Prüfung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (vgl. Urteil vom 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R; Urteil vom 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R). Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen (vgl. BSG, Urteil vom 24.01.2007, aaO). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung danach so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R).
Im vorliegenden Fall überwiegen die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen.
Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 136 Abs. 4 SGG ab, da er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist. Insbesondere teilt der Senat die Auffassung des Sozialgerichts, dass der Beigeladene zu 1) eng in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert war und kein unternehmerisches Risiko trug.
Hinzu kommt aus Sicht des Senats, dass eine deutliche Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 1) hinsichtlich der Art der Ausführung der Tätigkeit vorlag. Richtig ist, dass vornehmlich bei Diensten höherer Art die Weisungsgebundenheit zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein kann. Zwar sah der Rahmenvertrag ab März 2012 vor, dass allgemeine Weisungen oder Vorgaben bereits Bestandteil des Auftrags sind. Richtig ist, dass auch Selbständige in ihren Handlungsmöglichkeiten begrenzt sein können, allerdings nicht durch Einzelanordnungen, sondern durch Regeln oder Normen, die die Grenzen ihrer Handlungsfreiheit in generell-abstrakter Weise umschreiben (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.07.2011, L 1 KR 206/09, Rdn. 133 juris, mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 12.02.2004, B 12 KR 26/02 R). Bereits der Rahmenvertrag enthält die Verpflichtung des Beigeladenen zu 1), sich an fachliche Vorgaben zu halten, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat. Anders als der Prozessbevollmächtigte der Klägerin meint, erhielt der Beigeladene zu 1) über diese allgemeinen Vorgaben im Rahmenvertrag hinaus auch Einzelanweisungen. Zudem galt der Rahmenvertrag erst ab März 2012. Der Rahmenvertrag – der nichts an der seit Frühjahr 2011 ausgeübten Tätigkeit änderte – fällt deshalb nach Auffassung des Senats wenig ins Gewicht. Als Einzelanweisungen sind insbesondere die Teilnahmepflicht an Dienstbesprechungen und die Hinweise durch die Museumspädagoginnen zu werten. Die Überwachung in Form der Evaluierung, die jederzeit ohne Wissen des Rundgangleiters stattfinden konnte und nicht im Rahmenvertrag geregelt ist, ist ein weiteres Indiz für eine Weisungsgebundenheit. Die Dienstbesprechungen und die Überwachung durch die Museumspädagoginnen wertet der Senat anders als der Prozessbevollmächtigte der Klägerin als Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern der Klägerin und als Kontrolle des Beigeladenen zu 1) und damit als Eingliederung in die Arbeitsorganisation.
Die der Tätigkeit als Rundgangleiter vorgelagerte Schulung, stellt ein weiteres gewichtiges Merkmal dar, das für eine abhängige Beschäftigung spricht. Die Klägerin hat den Beigeladenen zu 1) erst durch die Ausbildung in die Lage versetzt, den Auftrag zu übernehmen. Sie hat seine Eignung vorher geprüft und lizensiert. Ohne diese Ausbildung wäre der Beigeladene zu 1) nicht in der Lage gewesen, Rundgänge anzubieten bzw. wäre nicht dazu zugelassen worden (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.06.2006, Az. L 24 KR 11/04). Dies stellt eine der Tätigkeit vorgelagerte fachliche Weisung dar, die sich in den Skripten zu den verschiedenen Rundgängen fortsetzte. Der Beigeladene zu 1) durfte davon in bestimmten Fällen nicht abweichen. Die Beklagte hat Versicherungsfreiheit wegen Entgelt-Geringfügigkeit zutreffend festgestellt, § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. Dies war zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe die Revision zuzulassen sind nicht ersichtlich, vgl. § 160 Abs. 2 SGG.