Aktenzeichen M 7 S 17.115
AWaffV AWaffV § 4 Abs. 5
VwGO VwGO § 80
Leitsatz
1. Die Einholung eines waffenrechtlichen Eignungsgutachtens kann von der Waffenbehörde unter Berücksichtigung des Gewichts der anlassgebenden Tatsache und der Gefahren, die von einer Waffe in ungeeigneten Händen ausgehen können, einerseits und des hiermit verbundenen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen andererseits angeordnet werden. (redaktioneller Leitsatz)
2. Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass Gründe für eine fehlende waffenrechtliche persönliche Eignung vorliegen, obliegt es dem Waffenbesitzkarteninhaber, die zu Recht bestehenden Bedenken gegen seine Eignung auszuräumen. Gelingt ihm dies nicht, gehen verbleibende Zweifel zu seinen Lasten, wobei der Betroffene eine Vorlagepflicht hat, die sich nicht darauf beschränkt, (irgend-)ein Gutachten vorzulegen, sondern er muss ein Gutachten vorlegen, das die Eignungsbedenken der Behörde zerstreut. (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine nachgewiesene Alkoholabstinenz ist nicht ohne Weiteres geeignet und ausreichend, um die waffenrechtlichen Eignungszweifel im Hinblick auf die Alkoholproblematik auszuräumen, da wegen der allgemeinen Verfügbarkeit des Alkohols bei früherer Alkoholabhängigkeit generell eine hohe Rückfallgefahr besteht, so dass im Einzelfall strenge Maßstäbe anzulegen sind, bevor eine positive Prognose im Hinblick auf die waffenrechtliche Eignung gestellt werden kann (wie VGH München BeckRS 2016, 49326 Rn. 36). (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Anordnung des Sofortvollzuges des Widerrufs von Waffenbesitzkarten bedarf keines besonderen öffentlichen Interesses, das über das die Rücknahme der waffenrechtlichen Erlaubnisse rechtfertigende Interesse hinausgeht. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.875,- EUR festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klage- und das Eilverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Widerruf der ihr vom Landratsamt A. (im Folgenden: Landratsamt) am 27. Mai 1998 ausgestellten Waffenbesitzkarten Nr. 18/98 und Nr. 37/98, in die eine Einzelladerbüchse und eine halbautomatische Pistole eingetragen sind.
Durch Schreiben des Nachlasspflegers ihres verstorbenen Lebensgefährten vom 7. März 2016 wurde der Waffenbehörde des Landratsamtes bekannt, dass die Antragstellerin jenem gegenüber bestätigt habe, dass sie Alkoholikerin sei und insofern Probleme bestünden. Dies decke sich mit seinem Eindruck.
Unter Mitteilung dieser Tatsache und unter Hinweis auf die Kostentragung sowie die Folgen einer nicht fristgerechten Beibringung forderte die Waffenbehörde die Antragstellerin mit Schreiben vom 24. März 2016 auf, bis zum 6. Mai 2016 ein waffenrechtliches Eignungsgutachten eines Amts- oder Facharztes vorzulegen.
Am 31. März 2016 sprach die Antragstellerin bei der Waffenbehörde des Landratsamtes zum Zweck der Übernahme der Waffen ihres verstorbenen Lebensgefährten vor. Auf das Schreiben vom 24. März 2016 angesprochen, gab sie zunächst an, dieses erhalten, jedoch nicht gelesen zu haben, sodann, dass sie sich schon länger nicht mehr in Burgkirchen an der Alz aufhalte und die Post dort nur sporadisch abhole. Daraufhin wurde der Antragstellerin das Schreiben nochmals ausgehändigt und erläutert. Sie bestätigte ihre Aussage gegenüber dem Nachlasspfleger, meinte aber, dies sei schon einige Zeit her und sie habe ihre Alkoholprobleme überwunden bzw. „im Griff“. Ihr gehe es jetzt wieder gut, dies auch durch die Unterstützung ihres neuen Lebensgefährten, zu dem sie gezogen sei. Sie wolle auf jeden Fall ihre Waffen behalten und werde deshalb das geforderte fachärztliche Gutachten vorlegen.
