Medizinrecht

Versicherungspflicht in der Rentenversicherung

Aktenzeichen  S 15 R 1782/15

Datum:
10.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NZS – 2016, 317
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V SGB V § 121 Abs. 5
SGB III SGB III § 25
SGB IV SGB IV § 7a
KHEentG § 18 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Mit dem LSG Stuttgart (Urteil vom 17.4.2013 – L 5 R 3755/11, RN 87 bis 141) ist die selbstständige Tätigkeit eines Honorararztes, der kein Beegarzt ist, im Krankenhaus nicht von der Rechtsordnung gedeckt und damit unzulässig (a. A.SG Berlin, Urteil vom 26.2.2014 – S 208 KR 2118/12; SG Braunschweig, Urteil vom 25.7.2014 – S 64 KR 206/12). Dies ergibt sich bereits aus den Regelungen von §§ 18 III KHEentG, 121 V SGB V, wonach der Gesetzgeber eine Honorarvereinbarung mit Belegärzten zugelassen hat. (amtlicher Leitsatz)
2. Die Aufspaltung eines Beschäftigungsverhältnisses in die Betreuung von Patienten der Gesetzlichen Krankenversicherung und in die Betreuung von Privatpatienten, um die Abrechnung von Wahlleistungen zu ermöglichen, ist unzulässig. (amtlicher Leitsatz)
3. Sind Anästhesisten in einem Krankenhaus nicht als Belegarzt tätig, besteht ein Beschäftigungsverhältnis. (redaktioneller Leitsatz)
4. Auf anästhesistische Tätigkeiten für gesetzlich und privat krankenversicherte Patienten im Krankenhaus finden die Grundsätze des einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses Anwendung. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Beklagte trägt 20%, die Klägerin zu 1. und der Kläger zu 2. gesamtschuldnerisch 80% der außergerichtlichen Kosten.

Gründe

Die zulässige Klage ist im Hinblick auf den noch zu entscheidenden Streitgegenstand nicht begründet.
Der Bescheid vom 16.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2015 ist insoweit rechtmäßig und beschwert die Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -. Ein Anspruch auf Zurücknahme des Bescheids vom 02.06.2015 besteht im Hinblick auf den umrissenen Streitgegenstand nicht. Der Kläger war bei der Klägerin als Honorararzt für Anästhesie abhängig beschäftigt und unterliegt daher ab dem 01.01.2014 der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dem gegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.
Ob eine “Beschäftigung” vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich daraus ergebene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4; BSG SozR 3-4100 § 168 Nr. 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG SozR 2200 § 1227 Nr. 8; BSG SozR 3-2400 § 7 Nrn. 13 und 15). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung, so wie sie praktiziert wird, und die praktische Beziehung, so wie sie rechtlich zulässig ist.
Die praktisch ausgeübte Beziehung ist bereits rechtlich nicht zulässig. Der Kläger ist entgegen der ursprünglichen Darstellung der Kläger kein Belegarzt. Hierfür fehlt es bereits an einer vertragsärztlichen Zulassung und an einer belegärztlichen Anerkennung (vgl. § 18 Abs. 1 KHEntgG). Der Kläger ist mithin als Honorararzt tätig. Die selbstständige Tätigkeit eines Honorarztes im Krankenhaus wird von der Rechtsordnung nicht gedeckt und ist damit unzulässig. Die erkennende Kammer folgt insoweit der überzeugenden Rechtsprechung des LSG Stuttgart (Urteil vom 17.04.2013, Az. L 5 R 3755/11, Rn. 87 bis 141; a.A. SG Berlin, Urteil vom 26.02.2014, S 208 KR 2118/12, wobei hier entscheidend auf den Belegarzt-Honorarvertrag abgestellt wird, welches aber gegen die Einbindung eines selbstständigen Honorararztes spricht – vgl. hierzu gleich unten; kritisch zum Urteil des SG Berlin Prof. Dr. Walter, jurisPR-MedizinR 4/2014 Anm. 4), die sie sich zu eigen macht.
