Medizinrecht

Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage bei beabsichtigter Erhebung einer Schadensersatzklage, falscher Adressat einer infektionsschutzrechtlichen Anordnung.

Aktenzeichen  RN 5 K 20.1372

Datum:
31.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 10946
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
IfSG § 28 Abs. 1 S. 1, § 30 Abs. 1 S. 2
BGB § 839
GG Art. 34

 

Leitsatz

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit sich die Klage ursprünglich auch gegen die Anordnungen in Nrn. 1.3, 1.4 und 1.5 des Bescheids des Landratsamts D.-L. vom 27.7.2020 (Az.: 31-530-4 Fe) gerichtet hat.
II. Es wird festgestellt, dass die Nrn. 1.1 sowie 1.2 Satz 1 des Bescheids des Landratsamts D.-L. vom 27.7.2020 (Az.: 31-530-4 Fe) rechtswidrig gewesen sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens haben der Beklagte 5/6 und der Kläger 1/6 zu tragen.
IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Nachdem die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache hinsichtlich der Anordnungen in den Nrn. 1.3, 1.4 und 1.5 übereinstimmend für erledigt erklärt haben (vgl. Schriftsätze vom 31.8.2020 [Gerichtsakte Bl. 34 ff.] und vom 28.9.2020 [Gerichtsakte Bl. 53 ff.]) war das Verfahren insoweit in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Im Übrigen ist die zulässige Klage (vgl. dazu sogleich Nr. 1) begründet, soweit die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nrn. 1.1 und 1.2 Satz 1 des Bescheids vom 27.7.2020 beantragt ist (vgl. dazu unten Nr. 2). Nr.1.2 Satz 2 des streitgegenständlichen Bescheids erweist sich dagegen als rechtmäßig, weshalb die Klage insoweit abzuweisen war (vgl. dazu unten Nr. 3).
1. Die als Anfechtungsklage am 7.8.2020 erhobene Klage konnte in zulässiger Weise als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO fortgeführt werden, nachdem der Bescheid vom 27.7.2020 mit Bescheid des Landratsamts D.-L. vom 10.8.2020 aufgehoben wurde.
Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger an dieser Feststellung ein berechtigtes Interesse hat und sich der durch Anfechtungsklage angegriffene Verwaltungsakt vor einer Entscheidung des Gerichts durch Zurücknahme oder anders erledigt. Hier wurde der streitgegenständliche Bescheid vollumfänglich durch Bescheid vom 10.8.2020 – also nach Klageerhebung am 7.8.2020 – aufgehoben, weshalb eine Erledigung eingetreten ist.
Darüber hinaus liegt auch ein berechtigtes Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers vor. Für ein derartiges Interesse ist grundsätzlich jedes nach vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art ausreichend (vgl. BVerwG, U.v. 12.9.1989 – 1 C 40.88 – juris Rn. 10; BVerwG, B.v. 11.11.2009 – 6 B 22.09 – juris Rn. 4). Nach ständiger Rechtsprechung kann sich ein solches Interesse insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung sowie der Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch ergeben. Die gerichtliche Feststellung muss jedenfalls geeignet sein, die betroffene Position des Klägers zu verbessern (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 2 C 27.15 – juris Rn. 3; BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 14.12 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 7.3.2018 – 3 BV 16.2040 – juris Rn. 28). Dabei obliegt es dem jeweiligen Kläger, die Umstände darzulegen, aus denen sich sein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt (vgl. Schübel-Pfister in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 110).
Ob im konkreten Fall eine Wiederholungsgefahr anzunehmen ist oder ob sich die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage aufgrund eines Rehabilitierungsinteresses ergeben kann – wie dies von der Klägerseite vorgetragen wird – ist zweifelhaft, kann aber im Ergebnis dahinstehen (vgl. dazu 1. a) und 1 b)), weil die beantragte Feststellung jedenfalls eine Präjudizwirkung für einen Schadensersatzprozess haben kann (vgl. dazu 1 c)).
