Aktenzeichen S 21 KA 14/14
EKV-Ä § 14 Abs. 1
BMV-Ä BMV-Ä § 15 Abs. 1, § 24
Leitsatz
Wird eine zuvor angestellte Arztin formal als Ärztin eines MVZ geführt, besteht aber überwiegend Patientenidentität, liegt ein Gestaltungsmissbrauch der Kooperationsform vor, welcher zur Honorarrückforderung berechtigt. (Rn. 46 – 53) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Bescheid der Beklagten vom 29.12.2010 (Quartal 3/2006), abgeändert durch Abhilfebescheid vom 13.12.2011, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2013, wird insoweit abgeändert, als die Rückforderungssumme auf 6.601,72 € reduziert wird.
II. Der Bescheid der Beklagten vom 8.3.2011 (Quartal 4/2006), abgeändert durch Abhilfebescheid vom 13.12.2011, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2013, wird insoweit abgeändert, als die Rückforderung auf 9.177,85 € reduziert wird.
III. Der Bescheid der Beklagten vom 10.6.2011 (Quartal 1/2007), abgeändert durch Abhilfebescheid vom 13.12.2011, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2013, wird insoweit abgeändert, als die Rückforderung auf 9.935,01 € reduziert wird.
IV. Der Bescheid der Beklagten vom 29.8.2011 (Quartale 2/2007 bis 3/2010) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2013, wird insoweit abgeändert, als die Rückforderung auf 147.334,10 € reduziert wird.
V. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
VI. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger ein Drittel und die Beklagte zwei Drittel.
Gründe
I.
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 29.12.2010 (Quartal 3/2006), 8.3.2011 (Quartal 4/2006) und 10.6.2011 (Quartal 1/2007), diese abgeändert durch Abhilfebescheid vom 13.12.2011, sowie der Bescheid vom 29.8.2011 (Quartale 2/2007 bis 3/2010), alle jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2013, sind zum Teil rechtswidrig und verletzen die Klägerin insoweit in ihren Rechten, als ein zu niedriges Honorar in den Streitgegenständlichen Quartalen festgesetzt und zu hohe Honorarrückzahlungen gefordert wurden.
1. Das Gericht konnte nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten nach vorheriger Anhörung einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid zugestimmt haben.
2. Die von der Beklagten ausgesprochenen Aufhebungen der Honorarbescheide vom 10.1.2007 (Quartal 3/2006), 11.4.2007 (Quartal 4/2006), 10.7.207 (Quartal 1/2007), 10.10.2007 (Quartal 2/2007), 9.1.2008 (Quartal 3/2007), 9.7.2008 (Quartal 1/2008), 9.10.2008 (Quartal 2/2008), 10.3.2009 (Quartal 3/2008), 21.4.2009 (Quartal 4/2008), 23.9.2009 (Quartal 1/2009),17.2.2010 (Quartal 2/2009), 21.4.2010 (Quartal 3/2009), 19.5.2010 (Quartal 4/2009), 18.8.2010 (Quartal 1/2010), 17.11.2010 (Quartal 2/2010) und 16.2.2011 (Quartal 3/2010) sind rechtmäßig.
Die von der Beklagten ausgesprochene Aufhebung des Honorarbescheides vom 9.4.2008 (Quartal 4/2007) ist dagegen rechtswidrig, weil die Beklagte in diesem Quartal nicht mindestens eine grob fahrlässige Falschabrechnung nachgewiesen hat.
a) Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide § 106a Abs. 1 und 2 S. 1 SGB V. Danach stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest. Eine Richtigstellung hat demnach zu erfolgen, wenn ein Vertragsarzt bei seiner Quartalsabrechnung Gebührenordnungspositionen ansetzt, deren Tatbestand durch seine Leistungen nicht erfüllt ist oder die er aus anderen Gründen nicht in Ansatz bringen darf. Die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honoraranforderung besteht nicht nur im Falle rechnerischer oder gebührenordnungsmäßiger Fehler, sondern erfasst auch Fallgestaltungen, in denen der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet hat, etwa Leistungen innerhalb einer nicht der Zulassung entsprechenden Kooperationsform erbringt (BSG, Urteil vom 22.3.2006, Az. B 6 KA 76/04 R; Rn. 11, 13ff.).
Nach der Rechtsprechung des BSG kann über die Berichtigung einzelner Leistungspositionen hinausgehend der gesamte Honorarbescheid aufgehoben und das Quartalshonorar neu festgesetzt werden, wenn die Honorarabrechnung des Vertragsarztes erwiesenermaßen einen Fehlansatz aufweist, bei dem ihm – wie vorliegend – grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Denn in diesem Fall erfüllt die jeder Quartalsabrechnung beizufügende sogenannte Sammelerklärung nicht mehr ihre Garantiefunktion und gilt damit als nicht wirksam abgegeben, sodass die gesamte quartalsbezogene Honorarabrechnung zu Fall kommt (BSG, Urteil vom 17.9.1997, Az. 6 RKa 86/95). Die Aufhebung des gesamten Honorarbescheids hat zur Folge, dass das Honorar insgesamt neu festzusetzen ist, wobei eine Schätzung erfolgen kann.
b) Die Kooperationsform einer Praxisgemeinschaft wurde durch die Klägerin und Frau Dr. St. missbräuchlich genutzt und das Ausscheiden von Frau Dr. St. aus dem MVZ zum 1.5.2005 nicht tatsächlich umgesetzt.
Für die berufliche Kooperation im Status einer Gemeinschaftspraxis im Sinne des § 33 Abs. 2 S. 1 Ärzte-ZV ist kennzeichnend, dass sich mehrere Ärzte des gleichen Fachgebiets oder ähnlicher Fachgebiete zur gemeinsamen und gemeinschaftlichen Ausübung des ärztlichen Berufs in einer Praxis zusammenschließen, wobei – über die gemeinsame Nutzung der Praxiseinrichtungen sowie die gemeinsame Beschäftigung von Personal hinaus – die gemeinschaftliche Behandlung von Patienten und die gemeinschaftliche Karteiführung und Abrechnung in den Vordergrund treten (vgl. BSG, Urteil vom 22.3.2006, Az. B 6 KA 76/04 Rn. 14). Die Organisation der Behandlung von Patienten, der Karteiführung und der Abrechnung stellt sich bei einem MVZ ähnlich dar, auch hier findet eine gemeinschaftliche ärztliche Behandlung und gemeinsame Karteiführung statt. Bei der Praxisgemeinschaft handelt es sich dagegen um eine Organisationsgemeinschaft, die nicht der gemeinsamen, in der Regel jederzeit austauschbaren ärztlichen Behandlung an gemeinsamen Patienten dient. Inhalt ist vielmehr die gemeinsame Nutzung von Praxisräumen sowie die gemeinsame Beschäftigung von Personal durch mehrere Ärzte mit dem vorrangigen Zweck, bestimmte Kosten zur besseren Ausnutzung der persönlichen und sachlichen Mittel auf mehrere Ärzte umzulegen. Es verbleibt bei der selbständigen Praxisführung mit verschiedenem Patientenstamm und jeweils eigener Patientenkartei (BSG, a.a.O., Rn. 15).
aa) Nach der Rechtsprechung des BSG (begründet mit Urteil vom 22.3.2006, Az. B 6 KA 76/04 R (Rn. 20), fortgesetzt mit Beschluss vom 5.11.2008, Az. B 6 KA 17/07 B; Beschluss vom 11.5.2011, Az. B 6 KA 1/11 B; Beschluss vom 6.2.2013, Az. B 6 KA 43/12 B; Beschluss vom 2.7.2014, Az. B 6 KA 2/14 B; vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.5.2010, Az. L 3 KA 74/07; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.3.2015, Az. L 7 KA 5/12) ist die für eine Gemeinschaftspraxis kennzeichnende gemeinsame und gemeinschaftliche Ausübung der ärztlichen Tätigkeit durch Behandlung eines gemeinsamen Patientenstammes jedenfalls dann auch ohne weitere Ermittlungen anzunehmen, wenn zwei in der Rechtsform einer Praxisgemeinschaft kooperierende Vertragsärzte desselben Fachgebietes mehr als 50% der Patienten im Quartal gemeinsam behandeln. Bei einer derart hohen Patientenidentität müsse das Patientenaufkommen koordiniert werden, was die für eine Gemeinschaftspraxis typische einheitliche Praxisorganisation erfordert. Ein Gestaltungsmissbrauch liege insbesondere dann vor, wenn unter der Rechtsform der Praxisgemeinschaft eine vormals von diesen Vertragsärzten betriebene Gemeinschaftspraxis unter vergleichbaren Praxisbedingungen faktisch fortgeführt werde.
