Medizinrecht

Teilnahme an Betreuungsvereinbarungen als diabetologisch besonders qualifizierter Vertragsarzt

Aktenzeichen  L 12 KA 59/14

Datum:
16.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 74036
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 72 Abs. 2, § 73a, § 85 Abs. 4 S. 3, § 91 Abs. 4, § 137 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 3, § 137a Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, § 137f Abs. 1, Abs. 2
SGB X § 48 Abs. 1 S. 1
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14

 

Leitsatz

1 Der DMP-Vertrag und die dazugehörigen Diabetes-Vereinbarungen finden eine ausreichende gesetzliche Grundlage in § 137f Abs. 1 SGB V aF, wonach strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen. Dies gilt auch hinsichtlich der Anforderung einer Mindestzahl an Diabetes-Patienten (Typ 1 und 2), die dem Zweck der Verbesserung der Behandlung von Diabetes-Patienten dienen soll.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Erfordernis einer Mindestpatientenzahl verletzt nicht das durch Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Recht der Berufsfreiheit. Es greift zwar in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG ein, ist aber gerechtfertigt. (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Anforderung einer Mindestmenge an Diabetes-Patienten verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 38 KA 495/12 2014-03-12 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.03.2014 wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht München hat mit dem angefochtenen Urteil vom 12.03.2014 zu Recht die Klage des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 19.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2012 abgewiesen. Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Einwendungen des Klägers im Rahmen des Berufungsverfahrens führen zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis. Der Widerruf der Genehmigungen des Klägers ist gemäß´§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X rechtmäßig. Bei den Genehmigungen zur Teilnahme am DMP-Vertrag und den Diabetes-Vereinbarungen handelt es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung. Diese Verwaltungsakte sind mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, sofern in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Im vorliegenden Fall hat sich der DMP-Vertrag und damit die Rechtsgrundlage, welcher der Teilnahme zugrunde lag, zum 01.07.2010 geändert. Demnach war nunmehr Eingangsvoraussetzung für die Teilnahme die Behandlung von durchschnittlich mindestens 250 GKV-Patienten mit der Diagnose Diabetes mellitus (Typ 1 und 2) je Quartal. Diese neuen Kriterien der Teilnahme gelten sowohl für Alt-Genehmigungsinhaber wie den Kläger als auch Neuantragsteller. Um den Alt-Genehmigungsinhabern eine lückenlose Teilnahme zu gewähren und nicht aufgrund dieser rechtlichen Änderung zunächst die alte Genehmigung zu widerrufen und eine neue unter dem Vorbehalt der Erfüllung der Einstiegskriterien (hier: Mindestfallzahlen) erteilen zu müssen, wurde zugunsten der Ärzte in § 7 Abs. 6 Nr. a DMP-Vertrag alter Fassung insoweit eine Übergangsregelung geschaffen. Nachdem der Kläger jedoch die gemäß § 7 Abs. 6 Nr. a DMP-Vertrag für die Teilnahme erforderlichen Mindestfallzahlen in Höhe von durchschnittlich 250 GKV-Patienten mit gesicherter Diagnose Diabetes mellitus Typ 1 und/oder Typ 2 in dem vorgegebenen Prüfzeitraum von Quartal 3/2010 bis 2/2011 nicht nachweisen konnte, war die „Alt-Genehmigung“ zu widerrufen. Die den Widerruf der Genehmigungen begründenden neuen Kriterien beruhen auf einer rechtlich nicht zu beanstandenden gesamtvertraglichen Rechtsgrundlage, nämlich dem DMP Diabetes mellitus Typ 2 und den Diabetes-Vereinbarungen, insbesondere § 7 Abs. 6 Nr. a DMP-Vertrag. Gemäß § 137f Abs. 1 Satz 1 SGB V (hier in der bis 