Aktenzeichen 20 NE 21.714
IfSG § 28 Abs. 1 S. 1, § 28a Abs. 1 Nr. 14, § 32 S. 1
12. BayIfSMV § 12
VwGO § 47 Abs. 6
Leitsatz
1. Die Untersagung bestimmter Betriebe, die körpernahe Dienstleistungen anbieten, ist geeignet, die Reduzierung von Kontakten und damit einer Vermeidung möglicher Ansteckungen zu fördern; sie trägt – als Teil des Maßnahmenbündels, mit dem der Verordnungsgeber dem Anstieg der Infektionszahlen begegnet – dazu bei, dass persönliche Begegnungen reduziert und das Infektionsgeschehen verlangsamt wird. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nur wenig nachvollziehbar, warum körpernahe Dienstleistungen z.T. inzidenzunabhängig öffnen dürfen, Dienstleistungen, die in Ladengeschäften ohne Körperkontakt erbracht werden, jedoch nicht. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Aus einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG folgt jedenfalls im Grundsatz kein Anspruch auf Normaufhebung; gerät allerdings das Verhältnis von repressiven Verboten und Befreiungen derart in Schieflage, dass das repressive Verbot an sich in Frage gestellt wird, kann dieses Verbot im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht mehr aufrechterhalten bleiben. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die gebotene Folgenabwägung zwischen dem betroffenen Schutzgut der freien wirtschaftlichen Betätigung aus Art. 12 Abs. 1 GG mit dem Schutzgut Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG insbesondere im Hinblick auf die wieder steigenden Infektionszahlen auf Grund der Coronapandemie führt dazu, dass die wirtschaftlichen Folgen eines Betätigungsverbots hinter den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zurücktreten müssen. (Rn. 35 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
1. Die Antragstellerin, die in Bayern ein Tattoo-Studio betreibt, beantragt nach § 47 Abs. 6 VwGO die vorläufige Außervollzugsetzung des § 12 Abs. 2 Satz 1 der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 5. März 2021 (12. BayIfSMV, BayMBl. Nr. 171).
2. Der Antragsgegner hat am 5. März 2021 durch das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege die streitgegenständliche Verordnung erlassen, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
„§ 12
Handels- und Dienstleistungsbetriebe, Märkte
(1) In Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen eine 7-Tage-Inzidenz von 100 überschritten wird, ist die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr für Handels-, Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe untersagt. Ausgenommen sind der Lebensmittelhandel inklusive Direktvermarktung, Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen, Pfandleihäuser, Filialen des Brief- und Versandhandels, Reinigungen und Waschsalons, Blumenfachgeschäfte, Gartenmärkte, Gärtnereien, Baumschulen, Baumärkte, der Verkauf von Presseartikeln, Versicherungsbüros, Buchhandlungen, Tierbedarf und Futtermittel und sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte sowie der Großhandel. Der Verkauf von Waren, die über das übliche Sortiment des jeweiligen Geschäfts hinausgehen, ist untersagt…
(2) Dienstleistungen, bei denen eine körperliche Nähe zum Kunden unabdingbar ist, wie zum Beispiel Massagepraxen, Tattoo-Studios oder ähnliche Betriebe sind untersagt. Abweichend von Satz 1 und von Abs. 1 Satz 1 dürfen die Dienstleistungen der Friseure sowie im hygienisch oder pflegerisch erforderlichen Umfang die nichtmedizinische Fuß-, Hand-, Nagel- und Gesichtspflege angeboten werden; insoweit gilt Abs. 1 Satz 4 entsprechend mit den Maßgaben, dass das Personal eine medizinische Gesichtsmaske im Rahmen der arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen tragen und eine Steuerung des Zutritts durch vorherige Terminreservierung erfolgen muss. Die FFP2-Maskenpflicht entfällt insoweit, als die Art der Leistung sie nicht zulässt. Der Dienstleister hat die Kontaktdaten der Kunden nach Maßgabe von § 2 zu erheben.
…“
Die 12. BayIfSMV ist seit 8. März 2021 in Kraft und tritt mit Ablauf des 28. März 2021 außer Kraft (§ 30 12. BayIfSMV).
