Medizinrecht

Versammlung, Verbot einer sich fortbewegenden Versammlung, Querdenker, Gefahrenprognose

Aktenzeichen  10 CS 21.1114

Datum:
16.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9418
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVersG Art. 15 Abs. 1
GG Art. 8 Abs. 1
BayIfSchV § 7 Abs. 1 12.

 

Leitsatz

Verfahrensgang

Au 8 S 21.924 2021-04-15 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner noch zu erhebenden Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. April 2021 weiter, mit dem diese die von ihm namens „Querdenken …“ angezeigte Versammlung „1 Jahr Friedensbewegung“ am 17. April 2021 verboten hat. Die Versammlung sollte als Aufzug von 12.00 bis 13.30 über ca. 3 km durch die Innenstadt der Antragsgegnerin stattfinden; als erwartete Teilnehmerzahl wurde 2.000 angegeben.
Hinsichtlich der Begründung des auf Art. 15 Abs. 1 BayVersG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 4 der 12. BayIfSMV gestützten Verbots wird auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen.
Am 14. April 2021 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg hiergegen Eilrechtsschutz.
Mit Beschluss vom 15. April 2021 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. Das von der Antragsgegnerin verfügte Verbot der sich fortbewegenden Versammlung sei nach summarischer Prüfung voraussichtlich rechtmäßig und der Antragsteller dadurch nicht in seinen Rechten verletzt.
Die Antragsgegnerin habe sich bei ihrer Gefahrenprognose zu Recht auf die Entwicklung des Infektionsgeschehens gestützt, wonach ein erneuter Anstieg sowohl bei der Zahl der intensivmedizinisch zu behandelnden Corona-Patienten als auch bei der Inzidenz insbesondere durch eine zunehmende Verbreitung der Virusvariante B.1.1.7 und somit ein weiterer exponentieller Anstieg der Infektionen und damit einhergehend auch schwerere Verläufe der Infektion zu erkennen seien. § 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG regle ausdrücklich, dass Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen sei. Die Rüge des Antragstellers, die Inzidenzwerte beruhten auf willkürlich festgelegten Zahlen ohne wissenschaftlichen Beleg, ignoriere deshalb die ausdrückliche Festlegung des Gesetzgebers. Die Behörde habe sich in nicht zu beanstandender Weise maßgeblich von der fachlichen Einschätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) leiten lassen, dem der Gesetzgeber mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt habe. Der Inzidenzwert im Stadtgebiet der Antragsgegnerin liege aktuell bei 242,9; die Intensivbetten im Klinikum der Antragsgegnerin seien zu 95,83% ausgelastet.
Auch die Teilnehmerzahl der Versammlung sei ein entscheidendes Kriterium. Ein mobiler Aufzug sei ein dynamisches Geschehen, weil er sich nicht gleichmäßig bewege, sondern es regelmäßig je nach individuellem Gehtempo bzw. Entwicklung der Versammlung zu (unerwarteten) Stockungen, Beschleunigungen und Verschiebungen innerhalb der Gruppe der Versammlungsteilnehmer komme, weshalb grundsätzlich die Gefahr bestehe, dass es zu nicht unerheblichen Unterschreitungen des aus Infektionsschutzgründen gebotenen Mindestabstands komme.
Gleichwohl habe die Versammlungsbehörde zu prüfen, ob die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit durch entsprechende Beschränkungen sichergestellt werden könne. Jedenfalls bei einer Versammlung mit der vom Antragsteller geplanten Teilnehmerzahl von 2.000 Personen und der längeren Aufzugsstrecke bestehe eine größere Gefahr hinsichtlich der Einhaltung und Kontrolle des notwendigen Infektionsschutzes als bei kleineren Versammlungen und einer kürzeren Wegstrecke. Die Antragsgegnerin habe nachvollziehbar begründet, wieso im konkreten Fall eine Beschränkung der Teilnehmerzahl als milderes Mittel nicht geeignet sei. Gerade bei sich fortbewegenden Versammlungen der Querdenken-Bewegung sei es in der Vergangenheit zu zahlreichen und systematischen Verstößen gegen infektionsschutzrechtliche Beschränkungen gekommen.
