Medizinrecht

Verbot von Parolen

Aktenzeichen  M 13 K 16.2066

Datum:
25.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 151498
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVersG Art. 7 Nr. 2, Art. 15 Abs. 1
StGB § 130 Abs. 4
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
VereinsG § 20 Abs. 1 Nr. 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Soweit die Klage für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt. Der Beklagte trägt die Kosten des eingestellten Verfahrens.
II. Es wird festgestellt, dass die beschränkende Verfügung 1.8 im Bescheid des Landratsamtes Pfaffenhofen vom 8. April 2016 (soweit sie sich auf “das sichtbare Tragen von Emblemen und Tätowierungen, die in Verbindung mit dem Nationalsozialismus stehen, “Hass” bedeuten oder in den Augen der Öffentlichkeit einen solchen Eindruck hervorrufen können” bezieht und soweit “Das Tragen von Bekleidung oder Bekleidungsstücken mit Aufschriften, aus denen sich durch teilweises Überdecken die Buchstaben- bzw. Zahlenfolgen wie “NS”, “NSD”, “NSDAP”, “SS”, “SA”, … “14”, “18”, “28”, “88” oder die Abkürzung bzw. erkennbare Abkürzungsteile weiterer verbotener Parteien oder Gruppierungen ergeben können, verboten ist.”) rechtswidrig gewesen ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kläger als Gesamtschuldner und der Beklagte haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Soweit die Klagepartei in der mündlichen Verhandlung am 25. April 2017 die Klage hinsichtlich des Einschubes in der Auflage Ziffer 1.6 „und deren (auch selbsternannten) Folgeorganisationen“ für erledigt erklärt hat und der Beklagte der Erledigterklärung zugestimmt hat, wird das Verfahren eingestellt. Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall insoweit die Kosten, entsprechend der Kostenübernahmeerklärung, dem Beklagten aufzuerlegen.
II.
Die Klage der Kläger zu 1. und 2. ist im Übrigen zulässig (dazu nachfolgend zu 1.) und hat teilweise Erfolg (dazu nachfolgend zu 2.).
1. Bei den nach Art. 15 Abs. 1 Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG) erlassenen Auflagen handelt es sich um Verwaltungsakte i.S.v. Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG). Mit Ablauf des 9. April 2016 haben sich die Auflagen erledigt. Die Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist damit die richtige Klageart. Sie ist statthaft bei Erledigungseintritt vor Klageerhebung (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 72).
Sowohl die Klägerin zu 1. als auch der Kläger zu 2. sind klagebefugt. Die Klägerin ist als Partei und Veranstalterin der Versammlung klagebefugt. Zwar hat der Kläger zu 2. wohl lediglich als Vertreter der Klägerin zu 1. die Versammlung für den 9. April 2016 angemeldet und war auch nicht Versammlungsleiter. Allerdings wurde der Bescheid des Landratsamtes Pfaffenhofen vom 8. April 2016 an den Kläger zu 2. adressiert, nicht an die Klägerin zu 1., vertreten durch den Kläger zu 2.. Das Gericht geht daher davon aus, dass auch der Kläger zu 2. als formal direkter Adressat des Bescheides, und damit der Auflagen, klagebefugt ist (vgl. Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 2016, Einl. Rn. 115).
In versammlungsrechtlichen Verfahren sind die für die Beurteilung des Rechtsschutzinteresses bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage geltenden Anforderungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Versammlungsfreiheit anzuwenden. Indessen begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein solches Interesse besteht allerdings dann, wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht oder wenn aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit angenommen werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – juris Rn. 36). Hier liegt jedenfalls ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Hinblick auf eine Wiederholungsgefahr vor. Das Erfordernis der Wiederholungsgefahr setzt zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Kläger voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird. Dabei reicht auf Seiten des Klägers aus, wenn sein Wille erkennbar ist, in Zukunft Versammlungen abzuhalten, die ihrer Art nach zu den gleichen Rechtsproblemen und damit der gleichen Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit führen können. Angesichts des verfassungsrechtlich geschützten Rechts des Veranstalters, über das Ziel sowie die Art und Weise der Durchführung einer Versammlung selbst zu bestimmen, darf für die Bejahung des Feststellungsinteresses nicht verlangt werden, dass die möglichen weiteren Versammlungen unter gleichen Umständen, mit einem identischen Motto und am selben Ort durchgeführt werden (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004, a.a.O. Rn. 41, 42). Nachdem die Kläger geltend machen, ähnlich gelagerte Versammlungen auch in Zukunft in Pfaffenhofen abhalten zu wollen und auf ein Schreiben der Bevollmächtigten der Kläger vom 19. April 2016 das Landratsamt Pfaffenhofen mitteilte, dass die genannten Auflagen im Bescheid als rechtmäßig angesehen würden, ist vom Feststellungsinteresse der Wiederholungsgefahr auszugehen.