31.12.2011 geltenden Fassung) soll durch strukturierte Behandlungsprogramme (Disease Management Programme – DMP – genannt) die Behandlung chronischer Erkrankungen verbessert werden. Mit dieser Zielsetzung empfiehlt der Gemeinsame Bundesausschuss gemäß § 137f Abs. 1 Satz 1 SGB V nach § 91 SGB V dem BMG geeignete chronische Erkrankungen, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, um den Behandlungsablauf und die Behandlungsqualität der medizinischen Versorgung chronisch Kranker zu verbessern. Derzeit gibt es Empfehlungen zu fünf DMP, darunter die hier streitigen DMP für Diabetes mellitus Typ 1 (seit 01.03.2004) und Diabetes mellitus Typ 2 (seit 01.07.2002). Hinsichtlich der Ausgestaltung der Behandlungsprogramme gemäß § 137f Abs. 1 SGB V a. F. empfiehlt der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 137f Abs. 2 Satz 1 SGB V a. F. die Anforderungen unter Beachtung der in Satz 2 aufgezählten Bereiche. Die Empfehlungen gemäß § 137f Abs. 1 und Abs. 2 SGB V a. F. waren ausdrücklich von der Verbindlichkeitsanordnung gemäß § 91 Abs. 6 SGB V in der bis 31.12.2011 geltenden Fassung für Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses im Sinne einer unmittelbaren Normverbindlichkeit im Außenverhältnis ausgeschlossen gewesen. Auf der Grundlage der Empfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses regelte das BMG in den §§ 28b bis 28g der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (RSAV) die speziellen Anforderungen für strukturelle Behandlungsprogramme und in den Anlagen 1, 2a und 2b der RSAV die speziellen Anforderungen für Diabetes mellitus Typ 2. Die in den §§ 28b Abs. 1, 28c, 28e RSAV sowie in den Anlagen der RSAV in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung geregelten Anforderungen an die Zulassung von strukturierten Behandlungsprogrammen galten bis zum Inkrafttreten der für die jeweilige Krankheit vom G-BA nach § 137f Abs. 2 SGB V zu erlassenden Richtlinien fort. Durch das GKV-VStG ist mit Wirkung zum 01.01.2012 – Gesetz vom 22.12.2011, BGBl I 2011, 2983 die Regelungskompetenz für die Inhalte der strukturierten Behandlungsprogramme auf den GBA – Richtlinien – übertragen worden, um die Umsetzung der Inhalte in der Versorgungspraxis zu vereinfachen und zu beschleunigen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat mit Beschluss vom 21.01.2016 die Anlage 1 (DMP – Diabetes mellitus Typ 2) und Anlage 8 (Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2) geändert.
Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass der hier maßgebliche DMP-Platt -formvertrag vom 10.06.2010, in Kraft getreten am 01.07.2010 und die Diabetes-Vereinbarungen vom 30.11.2010, in Kraft getreten am 01.01.2011 vor dem Hintergrund des § 137f und den §§ 28b Abs. 1, 28c, 28e RSAV und den Anlagen 1, 2a und 2b abgeschlossen wurden. Auf der Grundlage der Empfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses regelte das BMG in den §§ 28b bis 28g RSAV die allgemeinen Anforderungen an die Ausgestaltung der strukturierten Behandlungsprogramme und in den Anlagen der RSAV die speziellen Anforderungen für Diabetes mellitus Typ 2, gab aber keine strukturierten Behandlungsprogramme selbst vor. Die Entwicklung der strukturierten Behandlungsprogramme erfolgt maßgeblich durch die Krankenkassen. Zur Durchführung der Programme schließen die Krankenkassen Verträge mit den Leistungserbringern. Den Leistungserbringern und ihren Organisationen ist dagegen nicht das Recht eingeräumt, von sich aus Vertragsangebote an die Krankenkassen zu richten und diese gegebenenfalls über die einschlägigen Konfliktlösungsinstrumente (Schiedsstellen) durchzusetzen. Dies gilt in gleicher Weise für die Krankenkassen und ihre Verbände (vgl. Rothers, in Kassler Kommentar vor §§ 137f, 137g SGB V Rdnr. 13). Die Bestimmungen der §§ 137f, 137g SGB V haben bewusst nicht die Vertragsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern geregelt, so dass zur Entwicklung und Durchführung der strukturierten Behandlungsprogramme grundsätzlich alle im SGB V geregelten Vertragstypen zur Verfügung stehen. Bei den abgeschlossenen Verträgen (, Diabetes-Vereinbarungen) haben sich die Vertragsparteien auf die §§ 73a (aufgehoben durch Gesetz vom 16.07.2015 BGBl I, Seite 1211 – mit Wirkung vom 23.07.2015) und 83 SGB V gestützt. Danach können Kassenärztliche Vereinigungen und die Landesverbände der Krankenkassen Strukturverträge abschließen. Das insofern hinsichtlich des „ob“ eines Vertragsschlusses bestehende Handlungsermessen ist hinsichtlich der in § 137f Abs. 1 SGB V bestehenden Vorgabe, wonach für die bestimmten chronischen Krankheiten strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, in Richtung eines intendierten Ermessens dahingehend eingeschränkt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Entscheidung der Vertragsparteien im Regelfall im Sinne eines Vertragsschlusses ergehen soll und nur im Ausnahmefall bei Vorliegen besonderer Umstände vom Abschluss eines strukturierten Behandlungsprogrammes Abstand genommen werden soll. Bezüglich der Ausgestaltung der strukturierten Behandlungsprogramme ergibt sich für die Vertragspartner dagegen unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben ein weiter Gestaltungsspielraum. Diesen Gestaltungsspielraum haben die Vertragspartner mit dem Erfordernis einer Mindestpatientenzahl von 250 Patienten mit Diabetes mellitus (Typ 1 und/oder Typ 2) für das Fortbestehen der Genehmigung als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt gemäß dem nicht überschritten. Das Erfordernis einer Mindestpatientenzahl verstößt insbesondere nicht gegen die Grundrechte aus den Artikeln 12, 14 und 3 GG.
Das Erfordernis einer Mindestpatientenzahl verletzt nicht das durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Recht der Berufsfreiheit. Es greift zwar in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG ein, ist aber gerechtfertigt. Eingriffe bedürfen gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage. Der Gesetzgeber muss dabei selbst alle wesentlichen Entscheidungen treffen, soweit sie einer gesetzlichen Regelung zugänglich sind (BVerfGE 82, 224). Aus der gesetzlichen Regelung muss sich die gesetzgeberische Entscheidung über den Umfang und die Grenzen des Eingriffs ergeben, wobei an die Bestimmtheit und Erkennbarkeit einer gesetzlichen Einschränkung der Freiheit der Berufswahl strengere Anforderungen zu stellen sind als an solche Regelungen, die nur die Berufsausübung betreffen (BVerfGE 54, 246). Die erforderlichen Vorgaben des Gesetzgebers müssen sich nicht ohne weiteres aus dem Wortlaut des Gesetzes ergeben, vielmehr genügt es, dass sie mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließbar sind, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Vorgeschichte der Regelung (BVerfGE 82, 224 f). Der streitgegenständliche DMP-Vertrag und die dazugehörigen Diabetes-Vereinbarungen finden eine ausreichende gesetzliche Grundlage in § 137f Abs. 1 SGB V a. F., wonach strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen. Dies gilt auch hinsichtlich der Anforderung einer Mindestzahl an Diabetes-Patienten (Typ 1 und 2), die dem Zweck der Verbesserung der Behandlung von Diabetes-Patienten dienen soll. Die Verbesserung der Qualität der ärztlichen Versorgung von Diabetes-Patienten ist ein zentraler Punkt der strukturierten Behandlungsprogramme, wie sich auch ausdrücklich aus § 137f Absätze 1 und 2 SGB V ergibt. Die Anforderung einer Mindestpatientenzahl verbleibt auf der Stufe einer Berufsausübungsregelung, die auch nicht faktisch in die Nähe einer subjektiven oder objektiven Berufswahlregelung kommt. Die Praxis eines Internisten kann auch ohne die Genehmigung zur Teilnahme als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt am und den Diabetes-Vereinbarungen betrieben werden. Die Regelung führt nicht zu einer Einschränkung der Abrechnungsmöglichkeit von Leistungen nach Maßgabe des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes, sondern schränkt lediglich die Abrechnung einer Reihe von Vergütungspauschalen ein, die außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung und zusätzlich zur Vergütung im Rahmen des DMP und der Diabetes-Vereinbarungen erfolgen. Beschränkungen der Berufsausübung sind bereits dann rechtmäßig, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls den Eingriff rechtfertigen (BVerfGE 7, 377 (405). Das Erfordernis einer Mindestpatientenzahl von 250 Diabetes-Patienten verstößt auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Vertragspartner verfolgen mit dem Erfordernis der Behandlung von 250 Diabetes-Patienten im Quartal einen legitimen Zweck. Der Abschluss und die Ausgestaltung des DMP-Vertrages hat zum Ziel, durch eine, über den Leistungskatalog des EBM hinaus, optimierte Koordination von Diagnostik und Therapie sowie einer adäquaten und konsequenten Betreuung den Gesundheitszustand, die Lebensqualität und Folgeerkrankungen der Patienten mit einer derartigen chronischen Erkrankung positiv beeinflussen zu können. Diesem Ziel soll auch das Erfordernis der Behandlung von mindestens 250 Diabetes-Patienten im Quartal dienen. Die Vertragspartner gehen insoweit davon aus, dass immer dann, wenn bestimmte Krankheitsbilder in einem größeren Umfang behandelt werden, die Behandlungs- und Diagnosesicherheit zunimmt. Das Erfordernis einer Mindestpatientenzahl ist unter Beachtung des den Vertragsparteien zukommenden Einschätzungsspielraums auch als geeignet anzusehen. Die Vertragsparteien gehen davon aus, dass in den Praxen, in denen eine Spezialisierung auf bestimmte Krankheitsbilder vorliegt, eine stärkere Schulung des Behandlungspersonals einschließlich des Vertragsarztes selbst vorgenommen wird und die Praxisausstattung sich stärker auch an dem besonderen Krankheitsspektrum orientiert. Insofern stellen die Vertragsparteien auf eine Spezialisierung ab, die nicht durch eine Zusatzqualifikation alleine erworben werden kann, sondern durch die Spezialisierung in der Praxis zum Ausdruck kommt und ständig erneuert bzw. fortgeführt wird. Das Erfordernis einer Mindestanzahl an Diabetes-Patienten ist unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative der Vertragsparteien auch als erforderlich anzusehen. Nach Maßgabe der Dreistufentheorie würde dem Eingriff die Erforderlichkeit fehlen, wenn ein gleich wirksamer, aber milderer Eingriff auf einer niedrigeren Stufe hätte erfolgen können. Die Maßnahme der Vertragsparteien befindet sich allerdings bereits auf der niedrigsten Eingriffsstufe. Auch ein milderer Eingriff innerhalb der Stufe der Berufsausübungsregelung, der als gleich wirksam anzusehen wäre, ist unter Berücksichtigung des Einschätzungsspielraums der Vertragsparteien nicht ersichtlich. Soweit die Vertragsparteien mittlerweile aus Gründen der Vereinbarkeit von insbesondere Familie und Beruf die Genehmigung als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt auf Antrag auch dann erteilen, wenn der leistungserbringende Arzt weniger als 250, aber mehr als 125 GKV-Patienten mit einem Diabetes mellitus Typ 1 und/oder 2 pro Quartal behandelt und der Anteil der Diabetes-Patienten mindestens 75% an der Gesamtzahl der Patienten ausmacht (vgl. Anlage I b, 4d zum DMP Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 in der Fassung vom 12.06.2013, gültig ab dem Quartal 3/2013), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Zwar wollen die Vertragsparteien mit dieser Reduzierung der Mindestfallzahl an Diabetes-Patienten (kleineren) Praxen zum Zwecke der besseren Vereinbarkeit von Familie und Arbeit entgegenkommen, durch das zusätzliche