3. Die Antragstellerin trägt zur Begründung ihres am 9. März 2021 gestellten Eilantrags im Wesentlichen vor, die fortdauernde Schließung ihres Gewerbes verstoße sowohl gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG als auch gegen das spezielle Gleichheitsgebot des Art. 33 Abs. 1 GG und sei unverhältnismäßig. Das derzeit gültige Verbot der Ausübung des Tätowierens stelle einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) dar. Die Zulässigkeit der nunmehr erlaubten Dienstleistungen, wie Friseuren, Maniküre-, Pedikürestudios und Kosmetikern dokumentiere, dass auch der Verordnungsgeber von möglichen Schutzmechanismen im Nahbereich zwischen Kunden und Dienstleistern ausgehe. Das Infektions- und Verbreitungsrisiko sei bei den zulässigen Dienstleistungsformen jedenfalls nicht geringer als bei dem Gewerbe der Antragstellerin. Die dort herrschenden Hygienestandards (vgl. z.B. DIN EN 17169) seien den zugelassenen körpernahen Dienstleistungen überlegen. Insbesondere im Vergleich zu Friseuren sei die Ansteckungsgefahr als geringer einzuschätzen. Dies gelte wegen der vom Kopfbereich entfernteren Körperregionen, der regelmäßigen Desinfektionen und der geringeren Kundenfrequenz. Selbst wenn man für Friseurbetriebe eine gewisse Systemrelevanz im Bereich der Daseinsvorsorge erkennen wolle, lasse sich diese Einschätzung für Kosmetik-, kosmetische Fußpflege- und Nagelstudios unter keinen Umständen mehr vertreten. Auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung werde verwiesen (VG Schleswig-Holstein, B.v. 7.5.2020 – 1 B 74/20; NdsOVG, B.v. 18.5.2020 – 13 MN 169/20; OVG NW, B.v. 25.5.2020 – 13 B 668/20.NE – jeweils in juris). Nicht wenige Kosmetikbehandlungen, z.B. Microblading oder Microneedling brächten ebenfalls invasive Eingriffe in die Körpersphären. Bei der Durchführung von nach der Verordnungslage zulässigen Permanent-Make-up-Behandlungen durch Kosmetika handele es sich rein technisch um nichts anderes als um Tätowierungen unmittelbar im Gesichtsfeld. Eine Abgrenzung, ob eine Dienstleistung pflegerischen oder rein verschönernden Charakter habe, sei mangels Trennschärfe der Begrifflichkeit der “Pflege“ nicht möglich. Nach den vom Staatsministerium für Gesundheit und Pflege veröffentlichten FAQs seien insbesondere bei Kosmetikbetrieben, Nagel- und Handpflege sowie nicht-medizinische Fußpflege „(alle Leistungen zulässig)“. Hinzu komme, dass Tätowierdienstleistungen in sämtlichen anderen Bundesländern gestattet seien. Damit dürfte es der angegriffenen Regelung auch an der Geeignetheit mangeln. Eine willkürliche Ungleichbehandlung zwischen Bürgern der einzelnen Bundesländer sei nach Art. 33 Abs. 1 GG nicht gewollt. Der Wettbewerbsnachteil bayerischer Dienstanbieter sei bei den Verhältnismäßigkeitserwägungen zu berücksichtigen. Eine Interessenlage, welche es geböte, den bestehenden Rechtszustand zum Zwecke des Schutzes der Allgemeinheit einstweilen aufrechtzuerhalten, sei nicht erkennbar. Die bisherigen Eindämmungsmaßnahmen hätten den Pandemieverlauf derart „beruhigt“, dass eine nicht verfolgbare und ungebremste Ausbreitung des Erregers zunächst jedenfalls deutlich verlangsamt scheine.
4. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrags in der Hauptsache gegen § 12 Abs. 2 Satz 1 12. BayIfSMV sind unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (1.) bei der nur möglichen summarischen Prüfung als offen anzusehen (2.). Eine Folgenabwägung geht zulasten der Antragstellerin aus (3.).
1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – NVwZ-RR 2019, 993 – juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn – wie hier – die in der Hauptsache angegriffenen Normen in quantitativer und qualitativer Hinsicht erhebliche Grundrechtseingriffe enthalten oder begründen, sodass sich das Normenkontrollverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweisen dürfte.
Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12).