2. Die beschränkende Verfügung Ziffer 1.8 des Bescheids vom 8. April 2016 (soweit sie das Tragen von Emblemen und Tätowierungen verbietet, die in Verbindung mit dem Nationalsozialismus stehen, „Hass“ bedeuten oder in den Augen der Öffentlichkeit einen solchen Eindruck hervorrufen können und soweit „Das Tragen von Bekleidung oder Bekleidungsstücken mit Aufschriften, aus denen sich durch teilweises Überdecken die Buchstaben bzw. Zahlenfolgen wie „NS“ „NSD“, „NSDAP“, „SS“, „SA“, … „14“, „18“, „28“, „88“ oder die Abkürzung bzw. erkennbare Abkürzungsteile weiterer verbotener Parteien oder Gruppierungen ergeben können, verboten wird“), ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Es ist deshalb im Rahmen des gestellten Klageantrags auszusprechen, dass diese beschränkende Verfügung im vorgenannten Umfang rechtswidrig gewesen ist (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
Soweit die Beklagte in der beschränkenden Verfügung Ziffer 1.6 des Bescheids vom 8. April 2016 Äußerungen untersagt hat, die das NS-Regime sowie dessen Organisationen sowie verbotene Parteien und Vereine einschließlich deren Nachfolge- und Ersatzorganisationen billigen, verherrlichen, rechtfertigen oder verharmlosen, und die Parole „Wir sind wieder da“ untersagt hat, waren diese Beschränkungen rechtmäßig. Die Klage war insoweit abzuweisen.
a) Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammenzukommen (vgl. BVerfG, B.v. 24.10.2001 – 1 BvR 1190/90 u.a. – juris Rn. 39 ff.). Dabei wird den Grundrechtsträgern das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung gewährleistet (vgl. BVerfG, B.v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81 u.a. – juris Rn. 61). Ein Eingriff in die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit ist nicht nur dann gegeben, wenn eine Versammlung verboten oder aufgelöst wird, sondern auch, wenn die Art und Weise ihrer Durchführung durch staatliche Maßnahmen beschränkt wird (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 15). Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bedürfen gemäß Art. 8 Abs. 2 GG einer gesetzlichen Grundlage.
Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde auch bei dem Erlass von Beschränkungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.2010, a.a.O., Rn. 17). Der Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht. Unter „öffentlicher Ordnung“ wird die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln verstanden, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird. Die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit hat zurückzutreten, wenn dies zum Schutz anderer gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist. Bei der Auslegung und Anwendung versammlungsbeschränkender Gesetze ist die Bedeutung der Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, B.v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81 u.a. – juris Rn. 77, 79, 80). Nach Art. 7 Nr. 2 BayVersG ist es verboten, an einer öffentlichen oder nicht öffentlichen Versammlung in einer Art und Weise teilzunehmen, die dazu beiträgt, dass die Versammlung oder ein Teil hiervon nach dem äußeren Erscheinungsbild paramilitärisch geprägt wird, sofern dadurch eine einschüchternde Wirkung entsteht. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits vor Erlass dieser gesetzlichen Regelung ausgeführt, dass Beschränkungen der Versammlungsfreiheit verfassungsrechtlich unbedenklich sind, die ein aggressives und provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer verhindern sollen, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird. Aufmärsche mit paramilitärischen oder sonstwie einschüchternden Begleitumständen werden von Art. 8 GG nicht geschützt (vgl. BVerfG, B.v. 24.3.2001 – 1 BvQ 13/01 – juris Rn. 30; B.v. 5.9.2003 – 1 BvQ 32/03 – juris Rn. 24; B.v. 23.6.2004 – 1 BvQ 19/04 – juris Rn. 23).
