Aktenzeichen 10 CS 20.2745
8. BayIfSMV § 7 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 2, Art. 8 Abs. 1
IfSG § 4, § 28a Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 5
Leitsatz
1. § 7 Abs. 1 8. BayIfSMV konkretisiert die versammlungsrechtliche Befugnisnorm des Art. 15 Abs. 1 BayVersG sowohl auf der Tatbestandswie als auch auf der Rechtsfolgenseite im Hinblick auf von Versammlungen unter freiem Himmel ausgehende Gefahren für die Gesundheit und das Leben Einzelner (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie den Schutz des Gesundheitssystems vor einer Überlastung. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist davon auszugehen, dass von der vom Antragsteller angezeigten Versammlung – eine sich (über den Altstadtring) fortbewegende Versammlung mit Auftakt- und Schlusskundgebung auf der Theresienwiese in München zwischen 14:00 und 21:00 Uhr mit ca. 25.000 bis 30.000 Personen – unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens in München im Sinne von § 7 Abs. 1 8. BayIfSMV voraussichtlich infektionsschutzrechtlich nicht mehr vertretbare Gefahren ausgehen und die infektionsschutzrechtlichen Anforderungen auch nicht durch versammlungsrechtliche Beschränkungen als milderes Mittel sichergestellt werden können. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Gefahrenprognose die Erkenntnisse anlässlich des Versammlungsgeschehens anderer Versammlungen der „Querdenker-Bewegung“ mitberücksichtigt hat. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 13 S 20.5969 2020-11-20 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. In Abänderung von Nr.
III. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. November 2020 wird der Streitwert für beide Instanzen auf jeweils 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. November 2020 verfügte Untersagung der für den 21. November 2020 in München angezeigten Versammlung „Internationaler Friedensmarsch – Frieden ohne Hunger nach Corona auf der ganzen Welt“ weiter.
Die Antragsgegnerin begründete die Untersagung der angezeigten Auftakt- und Abschlusskundgebung auf der Theresienwiese samt sich fortbewegender Versammlung über den Altstadtring mit ca. 25.000 bis 30.000 Personen im Wesentlichen damit, dass angesichts der wiederholten Weigerung des Antragstellers, ein Hygiene- und Ordnerkonzept vorzulegen, und den nach den Erfahrungen mit vorangegangenen Versammlungen der Querdenken-Bewegung bzw. des Antragstellers zu erwartenden, nicht nur vereinzelten Verstößen gegen die Abstands- und Maskenpflicht eine Durchführung der Versammlung mit entsprechenden Beschränkungen nicht in Betracht käme. Auf die weitere Begründung des Bescheids vom 18. November 2020 wird verwiesen.
Am 20. November 2020 erhob der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München hiergegen Klage und beantragte zugleich, die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 18. November 2020 anzuordnen. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 BayVersG lägen mangels nachgewiesener Infektionen in München schon nicht vor; die Gefahrenprognosen der Antragsgegnerin sei für das angefochtene Versammlungsverbot nicht tragfähig. Im Übrigen sichere der Antragsteller nunmehr zu, den vorgeschriebenen Mindestabstand (§ 7 Abs. 1 Satz 1 8. BayIfSMV) sowie eine anzuordnen die Maskenpflicht (§ 7 Abs. 1 Satz 3 8. BayIfSMV) mit den in der Verordnung vorgesehenen Ausnahmetatbeständen und eine verhältnismäßige Teilnehmerbeschränkung (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 8. BayIfSMV) zu akzeptieren und den Teilnehmern durchzusagen.
Mit Beschluss vom 20. November 2020 hat das Verwaltungsgericht den Eilrechtsschutzantrag des Antragstellers abgelehnt. Der Verbotsbescheid erweise sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig und verletze den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Die Antragsgegnerin sei nachvollziehbar davon ausgegangen, dass angesichts der Erfahrungen mit vergangenen Versammlungen von „Querdenker-Gruppierungen“, der geplanten hohen Teilnehmerzahl, eines nicht vorhandenen Sicherheitsund Hygienekonzepts und der vom Antragsteller offen zum Ausdruck gebrachten Ablehnung staatlicher Maßnahmen zur Verringerung von Infektionsgefahren auch durch Beschränkungen nicht sichergestellt habe werden können, dass die von der Versammlung ausgehenden Gefahren auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt bleiben. Dem sei der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten. Die bloße Zusicherung, Beschränkungen der geplanten Versammlung nunmehr doch zu akzeptieren und den Teilnehmern über Durchsagen mitzuteilen, sei unter Berücksichtigung der Erfahrungen mit vergleichbaren Versammlungen nicht geeignet, die dargelegten Bedenken auszuräumen.