2. Nach diesen Maßstäben geht der Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bei der nur möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 14) davon aus, dass die Erfolgsaussichten der Hauptsache offen sind.
a) Der Senat geht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren davon aus, dass die angegriffene Maßnahme nach § 12 Abs. 2 Satz 1 12. BayIfSMV mit § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage hat (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 22 ff.).
b) Die von der Antragstellerin angegriffene Regelung in § 12 Abs. 2 Satz 1 12. BayIfSMV steht mit der Ermächtigungsgrundlage der § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG in Einklang, weil ihre Voraussetzungen vorliegen (aa.), und erweist sich bei summarischer Prüfung nicht als offensichtlich unverhältnismäßig (bb.). Der Senat hegt allerdings Bedenken hinsichtlich des Gleichheitsgebotes, wobei im einstweiligen Rechtsschutzverfahren jedoch offen bleibt, ob sich ein möglicher Gleichheitsverstoß auf die Wirksamkeit der angegriffenen Norm auswirkt (cc.).
aa) Die Anzahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Inzidenz) betrug am 15. März 2021 bundesweit 83 und in Bayern 88. Wegen der Überschreitung des Schwellenwertes von 50 sind nach § 28a Abs. 3 Satz 4 und 5 IfSG umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. Soweit sich der Antragsteller auf den Rückgang der Neuinfektionen beruft, dauert diese Entwicklung aktuell nicht mehr an (vgl. bereits BayVGH, B.v. 2.3.2021 – Az. 20 NE 21.469 – BeckRS 2021, 3794). Die 7-Tage-Inzidenz nimmt derzeit wieder deutlich zu, nun insbesondere in den Altersgruppen unter 60 Jahre. Auch der Anteil der besorgniserregenden Virusvarianten (VOC) nimmt zu. Dies betrifft vor allem die v.a. in Großbritannien verbreitete Variante B.1.1.7, die nach vorläufigen wissenschaftlichen Untersuchungen wohl leichter übertragbar ist und mutmaßlich zu einer größeren Anzahl schwerer Krankheitsverläufe führen kann (vgl. RKI, Lagebericht vom 15.3.2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-15-de.pdf? blob= publicationFile; RKI, Risikobewertung vom 15.3.2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Corona-virus/Risikobewertung.html; RKI, Aktualisierter Bericht zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland, ins-besondere zur Variant of Concern [VOC] B.1.1.7, Stand 10.3.2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Corona-virus/DESH/Bericht_VOC_2021-03-10.pdf? blob=publicationFile).
Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist nach dem Willen des Gesetzgebers, der in § 28a Abs. 3 IfSG zum Ausdruck kommt, ein gestuftes Vorgehen geboten, das sich an dem tatsächlichen regionalen Infektionsgeschehen orientieren soll (vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 31). Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen (§ 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG). Bei einer landesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben (§ 28a Abs. 3 Satz 10 IfSG). Mit einer landesweiten Inzidenz von 88 am 15. März 2021, die im Vergleich zu der 7-Tage-Inzidenz zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Verordnung am 5. März 2021 bereits angestiegen ist (69, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-05-de.pdf? blob=publicationFile), besteht Handlungsbedarf zur effektiven Eindämmung des Infektionsgeschehens.
(1) Soweit die Antragstellerin auf eine Beruhigung des Pandemieverlaufs und eine deutliche Verlangsamung einer ungebremsten Ausbreitung des Erregers verweist, lässt sie insbesondere die derzeit unsichere Lage infolge der zunehmenden Verbreitung besorgniserregender Virusmutationen (VOC) mit potenziell leichterer Übertragungsmöglichkeit und möglicherweise schwereren Krankheitsverläufen außer Acht. Besonders die Variante B.1.1.7, die u.a. in Großbritannien vermehrt aufgetreten ist, breitet sich derzeit mit großer Geschwindigkeit in Deutschland aus. Das RKI schätzt die Gefahr für die Bevölkerung weiterhin als sehr hoch ein, zumal derzeit noch nicht verlässlich abschätzbar sei, ob und in welchem Maße die VOC die Wirksamkeit der verfügbaren Impfstoffe beeinträchtigen (vgl. RKI, Risikobewertung, Stand 15.3.2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risiko bewertung.html).
