Aktenzeichen L 19 R 444/16
SGB IX § 7 S. 2 idF bis 31.07.2017
SGB VI § 9, § 10, § 11 Abs. 2a Nr. 2
Leitsatz
1. Nach § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI besteht die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, wenn diese für eine voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation unmittelbar im Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der Träger der Rentenversicherung erforderlich sind.
2. „Voraussichtlich erfolgreich“ iSd § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI kann aus Sicht des Rentenversicherungsträgers eine Rehabilitation nur dann sein, wenn die Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt prognostisch möglich erscheint.
Verfahrensgang
S 4 R 1321/13 2016-05-04 SGNUERNBERG SG Nürnberg
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.05.2016 aufgehoben und die Klage vom 16.12.2013 abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird im Berufungsverfahren auf 51.229,57 Euro festgesetzt.
Gründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist zulässig und begründet. Die Klage ist zutreffend als allgemeine Leistungsklage erhoben worden (§§ 51, 54 Abs. 5, 57 SGG). Allerdings hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der für den Versicherten A. aufgewendeten Kosten in Höhe von 49.631,27 Euro.
Gem. § 14 Abs. 4 SGB IX a.F. ist der Rehabilitationsträger zur Erstattung von Aufwendungen verpflichtet, wenn nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger, an den nach § 14 Abs. 1 S. 2 bis 4 SGB IX a.F. der Reha-Antrag abgegeben wurde (zweitangegangener Rehabilitationsträger), festgestellt wird, dass der andere Rehabilitationsträger (erstangegangener Rehabilitationsträger) zuständig gewesen wäre. Der Umfang der Erstattung bestimmt sich dabei nach den für den leistenden Rehabilitationsträger geltenden Rechtsvorschriften.
Die Klägerin ist zweitangegangener Rehabilitationsträger im Sinne des § 14 Abs. 4 SGB IX a.F. Der Versicherte hatte bei der Beklagten mit Eingang am 25.03.2013 einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gestellt, den die Beklagte am 02.04.2013 – und damit innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nach § 14 Abs. 1 S. 1, 2 SGB IX a.F. – an die Klägerin fristgerecht weitergeleitet hatte. Die Klägerin ist als Rehabilitationsträger im Sinne der §§ 5 Nr. 2, 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX a.F. nach § 14 Abs. 2 S. 3 SGB IX a.F. an diese Weiterleitung gebunden und muss nach allen denkbaren sozialrechtlichen Leistungsgesetzen den notwendigen Rehabilitationsbedarf nunmehr unverzüglich erbringen. Die von der Klägerin an den Versicherten erbrachten Leistungen in Form der Gewährung von Übergangsgeld, Übernahme der Maßnahmekosten, Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Erstattung von Fahrtkosten sind unstreitig Leistungen der beruflichen Rehabilitation und auch ihre jetzt noch von der Klägerin geltend gemachte Höhe von 49.631,27 Euro ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte jedoch keinen Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX a.F., weil die Beklagte nicht zuständiger (erstangegangener) Rehabilitationsträger für die erbrachten Leistungen gewesen ist.
Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich gem. § 7 S. 2 SGB IX a.F. nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen. Für die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung enthält § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VI den Grundsatz, dass diese Leistungen zur Prävention, zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben, zur Nachsorge sowie ergänzende Leistungen erbringen, um
1. den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten vorzubeugen, entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und
2. dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern.
Gem. § 9 Abs. 2 SGB VI sind die Leistungen nach Absatz 1 dieser Vorschrift an Versicherte zu erbringen, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, um Leistungen zur Teilhabe zu erhalten, ergeben sich aus den §§ 10 und 11 SGB VI. Ausschlussgründe für diese Leistungen nach § 12 SGB VI dürfen nicht vorliegen.