Der Antragsteller trage keine Umstände vor, aus denen sich durchgreifende Einwände gegen die Richtigkeit dieser Prognose ergeben würden. Insbesondere lege er nicht dar, durch welche konkreten Maßnahmen er diese Gefahren, die gerade von einer sich fortbewegenden Versammlung ausgehen, auszuschließen bzw. zu minimieren gedenke. Er habe keine Unterlagen, Hygienekonzepte etc. vorgelegt, die erkennen ließen, dass ein Abweichen von der Regelvermutung eines Verbots einer sich fortbewegenden Versammlung begründbar wäre. Ohne durchdachtes Ordnerkonzept sei diese Problematik nicht beherrschbar.
Der Antragsteller erhob am 16. April 2021 Beschwerde mit dem Antrag:
Unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15. April 2021 wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 13. April 2021 hergestellt.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Das Verwaltungsgericht verkenne die besondere Bedeutung des Versammlungsrechts auch in Pandemiezeiten. Die Bedenken im Hinblick darauf, dass es sich um eine fortbewegende Versammlung mit 2.000 Teilnehmern handle, gingen fehl. Es sei nicht berücksichtigt, dass sich diese 2.000 Teilnehmer auf einer Strecke von 3.000 m verteilten und somit die Abstände zueinander von 1,5 m ohne weiteres eingehalten werden könnten. Die pauschalen Verweise auf Versammlungen der Querdenken-Bewegung ließen einen Bezug zur gegenständlichen Versammlung vermissen. Der Antragsteller habe ausdrücklich vorgetragen, dass die Abstände während der Versammlung eingehalten würden. Die Teilnehmer würden regelmäßig zu dem sog. „Helikopter“ (Drehen um die eigene Achse mit ausgestreckten Armen, bis keine Berührung mit einer anderen Person mehr erfolgt) aufgefordert. Es sei auch Aufgabe der Polizei bzw. der Versammlungsbehörde, dem Versammlungsleiter mitzuteilen, von welcher Anzahl an Teilnehmenden sie ausgehe, damit dieser ausreichend Ordner stellen könne. Überhaupt dürfe ein Versammlungsverbot nur erfolgen, wenn eine konkrete, unmittelbare Gefahr vorliege, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintrete. Hierfür hätte sich das Verwaltungsgericht mit den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinandersetzen müssen. Entscheidend für ein Verbot sei nicht, dass die Teilnehmenden einer Versammlung keinen Abstand halten und keine Masken tragen würden, sondern dass ohne Einhaltung dieser Auflagen eine Infektionsgefahr bestehen würde. Nach Expertenmeinung bestehe unter freiem Himmel keine reale Gefahr einer Infektion. Auch könnten die Inzidenzzahlen nicht als Grundlage herangezogen werden; die hierfür herangezogenen PCR-Test seien nicht aussagekräftig.
Die Antragsgegnerin beantragte,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie schließt sich den Ausführungen des Verwaltungsgerichts an.
Auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Unterlagen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Der Senat legt dabei den gestellten Antrag sachgerecht so aus (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO), dass die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Anfechtungsklage angeordnet werden soll (§ 80 Abs. 5 VwGO).
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn die Klage (vgl. Art. 25 BayVersG) keine aufschiebende Wirkung hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat bei seiner Entscheidung eine originäre Interessenabwägung auf der Grundlage der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage darüber zu treffen, ob die Interessen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, überwiegen. Dabei sind die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren wesentlich zu berücksichtigen, soweit sie bereits überschaubar sind. Nach allgemeiner Meinung besteht an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer voraussichtlich aussichtslosen Klage kein überwiegendes Interesse. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen.
Gemessen daran führen die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe zu keiner Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Eine noch zu erhebende Anfechtungsklage gegen das Versammlungsverbot würde sich voraussichtlich als unbegründet erweisen.
Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen. Nach Art. 8 Abs. 2 GG kann dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Derartige Beschränkungen sind im Lichte der grundlegenden Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 GG auszulegen. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sind nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig (vgl. BVerfG, B.v. 21.11.2020 – 1 BvQ 135/20 – juris Rn. 6 m.w.N.). Gem. Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
§ 7 Abs. 1 Zwölfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV vom 5. März 2021, BayMBl. Nr. 171, zuletzt geändert durch Verordnung vom 9. April 2021, BayMBl. Nr. 261) bestimmt für Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes unter anderem einen Mindestabstand von 1,5 m zwischen allen Teilnehmern (Satz 1). Die nach Art. 24 Abs. 2 BayVersG zuständigen Behörden haben, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist, durch entsprechende Beschränkungen nach Art. 15 BayVersG sicherzustellen, dass die Bestimmungen nach Satz 1 eingehalten werden und die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren auch im Übrigen auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt bleiben; davon ist in der Regel auszugehen, wenn die Versammlung nicht mehr als 200 Teilnehmer hat und ortsfest stattfindet. Sofern diese Anforderungen auch durch Beschränkungen nicht sichergestellt werden können, ist die Versammlung zu verbieten (§ 7 Abs. 1 Satz 4 der 12. BayIfSMV). Damit konkretisiert § 7 Abs. 1 der 12. BayIfSMV die versammlungsrechtliche Befugnisnorm des Art. 15 Abs. 1 BayVersG sowohl auf der Tatbestandswie auch auf der Rechtsfolgenseite im Hinblick auf von Versammlungen unter freiem Himmel ausgehende Gefahren für die Gesundheit und das Leben Einzelner (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie den Schutz des Gesundheitssystems vor einer Überlastung (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 31/20 – juris Rn. 15; vgl. auch BayVGH, B.v. 11.9.2020 – 10 CS 20.2063).
Versammlungsverbote dürfen als tiefgreifendste bzw. stärkste Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG auch in Ansehung der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit für das demokratische und freiheitliche Gemeinwesen allerdings nur verfügt werden, wenn mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen und der hierdurch bewirkte Grundrechtseingriff insgesamt nicht außer Verhältnis steht zu den jeweils zu bekämpfenden Gefahren und dem Beitrag, den ein Verbot zur Gefahrenabwehr beizutragen vermag (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – Rn. 16; vgl. auch BayVGH, B.v. 16.1.2021 – 10 CS 21.166 – juris Rn. 12 m.w.N.). Ein Versammlungsverbot scheidet nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit demnach aus, solange mildere Mittel und Methoden der Rechtsgüterkonfliktbewältigung wie versammlungsrechtliche Beschränkungen und der verstärkte Einsatz polizeilicher Kontrollen nicht ausgeschöpft oder mit tragfähiger Begründung ausgeschieden sind (BayVGH, B.v. 29.4.2010 – 10 CS 10.1040 – juris Rn. 12, unter Verweis auf BVerfG, B.v. 4.9.2009 – 1 BvR 2147/09 – juris Rn. 17 m.w.N.).
Ausgehend davon erweist sich die angefochtene Verbotsverfügung der Versammlungsbehörde auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens voraussichtlich als rechtmäßig und mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG vereinbar und die vom Verwaltungsgericht insoweit vorgenommene Interessenabwägung schon aus diesem Grund als richtig.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht die „Bedeutung des Versammlungsgrundrechts auch in Pandemiezeiten“ nicht verkannt; der Hinweis in der Beschwerdebegründung auf ein Kurzgutachten des Rechtsanwalts M. K., wonach „die zuständige Versammlungsbehörde und die Polizei in der Pflicht (seien), als Beschützer der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit Freiheitsräume für Veränderungen in Gestalt der Austragung politischer Konflikte offen zu halten“, führt insoweit nicht weiter und entbindet die Versammlungsbehörde nicht etwa von der Prüfung, ob die Anforderungen gemäß § 7 Abs. 1 der 12. BayIfSMV nur durch ein Verbot der Versammlung sichergestellt werden können.
Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Gefahrenprognose wird auch durch das Vorbringen des Antragstellers in der Beschwerdebegründung nicht durchgreifend erschüttert bzw. infrage gestellt.
Soweit der Antragsteller die erforderliche unmittelbare konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit bei der Durchführung der streitgegenständlichen Versammlung (s. Art. 15 Abs. 1 BayVersG) schon ganz grundsätzlich unter Hinweis auf den – mit zahlreichen Wortzitaten wiedergegebenen – „wissenschaftlichen Erkenntnisstand“ und die „erdrückende Tatsachen- und Beweislage“ insbesondere auf dem Gebiet der Aerosolforschung und die danach „nicht existierende Infektionsgefahr unter freiem Himmel“ sowie auf die (angebliche) Ungeeignetheit des Abstellens auf die vom Robert-Koch-Institut ermittelten und veröffentlichten Fallzahlen (Inzidenz) bestreitet, vermag er damit nicht durchzudringen.