b) In Anwendung dieser Grundsätze gilt vorliegend das Folgende:
Die Beschränkung in Ziffer 1.6 des Bescheids vom 8. April 2016 hat die Beklagte darauf gestützt, dass das lautstarke Skandieren der unter Ziff. 1.6 aufgezählten Parolen einen paramilitärischen Eindruck erwecke. Der Eindruck der Gewalt- und Kampfbereitschaft könne unbefangene Beobachter verängstigen. Versammlungen, die ein solches militantes Gepräge mit der damit verbundenen Gewaltmetaphorik aufwiesen, liefen dem Friedlichkeitsgebot von Art. 8 Abs. 1 des GG und Art. 113 BV zuwider, das jeweils den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit begrenze. Soweit der Kläger mit seiner Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verbots der Äußerungen, die das NS-Regime sowie dessen Organisationen sowie verbotener Parteien und Vereine einschließlich deren Nachfolge- und Ersatzorganisationen betreffen sowie die Parole „Wir sind wieder da!“ beantragt, ist dieses Begehren unbegründet. Die Beklagte hat diese Parolen zu Recht untersagt.
Wird der Versammlung verboten, in bestimmter Weise Meinungsinhalte zu artikulieren, so beschränkt dies ihre Möglichkeit, in einer selbst bestimmten Weise an der öffentlichen Meinungsbildung durch gemeinschaftliche Erörterung oder Kundgebung teilzuhaben. Beschränkungen in der Kombination des Inhalts und der versammlungsspezifischen Ausdrucksform von Meinungen betreffen ebenfalls die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG und sind auch vor Art. 5 Abs. 2 GG zu rechtfertigen. Überschreiten die zu erwartenden Meinungsäußerungen nicht die Schwelle der Strafbarkeit, so verlieren sie nicht allein wegen rechtsextremistischer Inhalte den Schutz der Art. 5 und Art. 8 GG. Beschränkende Verfügungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung sind aber verfassungsrechtlich unbedenklich, als sich die in Art. 15 Abs. 1 BayVersG vorausgesetzte Gefahr nicht aus dem Inhalt der Äußerung, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung ergibt. Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung infolge der Art und Weise der Durchführung der Versammlung kann bei einem aggressiven und provokativen, die Bürger einschüchternden Verhalten der Versammlungsteilnehmer bestehen. Die öffentliche Ordnung kann verletzt sein, wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2004 – 1 BvQ 19/04 – juris Rn. 20 ff.; B.v. 19.12.2007 – 1 BvR 2793/04 – juris Rn. 14 ff.).