Zur Begründung seiner Beschwerde trägt der Antragsteller unter Aufrechterhaltung seiner Anträge und der Einwendungen zur Gefahrenprognose der Antragsgegnerin weiter vor, die Befürchtung, er würde Versammlungsteilnehmer dazu aufrufen, staatliche Regelungen zur Pandemiebekämpfung bewusst zu missachten, sei haltlos. Vielmehr akzeptiere er die Regelungen der 8. BayIfSMV zu Mindestabstand und Mundschutz mit den entsprechenden Ausnahmetatbeständen und sei gegebenenfalls auch mit einer Teilnehmerobergrenze von 1.000 Personen mit Blick auf das ernst gemeinte Hygienekonzept von 5 m Mindestabstand einverstanden. Eine von der Versammlungsbehörde als erforderlich angesehene Anzahl von Ordnern würde er ebenfalls mobilisieren. Dies werde nochmals ausdrücklich versichert. Selbst wenn man – wie hier nicht – die Geeignetheit des Verbots zum Zwecke des Infektionsschutzes annehmen würde, habe die Antragsgegnerin gerade unter Berücksichtigung der nunmehr geänderten Sachlage nicht versucht, die Möglichkeiten zulässiger versammlungsrechtlicher Beschränkungen zu ergreifen bzw. auszuschöpfen. Dies habe das Verwaltungsgericht rechtsfehlerhaft nicht beanstandet.
Die Antragsgegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und erwidert, die nunmehr schriftsätzlich erklärte Akzeptanz etwaiger infektionsschutzrechtlicher Beschränkungen der Versammlung rechtfertige keine andere Beurteilung der Sachlage. Zum einen könne diese erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens geäußerte Bereitschaft des Antragsgegners, die nicht Gegenstand der Entscheidung des Verwaltungsgerichts gewesen sei, auch im Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen werde dadurch die getroffene Gefahrenprognose nicht erschüttert. Ungeachtet der nunmehr geäußerten Bereitschaft des Antragstellers liege nach wie vor kein aussagekräftiges bzw. belastbare Sicherheits- und Ordnerkonzept vor. Zudem müsse davon ausgegangen werden, dass es sich bei der nunmehrigen Bereitschaft lediglich um eine Schutzbehauptung unter dem Eindruck der bisherigen Entscheidungen handle. Erfahrungen aus vergangenen Versammlungen der Querdenker-Bewegung in München und in anderen Bundesländern zeigten, dass trotz vorheriger Zusicherung, die Infektionsschutzmaßnahmen während der Versammlung einzuhalten, diese Maßnahmen nicht umgesetzt worden seien, sondern im Gegenteil aktiv dazu aufgerufen worden sei, derartige Beschränkungen zu ignorieren, weil von der Versammlung keinerlei Infektionsgefahr ausgehe. Aufgrund dieser einschlägigen Erfahrungen komme auch eine ortsfeste Versammlung mit nicht mehr als 200 Teilnehmern nicht in Betracht. Der Antragsteller habe sich bisher mit der Versammlungsbehörde auch nicht mehr in Verbindung gesetzt.
Darauf hat der Antragsteller mit einem weiteren Schriftsatz repliziert.
Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakte und die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn die Klage – wie hier (vgl. Art. 25 BayVersG) – keine aufschiebende Wirkung hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat bei seiner Entscheidung eine originäre Interessenabwägung auf der Grundlage der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage darüber zu treffen, ob die Interessen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, überwiegen. Dabei sind die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren wesentlich zu berücksichtigen, soweit sie bereits überschaubar sind. Nach allgemeiner Meinung besteht an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer voraussichtlich aussichtslosen Klage kein überwiegendes Interesse. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen.
Gemessen daran führen die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe zu keiner Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die Anfechtungsklage gegen das Versammlungsverbot ist voraussichtlich unbegründet.
Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (hierzu und zum Folgenden zuletzt BVerfG, B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – juris Rn. 14 m.w.N.). Nach Art. 8 Abs. 2 GG kann dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Derartige Beschränkungen sind im Lichte der grundlegenden Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 GG auszulegen. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sind nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig (vgl. zuletzt BVerfG, B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – juris Rn. 14 m.w.N.). Gem. Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
§ 7 Abs. 1 Achte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (8. BayIfSMV vom 30. Oktober 2020, BayMBl. Nr. 616) bestimmt für Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes unter anderem einen Mindestabstand von 1,5 m zwischen allen Teilnehmern (Satz 1) sowie die Pflicht der nach Art. 24 Abs. 2 BayVersG zuständigen Behörden, soweit im Einzelfall erforderlich durch entsprechende Beschränkungen nach Art. 15 BayVersG sicherzustellen, dass die Bestimmungen nach Satz 1 eingehalten werden und die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren auch im Übrigen auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt bleiben. Sofern diese Anforderungen nicht sichergestellt werden können, ist die Versammlung zu verbieten (§ 7 Abs. 1 Satz 4 8.BayIfSMV). Damit konkretisiert § 7 Abs. 1 8. BayIfSMV die versammlungsrechtliche Befugnisnorm des Art. 15 Abs. 1 BayVersG sowohl auf der Tatbestandswie auch auf der Rechtsfolgenseite im Hinblick auf von Versammlungen unter freiem Himmel ausgehende Gefahren für die Gesundheit und das Leben Einzelner (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie den Schutz des Gesundheitssystems vor einer Überlastung (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 31/20 – juris Rn. 15; vgl. auch BayVGH, B.v. 11.9.2020 – 10 CS 20.2063).
Versammlungsverbote dürfen als tiefgreifendste bzw. stärkste Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG auch in Ansehung der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit für das demokratische und freiheitliche Gemeinwesen allerdings nur verfügt werden, wenn mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen und der hierdurch bewirkte Grundrechtseingriff insgesamt nicht außer Verhältnis steht zu den jeweils zu bekämpfenden Gefahren und dem Beitrag, den ein Verbot zur Gefahrenabwehr beizutragen vermag (stRspr, vgl. zuletzt BVerfG, B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – Rn. 16; vgl. auch BayVGH, B.v. 29.4.2010 – 10 CS 10.1040 – juris Rn. 12 m.w.N.). Ein Versammlungsverbot scheidet nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit demnach aus, solange mildere Mittel und Methoden der Rechtsgüterkonfliktbewältigung wie versammlungsrechtliche Beschränkungen und der verstärkte Einsatz polizeilicher Kontrollen nicht ausgeschöpft oder mit tragfähiger Begründung ausgeschieden sind (BayVGH a.a.O. unter Verweis auf BVerfG, B.v. 4.9.2009 – 1 BvR 2147/09 – juris Rn. 17 m.w.N.).
Ausgehend davon erweist sich die angefochtene Verbotsverfügung der Antragsgegnerin auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens voraussichtlich als rechtmäßig und mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG vereinbar und die vom Verwaltungsgericht insoweit vorgenommene Interessenabwägung schon aus diesem Grund als richtig.
Die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht sind letztlich zu Recht davon ausgegangen, dass von der vom Antragsteller angezeigten Versammlung – eine sich (über den Altstadtring) fortbewegende Versammlung mit Auftakt- und Schlusskundgebung auf der Theresienwiese in München zwischen 14:00 und 21:00 Uhr mit ca. 25.000 bis 30.000 Personen – unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens in München im Sinne von § 7 Abs. 1 8. BayIfSMV voraussichtlich infektionsschutzrechtlich nicht mehr vertretbare Gefahren ausgehen und die infektionsschutzrechtlichen Anforderungen auch nicht durch versammlungsrechtliche Beschränkungen als milderes Mittel sichergestellt werden können.