Die Behauptung (vgl. S. 4 ff. der Beschwerdebegründung), von Versammlungen unter freiem Himmel gehe keine relevante Infektionsgefahr aus, gibt dem Senat – zumal im Eilverfahren – keinen Anlass, von der Bewertung in § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG durch den Gesetzgeber, dem eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der infektiologischen Gefährlichkeit von sozialen Kontakten zukommt (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.2020 – 1 BvR 1027/20 – juris Rn. 7), abzuweichen (stRspr des Senats, vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 27.2.2021 – 10 CS 21.602 – juris Rn. 22; B.v. 21.2.2021 – 10 CS 21.526 – juris Rn. 16).
Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang auf einen offenen Brief der Gesellschaft für Aerosolforschung, der sich im Wesentlichen mit deren Stellungnahme im aktuellen Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des IfSG (abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource/blob/834724/768b0ffcb60eb27c083564448e-10108b/19_14_0323-7-_Gesellschaft-fuer-Aerosolforschung_-viertes-BevSchGdata.pdf) deckt, Bezug nimmt (vgl. S. 4 ff. der Beschwerdebegründung), ergibt sich zwar daraus die besondere Bedeutung von Kontakten in Innenräumen für das Infektionsgeschehen, nicht aber die Ungefährlichkeit von Versammlungen unter freiem Himmel. Die insoweit genannten Beispiele betreffen allesamt Individualkontakte weniger Personen und keine größeren Menschengruppen. Auch im wesentlich ausführlicheren „Positionspapier der Gesellschaft für Aerosolforschung zum Verständnis der Rolle von Aerosolpartikeln beim SARS-CoV-2 Infektionsgeschehen“ vom 7. Dezember 2020 (abrufbar unter https://www.info.gaef.de/positionspapier) ist wörtlich ausgeführt: „Bei Menschenmengen mit geringen Abständen ist aber auch im Freien eine Ansteckung nicht ausgeschlossen“ (a.a.O. S. 16).
Das Vorbringen des Antragstellers, das bloße Abstellen auf die vom RKI ermittelten Inzidenzwerte genüge nicht zur Bestimmung der Erforderlichkeit von Schutzmaßnahmen (vgl. S. 8 bis 23 der Beschwerdebegründung), greift nicht durch. Die Maßgeblichkeit der vom RKI ermittelten Inzidenzwerte wird in § 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG vom Bundesgesetzgeber vorgegeben und ist zumindest nicht evident sachwidrig (vgl. auch BayVerfGH, E.v. 22.3.2021 – Vf. 23-VII-21 – Rn. 26 ff.), sodass es – jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. nur Sieckmann/Kessal-Wulf in v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, § 100 Rn. 8 ff.) – nicht darauf ankommt, auf welcher Grundlage die vom RKI veröffentlichten Fallzahlen ermittelt wurden (BayVGH, B.v. 30.3.2021 – 20 NE 21.805 – juris Rn. 46; B.v. 25.2.2021 – 20 NE 21.475 – juris Rn. 28; B.v. 8.9.2020 – 20 NE 20.2001 – juris Rn. 28; im Einzelnen OVG Berlin-Bbg., B.v. 5.3.2021 – 11 S 17/21 – juris Rn. 41 bis 52). Das sinngemäße Argument des Antragstellers (vgl. S. 11 ff. der Beschwerdebegründung), dass mittels PCR-Tests keine aktuelle Infektiösität der Testperson nachgewiesen werden und deshalb die Voraussetzungen des IfSG für Schutzmaßnahmen nach den §§ 28 und 28a IfSG nicht durch den Verweis auf das mittels PCR-Tests ermittelte Infektionsgeschehen nachgewiesen werden könne, beruht zudem auf einer unzutreffenden Interpretation der gesetzlichen Grundlagen und ist deshalb irrelevant (vgl. dazu ausführlich BayVGH, B.v. 24.1.2021 – 10 CS 21.249 – BeckRS 2021, 479 – Rn. 34).