Den vom LSG Stuttgart dargelegten Gründen ist zu folgen. Insbesondere ist nach der Auffassung der erkennenden Kammer in Übereinstimmung mit dem LSG Stuttgart die Formulierung in § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG „auch durch nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte“ nicht dahingehend zu verstehen, dass das von der Klägerin praktizierte Honorararztmodell bei gleichzeitiger Abrechnung von Hauptabteilungs-DRGs (in voller Höhe) rechtskonform ist (a.A. Hanau, MedR 2015, 33: 77, 78). Hiergegen spricht bereits die mit Wirkung vom 25.03.2009 eingeführte Regelung von § 18 Abs. 3 KHEntgG, die vom Reformgesetzgeber (bezüglich der Einfügung des oben genannten Halbsatzes) zum 01.01.2013 unverändert geblieben ist. Denn der Gesetzgeber normierte für den Beleghonorarvertrag einen Abschlag von 20% bezüglich der Hauptabteilungs-DRG (allerdings nicht wegen der Herausrechnung der ärztlichen Leistung, denn diese ist in der verminderten Fallpauschale enthalten, sondern um die günstigeren Kostenstrukturen der belegärztlichen Versorgung abzubilden, vgl. Spickhoff, Medizinrecht, § 18 KHEntgG, Rn. 7), weshalb das Modell in der Praxis kaum Anwendung findet (Spickhoff, a. a. O.). Würde § 2 Abs. 1 KHEntgG einen Honorarvertrag mit jeglichem selbstständigen Arzt – unabhängig davon, ob eine vertragsärztliche Zulassung und eine Belegarztanerkennung bestehen oder nicht – ohne die Rechtsfolge eines 20-prozentigen Abschlags auf die Hauptabteilungs-Fallpauschale ermöglichen, würden die Regelungen von §§ 18 Abs. 3 KHEntgG, 121 Abs. 5 SGB V leerlaufen.
Die Kläger wären daher gehalten gewesen, nach Erwerb eines Kassenarztsitzes durch den Kläger und der Anerkennung als Belegarzt den (rechtlich möglichen) Beleghonorarvertrag im Sinne von §§ 18 Abs. 3 KHEntgG, 121 Abs. 5 SGB V abzuschließen. Nach Auskunft des Klägers wäre es auch selbst für A-Stadt relativ einfach, einen Kassenarztsitz im Fachbereich Anästhesie zu erhalten. Nicht ausreichend es jedenfalls, dass der Kläger angestellter Arzt des MVZ ist, welches nach Auskunft des Vorstands der Klägerin wiederum einen Vertragsarztsitz im Fachgebiet Anästhesie und eine Belegarztanerkennung besitzt. Denn in dieser Konstellation ist abrechnungsbefugt nur das MVZ, obwohl die belegärztliche Leistung für das MVZ durch den benannten angestellten Arzt erfolgt (BSG, Urteil vom 23.03.2011, B 6 KA 15/10, Rn. 20, juris). Die Belegarzt-Vereinbarung hätte damit richtigerweise zwischen dem MVZ und der Klägerin geschlossen werden müssen.
Die Argumentation (vgl. SG Braunschweig, Urteil vom 25. Juli 2014 – S 64 KR 206/12 -, Rn. 28 ff., 30, juris), dass sich ein möglicher Verstoß des Honorararztes gegen Berufsrecht nur auf die Zulassung des Honorararztes auswirken würde und darüber im Statusverfahren nicht entschieden werden müsse, bzw. dass es unerheblich wäre, wenn das Krankenhaus aufgrund des Einkaufs von ärztlichen Leistungen auf dem freien Markt mit der Zulassung als Vertragskrankenhaus spielen würde (a. a. O., Rn. 28), verkennt hingegen, dass nach der o.g. Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine selbstständige Tätigkeit nur im Rahmen des rechtlich Erlaubten möglich ist (abweichend hierzu allerdings eine ältere Entscheidung des BSG vom 14.09.1989, 12 RK 64/87, wonach die Möglichkeit, die Kassenzulassung für eine krankengymnastische Praxis zu verlieren, allenfalls Indizwirkung entfaltet). Die weite Verbreitung dieser „honorarärztlichen“ Vertragsgestaltungen ist jedenfalls als solches kein Rechtsargument, zumal die Honorararzt-Vertragsgestaltungen relativ neu sind (Hanau, MedR 2015, 33: 77) und eine höchstrichterliche Klärung der sozialversicherungsrechtlichen Zulässigkeit noch aussteht.