a) Am Bestehen einer konkreten Wiederholungsgefahr bestehen schon deshalb Zweifel, weil sich die tatsächlichen Rahmenbedingungen der COVID-19-Pandemie und auch die Rechtslage seit Erlass des Bescheides ganz erheblich geändert haben. So hat die Beklagtenseite diesbezüglich etwa zutreffend darauf hingewiesen, dass zwischenzeitlich Impfstoffe entwickelt wurden, der Kläger ein mit den Behörden abgestimmtes Schutz- und Hygienekonzept vorgelegt hat und dieses auch anwendet. Deshalb dürfte ein sich wiederholendes Infektionsgeschehen wie im Juli 2020 nicht wahrscheinlich sein. Von einem unveränderten Fortbestehen der für die Beurteilung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände, wie dies die Rechtsprechung fordert (vgl. dazu Riese in: Schoch/Schneider, VwGO, 41. EL, § 123 Rn. 126 m.w.N. aus Rspr. und Lit.), kann daher wohl nicht ausgegangen werden.
b) Ein Rehabilitationsinteresse – als ideelles Interesse – ist Rechtsprechung und Teilen des Schrifttums zufolge grundsätzlich zu bejahen, wenn der Verwaltungsakt, seine Begründung bzw. die Ablehnung seines Erlasses oder sein Vollzug „bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise“ diskriminierende Wirkung hatten, welche noch andauert, und der durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit wirksam begegnet werden kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergeben, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung haben und noch in der Gegenwart andauern (BVerwG, U.v. 29.3.1979 – I WB 54.74 – juris Rn. 12; Riese in: Schoch/Schneider, VwGO, 41. EL, § 123 Rn. 127 m.w.N. aus Rspr. und Lit.). Auch insoweit hegt das Gericht ganz erhebliche Zweifel, ob eine stigmatisierende Wirkung der getroffenen Maßnahmen für den Antragsteller bestand und – wenn ja – ob diese derzeit noch anhält. Vor dem Hintergrund, dass die Erkrankung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 jedermann treffen kann und ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung bereits mit dem Virus in Kontakt kam und erkrankt ist, dürfte ein noch andauerndes Rehabilitationsinteresse nur schwer anzuerkennen sein.
c) Die sich im Zusammenhang mit einer möglichen Wiederholungsgefahr und einem möglichen Rehabilitierungsinteresse ergebenden Problemstellungen bedürfen hier keiner Vertiefung; denn die vom Kläger begehrte Entscheidung hat jedenfalls Präjudizwirkung für einen angestrebten Schadensersatzprozess, sodass das erforderliche besondere Feststellungsinteresse allein deshalb gegeben ist. Ein berechtigtes Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt vor, wenn die Feststellung der Rechtswidrigkeit für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Amtshaftung (Art. 34 GG, § 839 BGB), nach Maßgabe des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs oder von sonstigen Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen erheblich ist, der Kläger einen Schadensersatzprozess anstrebt und dieser nicht offensichtlich aussichtslos erscheint (BVerwG, U.v. 14.1.1980 – 7 C 92.79 – juris Rn. 9 ff). Die Fortsetzungsfeststellungsklage muss dazu dienen, die Rechtsposition des Klägers vor dem Zivilgericht zu verbessern (BVerwG, U.v. 10.12.2013 – 8 C 5.12 – juris Rn. 28). Hierbei muss der Kläger hinreichend konkrete Angaben zum behaupteten Schaden bzw. zu dessen Höhe machen (OVG NRW, B.v. 23.1.2003 – 13 A 4859/00 – juris Rn. 16). Ein schutzwürdiges Feststellungsinteresse wird in diesem Zusammenhang allerdings nur dann bestehen, wenn der beabsichtigte Zivilprozess nicht offensichtlich aussichtslos ist (BVerwG, U.v. 30.6.2004 – 4 C 1.03 – juris Rn. 21). An einem besonderen Rechtsschutzbedürfnis fehlt es schließlich, wenn die Erledigung bereits vor der Klageerhebung eingetreten ist. In diesem Fall kann das berechtigte Interesse nicht auf die Absicht gestützt werden, einen Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess zu führen. In derartigen Fallkonstellationen ist es einem Kläger nach ständiger Rechtsprechung zuzumuten, sich unmittelbar an die zuständige ordentliche Gerichtsbarkeit zu wenden, die den für rechtswidrig gehaltenen erledigten Verwaltungsakt überprüfen muss (BVerwG, U.v. 20.1.1989 – 8 C 30.87 – juris Rn. 9).
Hier liegen die besonderen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage vor.
aa) Gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 27.7.2020 hat der Kläger am 7.8.2020 fristgemäß Anfechtungsklage erhoben. Erst am 10.8.2022 – also nach Klageerhebung – hat sich der angegriffene Bescheid durch die beklagtenseitige Aufhebung erledigt. Deshalb muss sich der Kläger für die Klärung der Rechtmäßigkeit der noch streitigen Anordnungen nicht auf die Zivilgerichte verweisen lassen.
bb) Nach dem Vortrag des Klägers und dem von ihm vorgelegten Gutachten hat das Gericht auch keine Zweifel daran, dass der Kläger einen Schadensersatzprozess gegen den Beklagten ernsthaft anstrebt. In der mündlichen Verhandlung führte der Prozessbevollmächtigte aus, dass die Klageschrift an das zuständige Landgericht bereits ausgearbeitet sei und nur noch der Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens abgewartet werden solle. Durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Anordnungen könnte die Rechtsposition des Klägers in einem Zivilprozess auch verbessert werden, da insoweit die Vorfrage der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Anordnungen bereits beantwortet wäre.
Nach den klägerischen Ausführungen, die durch das von ihm vorgelegte Gutachten einer öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen im Bereich Gartenbau bestätigt werden, hat der Kläger einen erheblichen Schaden erlitten, weil die in seinem Betrieb tätigen Saisonarbeitskräfte nicht auf die Gurkenfelder gelangen konnten, um dort ihre Arbeit aufzunehmen. Die Gutachterin führt dazu aus, die auf den Feldern vorhandenen Gurken seien zum Zeitpunkt des Erlasses der Anordnungen durch das Landratsamt in den Vollertrag gegangen. Da eine Aberntung durch die Erntehelfer nicht möglich gewesen sei, seien die Gurken in Übergrößen gewachsen und gelb geworden. Nicht geerntete große Früchte hätten die Bildung neuer Blüten und neuer Früchte unterdrückt. Der zu geringe Arbeitsbesatz auf den Feldern habe es unmöglich gemacht, die großen gelben Gurken zu beseitigen und eine qualitativ befriedigende Qualität wie vor dem Coronaausbruch wieder zu erreichen. Es sei nur noch eine Mindermenge schlecht bezahlter Sortierungen geerntet worden. Insgesamt sei ein Ertragsverlust von 10.503.468 kg entstanden. Durch die Minderqualitäten seien weitere Erlösverluste hervorgetreten. In der Summe hätten sich Erlösverluste von 4.240.090,- EUR ergeben. Zusätzliche Kosten seien für die Entsorgung der mit gelben matschigen Gurken belasteten Folien aufgewendet worden. Erntekosten sowie Aufwendungen für Dünger und Pflanzenschutz etc. seien zwar eingespart worden, da die Kulturen vorzeitig hätten abgebrochen werden müssen. Aufgrund der Gesamtumstände ergebe sich für den Kläger laut Gutachterin ein Schaden in Höhe von 2.552.105,- EUR.
Nach alledem hat der Kläger durch die Vorlage des Gutachtens auch Ausführungen zur Art des Schadens und zur Schadenshöhe gemacht, so dass die oben dargelegten Anforderungen an das besondere Feststellungsinteresse bei der geplanten Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erfüllt sind.
cc) Der seitens des Klägers beabsichtigte Zivilprozess ist auch nicht offensichtlich aussichtslos. Bei der Prüfung dieses Ausschlusskriteriums ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs im zivilgerichtlichen Verfahren genügt nicht. Offensichtlich aussichtslos ist eine Schadensersatzklage nur, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und sich dies ohne eine ins einzelne gehende Prüfung aufdrängt (BVerwG, U.v. 26.4.2018 – 7 C 20.16 – juris Rn. 51; BVerwG, U.v. 10.12.2013 – 8 C 5.12 – juris Rn. 29; BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 14.12 – juris Rn. 44 m.w.N.). Dabei dürfen die Verwaltungsgerichte die Erfolgsaussichten des Haftungsprozesses nicht schlechthin prüfen und das Ergebnis des vor den Zivilgerichten zu führenden Prozesses gleichsam vorwegnehmen (Riese in: Schoch/Schneider, VwGO, 41. EL, § 123 Rn. 133).
Vorliegend erscheint das Bestehen eines Amtshaftungsanspruchs gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG nicht offensichtlich aussichtslos.
(1) Grundsätzlich besteht die einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, diesen nicht durch rechtswidrige Anordnungen zu beeinträchtigen; denn es besteht seitens staatlicher Behörden die Verpflichtung zum rechtmäßigen Handeln. Diese Pflicht wäre verletzt, wenn sich die angegriffenen Anordnungen als rechtswidrig erweisen.
(2) Problematisch ist allerdings die Kausalität der angegriffenen Anordnungen für den geltend gemachten Schaden, ob also die vom Kläger geltend gemachten finanziellen Einbußen durch die (vermeintlich) rechtswidrigen Anordnungen verursacht worden sind.
Im Hinblick auf die Quarantäneanordnung in Nr. 1.1 des streitgegenständlichen Bescheids dürfte es eine Rolle spielen, dass die am 25.7.2020 mündlich verfügten und mit Bescheid vom 27.7.2020 schriftlich bestätigten Anordnungen bereits mit Bescheid des Landratsamts vom 10.8.2020 aufgehoben worden sind. Bis dahin wurden gegenüber den Saisonarbeitern Einzelanordnungen erlassen, was unstreitig ist. Diese Anordnungen lösten die gegenüber dem Kläger ergangene Quarantäneanordnung bezüglich „der Anwesen und der dazugehörigen Unterkünfte“ ab. Die Einzelanordnungen wurden von den Betroffenen nicht angegriffen. Sie wurden bestandskräftig und bildeten ab dem Zeitpunkt ihres Erlasses die Rechtsgrundlage für die Quarantäne. Gleichwohl erscheint deshalb die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs nicht völlig aussichtslos. Inwieweit hier eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs vorliegt, die sich auf den geltend gemachten Schaden auswirkt, muss nach Auffassung der Kammer seitens des Zivilgerichts entschieden werden; denn eine weitergehende Überprüfung der schwierigen Frage der Kausalität würde dazu führen, dass das Verwaltungsgericht die Entscheidung des Zivilgerichts vorwegnimmt.
Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für die Anordnung in Nr. 1.2 Satz 1 (Verbot des Verlassens der Anwesen ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamtes).
Dagegen erscheint die Kausalität der Anordnung in Nr. 1.2 Satz 2 (Untersagung des Betretens der klägerischen Anwesen ohne Zustimmung des Landratsamts) für den geltend gemachten Schaden fraglich. Problematisch erscheint hier, dass sich das Betretungsverbot ausschließlich auf die Hofstellen des Klägers bezog und nicht auf die abzuerntenden Gurkenfelder. Andererseits hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass sich in der Hofstelle Y. der gesamte Maschinenpark und auch die Busse befanden, welche die Erntehelfer auf die Felder bringen. Auch die büromäßige Abwicklung bei der Neueinstellung von Erntehelfern finde dort statt, weshalb neu zu akquirierende Erntehelfer das Gelände hätten betreten müssen. Auch insoweit hält das Gericht daher den Kausalzusammenhang zwischen der Anordnung und den geltend gemachten Schaden nicht für völlig ausgeschlossen, weshalb eine offensichtliche Aussichtslosigkeit eines Amtshaftungsanspruchs nicht angenommen werden kann.
(3) Die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs scheidet auch nicht deshalb offensichtlich aus, weil der Kläger anderweitigen Ersatz seines Schadens hätte erlangen können bzw. erlangt hat (vgl. § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Beklagte hat insoweit in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass der Kläger eine Entschädigung gemäß § 56 Abs. 1 IfSG in Höhe von 358.439,- EUR beantragt und diese auch erhalten habe. Diese Argumentation verfängt jedoch nicht. Beim Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG handelt es sich nämlich um einen Anspruch, der dem Arbeitnehmer zusteht. Dieser muss bei einer rechtmäßigen Maßnahme nach dem IfSG, die dazu führt, dass er seiner Arbeit nicht nachgehen kann, den dadurch erlittenen Verdienstausfall grundsätzlich entschädigungslos hinnehmen (vgl. § 616 BGB). Deshalb bezweckt die Regelung in § 56 Abs. 1 IfSG eine gewisse Sicherung der von einem Berufsverbot betroffenen Person vor materieller Not, weil sie unverschuldet ihrer Dienstleistungsverpflichtung nicht nachkommen kann (vgl. Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 5. Aufl. 2021, § 56 Rn. 1). Nach § 56 Abs. 5 Satz 1 IfSG hat bei Arbeitnehmern der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen. Gemäß § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG werden dem Arbeitgeber dann auf Antrag die ausgezahlten Beträge von der zuständigen Behörde erstattet. Bei den an den Kläger ausgezahlten Entschädigungsleistungen handelte es sich somit um „durchlaufende Posten“, die ihm nicht als Entschädigung für ihm entstandene Schäden zugeflossen sind. In der mündlichen Verhandlung hat dies der Kläger auch bestätigt; denn er gab an, die Entschädigungsleistungen vollumfänglich an seine Erntehelfer weitergegeben zu haben.
Weitere Entschädigungsleistungen hat der Kläger nicht erhalten. Er gab in der mündlichen Verhandlung – von der Beklagtenseite unwidersprochen – an, zwar verschiedene Anträge gestellt zu haben, die jedoch insoweit erfolglos gewesen seien. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Überbrückungshilfen auch nicht zur Abdeckung von durch Einzelmaßnahmen konkret erlittener Schäden gewährt wurden und werden. Sie dienen im Wesentlichen zur Abfederung der finanziellen Folgen für zahlreiche Unternehmen, die durch die allgemeinen coronabedingten Einschränkungen des Geschäftsbetriebs entstanden sind (vgl. beispielhaft die Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfen des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 2 (Überbrückungshilfen II) vom 23.11.2020, BayMBl. 2020 Nr. 664, Nr. 1).
2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist begründet, soweit sie gegen die Nrn. 1.1 sowie 1.2 Satz 1 des Bescheids vom 27.7.2020 gerichtet ist.
Das Landratsamt hat die streitgegenständlichen Anordnungen auf die §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG in der zum Zeitpunkt des Erlasses der Anordnungen geltenden Fassung (§ 28 IfSG i.d.F. vom 27.3.2020 und § 30 i.d.F. vom 19.5.2020) gestützt. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG stimmt mit der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden Rechtslage überein. Werden nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a IfSG und in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG, der seit dem 19.5.2020 nicht geändert worden ist, kann bei Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern angeordnet werden, dass sie in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen, befolgen können oder befolgen würden und dadurch ihre Umgebung gefährden.
a) Adressat der Anordnung eines Verbots des Verlassens eines Ortes für Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider, zu dem Personenkreis die Erntehelfer des Klägers gehörten (vgl. zu den genannten Begriffen: § 2 Nrn. 4 bis 7 IfSG), ist somit nach der einschlägigen Rechtslage die jeweils betroffene Person selbst, während vorliegend die Quarantäne und damit das Verlassensverbot gegenüber dem Kläger als dem Arbeitgeber der betroffenen Personen angeordnet worden ist. Die gesetzliche Regelung entspricht insoweit den allgemeinen sicherheitsrechtlichen Grundsätzen, wonach der Verhaltensstörer vor dem Zustandsstörer und dem Nichtstörer in Anspruch zu nehmen ist. Alleine nach den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG hätte somit das Landratsamt gegenüber den Saisonarbeitskräften Maßnahmen ergreifen müssen und nicht gegenüber dem Kläger.
Hinzu kommt, dass der Kläger die ihm gegenüber angeordneten Maßnahmen gar nicht gegenüber den bei ihm beschäftigten und sich auf seinen Betriebsgrundstücken befindlichen Erntehelfern hätte durchsetzen können. Ein Festhalten gegen den Willen der sich dort befindlichen Personen wäre ihm rechtlich nicht möglich gewesen und wäre sogar als Freiheitsberaubung im Sinne des § 239 StGB strafbar gewesen.
Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang vorgetragen hat, er habe keine Möglichkeit gehabt, eine Quarantäneanordnung gegenüber den betroffenen Erntehelfern selbst auszusprechen, da die Personalien im Einzelnen noch nicht bekannt gewesen seien und es einer gewissen Zeit bedurft hätte, die Personendaten der Betroffenen zu eruieren, so ist dem zu entgegnen, dass der Beklagte eine Allgemeinverfügung hätte erlassen können, die die von ihr betroffenen Personen nur nach abstrakten Merkmalen bestimmt. Nach Art. 35 Satz 2 BayVwVfG ist eine Allgemeinverfügung ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft. Hier wäre es somit ohne weiteres möglich gewesen, eine häusliche Quarantäne sowie das Verbot des Verlassens des Betriebsgeländes allgemein für alle Personen, die sich auf dem Gelände befinden, anzuordnen. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Argumentation der Beklagtenseite hätte eine derartige Allgemeinverfügung auch kurzfristig an die betroffenen Erntehelfer bekanntgegeben werden können. Nach Art. 41 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ist ein Verwaltungsakt – also auch eine Allgemeinverfügung – demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Von diesem Grundsatz lässt Art. 41 Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG für Allgemeinverfügungen eine erleichterte Bekanntgabe in Form der öffentlichen Bekanntgabe zu. Danach darf eine Allgemeinverfügung auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Nach Art. 41 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG wird die öffentliche Bekanntgabe dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Verwaltungsakts ortsüblich bekanntgemacht wird. Er gilt dann gemäß Art. 41 Abs. 4 Satz 3 BayVwVfG zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben, wobei gemäß Art. 41 Abs. 4 Satz 4 BayVwVfG in der Allgemeinverfügung ein hiervon abweichender Zeitpunkt bestimmt werden kann. Hier zeigt es sich, dass die öffentliche Bekanntmachung zu Zeitverzögerungen führen kann und insbesondere bei eilbedürftigen Verwaltungsakten problematisch ist. Allerdings folgt aus der nach Art. 41 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG zugelassenen öffentlichen Bekanntgabe von Allgemeinverfügungen bei untunlicher Bekanntgabe an die Beteiligten jedoch nicht, dass Allgemeinverfügungen bei „Untunlichkeit der persönlichen Bekanntgabe“ grundsätzlich öffentlich bekanntzugeben sind, sodass hier dahinstehen kann, ob im vorliegenden Fall eine solche „Untunlichkeit“ gegeben war. Vorliegend wäre es jederzeit möglich gewesen, eine nach abstrakten Kriterien bestimmte Quarantäneanordnung (z.B. Aufenthalt im Hofbereich des Klägers in einem gewissen Zeitraum) zu erlassen. Diese hätte dann den im Hofbereich des Klägers befindlichen Erntehelfern kurzfristig mündlich oder auch schriftlich bekannt gegeben werden können. Denkbar wäre beispielsweise die Übergabe der schriftlichen Allgemeinverfügung an die vor Ort anwesenden Erntehelfer gewesen. Dabei ist zu bedenken, dass dem Landratsamt nach Aktenlage bereits zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Infektion mit dem Coronavirus Listen mit den Namen der in Gruppen eingeteilten Erntehelfer vorlagen. Außerdem wäre es dem Beklagten möglich gewesen, die schriftliche Allgemeinverfügung in zentralen Bereichen der Unterkünfte sowie an den Ausgängen des umzäunten Hofbereichs anzubringen, sodass jeder sich im Hofbereich befindliche Erntehelfer die Anordnungen hätte zur Kenntnis nehmen können.
b) Auch wenn dies nicht mehr entscheidungserheblich ist, so sei noch darauf hingewiesen, dass die entscheidende Kammer keine Bedenken im Hinblick auf die Bestimmtheit der Anordnungen hat.
Auch wenn im streitgegenständlichen Bescheid die von den Anordnungen betroffenen Grundstücke falsch bezeichnet sein sollten, so ist doch davon auszugehen, dass dem (falschen) Adressaten der Anordnungen, auf dessen Verständnis es gemäß den §§ 133, 157 BGB in analoger Anwendung ankommt, bewusst war, auf welche Hofbereiche sich die Anordnungen bezogen. Schließlich waren die betroffenen Grundstücke – was unstreitig ist – durch Bauzäune abgegrenzt. Dass sich der Bescheid auch auf die nicht mit Bauzäunen abgegrenzte Hofstelle bezog, die der Kläger angemietet hat, war trotz falscher Hausnummernangabe ebenfalls offensichtlich; denn insoweit wurde der Ein- und Ausgansbereich durch eine Security überwacht, so dass für den Kläger aus den Gesamtumständen erkennbar war, dass sich die Anordnungen auch auf diesen Betriebsbereich bezogen. Eine gegebenenfalls im Bescheid vom 27.7.2020 enthaltene falsche Bezeichnung der betroffenen Grundstücke ist damit unerheblich.
3. Hinsichtlich der Nr. 1.2 Satz 2 des angegriffenen Bescheids ist die Anordnung dagegen rechtmäßig. Sie beruht auf § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG, wonach die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen trifft, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Die tatbestandlichen Voraussetzungen, welche die zuständige Behörde – hier das Landratsamt Dingolfing-Landau (vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) BayVwVfG, § 65 Satz 1 ZustV, Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO) – zum Eingreifen verpflichten (… „so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen“ …) lagen hier unstreitig vor. Auf dem in räumlicher Hinsicht hinreichend bestimmten Betriebsgelände (vgl. dazu oben 2 b)) befanden sich Kranke, Krankheitsverdächtige sowie Ansteckungsverdächtige im Sinne des § 2 Nrn. 4, 5 und 7 IfSG, sodass zu befürchten war, dass diese Personen das Coronavirus SARS-CoV-2 auf bisher noch nicht infizierte Personen übertragen. Das Landratsamt musste daher Schutzmaßnahmen treffen.
Hinsichtlich Art und Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen – „wie“ des Eingreifens – ist der Behörde durch § 28 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 IfSG ein Ermessen eingeräumt. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet. Das behördliche Ermessen wird dadurch beschränkt, dass nur „notwendige Schutzmaßnahmen“ in Betracht kommen, also Maßnahmen, die zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung der Krankheit geboten sind. Darüber hinaus sind dem Ermessen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (BayVGH, B.v. 13.8.2020 – 20 CS 20.1821 – juris Rn. 27 unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16.11 – BVerwGE 142, 205 – juris Rn. 24).
Dafür, dass das vom Landratsamt verfügte Betretungsverbot gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Nach den zum Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung bestehenden Erkenntnisse war die unter den Erntehelfern kursierende Corona-Krankheit äußerst ansteckend, was schon durch die extrem ansteigenden Fallzahlen unter den Saisonarbeitern offenkundig geworden ist. Dementsprechend hat die zur Entscheidung berufene Kammer keine Zweifel daran, dass das verfügte Betretungsverbot ein geeignetes Mittel war, die Übertragung der Krankheit an bislang gesunde Personen zu verhindern, die diese dann außerhalb des Betriebsgeländes weiterverbreiten können. Die Einschränkung von persönlichen Kontakten war und ist nach wie vor ein probates Mittel um die Ausbreitung von SARS-CoV-2 zu unterbinden. Das Betretungsverbot war darüber hinaus auch angemessen. Ein milderes Mittel zur Erreichung des Ziels, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, ist nicht ersichtlich.
Das Landratsamt hat dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darüber hinaus in besonderer Weise dadurch Rechnung getragen, dass es kein absolutes Betretungsverbot angeordnet hat. Vielmehr hat es dem Umstand Rechnung getragen, dass es besondere Fallkonstellationen geben kann, in denen dritten Personen das Betreten der Hofstelle möglich sein muss, weil etwa infektionsschutzrechtliche Belange im Einzelfall zurückzutreten haben oder überhaupt nicht beeinträchtigt werden. Deshalb hat es das Betreten mit Zustimmung des Landratsamts zugelassen. Diese Regelung trägt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in besonderer Weise Rechnung, da durch sie im Einzelfall auftretende Härten abgemildert werden (so etwa BayVGH, U.v. 3.4.2014 – 4 B 13.2455 – juris Rn. 18 für eine Satzungsregelung, die eine Teilbefreiung vom Benutzungszwang für eine kommunale Wasserversorgung vorsieht).