Aus dem Verweis des § 7 S. 2 SGB IX a.F. folgt, dass nicht die Regelungen des SGB IX die Voraussetzungen für die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben festlegen, sondern die Voraussetzungen hierfür nach den für die Beklagte geltenden Vorschriften der §§ 9 ff. SGB VI vorliegen müssen. Der Umfang der zu erbringenden Leistungen ergibt sich dann aus den Regelungen des § 16 SGB VI in Verbindung mit den §§ 33 ff. SGB IX a.F. Dabei ist unter Erwerbsfähigkeit im Sinne der §§ 9 ff. SGB VI der rentenrechtliche Begriff der Erwerbsfähigkeit zu verstehen, d. h. die Fähigkeit, sich unter Ausnutzung der Arbeitsgelegenheiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Verwendung der individuellen Kenntnisse und Fertigkeiten einen Erwerb zu verschaffen. Davon ist der besondere, beschützte Arbeitsmarkt einer WfbM zu unterscheiden (Götze, in: Hauck/ Noftz, SGB IX, Stand 11/17, § 49 SGB IX, Rdnr. 10, 11 m.w.N.).
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass eine WfbM nach ihrer gesetzlichen Konzeption (§§ 39 ff, 136 ff. SGB IX a.F.) auch einen „Übergangsbereich“ darstellt, nämlich dahingehend, dass es je nach Art der Behinderung oder gesundheitlicher Einschränkung oftmals nicht sicher abgrenzbar ist, ob durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine Wiedereingliederung in den allgemeinen (ersten) Arbeitsmarkt oder „nur“ eine Tätigkeit im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen erreicht werden kann. Aus der Zuständigkeitsregelung des § 42 Abs. 2 SGB IX a.F. ist zu entnehmen, dass für Leistungen im Arbeitsbereich einer WfbM eine Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers jedenfalls nicht besteht. Demgegenüber sieht § 42 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX a.F. für die Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich nach § 40 SGB IX a.F. eine Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers nach Maßgabe der §§ 11 bis 13 SGB VI vor bei einer bestehenden Auffangzuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit. Dies bedeutet, dass bei der Erbringung dieser Leistungen generell die Aussicht bestehen muss, dass eine Wiedereingliederung des Versicherten in den ersten Arbeitsmarkt möglich erscheint, wobei dies mit der in § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI gesetzlich aufgezeigten Prognose übereinstimmen würde.
Die Bezugnahme in § 42 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX a.F. auf die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 11 SGB VI macht deutlich, dass die Beklagte grundsätzlich nur dann zuständiger Rehabilitationsträger im vorliegenden Fall sein kann, wenn bei Antragstellung, spätestens bei der Entscheidung über die Erbringung der Leistungen eine Prognose dahingehend möglich ist, dass eine Wiedereingliederung des Versicherten in den allgemeinen Arbeitsmarkt überwiegend wahrscheinlich ist, auch wenn er zur Erlangung dieser Erwerbsfähigkeit zunächst des geschützten Rahmens des Eingangsbereichs oder des Berufsbildungsbereichs einer WfbM bedürfte. Ist eine derartige Prognose nicht möglich, wäre die Beklagte nicht zuständiger Rehabilitationsträger im Sinne des § 42 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX a.F., sondern es bliebe – mangels anderem zuständigen Rehabilitationsträger im Sinne des § 42 Abs. 1 Nr. 2 und 4 SGB IX a.F. – bei der Auffangzuständigkeit der Klägerin nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX a.F..
Bei dem Versicherten bestand weder diese Prognose einer möglichen Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt noch haben die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 11 SGB VI vorgelegen.