Aufgrund der divergierenden Rechtsauffassungen in Rechtsprechung und Literatur zu den oben genannten Fragen wäre eine höchstrichterliche Klärung der vom LSG Stuttgart (a. a. O.) aufgeworfenen Problemen im Hinblick auf die Anerkennung eines selbstständigen Honorararztes im Krankenhaus wünschenswert gewesen. Soweit ersichtlich, wurde gegen das Urteil des LSG Stuttgart jedoch keine Revision eingelegt. Es ist zweifelhaft, ob sich der vorliegende Fall für die Klärung dieser Fragen eignet, da unabhängig von der Frage der rechtlichen Zulässigkeit des selbstständigen Honorararztes im Krankenhaus unter Würdigung aller tatsächlichen Umstände abhängige Beschäftigung vorliegt.
Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Beteiligten selbst von einer Beschäftigung ausgehen. Denn im Hinblick auf das Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei der Klägerin wurde ein Arbeitsvertrag begründet, wenn auch nur in einem Umfang von 6,5 Stunden pro Woche. Dies wurde auch nach außen mit dem Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung dokumentiert. Die Beweisaufnahme hat weiter ergeben, dass sich die praktische Handhabe des Vertragsverhältnisses im Hinblick auf die Betreuung von Privatpatienten (weshalb die 6,5 Stunden „ausgegliedert“ wurden) und im Hinblick auf die Betreuung von Kassenpatienten nahezu nicht unterscheidet (abgesehen von einer etwas ausführlicheren Nachbetreuung der Privatpatienten durch den Kläger, d. h. dass diesen privilegierten Patienten etwas mehr erklärt wird als den Kassenpatienten). Auch wurde seitens des Klägers im Schreiben vom 23.02.2014 angegeben, dass die (abhängige) Beschäftigung für das MVZ inhaltsgleich sei mit der Honorararzttätigkeit.
Ein einheitlich gelebtes Vertragsverhältnis kann aber nicht zugleich abhängig und selbstständig sein (so auch Hanau, MedR (2015) 33: 77,78). Auch wenn der Grund für die Schaffung des „offiziellen“ Arbeitsverhältnisses die Rechtsprechung des BGH zur Abrechnung von Wahlleistungen (Urteil vom 16.10.2014, a. a. O.) war, so kann nicht unterstellt werden, dass die Beteiligten in Wahrheit davon ausgehen, dass auch die Betreuung der Privatpatienten selbstständig ist. Denn dies würde bedeuten, dass betrügerisches Verhalten gegenüber den privaten Krankenkassen vorliegen würde, da eine Abrechnungsfähigkeit (aufgrund des Anstellungsverhältnisses) vorgespiegelt würde, welche in Wahrheit nicht besteht (aufgrund der tatsächlich vorliegenden selbstständigen Tätigkeit).
Vor diesem Hintergrund ist es nicht mehr schlüssig, wenn der Kläger die geltend gemachte fehlende Abhängigkeit in seiner Rechtsbeziehung zur Klägerin auch damit begründet, dass er bei privaten Patienten nach GOÄ liquidiert. Denn die Beweisaufnahme hat ergeben, dass eine (eigene) Liquidation des Klägers nach GOÄ nur bei Wahlleistungen möglich ist. Doch gerade die Wahlleistungen sollen nach dem Parteiwillen ja in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis (bezogen auf das Rechtsverhältnis zwischen den Klägern) erbracht werden.
Die Vertragspartner (d. h. die Klägerin und der Kläger) sind sich daher einig, dass Selbstständigkeit nur im Hinblick auf die Betreuung der Kassenpatienten vorliegt. Hiergegen spricht aber über die nicht mögliche Aufspaltung des einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses hinaus die tatsächliche Handhabung des Vertragsverhältnisses. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass ein Dienstplan besteht, wonach für jeden Operateur einige Wochen vorher einsehbar ist, welcher Anästhesist die Behandlung übernimmt. Grundsätzlich wird der behandelnde Anästhesist nicht vom Operateur ausgesucht, sondern vom Dienstplan der Klägerin vorgegeben. Dieser Dienstplan bestimmt letztlich auch, welche Patienten behandelt werden. D. h. entgegen der Angaben des Klägerbevollmächtigten bestimmen nicht die Operateure (die auch – entgegen der ursprünglichen Angabe – auch keine Belegärzte sind, sondern Honorarärzte mit „Beschäftigungsstatus für Privatpatienten“, für die die obigen Ausführungen entsprechend gelten) den Patientenfluss, sondern die Klägerin.
