Aktenzeichen L 11 AS 873/15
SGG SGG § 54 Abs. 1, Abs. 4, § 160 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2
Leitsatz
1. Zur Übernahme von Kosten im Zusammenhang mit einer Wohnungssuche.
2. Werden Fahrkosten mit dem eigenen PKW als Wohnungsbeschaffungskosten geltend gemacht, ist es nicht zu beanstanden, wenn sich der Leistungsträger hinsichtlich der Höhe der zu erstattenden Kosten an den Regelungen über die Anrechnung von Fahrtkosten aus der Alg II-V orientiert. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Kosten im Zusammenhang mit einer Wohnungssuche sind im Regelfall nur insoweit als Wohnungsbeschaffungskosten anzuerkennen, als diese Kosten nicht bereits mit dem Regelbedarf abgedeckt werden. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
S 19 AS 705/15 2015-10-30 Urt SGNUERNBERG SG Nürnberg
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 30.10.2015 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 05.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Streitgegenstand ist vorliegend der Bescheid des Beklagten vom 05.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2015, mit dem dieser lediglich Kosten im Zusammenhang mit der Wohnungssuche 2014 im Umfang von 140,82 € erstattet hat. Dagegen wendet sich die Klägerin in zulässiger Weise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, 4 SGG). Da die Klägerin ursprünglich die Übernahme von Kosten im Umfang von 3.328,48 € beim Beklagten beantragt hatte, verbleibt noch ein streitgegenständlicher Betrag von 3.187,66 €. Die Wohnungsbeschaffungs- oder Umzugskosten stellen grundsätzlich einen eigenständigen abtrennbaren Streitgegenstand dar, über den isoliert entschieden werden kann (BSG, Urteil vom 06.05.2010 – B 14 AS 7/09 R – BSGE 106, 135).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Zahlung weiterer Leistungen für die von ihr geltend gemachten Wohnungsbeschaffungskosten. Nach § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II können Wohnungsbeschaffungskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann (§ 22 Abs. 6 Satz 2 SGB II). Wohnungsbeschaffungskosten sind dabei nur solche Aufwendungen, die mit dem Finden und Anmieten der Wohnung verbunden sind (vgl BSG, Urteil vom 06.08.2014 – B 4 AS 37/13 R; Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 49/07 R – BSGE 102, 194; Urteil vom 18.02.2010 – B 4 AS 28/09 R).
Als Wohnungsbeschaffungskosten denkbar und übernahmefähig sind dabei jedenfalls Kosten für Zeitungsinserate oder Besichtigungsfahrten (vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 10/2012, § 22 Rn 294; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, Stand Oktober 2016, § 22 SGB II Rn 118). Insofern hat der Beklagte auch die geltend gemachten Kosten der Wohnungsanzeigen iHv 16,22 € erstattet. Ebenso hat er die für 2014 von der Klägerin geltend gemachten Kosten für die konkreten Wohnungsbesichtigungen berücksichtigt und einen Betrag iHv 22 € (2 x 110 km x 0,10 €) bewilligt. Dass der Beklagte sich dabei hinsichtlich der berücksichtigten Kosten für die Pkw-Nutzung an § 6 Abs. 1 Nr. 3b der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld – Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung – Alg II-V in der Fassung vom 19.12.2011 orientiert hat, ist nicht zu beanstanden. Dabei werden für jeden Entfernungskilometer 0,20 € für die kürzeste Straßenverbindung angesetzt. Der Beklagte hat jeweils 0,10 € je gefahrenem km dementsprechend in die Berechnung eingestellt. Dass tatsächlich höhere Kosten entstanden sein könnten, ist von der Klägerin weder konkret dargelegt noch nachgewiesen worden.
Hinsichtlich der weiteren Kosten insbesondere für Schreibblock, Porto, Telefon, Kopien und Zeitungen bzw deren Beschaffung ist umstritten, ob diese im Rahmen des § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen sind (bejahend für Internetrecherchen, Telefonate und die Beschaffung von Zeitungen: Piepenstock in jurisPK-SGB II, Stand 28.11.2016, § 22 Rn 215). Dies dürfte richtigerweise nur in Ausnahmefällen zu bejahen sein, da Kosten für Zeitungen zur Anzeigenrecherche oder Telefonkosten zur Kontaktaufnahme mit potentiellen Vermietern regelmäßig aus dem Regelbedarf zu bestreiten sein dürften (vgl dazu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.02.2011 – L 19 AS 185/11 B; Beschluss des Senats vom 16.03.2017 – L 11 AS 121/17 B ER; Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 22 Rn 203).
In jedem Fall hat der Beklagte aber die Kosten für den Collegeblock im Umfang von 1 €, 2x Faxgebühr iHv 2 €, Porto und Kopien iHv 1,60 € in voller Höhe übernommen. Nicht zu beanstanden ist, dass Telefonkosten nur iHv 30 € berücksichtigt worden sind. Soweit man davon ausgehen könnte, dass Telefonkosten nicht bereits mit der Gewährung des Regelbedarfs abgegolten sind, sind die geltend gemachten Kosten iHv 75 € in keinster Weise schlüssig oder nachgewiesen. Für die Übernahme von weiteren Kosten für Zeitungen über 68 € hinaus besteht ebenfalls kein Anspruch. So konnte die Klägerin jedenfalls mit dem kostenlosen Wochenblatt und den Samstagsausgaben der Nürnberger Zeitung ab 27.03.2014, für die der Beklagte Leistungen bewilligt hat, in ausreichendem Maße den Wohnungsmarkt überblicken, innerhalb dessen Bereich ein Umzug vom Beklagten veranlasst bzw notwendig wäre (vgl dazu im Einzelnen auch Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 22 Rn 209). Weiter hat sie vorgebracht, die Zeitungen auch nicht immer tatsächlich gekauft zu haben, sondern nur, wenn einschlägige Anzeigen mit passenden Wohnungen enthalten waren. Soweit sie Kosten geltend macht, die Zeitungen betreffen, die den Wohnungsmarkt außerhalb des Vergleichsraums betreffen, besteht hierfür kein Anspruch. Diese Kosten sind nicht beruflich veranlasst, weil insofern kein konkretes Jobangebot vorliegt oder nachgewiesen oder behauptet worden ist, so dass ein solcher Umzug in den Bereich außerhalb des Vergleichsraums alleine von privaten Interessen der Klägerin getragen wäre. Die Klägerin wohnt in A-Stadt, so dass der Vortrag, ihr Lebensmittelpunkt sei F-Stadt, nicht nachvollziehbar ist. Im Übrigen sind weitere Kosten nicht konkret nachgewiesen worden.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.