Nach Rücksprache mit dem Landratsamt wurde die Frist zur Beibringung des Gutachtens bis zum 18. Mai 2016 verlängert. Mit Formularschreiben vom 18. Mai 2016 teilte die Antragstellerin mit, dass sie sich am 1. Juni 2016 von einem Arzt der … Gesundheitsvorsorge und S. GmbH begutachten lasse. Mit Schreiben vom 2. August 2016 teilte deren begutachtender Diplom-Psychologe der Waffenbehörde mit, die ermittelte Befundlage sei nicht geeignet, eine positive Bewertung bzw. Beurteilung vornehmen zu können. Nach telefonischer Vereinbarung mit der Antragstellerin solle kein Gutachten erstellt werden.
Mit Schreiben vom 4. August 2016 hörte die Waffenbehörde die Antragstellerin zum Widerruf ihrer Waffenbesitzkarten an. Bei einer Vorsprache bei der Waffenbehörde am 11. August 2016 erklärte sie, sie verstehe die Mitteilung des Psychologen nicht. Dieser habe ihr gesagt, ihre Blutwerte bewiesen, dass sie zum Umgang mit Waffen geeignet sei. Daraufhin wurde der Antragstellerin eine Frist bis zum 16. August 2016 eingeräumt, um einen neuen Begutachtungstermin mitzuteilen. Am 12. September 2016 teilte ihr derzeitiger Lebensgefährte mit, sie wolle sich bei einem Neurologen ihrer Wahl begutachten lassen. Dies und eine weitere Fristverlängerung lehnte die Waffenbehörde ab, da der Neurologe nicht als Gutachter zur Feststellung der waffenrechtlichen Eignung zugelassen sei. Sodann übersandte die Antragstellerin eine Terminsvereinbarung mit der … Service Life GmbH in P. für den 7. September 2016. Am 21. Oktober 2016 teilte diese der Waffenbehörde mit, eine Übersendung des Gutachtens sei nicht möglich, weil die Antragstellerin keine entsprechende Erklärung unterschrieben habe.
Mit Schreiben vom 21. Oktober 2016 forderte die Waffenbehörde die Antragstellerin auf, bis spätestens 26. Oktober 2016 das Gutachten vorzulegen, und hörte sie erneut zum Widerruf ihrer Waffenbesitzkarten an.
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2016 bat der Bevollmächtigte der Antragstellerin die Waffenbehörde um Fristverlängerung und bemängelte das Fehlen einer konkreten Fragestellung. Die Waffenbehörde verlängerte die Frist zur Vorlage des Gutachtens bis zum 5. November 2016.
Mit Schreiben vom 7. November 2016 bestritt der Bevollmächtigte der Antragstellerin, dass diese gegenüber dem Nachlasspfleger geäußert habe, dass sie Alkoholikerin sei und Alkoholprobleme habe. Schon durch den medizinischen Befund (Leberwerte) sei das Gegenteil bewiesen. Weiter wurde vorgetragen, das Gutachten sei für eine Beurteilung nur eingeschränkt tauglich und nicht nachvollziehbar. Die Antragstellerin leide an einer Hüftbeeinträchtigung und sei am Untersuchungstag übermüdet und aufgeregt gewesen.