Der Kläger ist mithin in die Organisationsstruktur der Klägerin unmittelbar über einen Dienstplan eingebunden; welcher der sechs Anästhesisten (vgl. http://www.A…de/fachabteilungen/anaesthesie/) bei der Operation zuarbeitet, wird allein durch das Organisationsgefüge der Klägerin bestimmt. In dieses Organisationsgefüge ist der Kläger auch insoweit eingebunden, als er verpflichtet ist, Urlaubspläne, die Absicht zur Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen sowie andere Verhinderungen ab einer Woche Dauer der Klägerin schriftlich anzuzeigen. Der Kläger ist zudem vertraglich verpflichtet, bei den Planungen von Urlaub und Fortbildungen den Vertretungsverhältnissen im Krankenhaus Rechnung zu tragen, d. h. die Planungen der fünf anderen Anästhesie-Kollegen zu berücksichtigen. Hieraus wird deutlich, dass eine dezidierte Vertretung und Abstimmung der Fehlzeiten gelebt wird, wie dies für ein Arbeitsverhältnis typisch ist. Zudem zeigt sich aus diesen Regelungen, dass eine ständige Anwesenheit vertraglich vorausgesetzt wird, da ansonsten eine längere Abwesenheit im Vorfeld nicht angegeben werden müsste. Dies entspricht aber gerade nicht dem Typus eines selbstständigen Auftragsverhältnisses, da die Anwesenheit des Selbstständigen gerade nicht vorausgesetzt werden kann, sondern erfragt werden muss. Es wird demnach in der „Belegarzt-Vereinbarung“ inzident vorausgesetzt, dass der Kläger ein ständiges Mitglied der Arbeitsorganisation der Klägerin ist. Dem entspricht auch die Angabe des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass er regelmäßig zweimal in der Woche an wechselnden Tagen von Montag bis Donnerstag Anästhesiesprechstunden abhält.
Entsprechend wurde auch der Außenauftritt der Klägerin (http://www.A…de/fachabteilungen/anaesthesie/) gestaltet, wonach in der Fachabteilung für Anästhesie sechs Anästhesisten wie Arbeitnehmer aufgelistet werden, d. h. es fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass diese sechs Anästhesisten „derzeit“ bei der Klägerin tätig sind oder dass es sich um ein Auftragsverhältnis handelt. Vielmehr wird der Eindruck erweckt, dass die sechs Ärzte ständiges Personal der Klägerin sind.
Wie bei eigenem Personal übernimmt die Klägerin auch die „Lohnbuchhaltung“ für den Kläger, d. h. die Verwaltung der Klägerin kreiert die Rechnungen, die formal der Kläger der Klägerin stellt. Wie in einem typischen Angestelltenverhältnis bedient sich der Kläger der Betriebsmittel der Klägerin und ist als leitender Arzt fachlich weisungsbefugt gegenüber dem pflegerischen Personal der Klägerin, soweit dies für die Tätigkeit erforderlich ist.
Es kann auch nicht dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten gefolgt werden, dass keine Weisungsbefugnis seitens der Klägerin bestehen würde. Unabhängig davon, dass diese Weisungsbefugnis (gerade im Kontext von leitenden Ärzten) zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein kann (kritisch hierzu Hanau, a. a. O., 77,85), ist vertraglich festgeschrieben, dass der ärztliche Leiter der Klägerin dem Kläger organisatorische Anweisungen erteilen kann. Zu dieser Regelung wurde ausgeführt, dass der Kläger selbst das fachliche Letztentscheidungsrecht habe. Dieser sorge für die Einhaltung des Facharztstandards. Eine dezidierte Kontrolle durch die Klägerin würde nur bei Haftungsfällen und bei offensichtlich mangelhafter Patientenversorgung eingeleitet werden. Dies zeigt, dass das Verständnis der Kläger bezüglich ihres Vertragsverhältnisses dergestalt ist, dass bei Mängeln eine dezidierte Kontrolle möglich ist. Auch dies entspricht einem Anstellungsverhältnis, wie dies bei leitenden Ärzten üblich ist. Dem entspricht auch § 3 des Arbeitsvertrags zwischen den Klägern vom 28.11.2014, wonach der Kläger seine ärztlichen Leistungen selbstständig und höchstpersönlich erbringt und in Diagnostik und Therapie unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet ist. D. h. die fachliche Weisungsfreiheit ist dem Vertragsverhältnis zwischen den Klägern, wie dies auch in einem dezidiert so bezeichneten Arbeitsverhältnis gelebt wird, immanent und damit kein taugliches Abgrenzungskriterium für Selbstständigkeit bzw. Abhängigkeit. Die Ausführungen der Klinikleitung der Klägerin zeigen aber, dass unter einem organisatorischen Weisungsrecht, wie dies im „Belegarzt-Vertrag“ festgelegt worden ist, letztlich auch ein disziplinarisches Weisungsrecht zu verstehen ist. Dass dies mangels Anlass noch nicht ausgeübt worden ist, ist rechtlich unerheblich, da es nur auf die Rechtsmacht des Arbeitgebers und nicht auf deren tatsächliche Ausübung ankommt (vgl. hierzu die „Schönwetter-Rechtsprechung“ des BSG: BSG, Urteil vom 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, Rn. 32 unter juris; ebenso Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22. März 2013 – L 4 KR 3725/11 – juris Rn. 35).
