Medizinrecht

Voraussetzungen einer Gutachtensanordnung

Aktenzeichen  11 CS 17.1196

Datum:
1.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV FeV § 11 Abs. 2 S. 1, Abs. 8
StVG StVG § 3 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Ist von der Antragstellerin lediglich das Bestehen “internistischer Probleme” eingeräumt worden, bietet dieser Umstand allein keine hinreichende Grundlage zur Anordnung der Beibringung eines Gutachtens. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die verfahrensbegleitende Vorlage eines Privatgutachtens kann es bei der Gutachtensanforderung erforderlich machen, erneut zu prüfen, ob nicht zuerst andere, weniger belastende Maßnahmen ergriffen werden können. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 6 S 17.505 2017-06-08 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 8. Juni 2017 wird in Nummer II aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nummer 1 und 2 des Bescheids des Landratsamts Würzburg vom 12. Dezember 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Unterfranken vom 23. März 2017 wird wiederhergestellt.
II. Unter Abänderung der Nummer III des Beschlusses des Verwaltungsgerichts trägt der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung ihrer Fahrerlaubnis der Klassen A1, B, BE, C1, C1E, L und M.
Mit Schreiben vom 15. Juli 2016 bat die Antragstellerin das Landratsamt Würzburg (im Folgenden: Landratsamt) um die Ausstellung einer Zweitschrift ihres Führerscheins zur Vorlage bei der Deutschen Rentenversicherung. Beigefügt war die Kopie eines Schreibens der Rentenversicherung an die Antragstellerin bezüglich eines Antrags auf Hilfe zu den Anschaffungskosten eines Kraftfahrzeuges und zur Übernahme der Kosten von behinderungsbedingten Zusatzausstattungen sowie eines orthopädischen Autositzes. Darin wurde auch um die Übersendung einer Kopie des Bescheids über die Feststellung der Schwerbehinderung gebeten.
Das Landratsamt forderte die Antragstellerin daraufhin zur Vorsprache auf, da der Verdacht bestehe, dass sie an einer Behinderung des Bewegungsapparates leide, was von fahreignungsrechtlicher Relevanz sein könnte.
Die Antragstellerin teilte telefonisch mit, dass sie nicht vorsprechen könne, da sie unter der Woche in München arbeite. Sie habe sowohl internistische Probleme als auch Probleme mit der Wirbelsäule und mit den Beinen. Ein ihr vorliegendes ärztliches Gutachten hinsichtlich der Gesundheitseinschränkungen wolle sie nicht vorlegen. Es solle ein neues Gutachten gemacht werden.
Daraufhin forderte das Landratsamt sie mit Schreiben vom 2. September 2016 unter Schilderung der bekannt gewordenen Umstände auf, bis 2. November 2016 ein Gutachten eines Arztes in einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung vorzulegen. Es sei u.a. zu klären, ob die bei ihr bekannt gewordenen Auffälligkeiten auf eignungsrelevante Krankheiten (Bewegungsbehinderungen, Herz- und Gefäßkrankheiten, Diabetes mellitus, Nierenerkrankungen) zurückzuführen seien. Die Anordnung werde auf § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV und Nrn. 3, 4, 5 und 10 der Anlage 4 zur FeV gestützt. Im Interesse der allgemeinen Verkehrssicherheit sei die Behörde verpflichtet, Eignungszweifeln nachzugehen. Deshalb sei die Begutachtung erforderlich.
Die Antragstellerin erklärte sich mit einer Begutachtung durch eine Begutachtungsstelle in München einverstanden und es wurde ihr Akteneinsicht beim Landratsamt München ermöglicht.