(2) Abgesehen davon dauert die von der Antragstellerin beschriebene positive Entwicklung eines deutlichen Rückgangs der Infektionszahlen inzwischen nicht mehr an. Die Zahl der Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 ist zuletzt wieder angestiegen bzw. stagniert auf einem Niveau von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. Auch wenn Infektionszahlen nicht ansteigen, sich aber auf einem zu hohen Niveau „seitwärts“ bewegen, können die Voraussetzungen des § 28a Abs. 2 Satz 1 IfSG vorliegen, zumal das Infektionsgeschehen schnell kippen und es wieder zu einem exponentiellen Wachstum der Neuinfektionen kommen kann (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.2020 – 20 NE 20.2907 – NJW 2021, 178 – juris Rn. 32 ff.).
bb) Die Regelung in § 12 Abs. 2 Satz 1 12. BayIfSMV erweist sich bei summarischer Prüfung aller Voraussicht nach derzeit nicht als offensichtlich unverhältnismäßig.
(1) Die Untersagung bestimmter Betriebe, die körpernahe Dienstleistungen anbieten, ist geeignet, die Reduzierung von Kontakten und damit einer Vermeidung möglicher Ansteckungen zu fördern. Sie trägt – als Teil des Maßnahmenbündels, mit dem der Verordnungsgeber dem Anstieg der Infektionszahlen begegnet – dazu bei, dass persönliche Begegnungen reduziert und das Infektionsgeschehen verlangsamt wird (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2020 – 20 NE 20.2485 – juris Rn. 27).
(2) Dass dem Normgeber, der nach Art. 99 Satz 2 Halbsatz 2 BV verpflichtet ist, die personellen und sachlichen Kapazitäten des Gesundheitssystems zu schützen (BayVerfGH, E.v. 16.11.2020 – Vf. 90-VII-20 – juris Rn. 23; E.v. 8.5.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 121), mildere, aber gleichermaßen wirksame Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um in den geregelten Bereichen die Infektionsgefahr zu minimieren und damit der weiteren Ausbreitung der Pandemie entgegenzuwirken, ist nicht offensichtlich. Der Senat geht nach wie vor davon aus, dass die Betriebsschließungen mit der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag kraft Gesetzes grundsätzlich zur Bekämpfung der Coronavirus-Krankheit-2019 geeignete und erforderliche Infektionsschutzmaßnahmen sind. Davon ist der Gesetzgeber durch den Erlass des mit Artikel 1 des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397) eingefügten § 28a IfSG ausgegangen. Zwar sind die dadurch eingeräumten Befugnisse der Infektionsschutzbehörden und damit vor allem des Verordnungsgebers nach § 32 IfSG, Untersagungs- und Beschränkungsmaßnahmen für ganze Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sowie allgemeine Verhaltenspflichten für jedermann zur Bekämpfung von COVID-19 zu erlassen, zum Teil sehr weitgehend und in die Grundrechte der Betroffenen tief eingreifend. Auf der anderen Seite muss jedoch berücksichtigt werden, dass diese Befugnisse allein auf das Ereignis der Corona-Pandemie zugeschnitten sind und jedenfalls flächendeckend nur für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach§ 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag erlassen werden können. Dadurch hat der Bundestag eine Gefährdungseinschätzung durch die Corona-Pandemie, welche sowohl Gefahrenabwehrelemente als auch Gefahrenprognoseelemente (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 28.6.2004 – 6 C 21.03 – BeckRS 2004, 25030) enthält, zum Ausdruck gebracht, welche grundsätzlich solch einschneidende Maßnahmen voraussichtlich rechtfertigen kann. Dass der Bundestag hier seinen weiten Gestaltungsspielraum bei der Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflichten gegenüber Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 12.5.2020 – 1 BvR 1027/20 – NVwZ 2020, 1823 – juris Rn. 6) überschritten hätte, ist nicht ersichtlich. Dafür, dass sich an dieser Risikoeinschätzung durch den Bundesgesetzgeber maßgeblich etwas ändert, bestehen keine Anhaltspunkte. Vielmehr hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung vom 4. März 2021 den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD – Entwurf eines Gesetzes zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen (Drucksachen 19/26545 und 19/27291) in zweiter Lesung angenommen; von einer Zustimmung des Bundesrates ist derzeit auszugehen (vgl. BR-Drs. 197/21 und 197/1/21).
Zwar können auch Hygienekonzepte zu einer Reduzierung von Ansteckungen mit SARS-CoV-2 beitragen. In der derzeitigen Phase der Pandemie, die weiterhin von einem stark diffusen Ausbruchsgeschehen geprägt ist und in der in vielen Fällen das Infektionsumfeld nicht ermittelt werden kann (vgl. auch Begründung vom 5.3.2021, BayMBl. 2021 Nr. 172, S. 2), ist die Prognose des Verordnungsgebers, dass die bestehenden Infektionszahlen zu hoch sind, um die ergriffenen Maßnahmen „umfassend zu lockern“, unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Vorgaben zur Ergreifung umfassender Schutzmaßnahmen bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (§ 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG) nicht zu beanstanden.