Dass im Bescheid selbst die Voraussetzungen nicht geregelt sind, unter denen eine Zustimmung des Landratsamts zum Betreten zu erteilen war, ist unschädlich. Dies war vorliegend auch nicht erforderlich. Die Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung ergeben sich nämlich schon aus dem Sinn und Zweck des Betretungsverbots, der sich unmittelbar aus § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ergibt. Danach wurde das Betretungsverbot zur Verhinderung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 angeordnet. Die Erteilung einer Zustimmung zum Betreten der Hofstellen musste somit im Einklang mit diesem Ziel stehen. Maßstab für die Erteilung einer Zustimmung war somit die epidemiologische Vertretbarkeit des Betretens, wobei in diesem Rahmen auch die Interessen des Klägers zu berücksichtigen waren. Die Klägerseite hat dazu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, auf der Hofstelle in der Y. habe sich der gesamte Maschinenpark befunden und auch die Busse, die die Erntehelfer auf die Gurkenfelder gebracht hätten. Auch die Büroabwicklung habe dort stattgefunden. Selbst wenn man neue Erntehelfer gefunden hätte, hätten diese das Gelände betreten müssen, um die Ernte abwickeln zu können. Dazu hat die Beklagtenseite ausgeführt, dass tatsächlich auch Zustimmungen für das Betreten der Hofstelle erteilt worden seien. So sei etwa die Nutzung der Werkstatt erlaubt worden, weil dies infektiologisch vertretbar gewesen sei. Hätte der Kläger beantragt, dass auch neu akquirierte Erntehelfer das Betriebsgelände betreten dürfen – etwa zur büromäßigen Abwicklung der Arbeitsverträge -, so wäre dies geprüft worden. Einen derartigen Antrag habe der Kläger aber nie gestellt. Im Ergebnis hat daher das Landratsamt entsprechende Anträge auch tatsächlich genau anhand der infektiologischen Vertretbarkeit überprüft.
Das Gericht hat schließlich auch keine Bedenken dahingehend, dass das Betretungsverbot für die Hofstellen nicht zeitlich befristet war. Zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses konnte eine Befristung schon deshalb nicht erfolgen, weil noch nicht feststand, wie lange ein entsprechendes Verbot aufrechterhalten werden muss, um der Zielsetzung – also der Unterbindung der Weiterverbreitung des Coronavirus – gerecht zu werden. Deshalb war es grundsätzlich zulässig, das Vertretungsverbot unbefristet anzuordnen, wobei das Landratsamt jedoch gehalten war, die Rechtmäßigkeit des Betretungsverbots aufgrund von Änderungen der Sachlage ständig zu überprüfen. Dies hat das Landratsamt in der Praxis auch getan; denn der streitgegenständliche Bescheid vom 27.7.2020 wurde ja mit Bescheid vom 10.8.2020 vollständig aufgehoben.
Bezüglich des Betretungsverbots war der Kläger auch der richtige Adressat der Maßnahme. Als Eigentümer bzw. Mieter der betroffenen Bereiche hatte er das Hausrecht inne und ihm war es unproblematisch möglich das Betretungsverbot gegenüber dritten Personen durchzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Danach sind die Kosten verhältnismäßig zu teilen, wenn ein Beteiligter teils obsiegt und teils unterliegt. Hier hatte die Klage bezüglich der Nrn. 1.1 sowie 1.2 Satz 1 Erfolg. Soweit das Verfahren bezüglich der Nrn. 1.3, 1.4 sowie 1.5 des streitgegenständlichen Bescheids aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt worden ist, war gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Insoweit war zu berücksichtigen, dass diese Anordnungen rechtswidrig waren; denn sie enthielten Verpflichtungen des Klägers, die dieser nicht erfüllen konnte, weil sie sich auf das Verhalten der auf seinem Hof befindlichen Erntehelfer bezogen. Dies gilt für die Verpflichtung in Nr. 1.3, wonach alle sich auf dem Anwesen befindlicher Personen verpflichtet wurden, die erforderlichen Untersuchungen und Entnahmen von Untersuchungsmaterial durch die Beauftragten des Gesundheitsamtes zu dulden. Die Verpflichtung in Nr. 1.4 verpflichtete den Kläger die positiv getesteten Personen von den übrigen Personen räumlich zu trennen. Auch dies hätte er gegenüber unwilligen Personen nicht durchsetzen können. Schließlich wurden in der an den Kläger gerichteten Anordnung in Nr. 1.5 alle auf dem Anwesen befindlichen Personen verpflichtet, den Beauftragten des Gesundheitsamtes zum Zwecke der Befragung oder der Untersuchung den Zutritt zu ihren Räumlichkeiten zu gestatten und Auskunft über ihren Gesundheitszustand zu geben. Diese höchstpersönlichen Verpflichtungen konnten der Kläger als Adressat des Bescheides überhaupt nicht erfüllen. Mithin wäre der Beklagte auch bezüglich dieser Anordnungen unterlegen gewesen. Die Klage war somit nur im Hinblick auf die Anordnung in Nr. 1.2 Satz 2 des Bescheids erfolglos. Im Übrigen war sie erfolgreich oder wäre es gewesen. Nach alledem hält das Gericht eine Kostenverteilung von 5/6 zu 1/6 für sachgerecht.

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