Bei den Äußerungen der Auflage Ziff. 1.6, die bereits in den strafrechtlichen Bereich der § 86 Strafgesetzbuch (StGB) oder § 130 StGB sowie § 9 Vereinsgesetz (VereinsG) und § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG fallen, ist bereits der Inhalt der Äußerungen an sich verboten. Bei Äußerungen, die nicht in den strafbaren Bereich fallen, jedoch von der Auflage 1.6 umfasst werden, durfte die Behörde auf die Art und Weise der Durchführung der Versammlung abstellen. Hierbei kommt es auf eine Gefahrenprognose zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung an. Gefahrenprognose ist die Einschätzung der Gefahrenlage einer zukünftigen Entwicklung anhand der vorhandenen Situation und auf der Grundlage der konkreten Tatsachen, Erkenntnisse, zeitnahen Erfahrungen und vergleichbaren Ereignissen (Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, § 15 VersammlG, Rn. 60). Die Ereignisse bei den Versammlungen der Klägerin zu 1. am 1. Mai 2016 in Plauen und Saalfeld konnte die Beklagte bei der Gefahrenprognose für den Bescheid am 8. April 2016 nicht einbeziehen, da diese zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung noch nicht vorlagen. Jedoch konnte die Beklagte aus einer Gesamtschau im Übrigen von einer Gefahrenprognose ausgehen, die die Auflage 1.6 in der hier noch streitentscheidenden Fassung trägt. Laut Verfassungsschutzbericht 2014 (und auch 2015 und 2016) handelt es sich bei der Partei „Der III. Weg“ um eine Partei, die einen stark neonazistisch geprägten Rechtsextremismus vertritt. Der Verfassungsschutzbericht führt weiter aus, dass die ideologischen Ziele der Partei, wie das Programm der NSDAP, auf einem biologischen Volksbegriff basierten. Das Versammlungsthema war mit „Kapitalismus zerschlagen – für einen deutschen Sozialismus!“ angegeben und die Versammlung sollte auf einem zentralen Platz in der Stadt Pfaffenhofen stattfinden. Auf der Internetseite der Partei „Der III. Weg“ wurde die Versammlung am 9. April damit beworben, dass der Zorn und die Wut über das ausbeuterische und völkerfeindliche Unrechtssystem auf die Straße getragen werden solle. Als Kundgebungsmittel waren unter anderem ein Handmegafon, Lautsprecherwagen mit Verstärker, offenes Mikrofon und das Abspielen von Musikmedien vorgesehen. Aus einer Gesamtschau der erkennbaren Umstände durfte die Behörde daher davon ausgehen, dass die Gefahr bestand, dass die Versammlung ohne entsprechende Auflage unter Ziff. 1.6 sich durch ihr Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert (vgl. BVerfG, B.v. 19.12.2007 – 1 BvR 2793/04 – juris Rn. 31). Der Umstand, dass bei der Versammlung lediglich 20 Teilnehmer angemeldet waren und wohl auch nicht mehr teilgenommen haben, lässt die Gefahrenprognose nicht entfallen. Auch durch 20 Teilnehmer kann ein aggressives und provokantes, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer bestehen. Durch technische Möglichkeiten z.B. Verstärker, Mikrofone und entsprechendes Abspielen von Musik können Wirkungen auch einer geringeren Anzahl von Teilnehmern verstärkt werden.
Zur Herkunft der Parole „Wir sind wieder da!“ hat die Beklagte vorgetragen, dass es sich hier um die Losung der 1972 in den USA gegründeten NSDAP/AO handelt, deren Ziel die Wiederzulassung der NSDAP in Deutschland ist. Zwar trägt die Klagepartei vor, dass diese Parole bedeute, dass die Klägerin trotz Verboten, Beschränkungen und Behinderungen wiederum demonstriere und sich von ihren Auftritten in der Öffentlichkeit nicht abhalten lasse. Die Deutung als Fortführung der NSDAP sei der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt. Bei dem Verbot des Skandierens der Parole hat die Beklagte nicht auf den Inhalt der Äußerung abgestellt, sondern seine Wirkung im Zusammenhang mit der vom Kläger angemeldeten Versammlung beurteilt. Unter Berücksichtigung des Versammlungsthemas und der Ziele der Partei „Der III. Weg“ kann ein lautes Skandieren der Parole „Wir sind wieder da!“ dazu führen, als Gesamteindruck den Schrecken an das vergangene totalitäre und unmenschlichen Regime zu verstärken und andere Bürger im Hinblick auf eine Wiederholung der Geschichte einzuschüchtern. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Einzelnen die Herkunft der Parole geläufig ist (VG München, U.v. 4.5.2016 – M 7 K 15.1110 – juris Rn. 42). Soweit die Rechtsprechung in Einzelfällen die Parole „Wir sind wieder da!“ für zulässig gehalten hat, folgt dem die Kammer nicht (vgl. SächsOVG, B.v. 28.7.2009 – 3 B 60/06 – juris Rn. 28).