Die Prognose einer Wiedereingliederung des Versicherten in den allgemeinen Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit, d.h. nach Erbringung von Leistungen im Eingangsbereich der WfbM für 3 Monate (§ 40 Abs. 2 SGB IX a.F.) und im Berufsbildungsbereich für maximal 2 Jahre (§ 40 Abs. 3 SGB IX a.F.) wurde von der Beklagten nicht gesehen, da von Anfang an eine Werkstatttätigkeit auf dem zweiten Arbeitsmarkt vorgesehen war und auch unter dem 30.04.2013 von Dr. A. vom medizinischen Dienst der Agentur für Arbeit M-Stadt so bestätigt wurde. Die Prognoseentscheidung der Beklagten ist gerichtlich nur eingeschränkt dahingehend überprüfbar, ob sie offensichtlich fehlerhaft gewesen ist. Dies ist nicht der Fall. Dies ergibt sich u. a. aus dem Gutachten von Dr. B. vom 16.02.2016, der ausführte, dass aufgrund der Erkrankung des Versicherten (paranoide Schizophrenie mit schizophrenem Residuum und einer erheblichen Reduktion auf emotionalem und intentionalem Gebiet) es nicht zu erwarten gewesen sei, dass der Versicherte in den allgemeinen Arbeitsmarkt hätte wiedereingegliedert werden können. Es sei allenfalls zu erwarten gewesen, dass der Kläger durch die Maßnahme in die Lage versetzt worden wäre, eine Wettbewerbsfähigkeit auf dem besonders geschützten Arbeitsmarkt einer WfbM zu erreichen, was aber ebenfalls nicht geglückt ist (vgl. ergänzende Stellungnahme Dr. B. vom 04.05.2016). Der einzig abweichenden Auffassung von Dr. H. ist Dr. B. ausdrücklich nicht gefolgt.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 11 SGB VI hat der Versicherte nicht erfüllt. Er hat nur 56 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen aufzuweisen und damit die Wartezeit von 15 Jahren (§ 51 Abs. 1 SGB VI) nicht erfüllt (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI); im Übrigen hat er noch nicht einmal die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren erfüllt (§ 50 Abs. 1 SGB VI). Der Versicherte bezieht bzw. bezog seinerzeit auch keine Rente wegen Erwerbsminderung, so dass auch diese Alternative zur Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen beim Versicherten nicht gegeben war (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Die Ausnahmevorschrift des § 11 Abs. 3 SGB VI war nicht einschlägig.
Auch die erweiterten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 11 Abs. 2a Nr. 1 SGB VI sind vorliegend nicht erfüllt, da der Versicherte ohne die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben jedenfalls eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht hätte beziehen können. Er hat die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 SGB VI nicht erfüllt. Zwar ist der Versicherte nach den schlüssigen ärztlichen Darlegungen dauerhaft nicht mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsatzfähig. Der Versicherte hat weder die allgemeine Wartezeit noch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Ausnahmsweise käme eine Rentengewährung in einem solchen Fall dann in Betracht, wenn eine vorzeitige Wartezeiterfüllung (§ 53 iVm § 43 Abs. 5 SGB VI) vorliegen würde. Von den Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 SGB VI ist beim Versicherten keine erfüllt. Nach § 53 Abs. 2 SGB VI ist die Wartezeit allerdings auch dann vorzeitig erfüllt, wenn der Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden ist und zugleich in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge vorgelegen haben. Da der Versicherte im Jahr 2009 eine Ausbildung abgeschlossen hat und vor 2015 voll erwerbsgemindert geworden ist, ist der eine Teil der Bedingung erfüllt. Der andere Teil ist jedoch nicht erfüllt: Ausgehend vom Nachweis des medizinischen Leistungsfalles mit der Entlassung aus der medizinischen Rehabilitationseinrichtung im April 2013 sind im Zwei-Jahres-Zeitraum von April 2011 bis April 2013 nur 5 Monate Pflichtbeitragszeiten und nicht 12 Monate (1 Jahr) derartiger Zeiten vorhanden gewesen, nachdem der Versicherte letztmals im August 2011 Pflichtbeiträge aus einer Beschäftigung entrichtet gehabt hatte.
In Betracht kommt allerdings die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI, weil die Beklagte die ambulanten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation von August 2012 bis April 2013 durch die Rehabilitationseinrichtung „F. e.V.“ erbracht hatte (mit den erleichterten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI). Nach dieser Regelung wäre eine Leistungszuständigkeit der Beklagten gegeben, wenn Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für eine „voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation“ unmittelbar im Anschluss an die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der Träger der Rentenversicherung erforderlich sind.