Diese Rechtsprechung ist auf den hier Streitgegenständlichen Sachverhalt übertragbar. Zwar handelte es sich, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, um keine fachgebietsgleiche Praxisgemeinschaft. Zwischen der hausärztlich tätigen Internistin Frau Dr. St. und den in verschiedenen Schwerpunkten tätigen Internisten des MVZ gibt es im Behandlungsspektrum jedoch ausreichend große potentielle Überschneidungen, die eine Übertragung der Rechtsprechung zu den fachgebietsgleichen Praxisgemeinschaften rechtsfertigen. Nach den von der Beklagten vorgelegten Aufstellungen zu den jeweils in beiden Praxen behandelten Patienten und den gemeinsam behandelten Patienten auf Seiten 3549 und 3622 (Ordner 3) der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, an denen zu zweifeln für das Gericht kein Anhaltspunkt bestand, wurden ausgehend von der kleineren Praxis der Frau Dr. St. zwischen 49,00% (Quartal 3/2006) und 88,36% (Quartal 3/2008) der Patienten gemeinsam behandelt. Besonders auffällig sind die Quartale 3/2008 bis 4/2009, 2/2010 und 3/2010 mit einem Anteil gemeinsam behandelter Patienten von deutlich über 70%, teilweise über 80% an den abgerechneten Behandlungsfällen von Frau Dr. St.
Die im MVZ vertretenen verschiedenen Schwerpunkte (Gastroenterologie, Kardiologie, Onkologie etc.) rechtfertigen nicht eine Aufteilung der gemeinsam behandelten Patienten auf die unterschiedlichen Schwerpunkte mit dem Ergebnis einer Quote gemeinsamer Patienten je Arzt des MVZ von unter 50%. Die Leistungen der angestellten Ärzte und der im MVZ tätigen Vertragsärzte werden dem MVZ zugerechnet und von diesem gegenüber der Beklagten abgerechnet. Nur dieses selbst tritt der Beklagten als Rechtssubjekt gegenüber (BSG, Urteil vom 11.12.2013, Az. B 6 KA 39/12 R, Rn. 27).
bb) Überdies sieht das Gericht den Missbrauch der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft nicht allein durch die auffällig hohe Quote gemeinsam behandelter Patienten, sondern auch durch weitere Tatsachen, die gegen eine Realisierung der zum 1.5.2005 in der Organisationsform eingetretenen Änderung im Praxisalltag sprechen, als erwiesen an.
(1) Bereits der von der Praxisgemeinschaft verwendete Briefkopf lässt nicht hinreichend deutlich erkennen, dass Frau Dr. St. organisatorisch getrennt vom MVZ ärztlich tätig wird. Beispielhaft wird hier auf die im Rahmen des Verfahrens bei der Beklagten vorgelegten Befundberichte für I. S-3 vom 25.7.2006 (Schilddrüsensonographie vom 25.7.2006), A. K. vom 5.9.2006 (Schilddrüsensonographie vom 5.9.2006) und C. F. vom 24.1.2008 (Abdomensonographie vom 24.1.2008) (alle vorgelegt durch die Beklagte als Blatt 1529, 1549 und 1365 in Ordner 9 von 13) sowie ein Schreiben von Herrn Dr. C. vom 12.3.2010 an die Beklagte (im Rahmen der vorangegangenen Plausibilitätsprüfung) verwiesen. Nach dem Briefkopf tritt eine aus Dr. med. J. C., Dr. med. T. St., Dr. med. K. S2, Dr. med. C. von S., Dr. med. A. K. und Dr. med. M. von S. bestehende „Kooperationsgemeinschaft von Fachärzten für Innere Medizin“ als Behandler auf. Weder für den Patienten noch für andere Außenstehende ist erkennbar, dass ein MVZ besteht, dass Frau Dr. St. und das MVZ getrennte Praxen sind und dass eben keine gemeinsame und gemeinschaftliche Behandlung von Patienten erfolgt. Belegt wird dies durch Entlassungsberichte der A-klinik in A-Stadt vom 7.7.2006, 11.8.2006 und 14.9.2006 im Behandlungsfall Hagn (Bl. 2720, 2748 und 2760 der Verwaltungsakte der Beklagten). Dieser ist adressiert an „Drs. med. von S., Spanl C., K., St.; A-Straße, A-Stadt“. Es wird deutlich, dass auch die Klinik nicht zwischen dem MVZ und der Praxis Dr. St. differenzierte.
Auch ist aus dem von der Praxisgemeinschaft verwendeten Briefkopf nicht ersichtlich, dass Frau Dr. St. über eine hausärztliche Zulassung verfügt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass dieser Briefkopf vom Ärztlichen Bezirksverband genehmigt worden ist. Es mag sein, dass der Briefkopf den berufsrechtlichen Anforderungen genügt. Den vertragsarztrechtlichen Anforderungen in Bezug auf die Transparenz der gewählten und durch die Zulassungsgremien erteilten Zulassungsform genügt er jedenfalls nicht.
(2) Aus den vorliegenden Unterlagen ist ersichtlich, dass Leistungen, die von einer Praxis erbracht wurden, durch die andere Praxis abgerechnet wurden.
Im Behandlungsfall B. im Quartal 3/2006 wurde im MVZ eine duplexsonographische Untersuchung der Beinvenen am 21.7.2006 durchgeführt und laut Behandlungsausweis abgerechnet. Die Patientin war durch einen Facharzt für Allgemeinmedizin für diese konsiliarische Untersuchung überwiesen worden (Kopie Überweisungsschein als Blatt 2806 der Verwaltungsakte der Beklagten). Der Befundbericht wurde durch Frau Dr. K., MVZ, erstellt (Bl. 2807 der Verwaltungsakte der Beklagten). Die Abrechnung des Befundberichtes erfolgte ausweislich der Behandlungsausweise durch Frau Dr. St.
Im Behandlungsfall A1. wurde im Quartal 1/2008 am 10.1.2008 eine Impfung durch beide Praxen abgerechnet, die Notwendigkeit der Impfung aber nur in der Praxis Dr. St. als Diagnose verschlüsselt. Die Abrechnung wurde von der Klägerin als „Verwaltungsfehler“ eingestanden. Die von Frau Dr. St. erbrachte Impfleistung wurde somit offensichtlich durch die Klägerin abgerechnet.
(3) Aus den vorliegenden Behandlungsausweisen und der Stellungnahme der Klägerin ist ersichtlich, dass Verordnungen von Frau Dr. St. durch das MVZ ausgestellt oder jedenfalls abgerechnet worden sind. Beispielhaft sind hierzu die Behandlungsfälle C. im Quartal 3/2006 und F1. im Quartal 4/2006 zu nennen. Diese Sachverhalte wurden durch die Klägerin eingeräumt.