Mit Schreiben vom 3. November 2016 teilte die Antragstellerin mit, die Begutachtungsstelle habe die Vorlage weiterer Unterlagen für notwendig erachtet, die sich verzögere. Hilfsweise werde daher zunächst das vom Rentenversicherungsträger eingeholte Gutachten beigefügt. Aus dem Gutachten des Internisten, Arbeits- und Sozialmediziners Dr. H. M. vom 15. Juli 2015, das im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem Landessozialgericht erstellt wurde, in dem das berufliche Leistungsvermögen der Antragstellerin überprüft wurde, ergibt sich, dass die Antragstellerin unter verschiedenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet. Sie habe im Gespräch angegeben, sie habe Schmerzen von der rechten Halsseite bis in die Finger der rechten Hand. Sie könne beide Daumen und auch den rechten kleinen Finger nicht mehr gebrauchen, der komplett taub sei. An den Fingern 2 bis 4 der rechten Hand seien die Endglieder gefühllos. Im Laufe des Tages komme es zu Schwellungen in den Beinen. In größeren Abständen komme es zu Kollapszuständen. Der Gutachter stellte fest, dass an beiden Händen ausgeprägte Deformierungen der Daumengrundgelenke mit Subluxationsstellungen der Daumengrundglieder auffielen. Diese Daumengelenksarthrosen führten zu qualitativen Einschränkungen der Greiffunktion. Von einer weitgehenden Gebrauchsunfähigkeit der rechten Hand könne jedoch nicht gesprochen werden. Die körpertragenden Gelenke wiesen keine relevanten Funktionseinschränkungen auf und seien schmerzfrei beweglich. Aus den in größeren Abständen auftretenden Kollapszuständen, zuletzt im Mai 2015 im Zusammenhang mit einem gastrointestinalen Infekt, seien keine sozialmedizinischen Konsequenzen zu ziehen. Die gesundheitlichen Einschränkungen des Bewegungsapparats könnten keinen bestimmten Erkrankungen zugeordnet werden, sondern es liege eine psychogene Überlagerung der vielfältigen und vielgestaltigen körperlichen Beschwerden vor. Die Antragstellerin sei bei Meidung nervlich-seelisch besonders belastender Arbeitsbedingungen in der Lage, sechs Stunden am Tag zu arbeiten.
Das Landratsamt verlängert die Frist zur Vorlage eines Gutachtens bis 28. November 2016. Die Begutachtungsstelle habe die Unterlagen zurückgeschickt. Es sei daher davon auszugehen, dass die Begutachtung abgeschlossen sei.
Da die Antragstellerin kein Fahreignungsgutachten vorlegte, entzog ihr das Landratsamt mit Bescheid vom 12. Dezember 2016 die Fahrerlaubnis aller Klassen, ordnete unter Androhung eines Zwangsgelds die unverzügliche Ablieferung des Führerscheins und die sofortige Vollziehung an. Die Antragstellerin habe das zu Recht angeordnete ärztliche Gutachten nicht vorgelegt. Angesichts der Sachlage sei das Vorliegen von Beeinträchtigungen nach Nrn. 3, 4, 5 und 10 der Anlage 4 zur FeV zu befürchten gewesen. Zur Ausräumung der dadurch entstandenen Fahreignungszweifel sei das ärztliche Gutachten angeordnet worden. Zum Zeitpunkt der Begutachtensanordnung hätten Herz- oder Gefäßkrankheiten oder eine sonstige verkehrsrelevante internistische Krankheit nicht ausgeschlossen werden können. Am 23. Dezember 2016 gab die Antragstellerin ihren Führerschein ab.
Mit der Begründung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 12. Dezember 2016 legte die Antragstellerin einen Arztbrief des Facharztes für Innere Medizin und Kardiologie Dr. K. M* … vom 18. Januar 2017 vor, mit dem eine Herzerkrankung ausgeschlossen wurde.
Mit Bescheid vom 23. März 2017 wies die Regierung von Unterfranken den Widerspruch zurück. Die Antragstellerin habe der Fahrerlaubnisbehörde mitgeteilt, dass sie zum Führen eines Kraftfahrzeuges einer behinderungsbedingten Zusatzausstattung bedürfe. Darüber hinaus sei eine Schwerbehinderung festgestellt worden. Zudem habe sie erklärt, dass sie internistische Probleme, Probleme mit der Wirbelsäule und mit den Beinen habe. Dieser Sachverhalt habe die Behörde berechtigt, eine ärztliche Begutachtung anzuordnen. Das Gutachten des Dr. M* … könne nicht als Ersatz dienen, denn es stamme nicht von einem Verkehrsmediziner und nehme keinerlei Bezug auf die Fähigkeiten der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Über die gegen den Bescheid vom 12. Dezember 2016 und den Widerspruchsbescheid vom 23. März 2017 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Würzburg noch nicht entschieden (W 6 K 17.458). Den Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 6. Juni 2017 abgelehnt. Die Klage werde voraussichtlich keinen Erfolg haben. Das Landratsamt habe vorliegend hinreichenden Anlass zu Bedenken an der Fahreignung der Antragstellerin gehabt, die durch das angeordnete Gutachten aufgeklärt werden müssten. Das nach Erlass der Gutachtensanordnung vorgelegte Gutachten des Dr. M. und das im Widerspruchsverfahren vorgelegte Gutachten des Dr. M. seien nicht geeignet gewesen, im Hinblick auf den maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der letzten Behördenentscheidung eine Verlängerung der Vorlagefrist bzw. eine Aufhebung der Gutachtensanordnung zu begründen. Damit sei die Fahreignung nicht begutachtet worden. Auch eine Interessenabwägung könne dem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen, denn es würden keine hinreichend gewichtigen Gründe dafür sprechen, dass die Antragstellerin nicht bzw. nicht mehr fahrungeeignet sei oder dass das von ihr ausgehende Gefahrenpotenzial nicht nennenswert über dem des Durchschnitts anderer motorisierter Verkehrsteilnehmer liege.
Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt. Die Antragstellerin macht geltend, es lägen keine Tatsachen vor, die Bedenken gegen ihre körperliche Eignung begründen könnten. Zwar habe die Behörde angesichts der zuerst vorgelegten Unterlagen und der Angaben der Antragstellerin richtig reagiert und sie zur Vorsprache und Vorlage des vorhandenen Gutachtens aufgefordert. Dass die Antragstellerin darauf zuerst falsch reagiert und das Gutachten des Dr. M. nicht vorgelegt habe, könne aber nicht dazu führen, dass ihr nunmehr die Fahrerlaubnis entzogen werde. Spätestens der Widerspruchsbehörde hätten mit den Gutachten des Dr. M. und des Dr. M. alle notwendigen Unterlagen vorgelegen. Daraus sei ersichtlich, dass die Antragstellerin zwar unter gesundheitlichen Problemen leide, diese aber nicht fahreignungsrelevant seien. Die Gutachtensanforderung liege auch im Ermessen der Behörde. Die Behörde habe aber schon nicht erkannt, dass sie Ermessen ausüben müsse. Die Gutachtensanordnung sei darüber hinaus nicht hinreichend bestimmt. Für eine Nierenerkrankung oder eine Diabeteserkrankung hätten zu keinem Zeitpunkt Anhaltspunkte bestanden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet und die aufschiebende Wirkung der Klage ist wiederherzustellen, da diese voraussichtlich erfolgreich sein wird.
1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. November 2016 (BGBl I S. 2722), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 18. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 21. Dezember 2016 (BGBl I S. 3083), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).
Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Bewerber anordnen, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen. Nach Nr. 3 der Anlage 4 besteht bei Bewegungsbehinderungen regelmäßig Eignung oder bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beider Gruppen. Ggf. ist aber eine Beschränkung auf bestimmte Fahrzeugarten oder Fahrzeuge, ggf. mit besonderen technischen Vorrichtungen gemäß ärztlichem Gutachten, evtl. zusätzlich medizinisch-psycholgischem Gutachten und/oder Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers anzuordnen.
Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung geschlossen werden. Der Schluss auf die Nichteignung ist aber nur dann zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (BVerwG, U.v. 5.7.2001 –3 C 13.01 – NJW 2002, 78). Dies war hier nicht der Fall.
2. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens, gestützt auf § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV i.V.m. Nummer 4, 5 und 10 der Anlage 4, waren zum Zeitpunkt der Gutachtensanordnung nicht erfüllt. Es lagen keine Tatsachen vor, aus denen sich Bedenken an der Eignung der Antragstellerin in Form von Herz- und Gefäßerkrankungen, Diabetes mellitus oder Nierenerkrankungen ergaben. Die Antragstellerin hatte telefonisch zwar angegeben, sie habe internistische Probleme. Weitere Angaben hat sie aber nicht gemacht. Aus dieser völlig unspezifischen Angabe auf Erkrankungen i.S.d. Nrn. 4, 5 und 10 der Anlage 4 zu schließen, die die Fahreignung ausschließen, erscheint nicht gerechtfertigt (vgl. für psychische Erkrankungen BayVGH, B.v. 6.12.2016 – 11 CS 16.2148 – juris Rn. 14 f.). Anhaltspunkte für eine die Fahreignung ausschließende Schwerbehinderung auf Grund der genannten Erkrankungen sind ebenfalls nicht gegeben. Insbesondere kann allein aus der Aufforderung der Rentenversicherung zur Vorlage eines Schwerbehindertenausweises nicht darauf geschlossen werden, dass die Antragstellerin tatsächlich schwerbehindert ist.
