Medizinrecht

Zulassung als Syndikusrechtsanwalt

Aktenzeichen  BayAGH III – 4 – 15/18

Datum:
22.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 45166
Gerichtsart:
Anwaltsgerichtshof
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BRAO § 4, § 7, § 46 Abs. 2, § 46 Abs. 3, § 46a Abs. 1

 

Leitsatz

Angestellte Syndikusrechtsanwälte sind anwaltlich tätig, wenn ihre fachlich unabhängig und eigenverantwortlich auszuübenden Tätigkeiten durch die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO aufgeführten Merkmale geprägt sind. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits; die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf 25.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die erhobene Klage ist als Anfechtungsklage statthaft, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO, und auch sonst zulässig. Insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Ein Widerspruchsverfahren nach § 68 VwGO war gemäß Art. 15 BayAGVwGO nicht durchzuführen. Die Klage erweist sich jedoch als unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 13. August 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 113 Abs. 1 VwGO.
1. Gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 13. August 2018 hat die Klägerin keine Bedenken erhoben; solche sind auch nicht ersichtlich.
2. Der Bescheid vom 13. August 2018 ist auch materiell rechtmäßig. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt ist gemäß § 46a Abs. 1 BRAO auf Antrag zu erteilen, wenn die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gemäß § 4 BRAO erfüllt sind, kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 BRAO vorliegt und die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht. Angestellte Syndikusrechtsanwälte sind anwaltlich tätig, wenn ihre fachlich unabhängig und eigenverantwortlich auszuübenden Tätigkeiten durch die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO aufgeführten Merkmale geprägt sind.
a) Bedenken gegen die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen nach § 4 BRAO bestehen nicht. Die Beigeladene ist bereits seit dem Jahr 2005 zugelassene Rechtsanwältin. Anhaltspunkte für eine Versagung der Zulassung nach § 7 BRAO sind nicht ersichtlich.
b) Entgegen der Ansicht der Klägerin entspricht die Tätigkeit der Beigeladenen auch den Anforderungen des §§ 46 Abs. 2 bis 5 BRAO.
aa) Dass die Tätigkeit der Beigeladenen die Prüfung von Rechtsfragen (§ 46 Abs. 3 Nr. 1 BRAO) beinhaltet und auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen (§ 46 Abs. 3 Nr. 3 BRAO) ausgerichtet ist, wird von der Klägerin nicht bestritten. Dies ergibt sich auch unzweifelhaft sowohl aus der von der Beigeladenen vorgelegten Funktions- und Aufgabenbeschreibung (Anlage zum Arbeitsvertrag vom 27. November 2017) und den im Verfahren übermittelten, diese Unterlage konkretisierenden Tätigkeitsbeschreibungen, deren Richtigkeit die Klägerin nicht anzweifelt, als auch aus den glaubhaften Angaben der Beigeladenen zu ihrer Tätigkeit in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juli 2019. Hiernach befasst sich die Beigeladene zu 80% ihrer Arbeitszeit mit der Entwicklung von Maklerwordings und ist in diesem Zusammenhang interne Anlaufstelle für konkrete Fragen der Fachbereiche und der Geschäftsführung. In diesem Zusammenhang prüft die Beigeladene konkrete, intern an sie herangetragene Rechtsfragen, arbeitet Versicherungsklauseln aus und führt selbständig Verhandlungen mit Versicherern.
bb) Entgegen der Ansicht der Klägerin erteilt die Beigeladene ihrer Arbeitgeberin auch Rechtsrat, § 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO.
Dass die Beigeladene, wie im Rahmen des § 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO erforderlich ist, Sachverhalte unabhängig klärt und analysiert, die Rechtslage prüft und Handlungsoptionen aufzeigt und bewertet (vgl. BT-Drs. 18/5201, S. 28), zweifelt die Klägerin nicht an. Soweit die Klägerin meint, diese Tätigkeit der Beigeladenen erfolge nicht gegenüber der Arbeitgeberin, sondern gegenüber deren Kunden, teilt der Senat diese Auffassung nicht.
Die berufliche Tätigkeit der Beigeladenen besteht unstreitig überwiegend darin, Einzelfragen interner Mitarbeiter und der Geschäftsführung zu konkreten Fallgestaltungen bzw. zu Versicherungsklauseln zu beantworten und neue Versicherungsklauseln zu entwerfen und zu verhandeln.
Hierbei ist der Klägerin zuzugeben, dass sich die Tätigkeit der Beigeladenen in Bezug auf die Beratung zu Einzelfragen und zum „Wording“ der Versicherungsbedingungen unmittelbar auf die Verhältnisse der Kunden der Arbeitgeberin auswirken kann. Allerdings führt dies nicht dazu, dass die Beigeladene nicht ihre Arbeitgeberin, sondern deren Kunden beraten würde.
Denn nach dem Vortrag der Beigeladenen tritt im Regelfall weder der Kunde an die Beigeladene heran, noch teilt sie ihm das Ergebnis ihrer Prüfungen mit oder berät ihn direkt und umfassend zu Handlungsoptionen. Unmittelbare Adressatin der Beratung bleibt vielmehr die Arbeitgeberin in Gestalt der Fachabteilungen und der Geschäftsführung, die zu konkreten Fragen Beratung erbitten (vgl. auch AGH München, BayAGH III – 4 – 10/17, juris Rn. 32 ff.). Die Arbeitgeberin ist frei darin, wie sie mit dem Rechtsrat der Beigeladenen verfährt, insbesondere ob sie ihn überhaupt aufgreift und an den Kunden weitergibt. Dass bei dieser Konstellation – anders als in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. Oktober 2018, AnwZ (Brfg) 58/17 zugrunde liegenden Sachverhalt – eine Beratung der Beigeladenen gegenüber dem Kunden erfolgte, liegt deshalb fern. Auch der von der Klägerin angenommene Fall, dass die Arbeitgeberin die Beigeladene bei ihren Kunden zur Erbringung vertraglich vereinbarter und im Pflichtenkreis der Kunden liegender Dienstleistungen einsetzen würde (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 2018, AnwZ (Brfg) 49/17, Rn. 43 f.) liegt ersichtlich nicht vor.
Hinzu kommt, dass die Arbeitgeberin der Beigeladenen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2009, IV ZR 74/08, juris) Verwenderin der von ihr mit den Versicherern verhandelten Klauseln ist. Die Beratung der Beigeladenen zum „Wording“ der Versicherungsbedingungen, die nach ihrer unwidersprochenen Darstellung einen Großteil ihrer Tätigkeit ausmacht, ist deshalb zwangsläufig eine Beratung in eigenen Angelegenheiten der Arbeitsgeberin.
cc) Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 27. November 2017 und der vorgelegten, auch von der Arbeitgeberin der Beigeladenen unterschriebenen Tätigkeitsbeschreibungen ist die Beigeladene dazu befugt, nach außen verantwortlich aufzutreten und tut dies auch tatsächlich, wenn sie, wie von ihr vorgetragen, verantwortlich mit verschiedenen Versicherern über die Formulierung von Versicherungsklauseln verhandelt. Die Vorlage einer besonderen Vollmacht oder überhaupt die über die arbeitsvertragliche Vereinbarung hinausgehende gesonderte schriftliche Erteilung einer Vollmacht fordert § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO nicht (vgl. auch AGH Stuttgart, AGH 16/2016 II, juris Rn. 52).
dd) Die anwaltliche Prägung der so verstandenen Tätigkeit der Beigeladenen hat die Klägerin nicht bestritten. Sie liegt ausweislich des von der Beigeladenen schlüssig und glaubhaft vorgetragenen zeitlichen Umfangs der dem Katalog des § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO zuzuordnenden Tätigkeiten unzweifelhaft vor. Die Kostenentscheidung folgt aus § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO iVm § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 167 VwGO, § 709 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 194 Abs. 2 BRAO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung sind nicht gegeben, § 112c Abs. 1 BRAO, § 124 Abs. 2 VwGO. Weder weist die Sache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung. Auch ein Fall der Divergenz liegt nicht vor.

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