(4) Auch die Angaben von Herrn Dr. C., Frau Dr. St. und Frau Dr. K. im Schreiben vom 8.12.2010 (Bl. 3745-3749, Ordner 2 von 13) an die Beklagte im Rahmen des Plausibilitätsprüfungsverfahren enthalten deutliche Hinweise auf eine gemeinschaftliche Behandlung von Patienten und die fehlende transparente Trennung der Einzelpraxis Dr. St. und des MVZ. Das im Schreiben vom 8.12.2010 geschilderte Vorgehen, dass Frau Dr. St. bei Überlastung der Fachärzte im MVZ bei Patienten zunächst die körperliche Grunduntersuchung vorgenommen hat, so dass die fachärztlichen Kollegen im MVZ nur noch die gezielten Untersuchungen übernahmen, ist ein deutlicher Hinweis auf eine gemeinsame, arbeitsteilige Behandlung von Patienten, wie sie typisch für eine Gemeinschaftspraxis ist. Die Erläuterung des ärztlichen Leiters des MVZ in der mündlichen Verhandlung vom 28.1.2016, die Überweisung vom Hausarzt an den hausärztlich zugelassenen Internisten zur weiteren internistischen Abklärung und die anschließende Weiterüberweisung an den fachärztlichen Internisten sei in A-Stadt gängige Praxis, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Zum einen soll die Überweisung nach § 24 Abs. 4 BMV-Ä, § 27 Abs. 5 EKV-Ä nicht auf den Namen eines bestimmten Arztes, sondern auf eine Gebiets-, Schwerpunkt- oder Zusatzbezeichnung ausgestellt werden. Zum anderen ist die Überweisung an Vertragsärzte der gleichen Arztgruppe u.a. nur zulässig zur Inanspruchnahme besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die vom behandelnden Vertragsarzt nicht erbracht werden (§ 24 Abs. 4 BMV-Ä, § 27 Abs. 4 EKV-Ä). Eine gezielte Überweisung von Dritten an Frau Dr. St. würde die Vorgaben des BMV-Ä und EKV-Ä verletzen. Nicht nachgewiesen ist, dass Frau Dr. St. besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Rahmen ihrer hausärztlichen Zulassung erbrachte, die von anderen hausärztlich zugelassenen Vertragsärzten in der Region nicht erbracht wurden und daher eine Überweisung innerhalb der gleichen Arztgruppe gerechtfertigt gewesen wäre. Eine Überprüfung der Überweisungen, auf die hin Frau Dr. St. und im Wege der Weiterüberweisung auch das MVZ tätig geworden ist, war nicht möglich, da die Klägerin die Überweisungen trotz mehrfacher Anforderung durch die Beklagte im Verwaltungs- und Vorverfahren nicht vorgelegt hat.
(5) Den vorliegenden Behandlungsausweisen ist zu entnehmen, dass durch Frau Dr. St. oft Überweisungen an das MVZ vorgenommen wurden, wobei im MVZ nur Laborbestimmungen und keine weiteren Leistungen erfolgten. Beispielhaft zu nennen sind hier die Behandlungsfälle B1. vom 4.8.2006, D. vom 13.9.2006, E. vom 28.7.2006, I. vom 20.7.2006, C. vom 31.1.2007, D2. vom 24.1.2007 und K. vom 19.1.2007. Die Klägerin hat hierzu erläutert, dass es sich wegen des relativ geringen Umfangs der Praxis von Frau Dr. St. nicht gelohnt habe, dass diese ein eigenes Labor und eine eigene Verbindung zu einem Großlabor unterhält. Diese Erläuterung vermochte das Gericht nicht zu überzeugen. Zum einen hätte gerade die Kooperationsform der Praxisgemeinschaft es ermöglicht, dass vorhandene Labor gemeinsam zu nutzen. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, was einer eigenen Anbindung von Frau Dr. St. an ein Großlabor im Wege gestanden hätte. Rein wirtschaftliche Gründe rechtfertigen es nicht, Behandlungsfälle auf mehrere Praxen aufzuteilen.
(6) Auch die Erklärung der hohen Zahl gemeinsamer Patienten mit der Übernahme einer kollegialen Vertretung durch das MVZ bei Abwesenheit von Frau Dr. St. führt zu keiner anderen Beurteilung. Kollegiale Vertretungen mindern den Anteil gemeinsamer Patienten nicht (BSG, Beschluss vom 6.2.2013, Az. B 6 KA 43/12 B, Orientierungssatz: „Ein „Herausrechnen“ der Fälle „kollegialer Vertretung“ kommt nicht in Betracht.“). Nach den Angaben der Klägerin hat Frau Dr. St. regelmäßig nur an 3-4 Tagen pro Woche Sprechstunden angeboten und war insgesamt im Durchschnitt nur etwa 30 Stunden pro Woche (vertrags)ärztlich tätig. Mit diesen Arbeitszeiten konnte sie aber offenbar eine Versorgung ihrer Patienten nicht sicherstellen, wenn regelmäßig Ärzte des MVZ die Behandlung der Patienten während der Abwesenheit von Frau Dr. St. übernahmen. Die regelhafte Übernahme der Behandlung von Patienten von Frau Dr. St. durch das MVZ in Zeiten, in denen sie nicht in ihrer Praxis anwesend war, ist nach dem Beschluss des BSG vom 2.7.2014, Az. B 6 KA 2/14 B gerade ein Indiz für die gemeinsame Praxisführung. Aufeinander abgestimmte Sprechzeiten und Anwesenheitszeiten, die ein gegenseitiges „Einspringen“ bei der Behandlung ermöglichen, sind kennzeichnend für die Kooperationsform der Gemeinschaftspraxis (BSG, a.a.O., Rn. 11).
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach den vorliegenden Akten keine Vertreterscheine bei den gemeinsam von Frau Dr. St. und dem MVZ behandelten Patienten angelegt worden sind. Eine Quantifizierung der von der Klägerin reklamierten kollegialen Vertretungen konnte damit auch nicht erfolgen.
(7) Das Vorhandensein eines eigenen Vertragsarztstempels, eigener Rezeptvordrucke und Formulare, einer eigenen KV-Abrechnung etc. beweist nicht die für Dritte transparente Trennung der Praxen. Die von der Klägerin vorgebrachten Argumente sind bereits zwingend mit der Zulassung von Frau Dr. St. verbunden (vgl. etwa § 37 Abs. 1 BMV-Ä, § 22 Abs. 1 EKV-Ä). Auch kann aus der Tatsache, dass etwa Patienten ein Rezept mit einem eindeutigen Praxisstempel erhalten habe, nicht geschlossen werden, dass damit die Trennung der Praxen transparent im Alltag gelebt wurde und vor allem die Patienten auch hinreichend auf die Trennung hingewiesen wurde.
(8) Das Argument der Klägerin, die Trennung von Frau Dr. St. und dem MVZ sei nur erfolgt, weil die Vertretungsmöglichkeiten innerhalb des MVZ ungeklärt waren, überzeugte nicht. Nach dem Vortrag der Klägerin habe die Beklagte in Infoveranstaltungen darauf hingewiesen, dass es innerhalb einer BAG nicht mehr gestattet sein solle, dass der hausärztlich zugelassene Arzt den fachärztlich zugelassenen Arzt vertritt und über dessen LANR Leistungen abrechnet. Es ist nicht ersichtlich, warum zur Vermeidung dieses Problems die Herauslösung von Frau Dr. St. aus dem MVZ notwendig gewesen sein sollte, zumal Frau Dr. von S. ebenfalls vom 1.4.2006 bis 30.6.2009 dem hausärztlichen Versorgungsbereich zugeordnet war und zum 1.4.2006 noch vom fachärztlichen in den hausärztlichen Versorgungsbereich wechselte. In der gewählten Konstruktion einer Trennung von MVZ und Praxis Dr. St. war es Frau Dr. St. nicht möglich, fachärztliche Leistungen in Vertretung der Ärzte des MVZ zu erbringen und über die LANR des fachärztlichen Kollegen abzurechnen. Dies hätte jedenfalls auch innerhalb des MVZ bewerkstelligt werden können.