(3) Angesichts des weiterhin angespannten Infektionsgeschehens sowie der gravierenden Auswirkungen im Fall einer (konkret drohenden) Überlastung des Gesundheitssystems stehen die mit den Maßnahmen verbundenen Einschränkungen für die Grundrechte der Antragstellerin, auf die sie sich beruft (Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 1 GG), derzeit noch nicht offensichtlich außer Verhältnis zu Gewicht und Dringlichkeit der die Maßnahmen rechtfertigenden Gründe.
Der Senat verkennt nicht, dass die Maßnahme gravierend in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der Normbetroffenen eingreift, zumal diese schon im Frühjahr 2020 pandemiebedingte Betriebsschließungen hinnehmen mussten. Gleichwohl erscheint das mit der Verordnung zur Änderung der 11. BayIfSMV vom 24. Februar 2021 (BayMBl. Nr. 149) bereits begonnene und mit der 12. BayIfSMV weiter umgesetzte Gesamtkonzept erster, vorsichtiger Öffnungsschritte nur in „spezifischen Settings“ (BayMBl. 2021, Nr. 150 S. 2) bei summarischer Prüfung als nicht von vorneherein unangemessene Reaktion auf das derzeit noch auf hohem Niveau befindliche pandemische Geschehen. Die Maßnahmen stehen im Einklang mit der Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts (vgl. RKI, Risikobewertung, Stand 15.3.2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html).
cc) Der Senat hegt allerdings Zweifel, ob die Regelungen des § 12 12. BayIfSMV als Ganzes gesehen noch mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren sind (vgl. hierzu auch OVG Saarland, B.v. 9.3.2021 – 2 B 58/21 – juris).
(1) Zwar handelt es sich bei den Betriebsschließungen nach § 28a Abs. 1 Nr. 14, Abs. 3 Satz 5 und Satz 10 IfSG grundsätzlich um eine kraft Gesetzes geeignete und erforderliche Maßnahme zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Dem liegt die Risikoeinschätzung des Bundesgesetzgebers zu Grunde, dass es in Betrieben, Gewerben und im Einzel- oder Großhandel zu einer Vielzahl von Kontakten kommt, welche das Risiko der massenhaften Übertragung des Sars-CoV-2-Virus mit sich bringt. Dieses Übertragungsrisiko realisiert sich in sämtlichen Betrieben unabhängig davon, ob es sich dabei um sogenannte „systemrelevante“ Betriebe handelt oder um Betriebe, welche nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung von Interesse sind, oder deren Unternehmensgegenstand zumindest vorübergehend als verzichtbar erscheint.
(2) Nach § 28 Abs. 6 Satz 3 IFSG können allerdings einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, von den Schutzmaßnahmen ausgenommen werden, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit- 2019 (COVID-19) nicht zwingend erforderlich ist. Hierzu wird in der Begründung des Gesetzesentwurfes ausgeführt (BT-Drs. 19/24334, S. 74):
„Hiermit wird dem Erfordernis einer notwendigen Differenzierung in einem Gesamtkonzept von Schutzmaßnahmen Rechnung getragen. Die sachliche Rechtfertigung und Differenzierung einzelner Schutzmaßnahmen ist daher nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten.“
Ob die vom Gesetzgeber in § 28a Abs. 6 Satz 3 IfSG gemachten Vorgaben im Hinblick auf den Parlamentsvorbehalt und Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. hierzu zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18.11.2020: BayVGH, B.v. 29.10.2020 – 20 NE 20.2360 – juris Rn. 28 ff.) ausreichend sind, lässt sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend beurteilen und muss deshalb einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Bei der Beurteilung der besonderen Bedeutung der einzelnen Bereiche für die Allgemeinheit dürfte dem Verordnungsgeber ein gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommen. Der gerichtlichen Kontrolle unterliegt allerdings die Frage, ob der Verordnungsgeber von sachlichen Erwägungen ausgegangen ist (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 23.2.2021 – 20 NE 21.367 – juris Rn. 22). Hierbei kommt der Begründung der Verordnung nach § 28a Abs. 5 IfSG besondere Bedeutung zu.