Die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht haben sich bei ihrer Gefahrenprognose in nicht zu beanstandender Weise maßgeblich auf die fachliche Einschätzung des Robert-Koch-Instituts gestützt. Das Robert-Koch-Institut (RKI), dem der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 – juris Rn. 13; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 16), schätzt in der erneut überarbeiteten Risikobewertung vom 11. November 2020 die Lage in Deutschland auch gegenwärtig als sehr dynamisch und ernstzunehmend und die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung weiterhin insgesamt als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch ein (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html). Die Inzidenz der letzten 7 Tage liegt deutschlandweit weiter bei 139 Fällen pro 100.000 Einwohner (EW). Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) weist für die Landeshauptstadt München eine demgegenüber nochmals erhöhte 7-Tages-Inzidenz von aktuell 167,63 aus. Der Senat sieht auch unter Berücksichtigung der Einwendungen des Antragstellers, der einen Nachweis, dass „in München eine gefährliche Infektionskrankheit grassiert, an der unzählige Menschen versterben“ als nicht erbracht ansieht, keine Veranlassung, im Rahmen dieses Eilverfahrens diese indizielle Risikobewertung ernsthaft in Frage zu stellen. Das RKI passt seine Risikobewertung, die nicht nur auf der 7-Tage-Inzidenz beruht, anlassbezogen und situativ unter Berücksichtigung der aktuellen Datenlage an. Dazu gehören die Übertragbarkeit gemessen an Fallzahlen und Trends zu gemeldeten Fällen gemäß Infektionsschutzgesetz in Deutschland und in anderen Ländern, die Krankheitsschwere, bewertet am Anteil schwerer, klinisch kritischer und tödlicher Krankheitsverläufe sowie Langzeitfolgen von COVID-19 in Deutschland und in anderen Ländern sowie die Ressourcenbelastung des Gesundheitssystems (Öffentliches Gesundheitswesen, klinische Versorgung) in Deutschland und in anderen Ländern unter Berücksichtigung der jeweils getroffenen Maßnahmen sowie aller Möglichkeiten der Prävention und Kontrolle. Seit Mitte Oktober steigt die Zahl der intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Fälle und der Todesfälle stark an. Die Gesamtbewertung durch das RKI, die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland sei weiterhin hoch, für Risikogruppen sehr hoch, erscheint nachvollziehbar und plausibel (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 1.11.2020 – 20 CS 20.2449 – juris Rn. 17).
Weiter ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Gefahrenprognose die Erkenntnisse anlässlich des Versammlungsgeschehens am 9. Mai 2020, 15. August 2020, 12. September 2020, 23. Oktober 2020 und 1. November 2020 in München sowie anlässlich anderer Versammlungen der „Querdenker-Bewegung“ (25. Oktober 2020 in Berlin und am 14. November 2020 in Frankfurt) mitberücksichtigt hat. Die Antragsgegnerin hat unter Angabe konkreter Anhaltspunkte schlüssig darlegt, dass bezüglich des Mottos sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zwischen den genannten Versammlungen und der geplanten Versammlung bestehen (vgl. zu diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Heranziehung von Erkenntnissen von früheren Versammlungen BVerfG, B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17). Der Antragsteller gehört der „Querdenken“-Bewegung an (er bestreitet dies nunmehr zwar, erklärt aber nicht, warum seine Veranstaltung auf der Homepage der Initiative Querdenken089 beworben wird) und verfolgt inhaltlich die gleichen Anliegen und Argumentationsmuster wie die Veranstalter der genannten Versammlungen. Zudem hat er während des gesamten behördlichen Verfahrens den Standpunkt vertreten, dass es eines Hygienekonzepts für die angezeigte Versammlung nicht bedürfe, weil es „keine faktenbasierende und nachvollziehbare tödlich verlaufende Infektionskrankheit“ gebe und das angeforderte Konzept nur als „völlig überflüssige Formalie“ anzusehen sei. Diese Haltung lässt bei der (auch) im Versammlungsrecht gebotenen ex-ante-Sicht (s. Art. 15 Abs. 1 BayVersG: „… nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen …“; zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Gefahrenprognose vgl. BayVGH, B.v. 26.11.1992 – 21 B 92.1672 – juris Rn. 34; für entsprechende bundes- oder landesrechtliche Regelungen vgl. etwa VGH BW, U.v. 30.6.2011 – 1 S 2901/10 – juris Rn. 49; OVG LSA, B.v. 8.6.2012 – 3 M 292/12 – juris Rn. 3; Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, § 15 Rn. 59 jeweils m.w.N.; vgl. auch BVerfG, B.v. vom 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17 m.w.N.: „nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen“) nicht erwarten, dass der Antragsteller etwaige infektionsschutzrechtliche Beschränkungen der Versammlung an die Teilnehmer angemessen kommunizieren und durch entsprechende Anweisungen an die Ordner deren Einhaltung überwachen bzw. gewährleisten (vergleiche Art. 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVersG) wird. Das Verwaltungsgericht und die Antragsgegnerin sind daher zutreffend davon ausgegangen, dass angesichts der Erfahrungen mit früheren Versammlungen von „Querdenker-Gruppierungen“, der geplanten hohen Teilnehmerzahl sowie eines nicht vorhandenen Sicherheits- und Hygienekonzepts mit hoher Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass sich die Infektionsgefahren bei dieser Versammlung verwirklichen.