Die Antragsgegnerin durfte zu Recht davon ausgehen, dass die aktuelle epidemiologische Lage (nicht nur) in K* … Schutzmaßnahmen in Form von Beschränkungen der Versammlungsfreiheit erforderlich macht. Das Robert-Koch-Institut (RKI) schätzt in seiner aktuellen Risikobewertung vom 15. April 2021 (abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html) die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Die Anzahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Inzidenz) betrug am 15. April 2021 bundesweit 160 (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Apr_2021/2021-04-15-de.pdf) – in Bayern 178 – und weist damit wieder eine stark steigende Tendenz auf. Wegen der Überschreitung des Schwellenwertes von 50 sind nach § 28a Abs. 3 Satz 4 und 5 IfSG umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen.
Selbst wenn man mit dem Antragsteller (vgl. S. 22 f. der Beschwerdebegründung) neben der 7-Tages-Inzidenz auf weitere Parameter wie die Auslastung des Gesundheitssystems oder die Positivrate der PCR-Tests abstellen wollte, wären Schutzmaßnahmen gegen die Verbreitung des Virus offensichtlich angezeigt. Allein die Anzahl der hospitalisierten Covid-19-Patienten einschließlich der entsprechenden Belegung von Intensivbetten auch in Bayern (Zahlenmaterial bei https://www.divi.de/joomlatools-files/docman-files/divi-intensivregister-tagesreports/DIVI-ntensivregister_Tagesreport_ 2021_04_16.pdf) genügt ohne Weiteres für die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG und daran anknüpfend § 28a Abs. 1 Nr. 10 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 IfSG. Die Positivrate der mittels PCR-Test durchgeführten Testungen liegt derzeit bei über 12% (vgl. Lagebericht des RKI vom 14.4.2021, S. 9; abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situation sberichte/Apr_2021/2021-04-14-de.pdf? blob=publicationFileäglicher Lagebericht des RKI zu COVID-19).
Auch die Behauptung des Antragstellers, dass eine Studie der Universität Oxford für das Jahr 2020 und Deutschland eine Übersterblichkeit von 3,3 Prozent errechnet habe (vgl. S. 8 f. der Beschwerdebegründung) und im März 2021 gar eine große Untersterblichkeit vorliege (vgl. S. 23 f. der Beschwerdebegründung), belegt ebenfalls nicht, dass das pandemische Geschehen keine Schutzmaßnahmen erfordere. Die Angabe eines Mittelwertes ohne jede Angabe zu den Verlaufsdaten und zur Methodik einer nicht vorgelegten Studie ist ebenso wenig ein tragfähiger Beleg für die These wie das Herausgreifen eines einzelnen, nicht repräsentativen Monats im Jahr 2021. Das Statistische Bundesamt (abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/sterbefallzahlen.html) geht z.B. für die Höhepunkte der ersten bzw. zweiten Infektionswelle von einer Übersterblichkeit von 10% im April 2020 bzw. 32% im Dezember 2020 aus, und das trotz der massiven Schutzmaßnahmen und der besonders geringen Anzahl von Grippetoten.
Welche Bedeutung die Bewertung der epidemischen Lage in Wien in einer Stellungnahme der Wiener Behörden durch das Verwaltungsgericht Wien (vgl. S. 8 ff. der Beschwerdebegründung) für das vorliegende Verfahren haben soll, erschließt sich dem Senat nicht. Gleiches gilt für eine österreichische Studie zur Ansteckungsgefahr im öffentlichen Nahverkehr (vgl. S. 5 f. der Beschwerdebegründung), zumal im vorliegenden Fall weder die Versammlungsbehörde noch das Verwaltungsgericht auf solche Gefahren abgestellt haben. Die vom Antragsteller erstinstanzlich weiter angeführte Entscheidung des Amtsgerichts Weimar vom 8. April 2021 erachtet der Senat hinsichtlich der Annahme der Rechtswegzuständigkeit, der Verfahrensgestaltung, der Art und Weise der Sachverhaltsermittlung und des Ergebnisses als ausbrechenden Rechtsakt und misst ihr daher keine Bedeutung bei.