Selbst wenn man davon ausgehen würde, es hätten hinreichende Tatsachen vorgelegen, aus denen sich Bedenken an der Fahreignung i.S.d. Nr. 4, 5 und 10 der Anlage 4 ergaben, waren diese zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids durch die Gutachten des Dr. M. und des Dr. M. ausgeräumt. Werden mögliche Bedenken bis zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids ausgeräumt, ist die Gutachtensanordnung aufzuheben und die Fahrerlaubnis kann nicht entzogen werden (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2016 – 11 CS 16.260 – ZfSch 2016, 295 Rn. 13). Hier hat das Gutachten des Dr. M. fahreignungsrelevante Herz- und Gefäßerkrankungen verneint. Eine Diabetes- oder Nierenerkrankung hätte im Rahmen der Begutachtung des beruflichen Leistungsvermögens der Antragstellerin durch Dr. M. Berücksichtigung finden müssen. Nachdem solche Erkrankungen dort nicht festgestellt worden sind, lagen keine Anhaltspunkte für Erkrankungen i.S.d. Nr. 4, 5 und 10 der Anlage 4 vor und eine verkehrsmedizinische Begutachtung war diesbezüglich nicht erforderlich.
3. Hinsichtlich der Frage, ob Bewegungsbehinderungen i.S.d. Nr. 3 der Anlage 4 vorliegen und damit möglicherweise Beschränkungen oder Auflagen anzuordnen sind, waren demgegenüber zum Zeitpunkt der Gutachtensanordnung die Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV erfüllt. Die Antragstellerin hat nach ihren eigenen Angaben bei der Rentenversicherung einen Zuschuss zum behindertengerechten Umbau eines Kraftfahrzeugs beantragt. Trotz Aufforderung wegen des Verdachts, dass sie an einer Behinderung des Bewegungsapparates leide, was von fahreignungsrechtlicher Relevanz sein könnte, hat sie sich geweigert, beim Landratsamt vorzusprechen und hat auch telefonisch keine weiteren Angaben gemacht, sondern nur Probleme mit der Wirbelsäule und mit den Beinen angegeben. Damit lagen hinreichende Anhaltspunkte für möglicherweise notwendige Beschränkungen i.S.d. Nr. 3 der Anlage 4 vor und angesichts des wenig kooperativen Verhaltens der Antragstellerin war auch keine andere Aufklärungsmöglichkeit als die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens mehr ersichtlich.
Gleichwohl hätte das Landratsamt das nachträglich bekannt gewordene Gutachten des Dr. M. noch berücksichtigen müssen. Die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV steht im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde. Nach der Vorlage des Gutachtens des Dr. M. wäre es daher erforderlich gewesen, erneut zu prüfen, ob nicht zuerst andere, weniger belastende Maßnahmen ergriffen werden können. Dem Gutachten kann entnommen werden, dass die Bewegungseinschränkungen bei der Antragstellerin keine besonders gravierenden Ausmaße einnehmen und deswegen voraussichtlich auch keine großen Umbauten an dem Kraftfahrzeug notwendig erscheinen lassen. Ggf. reicht es aus, wenn die Fahrerlaubnis der Antragstellerin mit der Schlüsselzahl 78 auf Automatikfahrzeuge beschränkt wird. Es wäre daher zu erwägen gewesen, ob nicht zuerst eine Nachfrage bei der Antragstellerin erfolgen müsste, welche konkreten behinderungsbedingten Zusatzausstattungen sie in ihr Kraftfahrzeug einbauen möchte. Erst bei einer erneut nicht ausreichenden Mitwirkung der Antragstellerin, wäre die Aufrechterhaltung der Gutachtensanordnung zur Ermittlung ggf. notwendiger Beschränkungen der Fahrerlaubnis wegen ihrer Bewegungseinschränkungen gerechtfertigt gewesen.
4. Die Antragstellerin wird darauf hingewiesen, dass das Gericht der Hauptsache den Beschluss nach § 80 Abs. 7 VwGO jederzeit ändern kann, wenn sich Anhaltspunkte für ihre Fahrungeeignetheit ergeben. Es obliegt ihr, an den weiterhin notwendigen Aufklärungsmaßnahmen hinsichtlich ihrer Bewegungseinschränkungen ordnungsgemäß mitzuwirken.
5. Der Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, 46.2, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, Anh. § 164 Rn. 14).
6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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