Weiter ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger in die Rufbereitschaft der Klägerin eingegliedert ist. Zwar regeln die Anästhesisten diese weitgehend autonom, sie müssen aber dafür sorgen, dass die Klägerin über die vereinbarten Bereitschaftsdienste jederzeit Kenntnis hat. Eine Rufbereitschaft ist als wesentliches Indiz für die Eingliederung in die Organisation der Klägerin aufgrund der engen sachlichen, örtlichen und personellen Verzahnung anzusehen (vergleiche LSG Stuttgart, Urteil vom 20.08.2015, Az. L 4 R 1001/15). Schließlich hat der Kläger keinerlei unternehmerisches Risiko zu tragen und kann fristlos gekündigt werden, wenn er ohne Genehmigung durch die Klägerin bei einem anderen Krankenhaus arbeitet: Umstände, die die enge Anbindung des Klägers an die Klägerin aufzeigen.
Nach allem sprechen die weit überwiegenden Umstände für eine abhängige Beschäftigung des Klägers. Alleine die weitgehende zeitliche Dispositionsbefugnis, was die Annahme des „Einzelauftrags“ angeht, d. h. die Entscheidung darüber, an welchen zwei von vier Wochentagen der Kläger arbeitet, spricht für eine selbstständige Tätigkeit. Aber auch dieses Kriterium ist sehr relativ, da auch in modernen Teilzeit-Arbeitsverhältnissen häufig eine erhebliche zeitliche Flexibilität vereinbart wird.
Das von der Klägerin erstellte Modell eines geteilten Beschäftigungsverhältnisses ist demnach rechtlich und tatsächlich sehr kritisch zu sehen und sollte auch in Bezug auf die anderen betroffenen (operierenden) Ärzte auf den Prüfstand kommen. Wünschenswert wäre darüber hinaus eine grundsätzliche Klärung nach der rechtlich möglichen selbstständigen Tätigkeit eines Honorararztes im Krankenhaus. Soweit ersichtlich und wie der Klägerbevollmächtigte zu Recht festgestellt hat, wird dieser in der Judikatur der ordentlichen Gerichtsbarkeit (wohl) akzeptiert (vgl. BGH, a. a. O.), so dass eine grundsätzliche Klärung im Hinblick auf sozialrechtliche Fragestellungen wünschenswert wäre.
Der Streit ist beschränkt auf die Frage nach einer Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung. Wie das LSG Stuttgart zu Recht festgestellt hat (a. a. O. Rn. 144 ff., juris), gibt es bei Vorliegen eines Rahmenvertrags und einer regelmäßigen Tätigkeit in Ausfüllung dieses Rahmenvertrags keinen Anhalt für eine unständige Beschäftigung, so dass hier bei Erfüllung dieser Kriterien Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
Nach allem war die Klage im noch streitigen Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193, 194 S. 2 SGG, da beide Kläger kostenprivilegiert sind. Legen gegen ein Urteil mehrere Beteiligte Rechtsmittel ein, von denen einer zum kostenrechtlich begünstigten Personenkreis des § 183 SGG gehört und ein anderer nicht, so richtet sich die Kostenentscheidung in dem Rechtszug für alle Beteiligten einheitlich nach § 193 SGG (BSG, Beschluss vom 29. Mai 2006 – B 2 U 391/05 B -, SozR 4-1500 § 193 Nr. 3, SozR 4-1500 § 197a Nr. 3). Dies gilt entsprechend für die Klageerhebung einer kostenprivilegierten Person, die Streitgenosse einer nicht kostenprivilegierten Person ist. Das Streitverhältnis konnte gegenüber den Klägern nur einheitlich entschieden werden, so dass die Kosten insoweit als Gesamtschuldner aufzuerlegen waren. Die Quotelung ergibt sich aus der Vereinbarung der Beteiligten vom 10.03.2016.

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