Medizinrecht

Vergütung aus Verträgen zu integrierter Versorgung

Aktenzeichen  L 12 KA 132/14

Datum:
8.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V SGB V § 75 Abs. 1, § 140a, § 140c, § 140d Abs. 1 S. 8, § 207

 

Leitsatz

1 Nach § 140a Abs. 1 SGB V können Krankenkassen mit bestimmten, in § 140b Abs. 1 SGB V abschließend aufgezählten Vertragspartnern Integrierte-Versorgungs-Verträge schließen. Dabei liegt die Abschlusskompetenz ausschließlich bei den Krankenkassen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Nach gefestigter Rechtsprechung des BSG (BeckRS 2016, 73729) müssen Behandlungsleistungen, die im Rahmen der integrierten Versorgung erbracht werden, solche der Regelversorgung in der vertragsärztlichen oder in der stationären Versorgung zumindest überwiegend ersetzen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 21 KA 1240/10 2014-06-04 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 04.06.2014 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Prozesszinsen lediglich in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen sind.
II. Die Beklagte trägt 9/10 und die Klägerin 1/10 der Kosten des Rechtsstreits.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte wird durch das Urteil des Sozialgerichts München vom 4.6.2014 nicht in ihren Rechten verletzt. Das SG hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch nach § 140 d Abs. 1 Satz 8 SGB V i.d. bis zum 31.12.2011 geltenden F. des GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl. I 378 hat, weil die Beklagte die einbehaltenen Mittel in Höhe von 92.942,46 EUR nicht für Vergütungen aus Verträgen zu integrierten Versorgung (§ 140 c SGB V) verwendete.
1. Weder der Homöopathie-Vertrag noch der Vertrag über die Behandlung schizophrener und affektiver Erkrankungen sind Verträge im Sinne von § 140 a SGB V.
Nach § 140 a Abs. 1 SGB V können Krankenkassen mit bestimmten, in § 140 b Abs. 1 SGB V abschließend aufgezählten Vertragspartnern IV-Verträge schließen. Dabei liegt die Abschlusskompetenz ausschließlich bei den Krankenkassen.
Der Homöopathie-Vertrag wurde ausweislich des dem Gericht vorliegenden Vertragstextes zwischen dem Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte e.V. und dem deutschen Apothekerverband e.V. abgeschlossen, wobei für die Krankenkassen lediglich ein Recht zum Vertragsbeitritt vorgesehen ist. § 16 des Homöopathie-Vertrags sieht vor, dass die gesetzlichen Krankenkassen nur mit Zustimmung des Zentralvereins und des Deutschen Apothekerverbandes beitreten können. Bei dieser Konstruktion haben die gesetzlichen Krankenkassen als Träger der Krankenversicherung keine eigene Gestaltungsmöglichkeit und keine Möglichkeit, auf die in § 7 bezüglich der ärztlichen Leistungen und in § 8 bezüglich der Leistungen der Apotheken vereinbarten Vergütungen Einfluss zu nehmen. Auch die jeweiligen Leistungsinhalte stehen nicht zur Disposition der gesetzlichen Krankenkassen. Diese Konstruktion ist mit den Regelungen über die integrierte Versorgung, insbesondere mit § 140 a Abs. 1 Satz 1 SGB V und § 140 b Abs. 1 SGB V nicht vereinbar. Bereits deshalb ist der Homöopathie-Vertrag kein Vertrag im Sinne von § 140 a SGB V. Die dafür einbehaltenen Mittel sind gemäß § 140 d Abs. 1 Satz 5 SGB V an die Klägerin auszuzahlen.
Im übrigen ist der Homöopathie-Vertrag auch inhaltlich kein Vertrag über die integrierte Versorgung. Nach der insoweit gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müssen Behandlungsleistungen, die im Rahmen der integrierten Versorgung erbracht werden, solche der Regelversorgung in der vertragsärztlichen oder in der stationären Versorgung zumindest überwiegend ersetzen (BSG Urteil vom 6.2.2008, B 6 KA 27/07 R, Juris Rn. 25; Urteil vom 15.6.2016, B6 KA 22/15 R, Juris Rn. 19; ebenso der erkennende Senat, Urteil vom 15.1.2014, L 12 KA 57/12). Eine entsprechende Regelung findet sich im Homöopathie-Vertrag jedoch nicht. Vielmehr bestimmt § 7 Nummer 3 des Vertrags lediglich, dass, sobald eine ärztliche Leistung nach diesem Vertrag erbracht und abgerechnet ist, eine zusätzliche Abrechnung dieser Leistungen über eine kassenärztliche Vereinigung unzulässig ist.