Rechtsfehler bei der Ausübung des Ermessens sind nicht ersichtlich. Die Verwaltungsgerichte haben gemäß § 114 VwGO nur nachzuprüfen, ob die Behörde von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat und ob sie die Grenzen des Ermessens (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz insbesondere Wahrung des Prinzips des geringstmöglichen Eingriffs) nicht überschritten hat (Wächter/Heinhold/Merk, BayVersG, 1. Aufl. 2011, § 15 Rn. 20). Die Behörde hat im Bescheid vom 8. April 2016 zum Ausdruck gebracht, dass sie gesehen hat, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handelt und hat einzelne Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen (vgl. Bescheid vom 8.4.2016, S. 7, Bl. 46 der Behördenakten; S. 16, Bl. 53 der Behördenakten). Gerichtlich überprüfbare Abwägungsfehler liegen nicht vor. Die Maßnahme ist auch im engeren Sinne verhältnismäßig.
Die Auflage in Ziff. 1.8 des Bescheides vom 8. April 2016, soweit sie sichtbare Embleme oder Tätowierungen verbietet, die in Verbindung mit dem Nationalsozialismus stehen, „Hass“ bedeuten oder in den Augen der Öffentlichkeit einen solchen Eindruck hervorrufen können, ist rechtwidrig.
Hier können zwar Embleme darunter fallen, die bereits den Straftatbestand des § 86 StGB, § 86a StGB unterfallen (z.B. Verwendung des Totenkopfs in der Form des Emblems der Waffen-SS) (vgl. insgesamt SächsOVG, B.v. 28.7.2009 – 3 B 60/06 – juris Rn. 23). Diese sind bereits, auch ohne Anordnung in einer versammlungsrechtlichen Auflage, verboten. Soweit der Inhalt der Auflage darüber hinausgeht, hält die Kammer sowohl die Formulierung „in Verbindung mit dem Nationalsozialismus steht“ als auch „Hass“ bedeutet oder in den Augen der Öffentlichkeit einen solchen Eindruck hervorrufen kann“ für zu unbestimmt und deshalb schon für rechtswidrig. Ein Verwaltungsakt ist gemäß Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG dann hinreichend bestimmt, wenn aus der getroffenen Regelung und den sonstigen, dem Betroffenen bekannten oder für ihn ohne weiteres erkennbaren Umständen die Regelung so vollständig, klar und unzweideutig ist, dass er sein Verhalten danach richten kann und dass auch die für den Vollzug zuständige Behörde den Inhalt der Verfügung ihrer Entscheidung über weitere Maßnahmen zugrunde legen kann (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 37 Rn. 5). Bei den genannten Formulierungen ist für die Betroffenen unklar und nicht erkennbar, welche Inhalte unter die Auflage fallen (vgl. auch VG Hannover, B.v. 29.7.2013 – 10 B 5752/13 – juris Rn. 59; VG Bayreuth, U.v. 16.8.2011 – B 1 K 09.124 – juris Rn. 59 ff.). Im Übrigen fehlt es vorliegend an der Voraussetzung des Art. 15 Abs. 1 BayVersG insofern, als konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung diesbezüglich nicht gegeben sind. Feststellungen zu konkreten Umständen, die die Annahme nahelegten, dass Versammlungsteilnehmer die Absicht hatten, die Kennzeichen verbotener Vereinigungen oder ihnen zum Verwechseln ähnelnde Embleme zu tragen, wurden nicht getroffen. Das Sächsische OVG (SächsOVG, B.v. 28.7.2009 – 3 B 60/06 – juris Rn. 23) führt aus, wenn die Verwendung anderer Totenkopf- und Hasszeichen untersagt werden solle, sei unterhalb der Schwelle eines Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, insbesondere dann, wenn die Versammlungsteilnehmer beabsichtigt hätten, durch das massenhaft sichtbare Tragen dieser Zeichen aggressiv und provokativ aufzutreten, die Bürger einzuschüchtern oder Gewaltbereitschaft zu erzeugen, wäre eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Ordnung anzunehmen. Würden Teilnehmer einer größeren Versammlung derartige Zeichen dagegen nur vereinzelt tragen oder als Ausdruck diffusen Hasses, ohne damit ein Klima der Gewaltdemonstration signalisieren zu wollen, so dürfte eine die öffentliche Ordnung gefährdende einschüchternde Wirkung auf Unbeteiligte eher nicht zu gewärtigen sein. Im vorliegenden Fall waren konkrete Umstände, die erkennen ließen, dass die Teilnehmer der Versammlung durch Tragen derartiger Zeichen ein Klima der Gewaltdemonstration signalisieren wollten, jedoch im Zeitpunkt der Erteilung der Auflage weder festgestellt noch erkennbar.