Es wurde ein Gutachten vom 13. Oktober 2016 vorgelegt, wonach eine belastbare diagnostische Einordnung nicht möglich sei und die behördlichen Bedenken nicht zerstreut werden könnten. Von der Waffenbehörde um Präzisierung gebeten, kamen der begutachtende Facharzt und der Psychologe in einem ergänzten Gutachten vom 1. Dezember 2016 zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin nicht gem. § 6 Abs. 1 WaffG i.V.m. § 4 Abs. 5 AWaffV persönlich geeignet und nicht in der Lage sei, die tatsächliche Gewalt über Schusswaffen und Munition auszuüben.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2016 widerrief das Landratsamt gestützt auf § 45 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 WaffG die Waffenbesitzkarten der Antragstellerin (Nr. 1) und verpflichtete sie, ihre Waffen innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides dauerhaft unbrauchbar zu machen oder an einen Berechtigten zu überlassen und dies dem Landratsamt nachzuweisen (Nr. 2). Widrigenfalls wurde die Sicherstellung der Waffen angekündigt. Weiter wurde der Antragstellerin aufgegeben, die Waffenbesitzkarten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides beim Landratsamt abzuliefern (Nr. 3). Für die Nummern 2 und 3 des Bescheides wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nr. 4) und der Antragstellerin für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der Nummer 3 ein Zwangsgeld von 100,- EUR angedroht (Nr. 5). Zur Begründung wurde ausgeführt, das vorgelegte waffenrechtliche Gutachten vom 1. Dezember 2016 sei negativ ausgefallen. Es sei schlüssig und nachvollziehbar. Die vom Bevollmächtigten der Antragstellerin vorgebrachten Bedenken seien nicht überzeugend. Die Anordnung unter Nummer 2 des Bescheides beruhe auf § 46 Abs. 2 Satz 1 und 2 WaffG; die Verpflichtung zur Ablieferung der Waffenbesitzkarten ergebe sich aus § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Die Anordnung des Sofortvollzuges gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO sei erforderlich, weil es nicht vertretbar erscheine, der Antragstellerin die Waffen bis zur Bestandskraft des Bescheides zu belassen. Das öffentliche Vollzugsinteresse in Gestalt der Reduzierung des Sicherheitsrisikos überwiege ihr privates Interesse, die Waffen so lange behalten zu dürfen. Es bestehe die Gefahr, dass die Waffen und/oder die Munition bis dahin abhandenkämen oder Dritte sie unbefugt an sich nähmen. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29 – 31, 36 VwZVG.
Gegen den am 22. Dezember 2016 zugestellten Bescheid ließ die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten Klage erheben mit dem Antrag (M 7 K 17.113), den Bescheid des Landratsamtes vom 20. Dezember 2016 aufzuheben, und gem. § 80 Abs. 5 VwGO beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nummer 1 des Bescheides anzuordnen und gegen Nummern 2 und 3 des Bescheides wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde unter Bezug auf den Vortrag im Verwaltungsverfahren ausgeführt, dass die Antragstellerin aufgrund unrichtiger Tatsachen zur Vorlage eines waffenrechtlichen Eignungsgutachtens aufgefordert worden sei. Mit dem Schreiben des Bevollmächtigten, mit dem das Gutachten an die Waffenbehörde übersandt worden sei, sei ausführlich begründet worden, warum das Gutachten zur Eignungsfeststellung der Antragstellerin ungeeignet sei. Hierin werde fälschlicherweise ein Alkoholproblem festgestellt, das die Antragstellerin Zeit ihres Lebens nicht gehabt habe. Auch jetzt habe sie keines. Auch das Landratsamt sei von der Unbrauchbarkeit ausgegangen, weil es um ergänzende Beantwortung einer Frage gebeten habe. Das ergänzende Gutachten sei gleichfalls ungeeignet, weil das Ausgangsgutachten übernommen und lediglich eine fehlerhafte Schlussbewertung angefügt worden sei. Dem Landratsamt sei mitgeteilt worden, dass die Antragstellerin ein Haar-Screening in Auftrag gegeben habe, und ein Lichtbild der Handinnenflächen übersandt worden. Die gefertigten Lichtbilder widerlegten die gutachterlichen Feststellungen; die Laborwerte stünden noch aus. Die Haaranalyse werde bestätigen, dass die Antragstellerin allenfalls gelegentlich ein Bier trinke. Die Gutachten seien falsch und widersprüchlich. Die Antragstellerin habe zu keiner Zeit gegenüber Dritten geäußert, dass sie Alkoholikerin sei oder überhöht Alkohol konsumiere. Ihr neuer Lebensgefährte könne dies bezeugen. Das Landratsamt habe den Widerrufsbescheid aufgrund eines untauglichen Gutachtens auf reiner Verdachtsbasis getroffen. Die Unschuldsvermutung habe auch im Gefahrenabwehr- bzw. Sicherheitsrecht zu gelten. Nach der Rechtsprechung bedürfe es eines konkret festgestellten negativen Verhaltens, nach der Gesetzesbegründung einer häufigen Trunkenheit. Vorliegend bestehe demgegenüber ein grundloser Verdacht.
Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 20. Januar 2017 im Wesentlichen unter Bezug auf den Akteninhalt und die Gründe des angefochtenen Bescheides, den Antrag abzulehnen, und führte ergänzend aus, das Landratsamt habe lediglich eine eindeutige Aussage zur Eignung nachgefordert, sei aber nicht von der Ungeeignetheit des Gutachtens ausgegangen. Das Gutachten sei schlüssig und nachvollziehbar. Wenn auf Seite 12 des Gutachtens ausgeführt werde, eine belastbare diagnostische Einordnung sei nicht möglich, liege dies daran, dass die Antragstellerin nicht vollumfänglich mitgewirkt und damit die Diagnosefindung erschwert habe. Leberlaborwerte seien allein nicht aussagekräftig, da auch ein Alkoholiker nach kurzer Zeit der Abstinenz Werte im Normbereich haben könne. Auch eine Haaranalyse könne keine Aussage über eine bestehende Alkoholabhängigkeit, sondern allenfalls über eine gewisse Zeit der Abstinenz treffen. Die Behauptung der Antragstellerin, sie habe Dritten gegenüber nie geäußert, sie sei Alkoholikerin, werde bestritten. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Motivation der Nachlasspfleger gehabt haben solle, eine Lüge über die Antragstellerin zu verbreiten. Zudem könne die Sachbearbeiterin der Waffenbehörde bestätigen, dass die Antragstellerin ihr gesagt habe, die Aussage des Rechtswirts sei richtig. Hierüber gebe es einen Aktenvermerk. Bei dieser Aussage sei der Lebensgefährte der Antragstellerin nicht dabei gewesen, so dass er auch nicht das Gegenteil bezeugen könne. Das Einräumen von Alkoholproblemen durch die Antragstellerin stelle keinen grundlosen Verdacht bzw. eine bloße Einschätzung durch Dritte und des Antragsgegners dar.
Mit Schreiben vom 31. Januar 2017 nahm der Bevollmächtigte der Antragstellerin nochmals dahingehend Stellung, dass Ausgangspunkt des waffenbehördlichen Handelns die in den Raum gestellte Vermutung des Nachlasspflegers gewesen sei, mit dem es Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Nachlass des vormaligen Lebensgefährten gegeben habe. Das Landratsamt könne sich in Anbetracht der positiven Laborwerte und Haaranalyse nicht auf das TÜV-Gutachten stützen. Die Haaranalyse belege, dass die Antragstellerin sechs Monate lang keinen Alkohol getrunken habe. Es wäre sehr wohl feststellbar, ob die Antragstellerin Quartalstrinkerin sei. Beigefügt war ein forensisch-toxikologisches Gutachten aufgrund einer Haarentnahme am 21. Dezember 2016, in dem vermerkt ist, dass abweichend vom CTU3-Kriterium auf Wunsch des Einsenders die Analyse mit colorierten Haaren und einem Haarsegment von 6 cm Länge durchgeführt worden sei. Als Ergebnis ist festgehalten, dass sich keine Hinweise auf einen Alkoholkonsum während eines Zeitraums von 6 Monaten ergäben.
Mit Schreiben vom 8. Februar und 8. März 2017 wurde beantragt,
der Antragstellerin für das Klageals auch das Eilverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt N. zu bewilligen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. § 117 Abs. 3 VwGO analog auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige, auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nummer 1 des Bescheides und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nummern 2 und 3 des Bescheides gerichtete Antrag hat keinen Erfolg.
Entfaltet ein Rechtsbehelf wie hier kraft Gesetzes (§ 45 Abs. 5 WaffG) bzw. aufgrund behördlicher Anordnung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen bzw. wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nimmt das Gericht eine eigene Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Aufschubinteressen der Beteiligten vor, die sich in erster Linie am voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens orientiert. Je größer die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren sind, desto schwerer wiegen grundsätzlich die privaten Interessen eines Antragstellers; je geringer die Wahrscheinlichkeit für sein Obsiegen ist, umso bedeutsamer werden in der Regel die öffentlichen Interessen sein. Können die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache auch summarisch nicht hinreichend sicher beurteilt werden, sind allein die widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und deren Ablehnung verbundenen Folgen zu gewichten. Dabei fällt im Waffenrecht zugunsten des öffentlichen Interesses die vom Waffenbesitz ausgehende erhöhte Gefahr für die Allgemeinheit ins Gewicht.