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass ein Verbot der sich fortbewegenden Versammlung erforderlich ist, um nicht mehr vertretbare Infektionsgefahren zu verhüten. Der Senat verweist diesbezüglich zunächst auf die dargestellte Regelvermutung in § 7 Abs. 1 der 12. BayIfSMV sowie auf seine gefestigte Rechtsprechung hierzu (vgl. etwa BayVGH, B.v. 16.1.2021 – 10 CS 21.166; B.v. 24.1.2021 – 10 CS 21.21.249; B.v 31.1.2021 – 10 CS 21.323; B.v. 27.2.2021 – 10 CS 21.602), wonach eine infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit bei stationären Versammlungen bei einer Zahl bis zu 200 Teilnehmern vermutet wird, wenn Maskenpflicht besteht und der Mindestabstand zwischen den Teilnehmern eingehalten werden kann. Auch hält der Senat an seiner Auffassung fest, dass ein mobiler Aufzug ein dynamisches Geschehen ist, weil er sich nicht gleichmäßig bewegt, sondern es regelmäßig je nach individuellem Gehtempo beziehungsweise Entwicklung der Versammlung zu (unerwarteten) Stockungen, Beschleunigungen und Verschiebungen innerhalb der Gruppe der Versammlungsteilnehmer kommt, weshalb grundsätzlich die Gefahr besteht, dass es zu nicht unerheblichen Unterschreitungen des aus Infektionsschutzgesichtspunkten gebotenen Mindestabstandes kommt (vgl. auch BVerfG, B.v. 21.11.2020 – 1 BvQ 135/20 – juris Rn. 11). Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass nach § 7 der 12. BayIfSMV Aufzüge generell nicht stattfinden können. Vielmehr hat die Versammlungsbehörde zu prüfen, ob die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit durch entsprechende Beschränkungen sichergestellt werden kann. Zu berücksichtigen sind dabei die angezeigte Teilnehmerzahl, die Versammlungsörtlichkeit bzw. Wegstrecke, die Art und Weise der Versammlung, die Gewährleistung der Einhaltung des Mindestabstands und der Maskenpflicht sowie die aktuelle pandemische Lage (BayVGH, B.v. 20.11.2020 – 10 CS 20.2745; B.v. 27.2.2021 – 10 CS 21.602). Im vorliegenden Fall bieten die zu erwartenden Teilnehmer nach Überzeugung des Senats keine ausreichende Gewähr für eine eigen-verantwortliche Einhaltung der erforderlichen Abstands- und Hygieneanforderungen. Ein belastbares Hygienekonzept des Antragsstellers liegt nicht vor. Die Durchführung des „Helikopters“ (Drehen um die eigene Achse mit ausgestreckten Armen, bis keine Berührung mit einer anderen Person mehr erfolgt) durch die Teilnehmer ist in einer sich fortbewegenden Versammlung in keiner Weise geeignet, da so hergestellte Abstände schon nach wenigen Schritten wieder verändert sein können. Dass der Antragsteller kein durchdachtes Ordnerkonzept besitzt, ergibt sich auch daraus, dass er vorträgt, es sei Aufgabe der Polizei bzw. der Versammlungsbehörde, ihm mitzuteilen, wieviele Ordner er zur Verfügung zu stellen habe. Weiter bringt er vor, die angekündigten 2.000 Teilnehmer könnten sich auf der Aufzugsstrecke von 3.000 m verteilen, so dass der Mindestabstand von 1,5 m ohne weiteres eingehalten werden könne. Wie der Antragsteller damit sicherstellen will, dass das dynamische Geschehen eines Aufzugs faktisch kontrolliert und auf zwangsläufige Stauungen und Stockungen reagiert werden könnte, ohne dass die erforderlichen Mindestabstände unterschritten werden, ist nicht ersichtlich.
Die Antragsgegnerin hat im Rahmen ihrer Gefahrenprognose für die streitgegenständliche Versammlung unter Bezugnahme und Auswertung einer ausführlichen und nachvollziehbaren Stellungnahme (Gefahrenprognose) der Polizeiinspektion K* … vom 14. April 2021 zu Erkenntnissen und Erfahrungen aus bisherigen Versammlungen der „Querdenken-Bewegung“ überzeugend dargelegt, dass die bekundete Kooperationsbereitschaft angesichts der Mobilisierung für die Versammlung und des zu erwartenden Teilnehmerkreises letztlich nur als Lippenbekenntnis zu werten ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG. Da die Entscheidung die Hauptsache im Wesentlichen vorwegnimmt, sieht der Senat keinen Anlass, den Streitwert gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu mindern.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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