Medizinrecht

Terminsverlegung wegen Anwaltswechsel

Aktenzeichen  11 ZB 17.30963

Datum:
24.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 124687
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 4
VwGO § 173
ZPO § 87 Abs. 1, § 227 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die ordnungsgemäße Begründung einer Gehörsrüge im Zulassungsverfahren erfordert grundsätzlich Ausführungen dazu, was bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Hat ein Rechtsmittelführer tatsächlich nicht an der mündlichen Verhandlung in erster Instanz teilnehmen können‚ so muss auch dargelegt werden‚ dass das Erstgericht einen Terminsverlegungsantrag zu Unrecht abgelehnt hat. Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs kommt nur dann in Betracht, wenn ein erheblicher Grund für eine Verlegung iSv § 173 VwGO iVm § 227 Abs. 1 ZPO vorliegt und dem Gericht unterbreitet worden ist. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3 Einem Terminsverlegungsantrag ist regelmäßig stattzugeben, wenn der Beteiligte aus berechtigten Gründen den Anwalt wechselt und der neue Bevollmächtigte sich noch einarbeiten muss. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die Anzeige nach § 87 Abs. 1 ZPO ist für das Gericht unbeachtlich, wenn der Vollmachtsvertrag in Wahrheit fortbesteht. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
5 Die Mandatskündigung des Prozessbevollmächtigten kann nur dann eine Terminsverlegung rechtfertigen, wenn für den Mandatswechsel berechtigte Gründe vorgetragen werden. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
6 Selbst bei Vorliegen berechtigter Gründe zur Mandatskündigung ist die Prozesspartei verpflichtet, zuerst einen Rechtsanwalt zu suchen, der in der Lage ist, an dem schon anberaumten Termin teilzunehmen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 2 K 17.32131 2017-05-29 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht in der gebotenen Weise (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) dargelegt bzw. liegen nicht vor.
1. Die Berufung ist nicht wegen der gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Die Kläger machen insoweit geltend, der Termin zur mündlichen Verhandlung am 29. Mai 2017 hätte auf Antrag der Rechtsanwältin S… vom 22. Mai 2017, eingegangen bei Gericht am 25. Mai 2017 um 19.32 Uhr, sowie wegen einer am 29. Mai 2017 mitgeteilten Erkrankung des Klägers zu 3 am Verhandlungstag, die eine Betreuung durch die Klägerin zu 1 erforderlich gemacht hätte, verlegt werden müssen.
Die Kläger haben eine Verletzung von Verfahrensrecht im Zusammenhang mit der Durchführung der mündlichen Verhandlung am 29. Mai 2017 nicht hinreichend dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG). Die ordnungsgemäße Begründung einer Gehörsrüge im Zulassungsverfahren erfordert grundsätzlich Ausführungen dazu, was bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 74). Dazu enthält der Zulassungsantrag keine Ausführungen. Soweit die Klägerin zu 1 geltend macht, sie habe größten Wert darauf gelegt, zur Verhandlung zu erscheinen und durch die Beantwortung der Fragen bzw. durch Abgabe einer Stellungnahme auf die Entscheidungsfindung Einfluss nehmen zu können, genügt dies nicht.
Hat ein Rechtsmittelführer tatsächlich nicht an der mündlichen Verhandlung in erster Instanz teilnehmen können‚ so muss auch dargelegt werden‚ dass das Erstgericht einen Terminsverlegungsantrag zu Unrecht abgelehnt hat. Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs kommt nur dann in Betracht, wenn ein erheblicher Grund für eine Verlegung i.S.v. § 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO vorliegt und dem Gericht unterbreitet worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 22.5.2006 – 10 B 9/06 – NJW 2006, 2648 = juris Rn. 9). Hier ist nicht substantiiert vorgetragen‚ dass der Antrag auf Terminsverlegung vom Verwaltungsgericht unter Verstoß gegen gesetzliche Vorgaben abgelehnt worden wäre.
Der Termin musste nicht verlegt werden, weil die Kläger das Mandat mit Rechtsanwalt P… nach Angaben der jetzigen Prozessbevollmächtigten gekündigt und diese mandatiert hatten, und sie gemäß ihrem Terminsverlegungsantrag vom 22. Mai 2017 am Termin zur mündlichen Verhandlung urlaubsbedingt abwesend war. Einem Terminsverlegungsantrag ist zwar regelmäßig stattzugeben, wenn der Beteiligte aus berechtigten Gründen den Anwalt wechselt und der neue Bevollmächtigte sich noch einarbeiten muss (vgl. Geiger in Eyermann, VwGO, § 102 Rn. 7).
Hier ist schon fraglich, ob die Kläger das Mandatsverhältnis mit Rechtsanwalt P… tatsächlich beendet hatten. Der Rechtsanwalt ist für die Kläger zur mündlichen Verhandlung erschienen und hat mitgeteilt, dass ihm eine Mandatskündigung nicht bekannt sei. Das Auftreten eines neuen Prozessbevollmächtigten stellt auch nicht unbedingt die Kündigung des vorherigen Mandatsverhältnisses dar (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, § 67 Rn. 24; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 67 Rn. 46) und die Anzeige nach § 87 Abs. 1 ZPO ist regelmäßig durch die Partei selbst oder den bisherigen Bevollmächtigten möglich (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 87 Rn. 1). Sie ist für das Gericht unbeachtlich, wenn der Vollmachtsvertrag in Wahrheit fortbesteht (Kopp/Schenke a.a.O. Rn. 46 m.w.N.).
Aber selbst unter der Voraussetzung, dass das Mandatsverhältnis tatsächlich gekündigt worden wäre und die Anzeige durch die neue Prozessbevollmächtigte als ausreichend angesehen würde, haben weder die Kläger noch die weitere Bevollmächtigte berechtigte Gründe für einen Mandatswechsel, die eine Terminsverlegung erforderlich gemacht hätten, hinreichend vorgetragen. Die Ausführungen, es liege eine schwerwiegende Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses vor, lässt nicht erkennen, aus welchen Gründen es zu den Schwierigkeiten zwischen den Klägern und dem Rechtsanwalt P… gekommen sein soll und ob es sich dabei um berechtigte Gründe i.S.d. § 227 Abs. 1 ZPO handelt. Im Übrigen wären die Kläger selbst bei Vorliegen berechtigter Gründe zur Mandatskündigung auch verpflichtet gewesen, zuerst einen Rechtsanwalt zu suchen, der in der Lage gewesen wäre, an dem schon anberaumten Termin teilzunehmen.
Es war auch nicht notwendig, über den Terminsverlegungsantrag der weiteren Prozessbevollmächtigten noch vor der mündlichen Verhandlung zu entscheiden. Der auf Montag, den 22. Mai 2017 datierte Schriftsatz ist ohne ersichtlichen Grund erst am Donnerstag, den 25. Mai 2017, einem gesetzlichen Feiertag (Christi Himmelfahrt), am Abend gefaxt worden. Die Prozessbevollmächtigte hat selbst vorgetragen, sie befinde sich vom 26. Mai bis 2. Juni 2017 im Urlaub. Unabhängig davon, dass die verspätete Übermittlung des Schriftsatzes vom 22. Mai 2017 eher eine Prozessverschleppungsabsicht nahe legt, hätte ein entsprechender ablehnender Beschluss sie daher ohnehin nicht erreicht.
Der Termin musste auch nicht deshalb verlegt werden, weil über eine halbe Stunde nach Beginn der mündlichen Verhandlung per Fax ein Formular einer Fachärztin für Allgemeinmedizin an das Verwaltungsgericht übermittelt worden ist. In diesem Formular wird ausgeführt, wegen einer akuten fieberhaften Erkrankung des Klägers zu 3 müsse seine Mutter zur Betreuung für mindestens zwei Tage zu Hause bleiben. Dieses Formular genügt den Darlegungsanforderungen für einen erheblichen Grund i.S.d. § 227 Abs. 1 ZPO nicht. Es geht daraus schon nicht hervor, unter welcher konkreten Erkrankung der Kläger zu 3 gelitten hat. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, aus welchen medizinischen Gründen zwingend die Klägerin zu 1 die Betreuung hätte leisten müssen. Diese medizinisch nicht begründete Aussage stellt sich eher als Gefälligkeitsbescheinigung dar. Dass die Klägerin zu 1 kurzfristig keine anderweitige Betreuung für ihren Sohn organisieren konnte, hat sie nicht vorgetragen und ist nicht ersichtlich, denn auch der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung schon voll-jährige Kläger zu 2 hat, ohne einen eigenen Terminsverlegungsantrag zu stellen, nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen und hätte ggf. seinen Bruder in dieser Zeit betreuen können.
2. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG setzt voraus, dass eine konkrete, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert wird, die für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, deren Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und der eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 72). Bei einer auf tatsächliche Verhältnisse gestützten Grundsatzrüge muss der Rechtsmittelführer Erkenntnisquellen zum Beleg dafür angeben, dass die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts unzutreffend oder zumindest zweifelhaft sind (vgl. OVG NW, B.v. 12.12.2016 – 4 Abs. 2939/15.A – juris m.w.N.).
Die Kläger haben zwar als weiteren Zulassungsgrund angegeben, es gehe vorliegende um eine Grundsatzfrage, sie haben aber in der Antragsbegründung keine klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und auch nicht dargelegt, warum eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung vorliegen soll (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Daher genügt die Begründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
4. Mit der unanfechtbaren (§ 80 AsylG) Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

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