Bei Anwendung dieser Grundsätze war der Antrag abzulehnen. Der Bescheid ist nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage rechtmäßig und die Antragstellerin damit nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Doch auch wenn man davon ausginge, dass die Rechtslage vor einer Zeugeneinvernahme des Nachlasspflegers, des Rechtswirts E., und der Sachbearbeiterin der Waffenbehörde noch offen ist, überwiegt bei einer Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an dem Widerruf der Waffenbesitzkarten und dem privaten Interesse der Antragstellerin an der Ausübung des Schießsports mit eigenen Waffen das öffentliche Interesse.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, hier die Waffenbesitzkarten (§ 10 Abs. 1 WaffG), zwingend zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Dies ist dann der Fall, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis nicht (mehr) gegeben sind, unter anderem gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG dann, wenn die Eignung des Erlaubnisinhabers im Sinne von § 6 WaffG entfallen ist. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 WaffG besitzen Personen die erforderliche persönliche Eignung unter anderem dann nicht, wenn – was hier allein in Betracht kommt – Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie abhängig von Alkohol sind. Sind Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die persönliche Eignung nach § 6 Abs. 1 WaffG begründen, hat die Waffenbehörde dem Betroffenen auf seine Kosten die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige und körperliche Eignung aufzugeben (§ 6 Abs. 2 WaffG). Näheres hierzu ist in der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung – AWaffV – geregelt (§ 6 Abs. 4 WaffG).
Die Waffenbehörde durfte der Antragstellerin aufgeben, ein Eignungsgutachten beizubringen, da sie selbst gegenüber dem Nachlasspfleger ihres verstorbenen Lebensgefährten geäußert hatte, dass sie Alkoholikerin sei und „insofern Probleme bestünden“. Davon, dass es sich hierbei um eine aus der Luft gegriffene falsche Bezichtigung aus Verärgerung wegen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Nachlass handelt, kann nicht ausgegangen werden, denn die Antragstellerin hat diese Aussage anlässlich ihrer Vorsprache bei der Waffenbehörde am 31. März 2016 bestätigt und mittelbar dadurch bekräftigt, dass sie zur Beibringung eines Gutachtens bereit war und dessen Erforderlichkeit nicht in Zweifel gezogen hat. Die ungenaue Relativierung, dies sei schon einige Zeit her und sie habe ihre Alkoholprobleme überwunden bzw. „im Griff“, ändert hieran nichts. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Nachlasspfleger als auch die Waffensachbearbeiterin beide die Unwahrheit gesagt haben sollten. Der als Zeuge angebotene Lebensgefährte ist kein geeignetes Beweismittel für den Nachweis, dass die Antragstellerin zu keiner Zeit gegenüber Dritten geäußert habe, dass sie Alkoholikerin sei. Auch die weiteren materiellen Voraussetzungen für die Anordnung liegen vor. Sie war insbesondere im Hinblick auf das Gewicht der anlassgebenden Tatsache und die Gefahren, die von einer Waffe in ungeeigneten Händen ausgehen können, einerseits und auf den hiermit verbundenen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellerin andererseits verhältnismäßig (vgl. OVG NW, U. v. 21. Februar 2014 – 16 A 2367/11 – juris Rn 39 ff.; BVerwG, U. v. 5. Juli 2001 – 3 C 13/01 – juris Rn 20).