c) Zwischen der Einzelpraxis von Frau Dr. St. und dem MVZ wurden in großem Umfang Patienten überwiesen. In Anbetracht der unter b) dargelegten missbräuchlichen Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft ist zweifelhaft, ob und in welchen Fällen diese Überweisungen zwischen Frau Dr. St. und dem MVZ berechtigt waren. Eine Überprüfung konnte nicht erfolgen, da die Klägerin die Überweisungsscheine und Patientendokumentationen nicht vorgelegt hat. Unzutreffend ist die von der Klägerin geäußerte Auffassung, sie sei an der Vorlage dieser Unterlagen gegenüber der Beklagten aus Gründen des Datenschutzes und der ärztlichen Schweigepflicht gehindert. Die Verpflichtung und gleichzeitig die Berechtigung zur Vorlage dieser Unterlagen ergibt sich aus § 295 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1a SGB V (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.11.2013, L 24 KA 69/12 Rn. 27). Die Überweisungen blieben damit zweifelhaft, insbesondere die „Vorschaltung“ von Frau Dr. St. bei Überweisungen durch Dritte zur Durchführung von Untersuchungen, die nur von den fachärztlichen Internisten des MVZ erbracht werden konnten. Diese verbleibenden Zweifel gehen im Rahmen der Beweiswürdigung zu Lasten der Klägerin, da diese ihren Mitwirkungspflichten im Verwaltungsverfahren und ihrer Darlegungs- und Beweislast im Klageverfahren (vgl. SG Marburg, Urteil vom 5.3.2014, Az. S 11 KA 129/12, richterlicher Hinweis hierzu mit gerichtlichem Schreiben vom 10.8.2015) nicht nachgekommen ist.
d) Von den von der Klägerin in den Streitgegenständlichen Bescheiden benannten Beispielsfällen für grob fahrlässige Falschabrechnungen in den Quartalen 3/2006 bis 3/2010 haben sich im Verlauf des Klageverfahrens die genannten Beispielsfälle nur für das Quartal 4/2007 nicht erwiesen. Grob fahrlässige Falschabrechnungen sind nur für die Quartale 3/2006 – 3/2007 und 1/2008 – 3/2010 nachgewiesen.
aa) In den Quartalen 3/2006 bis 3/2007 hat die Beklagte für jedes Quartal mindestens einen Beispielsfall einer implausiblen gemeinsamen Behandlung und damit einer Falschabrechnung nachgewiesen.
(1) Im Quartal 3/2006 wurde die Patientin A. A2. nach dem Behandlungsausweis der Praxis Dr. St. von einem Fremdarzt (ANR 6444516) an einen Internisten zur Mit-/Weiterbehandlung mit dem Auftrag/Diagnose/Verdacht „z.A. AVK“ überwiesen. Entgegen der Darstellung durch Herrn Dr. C. in der mit Schriftsatz vom 16.10.2015 vorgelegten Stellungnahme erfolgte die Überweisung ausweislich des Behandlungsausweises nicht wegen unklarer Beinbeschwerden, sondern zum Ausschluss einer arteriellen Verschlusskrankheit. Die dafür notwendige duplexsonographische Untersuchung konnte durch Frau Dr. St. nicht durchgeführt werden (so auch die Stellungnahme Dr. C.), so dass unklar bleibt, weshalb eine Behandlung zunächst bei Frau Dr. St. erfolgte und von da eine Weiterüberweisung an das MVZ zu Mit-/Weiterbehandlung allerdings ohne Angabe in der Rubrik Auftrag/Diagnose/Verdacht.
Eine ähnliche Konstellation findet sich im Behandlungsfall B.. Nach dem Behandlungsausweis des MVZ erfolgte eine Überweisung von einem Fremdarzt (ANR 6485713) zur konsiliarischen Untersuchung mit dem Auftrag/Diagnose/Verdacht „Bitte ven. Doppler bd. Beine Z.A. einer Thrombose“. Diese Untersuchung wurde im MVZ abgerechnet. Nach dem Behandlungsausweis der Praxis Dr. St. erfolgte eine Überweisung vom MVZ an Frau Dr. St. zur Mit-/Weiterbehandlung ohne Auftrag/Diagnose/Verdacht. Dort wurden dann u.a. die hausärztliche Grundpauschale und ein Ganzkörperstatus abgerechnet, aber auch ein Befundbericht. Dieser wurde vom MVZ nicht abgerechnet, obwohl dort die angeforderte konsiliarische Untersuchung „venöser Doppler“ durchgeführt wurde. Ein Grund für die Überweisung des MVZ an Frau Dr. St. ist nicht erkennbar. Auch die vorgelegte klägerische Stellungnahme trägt nicht zu Aufklärung bei. Danach soll der Überweisungsschein des Fremdarztes bei Frau Dr. St. vorgelegt worden sein und Frau Dr. St. soll an das MVZ weiterüberwiesen haben. Dieser Ablauf ist nicht durch den Überweisungsschein oder die Patientendokumentation belegt.
Ein weiteres Beispiel für das Quartal 3/2006 ist der Behandlungsfall B1.. Dieser wurde durch die Praxis Dr. St. mit Originalschein abgerechnet für Behandlungen am 4.8.2006 (hausärztlicher Ordinationskomplex GOP 03111, Beratung GOP 03120, Betreuung von Patienten mit chronisch-internistischer Grunderkrankung GOP 03210 Abdomensonographie GOP 33042) und 10.8.2006. Durch das MVZ wurden aufgrund einer Überweisung von Frau Dr. St. zur Mit-/Weiterbehandlung am 4.8.2006 ausschließlich Laboruntersuchungen abgerechnet. Die klägerische Stellungnahme konstatiert die ausschließliche Laboruntersuchung lediglich.
(2) Im Quartal 4/2006 wurde im Behandlungsfall B3. durch die Praxis Dr. St. mit Originalschein am 25.10.2006 der hausärztliche Ordinationskomplex GOP 03112, eine Beratung GOP 03120 und die Betreuung von Patienten mit chronisch-internistischer Grunderkrankung GOP 03210 abgerechnet. Durch das MVZ erfolgte eine Abrechnung als Überweisung von Frau Dr. St. zur Mit-/Weiterbehandlung ohne Auftrag/Diagnose/Verdacht. Am 25.10.2006 wurde durch das MVZ eine FSME-Schutzimpfung (GOP 89102) abgerechnet, als Diagnose jedoch angegeben Z.25.1 – Notwendigkeit der Impfung gegen Grippe. Weitere Behandlungen wurden am 6.12.2006 durch das MVZ abgerechnet, an diesem Tag erfolgte auch die Einlesung der Versichertenkarte im MVZ. Nach der klägerischen Stellungnahme vom 16.10.2015 soll die Eintragung der Impfung versehentlich beim MVZ erfolgt sein. Die Klägerin räumt hier bereits selbst ein, dass jedenfalls die Abrechnung für den 25.10.2006 falsch ist.
Im Behandlungsfall F1. erfolgte die Abrechnung durch die Praxis Dr. St. mittels Originalschein. Abgerechnet wurden Leistungen für den 18.10.2006 und 13.12.2006. Durch das MVZ erfolgte eine Abrechnung mittels Überweisungsschein – Überweisung von Frau Dr. St. – für den Behandlungstag 13.12.2006. Abgerechnet wurde für den Behandlungstag 13.12.2006 der Konsultationskomplex GOP 13215, der einen Arzt-Patienten-Kontakt voraussetzt. Nach der klägerischen Stellungnahme handele es sich um einen Rezeptausdruck im MVZ als Verwaltungsfehler. Auffällig ist, dass die Versichertenkarte in beiden Praxen am 18.10.2006 eingelesen wurde, obwohl am 18.10.2006 keine Behandlung im MVZ abgerechnet wurde. Auffällig ist weiterhin die Angabe eines Überweisungsscheins, obwohl es sich wohl nicht um eine Überweisung gehandelt hat. Dieser Behandlungsfall erweckt den Anschein, als wären Überweisungsscheine der Praxis Dr. St. durch das MVZ „nach Bedarf“ ohne medizinische Notwendigkeit erstellt worden. Denn selbst wenn das Rezept als Verwaltungsfehler versehentlich durch MVZ ausgestellt worden ist (wobei sich die Frage nach der Trennung der Patientenkartei stellt), wäre eine Abrechnung ohne eine Überweisung durch Frau Dr. St. allenfalls als Originalschein, dann aber unter Berücksichtigung der Zuzahlung, möglich gewesen.
(3) Im Quartal 1/2007 wurden im Behandlungsfall A1. durch die Praxis Dr. St. mittels Originalschein Behandlungen am 8.1.2007, 15.2.2007, 7.3.2007 und 29.3.2007 abgerechnet. Am 8.1.2007 erfolgte unter anderem die Abrechnung des Verwaltungskomplexes GOP 01430. Das MVZ rechnet aufgrund einer Überweisung durch Frau Dr. St. am 8.1.2007 die GOP 80112 und 93432B ab. Nach der klägerischen Stellungnahme soll die Weiterverordnung der Blutdruckdauermedikation im MVZ vertretungsweise in Abwesenheit der Hausärztin erfolgt sein. Diese Darstellung ist nach den vorliegenden Behandlungsausweisen nicht plausibel. Wenn Frau Dr. St. am 8.1.2007 nicht anwesend gewesen sein sollte, ist die Ausstellung einer Überweisung an das MVZ am gleichen Tag fragwürdig. Auch ist nicht zu erklären, warum dann in der Praxis Dr. St. die für die Ausstellung eines Wiederholungsrezepts vorgesehene GOP 01430 abgerechnet wird. Auch hier entsteht wieder der Eindruck, als wären Überweisungsscheine der Praxis Dr. St. durch das MVZ „nach Bedarf“ ohne medizinische Notwendigkeit erstellt worden.
Im Behandlungsfall D2. wurden durch die Praxis Dr. St. mittels Originalschein Behandlungen am 24.1.2007, 26.1.2007, 1.2.2007, 14.2.2007, 21.2.2007 und 28.3.2007 abgerechnet. Durch das MVZ erfolgte auf eine Überweisung von Frau Dr. St. zur Mit-/Weiterbehandlung ohne Auftrag/Diagnose/Verdacht die Abrechnung von Laborleistungen ohne sonstige Leistungen am 24.1.2007, 26.1.2007, 7.2.2007 und 14.2.2007. Am 28.3.2007 wurde ein internistischer Konsultationskomplex GOP 13215 abgerechnet. Nach der klägerischen Stellungnahme sei die Labordiagnostik im MVZ erfolgt. Ein medizinischer Grund für die Durchführung der Labordiagnostik im MVZ wurde nicht dargelegt. Die am 26.1.2007 und 7.2.2007 durch das MVZ abgerechneten GOP 32057 und 32089 wurden am 28.3.2007 auch durch Frau Dr. St. abgerechnet. Es ist daher davon auszugehen, dass Frau Dr. St. sehr wohl in der Lage war, eigene Laboruntersuchungen durchzuführen. Auch wurde nicht erläutert, warum am 28.3.2007 parallel zur Behandlung durch Frau Dr. St. mit Abrechnung eines Konsultationskomplexes und einer Beratung durch das MVZ die GOP 13215 abgerechnet wurde.
(4) Die Praxis Dr. St. rechnete im Quartal 2/2007 im Behandlungsfall A3. aufgrund einer Überweisung vom Fremdarzt (ANR 7019230) Behandlungen am 5.4.2007 und 29.5.2007 (u.a. Abdomensonographie) ab. Das MVZ rechnete aufgrund einer Überweisung durch Frau Dr. St. zur Mit-/Weiterbehandlung Behandlungen am 5.4.2007 (Labor, fachinternistischer Basiskomplex GOP 13250, Abdomensonographie GOP 33042), 11.4.2007, 15.5.2007 und 29.6.2007 (jeweils internistischer Konsultationskomplex und am 15.5.2007 und 29.6.2007 auch Beratung GOP 13220) ab. In der klägerischen Stellungnahme wird ausgeführt, wegen schlechten Allgemeinzustandes und Verhärtung unter einer Operationsnarbe nach Nephrektomie links sei eine Vorstellung im gastroenterologischen Schwerpunkt des MVZ erfolgt. Diese Angabe ist mangels Vorlage der Patientendokumentation nicht nachzuvollziehen, weil dem vorliegenden Behandlungsausweis des MVZ nicht entnommen werden kann, dass wegen einer Verhärtung der Operationsnarbe untersucht wurde. Nur im Behandlungsausweis von Frau Dr. St. ist als Diagnose auch der Verlust der Niere angegeben.
(5) Im Quartal 3/2007 rechnete Frau Dr. St. im Behandlungsfall A4. mittels Originalschein Behandlungen am 5.7.2007, 12.7.2007 und 19.7.2007 ab. Das MVZ rechnete aufgrund einer Überweisung von Frau Dr. St. am 5.7.2007 (nur Laborleistungen), 10.9.2007, 11.9.2007 und 18.9.2007 ab. Nach der klägerischen Stellungnahme sei im MVZ Vertretung und ergänzende Blutdruckbehandlung erfolgt. Diese Angabe ist mangels Vorlage der Patientendokumentation nicht nachvollziehbar. Auch wurde nicht angegeben, wann eine Vertretung von Frau Dr. St. erfolgt sein soll.
(6) In den für die Quartale 3/2006 bis 3/2007 beispielhaft dargelegten Behandlungsfällen wurden durch die Klägerin Leistungen gegenüber der Beklagten grob fahrlässig unberechtigt abgerechnet. Im Behandlungsfall B3. wurde auch nach der Darstellung der Klägerin eine Impfung, die von Frau Dr. St. durchgeführt wurde, durch das MVZ abgerechnet. Von einem bloßen Versehen kann nicht ausgegangen werden, da in der Patientenkartei des MVZ eine Impfung nicht enthalten sein kann. Die Abrechnung der Impfung durch das MVZ setzt einen Zugriff auf die Patientenkartei von Frau Dr. St. und voraus, was einen mindestens grob fahrlässigen Verstoß gegen ärztliche und vertragsärztlichen Pflichten bedeutet.
Auch die Abrechnung in den Behandlungsfällen F1. (4/2006) und A1. (1/2007) für die Ausstellung von Rezepten ist als grob fahrlässig zu bewerten. In beiden Fällen ist bereits die Existenz einer Überweisung von Frau Dr. St. an das MVZ nicht plausibel. Im Fall F1. wurde der Fehler bei der Abrechnung auch eingestanden. Die sich nach den Behandlungsausweisen darstellende Vorgehensweise belegt eine deutliche Verletzung vertragsärztlicher Sorgfaltspflichten.
Die alleinige Erbringung und Abrechnung von Laborleistungen durch das MVZ auf Überweisung durch Frau Dr. St. ist durch die Vorgaben des BMV-Ä und EKV-Ä nicht gedeckt. Diese grundlegenden vertragsärztlichen Regelungen in den §§ 24 BMV-Ä, 27 EKV-Ä mussten der Klägerin auch bekannt sein. In den Behandlungsfällen B1. (3/2006), D2. (1/2007) und A4. (3/2007) ist ebenso von einer grob fahrlässigen unberechtigten Abrechnung auszugehen.
Die Abrechnung in den Behandlungsfällen A2., B. und A3. waren wie auch in den anderen Behandlungsfällen in dieser Weise nur möglich, weil das MVZ und Frau Dr. St. die Trennung der Praxen nicht tatsächlich umgesetzt hatten. Anderenfalls hätte eine gemeinsame Behandlung von Patienten in der praktizierten Weise nicht erfolgen können. Die Regelung des § 33 Abs. 3 Ärzte-ZV zur Genehmigungsbedürftigkeit einer Gemeinschaftspraxis bzw. des § 32b Abs. 2 Ärzte-ZV zur Genehmigungsbedürftigkeit einer Anstellung müssen der Klägerin als grundlegende vertragsärztlichen Regelungen bekannt gewesen sein. Ihre Verletzung beruht damit nicht lediglich auf einem Versehen, sondern auf einer mindestens grob fahrlässigen Verletzung der sich daraus ergebenden Pflichten zur Einholung einer Genehmigung für die Kooperation als Gemeinschaftspraxis oder zur tatsächlichen und vollständigen Trennung der Praxen und Behandlungen.
bb) Das MVZ hat in den Quartalen 1/2008 bis 3/2010 die GOP 01436 abgerechnet, ohne dass deren Leistungsinhalt erfüllt war. Diese ist nur abrechenbar bei der Diagnostik und/oder Behandlung im Rahmen einer Überweisung zur Durchführung von Auftragsleistungen (Indikations- oder Definitionsauftrag) oder bei einer Überweisung zur Mit-/Weiterbehandlung zur Erbringung von Leistungen nach den Kapiteln 31.1 (präoperative GOP), 31.2 (ambulante Operationen), 31.4 (postoperative Überwachungskomplexe) oder 31.5 (Anästhesien im Zusammenhang mit Eingriffen des Kapitels 31.2) EBM. Das MVZ hat die GOP 01436 jedoch u.a. auch bei Behandlungsfällen angesetzt, die mit der Scheinart 00 (Originalschein) abgerechnet wurden. Hierzu wird auf die von der Beklagten im Bescheid vom 29.8.2011, S. 21, angeführten Beispielsfälle für die Quartale 1/2008 bis 3/2010 verwiesen. Bei Originalfällen ist der Leistungsinhalt der GOP 01436 unter keinen Umständen erfüllt, da alle Leistungsvarianten der GOP 01436 ein Tätigwerden auf Überweisung voraussetzen. Gerade bei den Originalfällen ist es offensichtlich, dass eine Abrechnung der GOP 01436 nicht in Frage kommt. Die Abrechnung ist daher mindestens als grob fahrlässig anzusehen, weil die schlichte Lektüre des EBM ausreichend gewesen wäre, den Fehler in der Abrechnung zu erkennen. Die Garantiewirkung der Sammelerklärung für diese Quartale ist bereits durch die grob fahrlässigen Falschabrechnungen der GOP 01436 aufgehoben.
cc) Die für das Quartal 4/2007 von der Beklagten im Bescheid vom 29.8.2011 benannten Behandlungsfälle K. A5. vom 14.12.2007 und I. B4. vom 11.10.2007 konnten durch die Klägerin im Klageverfahren widerlegt werden. Auf die mit Schriftsatz vom 16.10.2015 vorgelegte Stellungnahme von Herrn Dr. C. zu diesen Behandlungsfällen hat die Beklagte mit der mit Schriftsatz vom 14.12.2015 vorgelegten Stellungnahme ihres medizinischen Fachexperten, Herrn Dr. F., eingeräumt, dass diese gemeinsamen Behandlungen der Patienten plausibel waren. Dieser Auffassung schließt sich auch das Gericht an. Im Fall A5. ist bereits aus den Behandlungsausweisen ersichtlich, dass im MVZ am 14.12.2007 eindeutig fachärztliche (proktologische) Leistungen erfolgten. Durch die Praxis Dr. St. wurden dagegen am 14.12.2007 und 19.12.2007 eine Gesundheitsuntersuchung (GOP 01732) durchgeführt sowie weitere hausärztliche Leistungen erbracht. Im Fall B4. ist zwar auffällig, dass am 11.10.2007, 8.11.2007 und 22.11.2007 jeweils Behandlung im MVZ (Scheinart 24 – auf Überweisung) und in der Praxis Dr. St. (Scheinart 00) – Originalfall) erfolgten. Am 11.10.2007 wurden durch das MVZ nur Laborleistungen abgerechnet/erbracht. Nachdem aber am 8.11.2007 durch das MVZ u.a. der koloskopische Komplex (GOP 13421) und am 22.11.2007 Duplexsonographie-Leistungen nach den GOP 33070 und 33071 abgerechnet/erbracht wurden und überdies die Praxen z.T. unterschiedliche Diagnosen angeben, kann die gemeinsame Behandlung als plausibel angesehen werden. Der Beklagten ist daher für das Quartal 4/2007 der Nachweis mindestens einer grob fahrlässigen Falschabrechnung nicht gelungen. Die Garantiewirkung der Sammelerklärung besteht fort. Eine Aufhebung des gesamten Honorarbescheides für das Quartal 4/2007 ist daher rechtswidrig.
3. Die Beklagte hat den ihr bei der Schätzung des neu festzusetzenden Honorars zustehenden Ermessensspielraum überschritten und rechtswidrig ein zu niedriges Honorar für die Quartale 3/2006 bis 3/2007 und 1/2008 bis 3/2010 und damit eine zu hohe Rückforderung festgesetzt.
Infolge jeweils mindestens einer grob fahrlässigen Falschabrechnung in den Quartalen 3/2006 – 3/2007 und 1/2008 bis 3/2010 entfiel die Garantiefunktion der abgegebenen Sammelerklärungen. Der Klägerin steht Honorar nur noch insoweit zu, als davon auszugehen ist, dass Leistungen tatsächlich und ordnungsgemäß ohne Verstoß gegen vertragsärztliche Vorgaben erbracht wurden. Die Beklagte darf sich hierzu einer Schätzung bedienen und hat insoweit ein weites Schätzungsermessen (BSG, Urteil vom 17.9.1997, A. 6 RKa 86/95, Rn. 23). Dabei besteht kein der Rechtskontrolle der Gerichte entzogener Beurteilungsspielraum (BSG, a.a.O., Rn. 28). Das Gericht hat deshalb die Schätzung nachzuvollziehen und ggf. selbst vorzunehmen. Allerdings kann der Vertragsarzt, der grob fahrlässige Falschabrechnungen und damit die Abgabe einer unrichtigen Sammelerklärung zu verantworten hat, gerade keine möglichst genaue Alternativberechnung beanspruchen (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. November 2014, L 3 KA 70/12, Rn. 29 juris), sondern muss sich als Folge seines gravierenden Fehlverhaltens auf eine mehr oder weniger grobe Schätzung verweisen lassen. (BayLSG, Urteil vom 11.3.2015, L 12 KA 25/13).
a) Es war daher nicht erforderlich, dass die Beklagte wie von der Klägerin gefordert, alle gemeinsamen Behandlungsfälle der Quartale 3/2006 bis 3/2010 daraufhin überprüft, ob und in welchem Umfang Behandlungen eines Patienten durch Frau Dr. St. und das MVZ gerechtfertigt waren und ob und in welchem Umfang rechtswidrige Honorarvorteile erzielt wurden. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, eventuelle Einsparungen, die sich aus unterschiedlichen Punktwerten der haus- und fachärztlichen Versorgung ergeben, zu berücksichtigen. Maßgebend hier ist allein die Feststellung des Honoraranspruchs der Klägerin, nicht aber ein fiktiver Honoraranspruch von Frau Dr. St. und daraus ggf. entstehende mögliche Kostenvorteile.
Die Beklagte war auch nicht gehalten, die Anzahl und den Honoraranteil der „rein fachärztlichen“ Patienten des MVZ zu ermitteln, da dies eine erheblichen Aufwand bedeutet hätte. Auch die Neuberechnung des Honorars über 16 Quartale unter Zusammenführung der Abrechnungsdaten der Praxis Dr. St. und des MVZ und unter der Annahme einer fiktiven Gemeinschaftspraxis war nicht geboten. Zum einen hatte bereits die von der Klägerin im Vorverfahren hinzugezogene A-FIRMA GmbH für das Quartal 1/2008 konstatiert, dass es eine Fülle von Ausnahme- und Sonderregelungen gebe, die eine Neuberechnung des Honorars erschweren würden. Zum anderen hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf mindestens das Honorar, was eine Gemeinschaftspraxis erzielt hätte. Die insoweit von der Klägerin genannten Gerichtsentscheidungen beanstanden lediglich ein solches Ergebnis nicht und stellen fest, dass jedenfalls nicht mehr Honorar zustehen würde als das, was in der Kooperationsform einer Gemeinschaftspraxis erzielt worden wäre. Damit ist aber nicht festgestellt, dass darüber hinausgehende Honorarkürzungen rechtswidrig wären.
Zu berücksichtigen ist auch, dass die gemeinsame Behandlung von Patienten zum Teil nur für einzelne Behandlungstage und Leistungen, nicht aber insgesamt für das Quartal implausibel war. Insoweit hätte die Klägerin im Behandlungsfall nur einzelne Leistungen, nicht aber den gesamten Behandlungsfall unter Verstoß gegen vertragsarztrechtliche Vorgaben abgerechnet.
b) Auch der Einwand, die Klägerin habe Punktzahlvolumen und Regelleistungsvolumen in den Streitgegenständlichen Quartalen nicht ausgeschöpft, spricht nicht dagegen, das neufestzusetzende Honorar der Klägerin zu schätzen. Es mag sein, das Punktzahlvolumen nicht ausgeschöpft worden sind. Hinsichtlich der Regelleistungsvolumen hat aber auch die von der Klägerin im Vorverfahren eingeschaltete A-FIRMA GmbH hinsichtlich des Quartals 1/2010 festgestellt, dass bei einer Neuberechnung des Regelleistungsvolumens unter Annahme einer gemeinsamen Praxis des MVZ und Frau Dr. St. die abgerechneten vertragsärztlichen Leistungen um 10.391,00 € über dem dann zustehenden Regelleistungsvolumen liegen würden. In diesem Quartal sind auch nach dem Vortrag der Klägerin aufgrund der gewählten, aber nicht gelebten Kooperationsform Honorare erzielt worden, die bei einer den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechenden Kooperationsform nicht erzielt worden wären. Nicht auszuschließen ist, dass dies auch für die übrigen Quartale ab 1/2009 zutrifft.
Auch wenn der Einwand der Klägerin berechtigt wäre, würde er aufgrund des damit verbundenen erheblichen Aufwandes keine Neuberechnung des Honorars auf der Basis einer Prüfung aller gemeinsamen Behandlungsfälle zwingend erfordern. Unabhängig davon wäre eine solche Prüfung für die Beklagte nur möglich gewesen, wenn die Klägerin die vollständigen Dokumentationen für die gemeinsamen Behandlungsfälle und die jeweiligen Überweisungen vorgelegt hätte. Dies ist aber nicht geschehen.
c) Die Beklagte hat bei der vorgenommenen Schätzung des Honorars jedoch nicht ausreichend berücksichtigt, dass die vom MVZ erzielten Fallwerte die von Frau Dr. St. erzielten Fallwerte deutlich überstiegen. Bei einer Gegenüberstellung der Fallwerte, berechnet nach den vorgelegten Unterlagen der Beklagten unter Berücksichtigung der von der Beklagten im Wege der Rückzahlungsvereinbarung umgesetzten sachlich-rechnerischen Berichtigungen ergibt sich folgendes Ergebnis:
Quartal
Honorar St (Bl. 3636).
Fallzahl St (Bl. 3549 +3591).
Fallwert St.
Honorar MVZ (Bl. 3634 + 3635)
Fallzahl MVZ (Bl. 3549 und 3591)
Fallwert MVZ
3/2006
25.910,38 €
402
64,45 €
419.695,80 €
2739
153,23 €
4/2006
28.477,70 €
417
68,29 €
398.730,62 €
2618
152,30 €
1/2007
32.745,66 €
484
67,66 €
450.888,41 €
2874
156,89 €
2/2007
29.498,95 €
504
58,53 €
386.315,96 €
2686
143,83 €
3/2007
26.938,83 €
460
58,56 €
360.581,09 €
2608
138,26 €
4/2007
28.298,89 €
458
61,79 €
382.055,18 €
2834
134,81 €
1/2008
32.745,52 €
591
55,41 €
389.656,54 €
3054
127,59 €
2/2008
35.411,98 €
663
53,41 €
404.223,53 €
3008
134,38 €
3/2008
31.344,67 €
567
55,28 €
380.527,62 €
2926
130,05 €
4/2008
29.262,13 €
481
60,84 €
456.617,57 €
3145
145,19 €
1/2009
36.552,52 €
1253
29,17 €
467.360,38 €
3318
140,86 €
2/2009
27.882,80 €
569
49,00 €
470.594,03 €
3284
143,30 €
3/2009
29.370,76 €
478
61,45 €
434.039,21 €
3427
126,65 €
4/2009
25.825,31 €
440
58,69 €
455.365,49 €
3627
125,55 €
1/2010
30.518,00 €
597
51,12 €
529.997,12 €
3842
137,95 €
2/2010
26.776,10 €
482
55,55 €
474.335,28 €
3639
130,35 €
3/2010
25.445,39 €
462
55,08 €
409.733,62 €
3476
117,88 €
Der durchschnittliche Fallwert des MVZ war über alle Quartale mehr als doppelt so hoch als der durchschnittliche Fallwert der Praxis Dr. St.. Dies liegt nach Einschätzung des Gerichts vor allem daran, dass im MVZ zahlreiche rein fachärztliche Leistungen erbracht worden, für die ein höherer Honorar zu erzielen war als für die in der hausärztlichen Praxis von Frau Dr. St. zu erbringenden Leistungen. Die von der Beklagten im Rahmen ihrer „Mischberechnung“ ermittelten Fallwerte unter Einbeziehung der Honorare beider Praxen tragen weder diesem Umstand noch der deutlich niedrigeren Fallzahl der Praxis Dr. St. ausreichend Rechnung. Sie sind über alle Quartale nahezu so hoch wie die Fallwerte des MVZ, was auf eine massive Verzerrung der Fallwerte für die gemeinsam behandelten Fälle hinweist. Durch die Beklagte blieb auch unberücksichtigt, dass nach den vorliegenden Behandlungsausweisen keine systematische Doppelabrechnung von Fällen, etwa Ansatz des hausärztlichen Ordinationskomplexes nach GOP 03111 bei Dr. St. und Ansatz des internistischen Ordinationskomplexes nach GOP 13211 bzw. des fachinternistischen Basiskomplexes nach GOP 13250 beim MVZ erkennbar ist. Das Abrechnungsbild stellt sich nach den vorliegenden Behandlungsfällen eher so da, dass Behandlungsfälle gesplittet wurden und der jeweils anderen Praxis die Abrechnung von GOP ermöglicht wurde. Die von der Beklagten gewählte Berechnungsmethode eines Mischfallwertes ermittelt aber eher den Honorarzuwachs durch eine Verdoppelung der Abrechnung.
Die Unangemessenheit der Berechnungsweise der Beklagten zeigt sich auch daran, dass die Beklagte von der Klägerin allein für den Komplex Praxisgemeinschaft ein Honorar von 485.252,36 € für die Quartale 3/2006 bis 3/2010 zurückforderte, das um anderweitige Honorarberichtigungen verminderte Honorar Regional- und Ersatzkassen von Frau Dr. St. im gleichen Zeitraum aber nur 503.005,59 betrug. Nach Auskunft der Klägerin und der Beklagten hatte die Beklagte gegenüber Frau Dr. St. für den Komplex Praxisgemeinschaft für die Quartale 3/2006 bis 3/2010 Honorare von etwa 40.000 € zurückgefordert. Die Rückforderungen für den Komplex Praxisgemeinschaft belaufen sich somit auf etwa 525.000 € und übersteigen das von der Praxis Dr. St. im gleichen Zeitraum erzielte Honorar. Dies wäre allenfalls gerechtfertigt, wenn Patienten zu 100% gemeinsam behandelt worden wären und eine systematische Doppelabrechnung erkennbar wäre.
Das Gericht hält im Wege der gebotenen eigenen Schätzung die Berechnungsweise der Beklagten mit Ausnahme des Fallwertes für prinzipiell geeignet. Anstelle des von der Beklagten ermittelten Fallwertes ist nach Auffassung des Gericht die Heranziehung des durchschnittlichen Fallwertes der Praxis Dr. St. ein geeigneter Weg, die nicht eindeutig zustehenden Honorare für die gemeinsam behandelten Patienten zu quantifizieren. Denn nach den Behandlungsausweisen ist problematisch vor allem, inwieweit eine Behandlung durch Frau Dr. St. überhaupt gerechtfertigt war (vor allem bei Überweisung anderer Ärzte zu bestimmten Untersuchungen) und inwieweit eine Mitbehandlung hausärztlicher Patienten durch das MVZ angezeigt war. Dies wird durch den Fallwert der hausärztlichen Praxis von Frau Dr. St. eher abgebildet als ein im Wesentlichen auf höher dotierten fachärztlichen Leistungen des MVZ beruhender Fallwert.
d) Die Vorgehensweise der Beklagten, die Quartale 3/2006 und 4/2006 nach einer eingehenden Prüfung als Referenzquartale heranzuziehen und eine daraus ermittelte Quote implausibler gemeinsamer Patienten auf die übrigen Quartale zu übertragen, ist nicht zu beanstanden. Dagegen spricht auch nicht, dass im MVZ ab dem Quartal 2/2008 nur noch eine hausärztliche Internistin und ab dem Quartal 3/2009 kein hausärztlicher Internist mehr tätig war. Die Klägerin führte selbst aus, dass auch die hausärztlichen Internisten im MVZ nur fachärztlich tätig waren und nur in äußerst geringem Umfang hausärztliche GOP abrechneten, wenn nach dem EBM keine andere Abrechnung möglich war. Eine deutliche Veränderung der Abrechnungswerte bzw. eine deutliche Veränderung hinsichtlich des Anteils implausibler gemeinsamer Patienten ab den Quartalen 2/2008 und 3/2009 ist daher nicht zu erwarten.
e) Eine Überprüfung der von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden benannten Beispielsfälle hat ergeben, dass einige dieser gemeinsamen Behandlungsfälle in den Referenzquartalen als plausibel anzusehen sind, so dass für die Quartale 3/2006 und 4/2006 die Quote implausibler gemeinsamer Patienten neu zu ermitteln und die Mischquote für die übrigen Quartale neu zu ermitteln ist.
aa) Die für das Quartal 3/2006 von der Beklagten im Bescheid vom 29.12.2010 benannten Behandlungsfälle D., D2., F., C. G., S. J. und R. K. konnten durch die Klägerin im Klageverfahren widerlegt werden. Auf die mit Schriftsatz vom 16.10.2015 vorgelegte Stellungnahme von Herrn Dr. C. zu diesen Behandlungsfällen hat die Beklagte mit der mit Schriftsatz vom 14.12.2015 vorgelegten Stellungnahme ihres medizinischen Fachexperten, Herrn Dr. F., eingeräumt, dass diese gemeinsamen Behandlungen der Patienten plausibel waren. Dieser Auffassung schließt sich auch das Gericht an. Hinsichtlich der übrigen Behandlungsfälle, zu denen die Klägerin mit Schriftsatz vom 16.10.2015 Stellung genommen hat, konnte sich das Gericht ohne Vorlage der Patientendokumentation nicht davon überzeugen, dass diese gemeinsamen Behandlungen plausibel waren.
Aufgrund der nun als plausibel nachgewiesenen Patienten ergibt sich für das Quartal 3/2006, dass die gemeinsame Behandlung von 197 Patienten noch in 145 Behandlungsfällen implausibel ist. Das entspricht einer Quote von 73,60%.
bb) Die für das Quartal 4/2006 von der Beklagten im Bescheid vom 29.12.2010 benannten Behandlungsfälle F., G2., J. J2., N. K., K2. und K3. konnten durch die Klägerin im Klageverfahren widerlegt werden. Auf die mit Schriftsatz vom 16.10.2015 vorgelegte Stellungnahme von Herrn Dr. C. zu diesen Behandlungsfällen hat die Beklagte mit der mit Schriftsatz vom 14.12.2015 vorgelegten Stellungnahme ihres medizinischen Fachexperten, Herrn Dr. F., eingeräumt, dass diese gemeinsamen Behandlungen der Patienten plausibel waren. Dieser Auffassung schließt sich auch das Gericht an. Hinsichtlich der übrigen Behandlungsfälle, zu denen die Klägerin mit Schriftsatz vom 16.10.2015 Stellung genommen hat, konnte sich das Gericht ohne Vorlage der Patientendokumentation nicht davon überzeugen, dass diese gemeinsamen Behandlungen plausibel waren.
Aufgrund der nun als plausibel nachgewiesenen Patienten ergibt sich für das Quartal 3/2006, dass die gemeinsame Behandlung von 234 Patienten noch in 192 Behandlungsfällen implausibel ist. Das entspricht einer Quote von 82,05%.
cc) Die aus den Quartalen 3/2006 und 4/2006 ermittelte Mischquote beträgt 77,83%. Daraus ergeben sich für die Quartale 1/2007 bis 3/2007 und 1/2008 bis 3/2010 implausible gemeinsame Behandlungsfälle wie folgt:
Quartal
gemeinsame Pat.
77,83% davon implausibel
1/2007
271
210
2/2007
271
210
3/2007
266
207
4/2007
271
210
1/2008
310
241
2/2008
331
257
3/2008
501
389
4/2008
413
321
1/2009
1.035
805
2/2009
465
361
3/2009
352
273
4/2009
332
258
1/2010
355
276
2/2010
355
276
3/2010
353
274
dd) Bei Anwendung des Berechnungsganges der Beklagten entsprechend der Anlage zum Widerspruchsbescheid ergeben sich bei Verwendung des Fallwertes von Frau Dr. St. und der unter aa) bis cc) ermittelten Anzahl implausibler gemeinsamer Behandlungsfälle folgende unberechtigte Honoraranteile:
Quartal
Fallwert Dr. St.
implausible Pat.
Honorar implausible Pat.
Anteil MVZ in %
Anteil MVZ in €
abzgl. Sicherheitsabschlag 25%
3/2006
64,45 €
145
9.345,25 €
94,19
8.802,29 €
6.601,72 €
4/2006
68,29 €
192
13.111,68 €
93,33
12.237,13 €
9.177,85 €
1/2007
67,66 €
210
14.208,60 €
93,23
13.246,68 €
9.935,01 €
2/2007
58,53 €
210
12.291,30 €
92,91
11.419,85 €
8.564,89 €
3/2007
58,56 €
207
12.121,92 €
93,05
11.279,45 €
8.459,58 €
1/2008
55,41 €
241
13.353,81 €
92,25
12.318,89 €
9.239,17 €
2/2008
53,41 €
257
13.726,37 €
91,95
12.621,40 €
9.466,05 €
3/2008
55,28 €
389
21.503,92 €
92,39
19.867,47 €
14.900,60 €
4/2008
60,84 €
321
19.529,64 €
93,98
18.353,96 €
13.765,47 €
1/2009
29,17 €
805
23.481,85 €
92,75
21.779,42 €
16.334,56 €
2/2009
49,00 €
361
17.689,00 €
94,41
16.700,18 €
12.525,14 €
3/2009
61,45 €
273
16.775,85 €
93,66
15.712,26 €
11.784,20 €
4/2009
58,69 €
258
15.142,02 €
94,63
14.328,89 €
10.746,67 €
1/2010
51,12 €
276
14.109,12 €
94,56
13.341,58 €
10.006,19 €
2/2010
55,55 €
276
15.331,80 €
94,66
14.513,08 €
10.884,81 €
3/2010
55,08 €
274
15.091,92 €
94,15
14.209,04 €
10.656,78 €
173.048,68 €
Die in dieser Höhe für die Quartale 3/2006 bis 3/2007 und 1/2008 bis 3/2010 zur Unrecht gezahlten Honorare wurden von der Beklagten zu Recht zurückgefordert.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 VwGO.