Die mit Änderungsverordnung vom 24. Februar 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 149) bereits in die 11. BayIfSMV eingefügten Ausnahmen von Blumenfachgeschäften, Gartenmärkten, Gärtnereien, Baumschulen und Baumärkten in die Liste der ausnahmsweise nicht von der Schließung betroffenen Betriebe (§ 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV) sowie die ausnahmsweisen zulässigen körpernahen Dienstleistungen der Friseure sowie im hygienisch oder pflegerisch erforderlichen Umfang der nichtmedizinische Fuß-, Hand-, Nagel- und Gesichtspflege (§ 12 Abs. 2 11. BayIfSMV) wirft im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz zahlreiche Fragen auf, die zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit von § 12 12. BayIfSMV, der diese Regelungen fortführt, begründen können.
So ist zum einen nur wenig nachvollziehbar, warum körpernahe Dienstleistungen z.T. inzidenzunabhängig öffnen dürfen, Dienstleistungen, die in Ladengeschäften ohne Körperkontakt erbracht werden, jedoch nicht. Denn köpernahe Dienstleistungen dürften im Hinblick auf die Nichteinhaltung des Mindestabstandes aus infektiologischer Sicht deutlich kritischer einzuschätzen sein als der Betrieb sonstiger Ladengeschäfte mit Kundenverkehr für Handels-, Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe. Selbst wenn die Öffnung der Friseurladengeschäfte aufgrund ihrer allgemeinen Bedeutung für die Bevölkerung noch nachvollziehbar wäre, erkennt der Senat für die Ausnahme für die nichtmedizinische Fuß-, Hand-, Nagel- und Gesichtspflege demgegenüber keinen zwingenden Sachgrund, zumal schon fraglich erscheint, was unter einem „hygienisch oder pflegerisch erforderlichen Umfang“ zu verstehen ist. Denn pflegerische Leistungen in diesem Bereich für Bedürftige (Alte und Kranke) dürften ohnehin schon unter den Geltungsbereich des § 12 Abs. 3 11. BayIfSMV (jetzt § 12 Abs. 3 12. BayIfSMV) gefallen und damit zulässig gewesen sein. Auch anhand der Begründung der Verordnung zur Änderung der 11. BayIfSMV vom 24. Februar 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 150 S. 3 f.) kann der Senat die Differenzierung des Verordnungsgebers anhand des mit der körpernahen Dienstleistung verfolgten Zwecks der Körperhygiene und -pflege nicht ohne Weiteres nachvollziehen.
Zum anderen könnte die weitere ausnahmsweise Zulassung von Betrieben nach § 12 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 IfSG ein allgemeines repressives Verbot von Ladengeschäften mit Kundenverkehr für Handels-, Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe zunehmend in Frage stellen. Durch die Aufnahme weiterer Betriebsarten und des offenen Auffangtatbestandes des § 12 Abs. 1 Satz 2 12. BayIfSMV hinsichtlich der „sonstigen für die tägliche Versorgung unverzichtbaren Ladengeschäfte“ werden zusätzliche Bezugsfälle geschaffen, welche eine Abgrenzung deutlich erschweren.