Das fachärztliche und fachpsychologische Gutachten vom 13. Oktober 2016 hat ergeben, dass die Eignungsbedenken der Waffenbehörde nicht ausgeräumt sind und die Antragstellerin nicht waffenrechtlich geeignet und in der Lage ist, die tatsächliche Gewalt über Schusswaffen und Munition auszuüben. Gegen das fachärztliche und fachpsychologische Gutachten der … Life Service GmbH vom 13. Oktober 2016 und seine Ergänzung durch die eindeutiger gefasste gutachtliche Aussage vom 1. Dezember 2016 ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken. Der eingesetzte Facharzt für Allgemein-, Sucht- und Verkehrsmedizin und der Fachpsychologe waren für die Begutachtung fachlich geeignet und haben die Antragstellerin in den letzten fünf Jahren nicht behandelt oder fachlich beraten. Sie haben sich am 7. September 2016 einen persönlichen Eindruck von ihr verschafft und sind bei ihrer Begutachtung von richtigen rechtlichen und sachlichen Gegebenheiten ausgegangen. Die gutachtlichen Methoden (fachpsychologische Untersuchung mit Leistungsdiagnostik, Persönlichkeitsdiagnostik und psychologischem Untersuchungsgespräch sowie medizinische Zusatzuntersuchung) wurden beschrieben. Die nachvollziehbaren Feststellungen tragen den Schluss, dass die Antragstellerin waffenrechtlich nicht geeignet ist. Ihre wörtlich wiedergegeben Antworten zu ihrem Trinkverhalten lassen sich nach der sachverständigen Auffassung des Facharztes nicht widerspruchsfrei mit den von ihm festgestellten medizinischen Befunden, die deutlich auf einen erhöhten Alkoholkonsum hinwiesen, vereinbaren. Dass diese Befunde medizinisch jeweils auch andere Ursachen haben können, ändert nichts an ihrem indiziellen Charakter, zumal gleich drei unterschiedliche Hinweise auf erhöhten Alkoholkonsum gegeben sind. Das Vorhandensein eines Palmarerythems an den Handinnenflächen und eines Spider naevi ist durch die vorgelegten Fotos, die farblich völlig überzeichnet und durch eine starke Beleuchtung verfremdet sind, nicht widerlegt. Dies hätte im Übrigen auch durch einen Arzt zu erfolgen. Weiter ist die psychologische Begutachtung ebenfalls nicht zu einem positiven Ergebnis gelangt. Die psychologischen Testergebnisse zur Messung der Belastbarkeit und des Reaktionsvermögens sowie der Aufmerksamkeit und Konzentration waren aufgrund zahlreicher Auslassungen und Fehlbeurteilungen nicht verwertbar. Der Persönlichkeitsfragebogen ergab hohe Werte für Dissimulation und Emotionalität, wobei eine hohe Anzahl von Auslassungen die Aussagekraft der Profilauswertung gesenkt hat. Dies lässt sich nicht damit erklären, dass die Antragstellerin am Untersuchungstag übermüdet war, zumal sie selbst angegeben hat, sich insgesamt gesund und leistungsfähig zu fühlen. Im Ergebnis war eine belastbare diagnostische Einordnung nicht möglich. Es ist nachvollziehbar, wenn die beiden Gutachter vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis kamen, dass die behördlichen Bedenken nicht zerstreut sind und damit eine waffenrechtliche Eignung nicht bestätigt werden kann.
Doch auch wenn das Gutachten „ungeeignet“ wäre, wie die Antragstellerin meint, wären die Zweifel an ihrer persönlichen Eignung nicht ausgeräumt. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 WaffG besitzen die erforderliche persönliche Eignung Personen bereits dann nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die tatbestandlich aufgezählten Gründe für eine fehlende Eignung vorliegen. Die Waffenbehörde hat dem Betroffenen gem. § 6 Abs. 2 WaffG bereits dann die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses bzw. Gutachtens über die geistige oder körperliche Eignung aufzugeben, wenn Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die persönliche Eignung nach § 6 Abs. 1 WaffG begründen. Hiernach obliegt es folglich der Antragstellerin, die zu Recht bestehenden Bedenken gegen ihre Eignung auszuräumen. Gelingt ihr dies nicht, gehen verbleibende Zweifel zu ihren Lasten (vgl. BayVGH, B. v. 24. November 2008 – 19 ZB 08.857, 19 ZB 08.859 – juris Rn 7). Der Betroffene hat somit eine Vorlagepflicht, die sich jedoch nicht darauf beschränkt, (irgend-)ein Gutachten vorzulegen, sondern er muss ein Gutachten vorlegen, das die Eignungsbedenken der Behörde zerstreut (BayVGH, aaO, m.w.N.; VG Würzburg, U. v. 23. Juni 2016 – W 5 K 16.133 – juris Rn 30 m.w.N.).