Ungeachtet des maßgeblichen Zeitpunkts für die Rechtmäßigkeit der Gefahrenprognose (siehe oben) ergeben sich auch aus dem nachträglichen Vorbringen des Antragstellers im erstinstanzlichen Eilrechtsschutzverfahren sowie insbesondere im Beschwerdeverfahren keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren durch versammlungsrechtliche Beschränkungen auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß begrenzt werden könnten. Als derartige Beschränkungen kämen vor allem eine Beschränkung auf eine ortsfeste Versammlung (auf der Theresienwiese) mit einer begrenzten Teilnehmerzahl und die in § 7 Abs. 1 Satz 3 8. BayIfSMV ohnehin intendierte Verpflichtung zum Tragen einer Maske in Betracht, die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m ist bereits aufgrund § 7 Abs. 1 Nr. 1 8. BayIfSMV zwingende Voraussetzung für die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit einer Versammlung unter freiem Himmel. Soweit der Antragsteller entgegen seiner Weigerung, ein Hygienekonzept vorzulegen, und seinen wiederholten Einlassungen im Verwaltungsverfahren, Vorkehrungen zum Infektionsschutz auf der Grundlage seiner Negierung einer infektionsschutzrechtlich relevanten Gefährdung als „überflüssig“ abzulehnen, nunmehr seine Bereitschaft anwaltlich versichert, die Regelungen 8. BayIfSMV zu Mindestabstand und Mundschutz – allerdings mit den entsprechenden Ausnahmetatbeständen (sic!) – sowie eine Teilnehmerobergrenze zu akzeptieren, und ankündigt, „eine vom KVR als erforderlich angesehene Anzahl an Ordnern“ zu mobilisieren, hat dies die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung in nachvollziehbarer und schlüssiger Weise als (wohl) rein verfahrenstaktisches Vorbringen bzw. bloße Schutzbehauptung gewürdigt. Insbesondere hat die Antragsgegnerin auch diesbezüglich in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf anderweitige Erfahrungen bei früheren Versammlungen der Querdenker-Bewegung in München und anderen Bundesländern verwiesen, wo es – auch nach Kenntnis des Senats – trotz entsprechender vorheriger Zusicherung zu massiven Verstößen gegen Infektionsschutzmaßnahmen mit Billigung und sogar Unterstützung der Versammlungsleiter gekommen ist. Für die Bewertung als unglaubhaften, rein verfahrensangepassten Vortrag spricht im Übrigen auch, dass der Antragsteller nach wie vor eine relevante infektionsschutzrechtliche Gefahr negiert und bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen versammlungsbehördlicher Maßnahmen wegen einer Sicherheitsgefährdung im Sinne des Art. 15 Abs. 1 BayVersG vehement bestreitet. Entgegen dem Beschwerdevorbringen handelt es sich dabei nicht um „bloße Vermutungen“ der Antragsgegnerin, sondern um aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte und hinreichender Erfahrungen mit vergleichbaren Versammlungen tragfähige Ermessenserwägungen. Ist somit trotz anderweitiger Bekundungen des Antragstellers im Eilrechtsschutzverfahren weiterhin zu erwarten, dass er zur Begrenzung der Teilnehmerzahl sowie der Einhaltung des Mindestabstands und der Maskenpflicht aktiv gerade nicht beitragen wird, so dass die Versammlung wegen der aufgrund des Teilnehmerkreises der Versammlung und der Versammlungsleitung zu erwartenden nicht nur vereinzelten Verstöße gegen die erforderlichen Beschränkungen von der Polizei aufgelöst werden müsste, darf die Versammlungsbehörde diese ausnahmsweise auch präventiv verbieten (BayVGH, B.v. 19.9.2020 – 10 CS 20.2103 – Rn. 10). Vor diesem Hintergrund ist die Antragsgegnerin schließlich zu Recht davon ausgegangen, dass eine infektionsschutzrechtlich denkbare Beschränkung der Versammlung auf 200 Teilnehmer, die ortsfest stattfindet, kein gleich geeignetes, aber milderes Mittel gegenüber dem verfügten Verbot darstellt.
Soweit sich der Antragsteller des Weiteren noch auf die Wertung des Gesetzgebers in § 28a Abs. 2 IfSG in der Fassung des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl I S. 2397) beruft, wonach die Untersagung von Versammlungen oder Aufzügen im Sinne von Art. 8 GG nur zulässig ist, soweit auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-19 (COVID-19) erheblich gefährdet wäre, ergibt sich daraus nichts anderes. Denn diese neu eingefügte gesetzliche Bestimmung trägt lediglich der bereits oben dargelegten Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit und in diesem Zusammenhang dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in einer schon bisher in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs anerkannten Weise Rechnung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).