Die Auflage in Ziff. 1.8 des angegriffenen Bescheides, soweit er das Tragen von Bekleidungsstücken mit Aufschriften, aus denen sich durch teilweises Überdecken der Buchstaben bzw. Zahlenfolgen bestimmte Buchstaben- oder Zahlenfolgen ergeben können, verbietet, ist rechtswidrig.
Ein gesetzliches Verbot zum Zeigen der genannten Buchstaben- und Zahlenkombinationen besteht nicht, sie erfüllen namentlich weder einen Straftatbestand nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 oder 2 Satz 2 StGB noch ist ihr Tragen geeignet, die öffentliche Ordnung zu verletzen. Soweit die Zahlenkombinationen „14“, „18“, „28“ und „88“ genannt sind, erscheint eine Auflage zum Schutz der öffentlichen Ordnung schon deswegen nicht erforderlich, weil eine breitere Öffentlichkeit diese Zahlen weder dem Nationalsozialismus überhaupt zuordnen kann noch ihre Bedeutung kennt (vgl. SächsOVG, U.v. 13.7.2009 – 3 B 137/06 – juris Rn. 38; SächsOVG, U.v. 28.7.2009 – 3 B 60/06 – juris Rn. 24; VG Bayreuth, B.v. 16.8.2011 – B 1 K 09.124 – juris Rn. 61; VG Würzburg, U.v. 19.12.2013 – W 5 K 13.265 – juris Rn. 67).
Auch das Verbot von Kleidung mit Aufschriften, aus denen sich durch teilweises Überdecken die Buchstabenkombinationen „NS“, „NSD“, „NSDAP“, „SS“ und „SA“ herstellen lassen, kann nicht auf Art. 15 BayVersG gestützt werden. Das sichtbare Tragen von nationalsozialistischen Kennzeichen in einer Versammlung erfüllt zwar den Straftatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Die Auflage richtet sich jedoch nicht konkret gegen das Tragen dieser verbotenen Aufschriften. Sie ist vielmehr so weit gefasst, dass damit praktisch das Tragen jeder Bekleidung mit Aufschriften untersagt wird, weil sich aus einer Vielzahl von beliebigen Beschriftungen diese Buchstaben- oder Zahlenkombinationen herstellen lassen. Sie untersagt damit ein ohne weiteres Zutun (Verdecken, Abkleben etc.) erlaubtes Verhalten (vgl. SächsOVG, U.v. 28.7.2009 – 3 B 60/06 – juris Rn. 25; VG Würzburg, U.v. 19.12.2013 – W 5 K 13.265 – juris Rn. 68). Dass Anhaltspunkte vorliegen, nach denen in der streitgegenständlichen Versammlung eine erhebliche Anzahl von Teilnehmern Bekleidungsstücke in der beschriebenen Art tragen wollten, ist im Bescheid ebenso wenig dargelegt wie begründet ist, weshalb dadurch eine einschüchternde Wirkung erzielt werden kann. Dabei ist bereits fraglich, ob die aufgeführten Buchstabenkombinationen überhaupt dazu geeignet sind. Dies mag dann der Fall sein, wenn die Versammlungsteilnehmer einer rechtsradikalen Versammlung durch das massenhafte Tragen derartiger Aufschriften den Eindruck erwecken wollen, dass sie in der Nachfolge ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen stehen (vgl. VG Würzburg, U.v. 19.12.2013 – W 5 K 13.265 – juris Rn. 68). So liegt der vorliegende Fall jedoch nicht. Auch lässt sich dem Bescheid keine spezielle Begründung für die verhängte Auflage entnehmen, die die Anordnung der Auflage trägt.
3. Die Kostenentscheidung, soweit das Verfahren nicht eingestellt wurde, beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO.

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