Erfordernis, wonach der Anteil der Diabetes-Patienten mindestens 75% an der Gesamtfallzahl betragen muss, wird aber zugleich der für notwendig erachteten Spezialisierung der Praxis Rechnung getragen. Das Erfordernis einer Mindestfallzahl von 250 Diabetes 1 und/oder 2 Patienten ist schließlich auch als angemessen anzusehen. Im Rahmen einer Gesamtabwägung steht die Schwere des Grundrechtseingriffs nicht außer Verhältnis zum Gewicht der damit verfolgten legitimen Ziele. Diesbezüglich ist festzustellen, dass eine fachinternistische Praxis ohne Genehmigung zur Teilnahme als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt am und an den Diabetes-Vereinbarungen als fachärztliche Praxis für Innere Medizin weiter tätig sein kann und auch nicht von einem Leistungsbereich der Gesetzlichen Krankenversicherung, nämlich der Versorgung von Diabetes-Patienten ausgeschlossen wird. Auch ein DMP-Patient kann von einem Arzt, der nicht am DMP teilnimmt, behandelt werden, die Teilnahme eines Patienten am DMP schränkt die Regelungen der freien Arztwahl nicht ein (vgl. § 15 Abs. 2 des es). Außerdem kann ein Internist weiterhin als koordinierender Arzt am DMP Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 im Rahmen der ersten Versorgungsebene teilnehmen, soweit er die diesbezüglichen Voraussetzungen erfüllt. Demgegenüber bezwecken die Vertragsparteien mit dem Erfordernis einer Mindestfallzahl an Diabetes-Patienten das Ziel der Verbesserung der Versorgung dieser chronisch kranken Patienten. Hierbei handelt es sich um vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls, die sich zudem auf ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut, die Volksgesundheit, beziehen. Auch ein Verstoß gegen Art. 14 GG liegt nicht vor. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG schützt den Bestand des vorhandenen Eigentums sowie dessen Nutzung, nicht dagegen sind geschützt bloße Erwerbs- oder Gewinnaussichten, die möglicherweise mit einem bestimmten Gegenstand erzielt werden können (vgl. Papier in Maunz/Dürig, GG Kommentar, 59. EL 2010, Art. 14 Rdnr. 55 m. w. N.). In Abgrenzung zu den Gewährleistungen des Art. 12 GG ergibt sich daher, dass Art. 14 Abs. 1 das Erworbene, also das Ergebnis der Betätigung schützt, Art. 12 Abs. 1 GG dagegen den Erwerb, die Betätigung selbst (BVerfGE 30, 292 (335). Der Schutzbereich des Art. 14 GG ist daher vorliegend durch die Maßnahme der Vertragsparteien nicht betroffen.
Die Anforderung einer Mindestmenge an Diabetes-Patienten verstößt schließlich auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar liegt eine Ungleichbehandlung vor, wenn man die Bezugsgruppen einer fachinternistischen Praxis mit 250 Diabetes-Patienten und einer fachinternistischen Praxis mit weniger als 250 bzw. 125 Diabetes-Patienten gegenüberstellt. Die Ungleichbehandlung ist aber durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Für die Rechtfertigungsanforderungen ist das Maß entscheidend, in dem eine Ungleichbehandlung die Betroffenen beeinträchtigt (BVerfGE 107, 27, 46). Im Rahmen dieser Beurteilung ist maßgeblich darauf abzustellen, ob die Ungleichbehandlung mehr personen- als situationsbezogen ist, ob das Differenzierungskriterium einem der nach Art. 3 Abs. 3 GG verpönten Kriterien ähnelt, ob der Betroffene das Kriterium beeinflussen kann oder durch die Ungleichbehandlung der Gebrauch grundrechtlich geschützter Freiheiten erschwert wird (vgl. Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 31. Auflage 2016, Rdnr. 496). Liegt nach diesen Kriterien eine Ungleichbehandlung geringerer Intensität vor, wird das Gleichheitsgebot lediglich als Willkürverbot verstanden, so dass insofern irgendein sachlicher Rechtfertigungsgrund ausreicht (BVerfGE 107, 27, 46). Liegt hingegen eine Ungleichbehandlung größerer Intensität vor, so ist auch ein gewichtiger sachlicher Grund erforderlich. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass das Differenzierungskriterium einer Mindestanzahl von Diabetes-Patienten sich nicht den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Kriterien annähert, die Ungleichbehandlung auch nicht vorrangig personen-, sondern situationsbezogen ist und der betroffene Kläger das Kriterium selbst beeinflussen könnte, indem er den Umfang seiner Praxis von einer etwa halben Praxistätigkeit auf eine durchschnittliche Praxis mit dann ohne weiteres zu erreichenden 250 Diabetes-Patienten bzw. 125 Diabetes-Patienten steigert oder innerhalb der vorhandenen Patientenzahl eine noch stärkere Ausrichtung auf die Behandlung von Diabetes-Patienten vornimmt. Ein Eingriff in die geschützte Berufsfreiheit liegt zwar vor, beschränkt sich aber auf die Ebene der Berufsausübungsregelung und ist insgesamt noch als verhältnismäßig anzusehen. Vor diesem Hintergrund liegen selbst die Voraussetzungen für eine Ungleichbehandlung größerer Intensität und damit der Notwendigkeit eines sachlichen Differenzierungsgrundes vor. Die Vertragsparteien haben sich bezüglich des Erfordernisses von Mindestzahlen zunächst auf eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses gestützt. Diese Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses gründet sich auf einen Expertenkonsens, da es insoweit keine entsprechenden Studien gibt. Deswegen haben die Vertragsparteien die vorgegebene Mindestfallzahl von 250 Patienten der gesetzlichen Regelung entsprechend auch nicht als bindende Vorgabe angesehen, sondern lediglich als Orientierungshilfe. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die Vertragsparteien die Mindestanzahl von 250 Diabetes-Patienten ab dem Quartal 3/2013 für gewisse Konstellationen auf 125 Diabetes-Patienten pro Quartal abgesenkt haben. Darüber hinaus haben die Vertragspartner über diese Empfehlung hinaus weitere Gründe für die Etablierung einer Mindestpatientenanzahl als Voraussetzung für die Genehmigung als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt dargelegt. Danach gehen sie davon aus, dass immer dann, wenn bestimmte Krankheitsbilder in einem größeren Umfang behandelt werden, die Behandlungs- und Diagnosesicherheit zunimmt. Weiter wird unterstellt, dass in den Praxen, in denen eine Spezialisierung auf bestimmte Krankheitsbilder vorliegt, eine stärkere Schulung des Behandlungspersonals einschließlich des Vertragsarztes selbst vorgenommen wird und die Praxisausstattung sich stärker auch an dem besonderen Krankheitsspektrum orientiert. Deshalb wird mit den Behandlungszahlen eine Spezialisierung angestrebt, die nicht durch eine Zusatzqualifikation erworben werden kann, sondern durch die Spezialisierung in der Praxis zum Ausdruck kommt und ständig erneuert bzw. fortgeführt werden muss. Dass die vorgesehenen Mindestfallzahlen realistischerweise erreicht werden können, ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass 90 bis 95% der Teilnehmer das Teilnahmekriterium der Mindestfallzahlen erfüllt. Dass der Kläger die geforderte Mindestanzahl an Diabetes-Patientenspezialist nicht erreicht, liegt an seiner speziellen Praxisausrichtung, die sich dadurch auszeichnet, dass er nur eine sehr kleine Praxis (ca. ein halb einer durchschnittlichen Praxis) betreibt und sowohl hausärztlich als auch auf die Behandlung von Diabetes-Patienten spezialisiert tätig ist. Die Vertragsparteien waren aber nicht verpflichtet, ihre vertraglichen Regelungen an dieser doch sehr speziellen Praxisgestaltung auszurichten. Schließlich halten die von den Vertragsparteien für die Differenzierung anhand von Mindestzahlen genannten Kriterien auch einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, wie bereits im Rahmen von Art. 12 GG dargestellt, stand.
Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zuzulassen.

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