Im Ergebnis dürfte im hier zu entscheidenden Fall ein entsprechender Verstoß jedoch deshalb nicht zu einem Anspruch der Antragstellerin auf vorläufige Außervollzugsetzung des § 12 Abs. 2 Satz 1 12. BayIfSMV führen, weil die Voraussetzungen für den Erlass der angegriffenen Norm – wie oben dargelegt – derzeit erfüllt sind und aus einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG jedenfalls im Grundsatz kein Anspruch auf Normaufhebung folgt (vgl. BVerfG, B.v. 17.1.2006 – 1 BvR 541/02 u.a. – juris Rn. 44 ff.; BVerwG, U.v. 25.7.2007 – 3 C 10/06 – juris Rn. 30 f.; Wollenschläger in v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, § 3 Rn. 316; anders wohl OVG Saarland, B.v. 9.3.2021 – 2 B 58/21 – juris). Bei einer gleichheitswidrigen Rechtsverordnung kommt eine gerichtliche Korrektur durch Aufhebung einer belastenden Maßnahme im Grundsatz nur dann in Betracht, wenn das normative Ermessen des Verordnungsgebers rechtmäßig nur in einem bestimmten Sinn ausgeübt werden könnte oder wenn sich mit Sicherheit annehmen lässt, dass der Verordnungsgeber, wäre ihm das Problem bewusst, den Anforderungen des Gleichbehandlungsgebots gerade in diesem Sinn Rechnung tragen würde (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 31). Das ist hier jedoch nicht der Fall, weil sich die aus der pandemischen Gefahrenlage aufgrund von COVID-19 und der Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Konfliktlage nicht derart auflösen lässt, dass eine vom Verordnungsgeber nicht nachvollziehbar begründete Ausnahme von einer Infektionsschutzmaßnahme durch die Einbeziehung eines vergleichbaren Lebenssachverhaltes erweitert wird. Gerät allerdings das Verhältnis von repressiven Verboten und Befreiungen derart in Schieflage, dass das repressive Verbot an sich in Frage gestellt wird, kann dieses Verbot im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht mehr aufrechterhalten bleiben. Ob dieser Punkt in der vorliegenden Konstellation gerade im Hinblick auf die Schwere der Grundrechtseingriffe und die hier konkurrierenden Grundrechte schon erreicht ist, ist bei summarischer Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren als offen anzusehen und muss einer Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
3. Bei der Annahme offener Erfolgsaussichten der Hauptsache ergibt die gebotene Folgenabwägung zwischen dem betroffenen Schutzgut der freien wirtschaftlichen Betätigung aus Art. 12 Abs. 1 GG mit dem Schutzgut Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG insbesondere im Hinblick auf die wieder steigenden Infektionszahlen, dass die von der Antragstellerin dargelegten wirtschaftlichen Folgen hinter den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zurücktreten müssen.
Das pandemische Geschehen verstärkt sich aktuell erneut. Nach dem Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 15. März 2021 (abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-15-de.pdf? blob=publicationFile) nimmt die Zahl der Übertragungen von COVID-19 in der Bevölkerung in Deutschland wieder deutlich zu. In den letzten Tagen hat sich der Anstieg der Fallzahlen beschleunigt. COVID-19-bedingte Ausbrüche beträfen momentan insbesondere private Haushalte, zunehmend auch Kitas, Schulen und das berufliche Umfeld. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Nach der aktuellen Risikobewertung des RKI (Stand 15.3.2021, vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html) ist die Dynamik der Verbreitung einiger neuer Varianten (VOC) von SARS-CoV-2 besorgniserregend. Aufgrund der vorliegenden Daten hinsichtlich einer erhöhten Übertragbarkeit der Varianten und potenziell schwererer Krankheitsverläufe trägt dies zu einer schnellen Zunahme der Fallzahlen und der Verschlechterung der Lage bei. Alle Impfstoffe, die aktuell in Deutschland zur Verfügung stehen, schützen nach derzeitigen Erkenntnissen sehr gut vor einer Erkrankung durch die in Deutschland hauptsächlich zirkulierende VOC B.1.1.7 und auch vor schweren Erkrankungen durch die anderen Varianten. Für die Senkung der Neuinfektionen, den Schutz der Risikogruppen und die Minimierung von schweren Erkrankungen ist die Impfung der Bevölkerung von zentraler Bedeutung. Effektive und sichere Impfstoffe sind seit Ende 2020 zugelassen, stehen aber noch nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung und werden derzeit vorrangig den besonders gefährdeten Gruppen angeboten. Das individuelle Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken, kann anhand der epidemiologischen bzw. statistischen Daten nicht abgeleitet werden. Auch ohne bekannte Vorerkrankungen und bei jungen Menschen kann es zu schweren bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen kommen. Langzeitfolgen können auch nach leichten Verläufen auftreten.
In dieser Situation ergibt die Folgenabwägung, dass die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm im Hinblick auf die damit einhergehende mögliche Eröffnung weiterer Infektionsketten schwerer ins Gewicht fallen als die Folgen ihres weiteren Vollzugs für die Interessen der Normadressaten. Gegenüber den bestehenden Gefahren für Leib und Leben durch eine in ihrem Verlauf und ihren Auswirkungen bisher nicht zuverlässig einzuschätzende Pandemie, vor der zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG verpflichtet ist, müssen die Interessen der Betroffenen derzeit zurücktreten (vgl. auch BVerfG, B.v. 15.7.2020 – 1 BvR 1630/20 – juris Rn. 25).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Da die angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 28. März 2021 außer Kraft tritt (§ 30 12. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren nach Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 nicht angebracht ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).