Der Rahmenvertrag zur Behandlung schizophrener und affektiver Erkrankungen (Psychiatrie-Vertrag) erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen eines Vertrags über die integrierte Versorgung ebenfalls nicht.
Nach dem dem Senat vorliegenden Vertragstext wurde der Vertrag zwischen dem BKK Landesverband Bayern, dem Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München und der Arbeitsgemeinschaft Münchner Nervenärzte und Psychiater abgeschlossen. § 12 des Psychiatrie-Vertrags sah die Möglichkeit des Beitritts der Krankenkassen vor. Anders als bei den Gesamtverträgen (vergleiche § 83 Satz 1 SGB V) haben die Landesverbände der Krankenkassen (§ 207 SGB V) nach § 140 b Abs. 1 SGB V keine Vertragsabschlusskompetenz. Vielmehr ist der Abschluss von Verträgen über die integrierte Versorgung ausschließlich den Krankenkassen vorbehalten. Damit steht bereits fest, dass der Psychiatrie-Vertrag kein Vertrag nach § 140 a SGB V ist.
Außerdem sieht der Psychiatrie-Vertrag keine die Regelleistungen zumindest teilweise ersetzenden Leistungen vor. Inhalt des Vertrags sind vielmehr gemäß § 4 Abs. 2 spezielle Schulungen der Patienten und deren Angehörigen, eine Verbesserung der sektorenübergreifenden Kommunikation zwischen den Ärzten und die Förderung der Medikamenten- und Therapiecompliance. Entsprechende Vergütungen sind in der Anlage 7 aufgelistet. Diese Leistungen sind bisher nicht im EBM enthalten. § 7 sieht insoweit vor, dass die Vergütung der I.V.-spezifischen Kosten von den teilnehmenden Betriebskrankenkassen gesondert gezahlt werden müssen. Darüber hinaus ist explizit vorgesehen, dass die gesetzlichen Vergütungsansprüche der Leistungserbringer hiervon unberührt bleiben. Es handelt sich also bei den im Psychiatrie-Vertrag vorgesehenen Leistungen nicht um die Regelversorgung ersetzende Leistungen, sondern um Zusatzleistungen.
Der Psychiatrie-Vertrag ist somit keine Regelung im Sinne von § 140 a SGB V.
Auch insoweit ist der klägerische Anspruch auf Rückerstattung des Einbehalts nach § 140d Abs. 1 Satz 8 SGB V a.F. begründet.
2. Bezüglich der Höhe des Erstattungsanspruchs bestehen gegen den klägerischen Vortrag keine Bedenken. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen ist der geltend gemachte Anspruch in voller Höhe begründet. Die Beklagte wendet insoweit ein, dass aufgrund des Telefonvermerks feststehen würde, dass ein weiterer Abzug in Höhe von 4876 EUR nicht erfolgt sei. Dies erschließt sich dem Senat aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht. Mit Schreiben vom 13.11.2014 übersandte die Klägerin vielmehr eine Aufstellung, in der der streitgegenständliche Betrag von 4876 EUR als „IGV-Abzug 1/2008“ ausgewiesen ist. Die Argumentation der Beklagten, für das Quartal 1/2008 sei nur ein Anteil von 79/91 berechnet worden, ist mathematisch nicht nachvollziehbar. Weiterer schlüssiger Vortrag erfolgte nicht. In Würdigung der vorgetragenen Gesichtspunkte kann der Senat den Ausführungen der Beklagten nicht folgen.
3. Eine Verjährung ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 15.6.2016, B6 KA 22/15 R, Juris Rn. 36 ff. nicht eingetreten. Die Entscheidung des SG ist insoweit zutreffend.
4. Bezüglich der Verwirkung schließt sich der Senat ebenfalls gem. § 153 Abs. 2 SGG den Ausführungen des Sozialgerichts an. Umstände, die eine Verwirkung auslösen könnten, sind nicht ersichtlich.
5. Bezüglich der Höhe der Zinsen war das Urteil abzuändern. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts steht fest, dass Prozesszinsen lediglich nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu zahlen sind, also 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Insoweit war das Urteil durch eine Maßgabe zu ändern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG, § 155 Abs. 1 VwGO.
Die Revision war nicht zuzulassen.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel