Aktenzeichen M 26 S 17.536
FeV FeV § 3 Abs. 1 S. 1, § 11 Abs. 9, § 46 Abs. 1 S. 1, S. 3
Leitsatz
1 Der Einsatz von computergestützten Testverfahren (“Wiener Testsystem”) ist auch bei älteren Probanden nicht zu beanstanden; behauptete “Unsicherheiten” im Umgang mit Computern rechtfertigen keine Bedenken gegen ein (für den Probanden nachteiliges) Testergebnis. (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch Mobilitätseinschränkungen, aufgrund derer der Fahrer auf die Fahrerlaubnis privat angewiesen ist, rechtfertigen nicht, vom Entzug der Fahrerlaubnis abzusehen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtschutzes gegen die sofort vollziehbare Entziehung seiner mit Auflagen und Beschränkungen versehenen Fahrerlaubnis der Altklasse 3.
Aufgrund eines Unfalls, der eine teilweise Querschnittslähmung zur Folge hatte, wurde die aus 1971 stammende Fahrerlaubnis der (Alt-)Klasse 3 des Antragstellers durch den Antragsgegner am … Juni 1985 u.a. auf das Führen von Kraftwagen bis zu 2,8 t zulässiges Gesamtgewicht ohne Anhängerbetrieb beschränkt.
Am … Juni 2016 beantragte der Antragsteller bei der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Fürstenfeldbruck (im Folgenden: Fahrerlaubnisbehörde) eine Löschung der Beschränkung hinsichtlich des Anhängerbetriebs. Dazu übersandte er der Fahrerlaubnisbehörde auf deren Aufforderung eine ärztliche Stellungnahme der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik … vom … Februar 2016, laut welcher beim Antragsteller u.a. eine inkomplette Paraparese sub L5 (beidseitige inkomplette Lähmung), chronisches Vorhofflimmern, Diabetes mellitus Typ II und eine arterielle Hypertonie diagnostiziert wurden.
Mit Schreiben vom 22. August 2016 forderte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller daraufhin auf, zur Beurteilung seiner Fahreignung ein ärztliches Gutachten eines verkehrsmedizinisch qualifizierten Arztes einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen.
Am … November 2016 legte der Antragsteller das ärztliche Gutachten der TÜV … vom … November 2016 vor. Im Rahmen der Begutachtung wurde neben der körperlichen Untersuchung und dem Untersuchungsgespräch durch die begutachtende Ärztin (medizinisches Gutachten/Gutachten Teil I) auch eine separate psychologische Zusatzuntersuchung durch einen Fachpsychologen für Verkehrspsychologie durchgeführt (Gutachten Teil II). Der Antragsteller musste im Rahmen dieses Zusatzgutachtens mehrere computergesteuerte Einzeltests des sog. Wiener Systems absolvieren. Dabei konnte der Antragsteller sowohl beim Test zur Messung der Aufmerksamkeit und Konzentration (COG/S11) als auch beim Test zur Messung des Reaktionsvermögens (DT/S3) nicht die geforderten Normwerte erreichen. Den Test zur Messung der visuellen Wahrnehmungsleistung (ATAVT) absolvierte der Antragsteller dagegen mit überdurchschnittlichem Ergebnis. Der untersuchende Psychologe schlussfolgerte aus den Testresultaten (Befundbewertung), dass die vom Antragsteller erzielten Leistungen nicht den Anforderungen genügen würden, die an eine sichere Verkehrsteilnahme zu stellen seien. Die laut Begutachtungsleitlinien zur Fahreignung (Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, abrufbar unter www.bast.de; aktueller Stand 28.12.2016; Stand zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung 1.5.2014) geforderten Normwerte seien nicht erreicht. Die gute Leistung im ATAVT-Test könne mit der praktischen Fahrerfahrung des Antragstellers zusammenhängen, reiche alleine jedoch nicht für die Annahme einer Kompensationsfähigkeit aus.
Die das Gutachten (Teil I) erstellende Ärztin kommt auf Basis ihrer Untersuchungen sowie der Zusatzuntersuchung zum Ergebnis, dass bei den vom Antragsteller infolge seiner Erkrankungen eingenommenen Medikamente „per se im Rahmen der normalen Dosierung ein Einfluss auf die Fähigkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs generell nicht zu erwarten“ sei, da keine zentral wirksamen Medikamente eingenommen würden. Auch die Blutdruckmedikamente seien gut eingestellt, ein plötzlicher Blutdruckabfall sei nicht zu erwarten. Allerdings könne aus medizinischer Sicht nicht ausgeschlossen werden, dass mögliche Wechselwirkungen der Medikamente Einfluss auf die Ergebnisse in den Leistungstests genommen hätten. Daher sei derzeit davon auszugehen, dass infolge der Erkrankungen bzw. der deshalb erforderlichen medikamentösen Behandlung die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht vorliegen würden.
Auf Basis des vorgelegten Gutachtens hörte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller mit Schreiben vom 14. November 2016 zur beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis an.
Mit den Bevollmächtigten des Antragstellers am 18. Januar 2017 zugestelltem Bescheid vom 17. Januar 2017 entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller Klassen (Nr. 1 des Bescheids) und gab ihm auf, unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche ab Zustellung des Bescheids, den Führerschein abzuliefern (Nr. 2). Für den Fall der Nichtbefolgung der Aufforderung unter Nr. 2 des Bescheids wurde dem Antragsteller ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro angedroht (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 4). Für den Bescheid wurde eine Gebühr von 150,00 Euro festgesetzt und Auslagen in Höhe von 7,36 Euro erhoben (Nr. 5).
Laut Bescheidsbegründung belege das vorlegte fachärztliche Gutachten vom … November 2016, welches die Fahrerlaubnisbehörde als schlüssig und überzeugend erachte, die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen der Altklasse 3 bzw. Gruppe 1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – sei nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände notwendig gewesen. Das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug ergebe sich im Bereich des Sicherheitsrechts im vorliegenden Fall bereits aus den Gesichtspunkten, welche für den Bescheidserlass selbst maßgeblich gewesen seien. Eine Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr trotz laut Gutachten festgestellter Nichteignung würde die Verkehrssicherheit gefährden. Auch dass der Antragsteller als Rollstuhlfahrer in seiner Mobilität eingeschränkt sei, rechtfertige kein anderes Ergebnis, zumal in der heutigen Zeit Alternativen über Fahrdienste, Nachbarschaftshilfen und Vereine angeboten würden.
Am … Januar 2017 lieferte der Antragsteller seinen Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde ab.
Mit Eingang am 13. Februar 2017 legten die Bevollmächtigten des Antragstellers Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. Januar 2017 ein, über den bisher nicht entschieden wurde.
Zudem beantragten die Bevollmächtigen des Antragstellers mit am 10. Februar 2017 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangenen Schriftsatz vom 8. Februar 2017:
„Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids des Landratsamts Fürstenfeldbruck vom 17.01.2017, zugestellt am 19.01.2017, wird aufgehoben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers und einer eventuell nachfolgenden Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Landratsamts Fürstenfeldbruck vom 17.01.2017 wird wiederhergestellt.“
Die Bevollmächtigten des Antragstellers führen an, dass die Begründung zur Anordnung des Sofortvorzugs der Fahrerlaubnisentziehung nicht den strengen Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO genüge. Der Antragsteller führe seit über 30 Jahren als Rollstuhlfahrer Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr und sei zu keiner Zeit auffällig geworden. Die Fahrerlaubnisbehörde berücksichtige in ihrer Entscheidung weder dieses beanstandungsfreie Fahrverhalten, noch den verantwortungsvollen Umgang des Antragstellers mit dessen Krankheit. In der Sache sei die Fahrerlaubnisentziehung zudem nicht gerechtfertigt, weil die Begründung der Fahrerlaubnisbehörde, warum der Antragsteller fahrungeeignet sei, lediglich auf vagen Vermutungen und pauschalen Erklärungen beruhe. Auch sei ihm keine Möglichkeit eingeräumt worden, seine Kompensation der angeblich vorhandenen Schwächen durch eine Fahrverhaltungsbeobachtung zu beweisen. Die Entziehung wie auch deren sofortiger Vollzug seien unverhältnismäßig.
Am 8. März 2017 legte der Antragsgegner die Behördenakten vor und beantragte unter Verweis auf seine im Bescheid vom 17. Januar 2017 geäußerte Rechtsauffassung, den Antrag abzulehnen.
Wegen des weiteren Sachverhalts und zum Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichts- und die vom Antragsgegner vorgelegte Behördenakte ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keine Aussicht auf Erfolg, weil er teilweise bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet ist.
1. Der Antrag ist bereits unzulässig, soweit darin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 des Bescheids vom 17. Januar 2017 begehrt wird. Denn der Antragsteller hat seinen Führerschein am … Januar 2017 abgeliefert. Damit hat er die Verpflichtung aus Nr. 2 des Bescheids erfüllt. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Fahrerlaubnisbehörde das in Nr. 3 des Bescheids angedrohte Zwangsgeld entgegen der Vorschrift des Art. 37 Abs. 4 Satz 1 Bayersiches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG – gleichwohl noch beitreiben wird, weshalb es dem Antrag insoweit am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt (BayVGH, B.v. 12.02.2014 – 11 CS 13.2281 – juris). Nicht erledigt hingegen hat sich die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins selbst (Nr. 2 des Bescheids), denn sie stellt den Rechtsgrund für das vorläufige Behaltendürfen dieses Dokuments für die Fahrerlaubnisbehörde dar.
2. Im Übrigen ist der Antrag zulässig, aber unbegründet. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt die hier vorzunehmende und auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Bescheid vom 17. Januar 2017 rechtmäßig ist, der Antragsteller somit nicht in seinen Rechten verletzt und der deshalb hiergegen erhobene Widerspruch voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog). In einem solchen Fall verbleibt es bei der vom Antragsgegner ausgesprochenen sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids.
2.1 Die Fahrerlaubnisbehörde hat das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Nrn. 1 und 2 des Bescheids vom 17. Januar 2017 den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechend begründet (vgl. zu den – nicht zu hoch anzusetzenden – Anforderungen im Einzelnen Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43). Die Behörde hat einzelfallbezogen und schlüssig dargelegt, warum sie das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit höher gewichtet als das private Interesse des Antragstellers am vorläufigen Weiterbestehen der Fahrerlaubnis. Sie hat unter Bezugnahme auf das vorgelegte ärztliche Gutachten abgewogen und erörtert, dass der Antragsteller krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen. Auch die persönlichen Umstände des Antragstellers einschließlich seiner eingeschränkten Mobilität hat sie geprüft und erörtert. Die Begründung der Sofortvollzugsanordnung genügt damit den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO; inhaltlich nimmt das Gericht ohnehin eine eigene Interessenabwägung vor, anstatt sich darauf zu beschränken, die behördliche nachzuprüfen.
2.2 Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ist der Bescheid vom 17. Januar 2017 rechtmäßig; der dagegen eingelegte Widerspruch hat voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
2.2.1 Die in Nr. 1 des Bescheids vom 17. Januar 2017 ausgesprochene Entziehung der Fahrerlaubnis ist rechtmäßig. Der Antragsteller ist nicht i.S.v. § 2 Abs. 4 Straßenverkehrsgesetz – StVG – zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet, weil ihm laut psychologischer Zusatzuntersuchung zum ärztlichen Gutachten vom … November 2016 (Teil II des Gutachtens) die erforderliche Leistungsfähigkeit (vgl. dazu auch Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung – FeV) fehlt und er somit die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen nicht erfüllt. In einem solchen Fall hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen.
Bei der verkehrspsychologischen Zusatzuntersuchung hat der Antragsteller im Rahmen der Leistungsdiagnostik laut Gutachten vom … November 2016 in zwei von drei durchgeführten Testarten weit unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielt. Beim Test zur Messung der Aufmerksamkeit und Konzentration (COG/S11) war es dem Gutachter nicht möglich, den Test auszuwerten bzw. die Hauptvariable sicher zu interpretieren, weil dem Antragsteller zu viele Fehler unterlaufen sind und er nicht in der Lage war, sein Arbeitstempo während des Tests angemessen zu regulieren. Auch der – zur Sicherheit wiederholte – Test zur Messung des Reaktionsvermögens (DT/S3) lieferte weit unterdurchschnittliche Ergebnisse (Prozentränge 3 und 9 von 100; Mindestprozentrang 16). Die basierend auf diesen Testresultaten vom Gutachter getroffene Bewertung, dass der Antragsteller nicht den Anforderungen an eine sichere Verkehrsteilnahme genüge, welche in den Begutachtungsrichtlinien zur Kraftfahreignung normiert sind, ist schlüssig und nachvollziehbar. Auch die Schlussfolgerung, dass allein die gute Leistung im ATAVT-Test noch keine Kompensationsfähigkeit begründe, ist vor dem Hintergrund der schlechten Ergebnisse in den anderen Tests nicht zu beanstanden.
Allein dass es sich um computergestützte Testverfahren handelt und der Antragsteller „ungeübt im Umgang mit Computern“ sei (Argument in der Widerspruchsbegründung vom 8. Februar 2017), ändert daran nichts. Das sog. Wiener Testsystem ist standardisiert und wird insbesondere auch für ältere Testpersonen angewandt (vgl. dazu grundlegend und weiterführend BayVGH, B.v. 30. Januar 2017 – 11 CS 17.27 – juris). Dafür, dass die infolge der Tests festgestellten Beeinträchtigungen des Antragstellers überwiegend auf dessen mangelnde Erfahrung im Umgang mit Computern zurückzuführen wären, sind vorliegend zudem keine Anhaltspunkte ersichtlich – im Gegenteil sprechen doch die guten Leistungen im ATAVT-Test dafür, dass der Antragsteller mit dem computergestützten Testsystem umzugehen vermochte. Dem Antragsteller bleibt es auch unbenommen, sich im Widerspruchsverfahren auf seine Kosten einer nochmaligen Untersuchung seiner psycho-physischen Leistungsfähigkeit (mit nicht computerbasierten Testverfahren und ggf. einer verkehrspsychologischen Fahrverhaltensbeobachtung) durch eine hierfür qualifizierte Begutachtungsstelle für Fahreignung zu unterziehen, falls er sich davon Erfolg verspricht. Anlass, das Zusatzgutachten und die darin festgestellte Fahrungeeignetheit des Antragstellers anzuzweifeln, gab und gibt es derzeit aber nicht.
Die psychologische Zusatzuntersuchung durfte von der Fahrerlaubnisbehörde auch im Rahmen des Entziehungsverfahrens verwertet und herangezogen werden. Zwar ist zweifelhaft, ob die vorliegende Aufforderung zur Gutachtensbeibringung materiell-rechtlich dem in den §§ 11ff. FeV angelegten, abgestuften System (zuerst Anordnung eines – rein – ärztliches Gutachten, auf dessen Basis dann ggf. Anordnung einer neuropsychologischen Zusatzuntersuchung; psycho-physische Leistungstestung ohne vorheriges ärztliches Gutachten nur nach § 11 Abs. 9 FeV bei Gruppe 2) entspricht. Dies kann aber offen bleiben, denn der Antragsteller hat das psychologische Zusatzgutachten vorgelegt, aus dem sich seine Fahrungeeignetheit ergibt. Die Verwertbarkeit eines der Fahrerlaubnisbehörde tatsächlich bekanntgewordenen negativen Fahreignungsgutachtens hängt nicht von der Rechtmäßigkeit der Beibringungsanordnung ab (st. Rspr. vgl. etwa BayVGH, B. v. 28.10.2013 – 11 CS 13.1746 – juris). Ebenso wenig muss näher auf die Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit des medizinischen Teil (I) des Gutachtens eingegangen werden, da sich die Fahrungeeignetheit bereits aus der in sich geschlossenen, von einem anderen Gutachter angefertigten Zusatzuntersuchung ergibt.
Die Entziehung ist schließlich auch nicht unverhältnismäßig gegenüber dem Antragsteller. Dass er in der Vergangenheit über Jahrzehnte unbeanstandet am Straßenverkehr teilgenommen hat, kann und darf für die aktuelle, rein präventive Bewertung einer von ihm ausgehenden Gefährdung der Verkehrssicherheit keine Rolle spielen. Ebenso vermag auch der Umstand, dass eine Person beruflich oder – wie vorliegend der Antragsteller infolge seiner Mobilitätseinschränkung – privat auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist, ein Absehen vom Fahrerlaubnisentzug (oder eine Aussetzung der sofortigen Vollziehung) nicht zu rechtfertigen. Das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus
Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG ableitbare Auftrag des Staates zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben gebieten es, hohe Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr zu stellen (BVerwG, B. v. 20.6.2002 – 1 BvR 2062/96 – juris) und diesen Schutz auch effektiv zu gewährleisten.
2.2.2 Die in Nr. 2 des Bescheids vom 17. Januar 2017 enthaltene Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins sowie die in Nr. 3 ausgesprochene Zwangsgeldandrohung sind – wie von der Fahrerlaubnisbehörde zutreffend im Bescheid erläutert – vor diesem Hintergrund ebenfalls rechtmäßig. Auch die Kostenerhebung in Nr. 5 des Bescheids begegnet keinen Bedenken.
2.3 Nach alledem wird der Widerspruch nach derzeitiger Sach- und Rechtslage voraussichtlich keinen Erfolg haben. Folglich überwiegt das öffentliche Interesse am Vollzug des verfahrensgegenständlichen Bescheids vom 17. Januar 2017. Gründe, die ausnahmsweise trotz der mangelnden Erfolgsaussichten der Hauptsache für eine Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sprechen würden, sind nicht ersichtlich (s.o. unter 2.2.1 a.E. – Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG – i.V.m. den Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Durch die 1985 verfügten Auflagen bzw. Beschränkungen entsprach die vom Antragsteller zuletzt genutzte Fahrerlaubnis der Altklasse 3 in etwa der aktuellen Fahrerlaubnisklasse B, so dass gemäß Streitwertkatalog 0,5 x 5.000 Euro anzusetzen waren.