Die von der Antragstellerin vorgelegte Haaranalyse ist schon deshalb nicht geeignet, das Gutachten zu erschüttern, weil eine sechsmonatige Alkoholabstinenz damit nicht nachgewiesen ist. Denn die Analyse ist auf Wunsch der Antragstellerin mit colorierten Haaren durchgeführt worden, was nicht den Anforderungen an die Durchführung chemisch-toxikologischer Untersuchungen entspricht. Danach dürfen entnommene Haare nicht gebleicht, coloriert oder gefärbt sein (vgl. die Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin zu den sog. CTU-Kriterien). Außerdem wäre auch eine nachgewiesene Alkoholabstinenz nicht ohne weiteres geeignet und ausreichend, um die waffenrechtlichen Eignungszweifel im Hinblick auf die Alkoholproblematik auszuräumen (vgl. BayVGH, U. v. 29. Juni 2016 – 21 B 16.527 – juris Rn 36). Wegen der allgemeinen Verfügbarkeit des Alkohols besteht bei Alkoholabhängigkeit und -missbrauch generell eine hohe Rückfallgefahr, so dass im Einzelfall strenge Maßstäbe anzulegen sind, bevor eine positive Prognose im Hinblick auf die waffenrechtliche Eignung gestellt werden kann (BayVGH, aaO).
Wegen der Nebenverfügungen wird gem. § 117 Abs. 5 VwGO auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen.
Die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung entspricht den formalen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Insbesondere verlangt die Anordnung des Sofortvollzuges hier kein besonderes öffentliches Interesse, das über das die Rücknahme der waffenrechtlichen Erlaubnisse rechtfertigende Interesse hinausgeht. Denn es besteht ein überragendes Interesse der Allgemeinheit daran, das mit dem privaten Waffenbesitz verbundene erhebliche Sicherheitsrisiko möglichst gering zu halten und nur bei Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (BayVGH, vgl. B. v. 15. August 2008 – 19 CS 08.1471 – juris Rn 21 unter Verweis auf BVerwG, U. v. 26. März 1996 – 1 C 12/95 – juris Rn 25; vgl. auch OVG Nds., B. v. 26. Oktober 2003 – 11 ME 286/03 juris Rn 3). Ist dieses Vertrauen nicht mehr gerechtfertigt, überwiegt grundsätzlich das öffentliche Interesse, die Gefahr eines vorschriftswidrigen Umgangs mit Schusswaffen mit sofort wirksamen Mitteln zu unterbinden, das private Interesse der Antragstellerin, von den Wirkungen der Rücknahme der waffenrechtlichen Erlaubnisse bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben (vgl. BayVGH, B. v. 12. Februar 2007 – 19 CS 06.2210 – juris Rn 28). Dabei ist für die Frage, ob die Begründung dem Formalerfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entspricht, auf die Rechtsauffassung der Behörde abzustellen. Ausgehend von der Nicht-Eignung der Antragstellerin hat das Landratsamt den Sofortvollzug ordnungsgemäß begründet. Vom Normalfall abweichende Umstände, die den Sofortvollzug ausnahmsweise entbehrlich erscheinen ließen, sind vorliegend nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klage- und Eilverfahren ist mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO) ebenfalls abzulehnen. Darüber hinaus hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, da die von ihr vorgelegte Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht schlüssig ist. Sie gibt an, Nettoeinnahmen von 380,28 EUR zu erzielen und 300,- EUR für ihre Miete zahlen zu müssen. Somit würden ihr für die Kosten des täglichen Lebens noch rund 80,- EUR, d.h. weniger als ein ¼ des Hartz IV-Satzes, verbleiben, was grundsätzlich nicht glaubhaft ist (vgl. OLG Sachsen-Anhalt, B. v. 6. Februar 2012 – 1 W 34/11 juris Rn 4).