Offenbleiben kann die Frage, ob die Verpflichtung zur Leistungserbringung von Teilhabeleistungen durch die Beklagte bereits daran scheitert, dass eine Erbringung „unmittelbar im Anschluss“ an die medizinische Rehabilitation gefordert wird. Zwar haben die Teilhabeleistungen in der WfbM erst Anfang Juni 2013 und damit mehr als einen Monat nach dem Ende der medizinischen Reha-Maßnahme tatsächlich begonnen. Sie waren aber noch während der Maßnahme beantragt worden. Die Teilhabeleistungen waren nach dem Inhalt der Antragstellung und den mit vorgelegten medizinischen Darlegungen auch unmittelbar im Anschluss an diese Maßnahme erforderlich.
Da der Versicherte prognostisch nicht wieder in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren war, hat er die versicherungsrechtliche Voraussetzung des § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI nicht erfüllt. Mit den von der Beklagten erbrachten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation allein war eine Wiedereingliederung des Versicherten auf den ersten Arbeitsmarkt nicht möglich, was zwischen den Beteiligten unstreitig sein dürfte. Fraglich ist aber, ob die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, hier also die Unterbringung des Versicherten in den Eingangsbereich und den Berufsbildungsbereich der WfbM erforderlich waren, um eine voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation zu erreichen. Nicht gemeint sein kann, dass die Teilhabeleistung überhaupt geeignet sein müsse, eine positive Wirkung beim Leistungsempfänger zu haben. Denn § 33 Abs. 1SGB IX a.F. enthält generell die Einschränkung auf erforderliche Leistungen. Vielmehr kann „voraussichtlich erfolgreich“ nach den obigen Ausführungen aus Sicht des Rentenversicherungsträgers eine Rehabilitation nur dann sein, wenn die Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt prognostisch möglich erscheint, was aber gerade vorliegend nicht der Fall war.
Die Beklagte verweist insoweit auch zu Recht auf die Entscheidung des BSG vom 16.06.2015 (B 13 R 12/14 R, juris). Das BSG hat in den Entscheidungsgründen ausdrücklich dargelegt, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Reha-Leistungen sich nach den §§ 9 ff. SGB VI bestimmen und dabei eine Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt die Zielsetzung ist (BSG, a.a.O., Rdnr 11 ff.; s. auch BSG Urteil vom 23.02.2000, B 5 RJ 8/99 R, juris). Aufgrund des Pflichtversicherungsverhältnisses für die Tätigkeit im Arbeitsbereich einer WfbM in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung und der daraus folgenden Beitragsleistung hatte die dortige Beigeladene einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gegen ihre gesetzliche Krankenkasse, nicht jedoch gegen den Rentenversicherungsträger. Die Arbeitsfähigkeit im bisherigen Einsatzbereich, nämlich dem Arbeitsbereich der WfbM, war durch Leistungen der medizinischen Rehabilitation der Krankenkasse sicherzustellen.
Die Argumentation der Klägerin, wonach die gesetzliche Möglichkeit geschaffen worden sei, dass der Rentenversicherungsträger Teilhabeleistungen im Eingangs- und im Bildungsbereich einer WfbM erbringe und der Hinweis auf das BSG-Urteil vom 06.03.2013 (B 11 AL 2/12 R) überzeugen nicht. Die Entscheidung des BSG betrifft keinen vergleichbaren Fall, da dort offensichtlich die Voraussetzungen bereits aus § 11 Abs. 1 SGB VI erfüllt waren und es somit auf den Regelungsgehalt und die Auslegung des Abs. 2a nicht ankam. Für diesen Personenkreis, der nach § 11 Abs. 1 SGB VI die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt hat, ergibt sich die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers für Teilhabeleistungen in einer WfbM, ohne dass es darauf ankommt, ob eine Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt beabsichtigt ist oder möglich erscheint.
Die Argumentation des Sozialgerichts, dass der Gesetzgeber § 10 SGB VI in § 42 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX a.F. gerade nicht aufgeführt habe und damit persönliche Merkmale, die in § 10 SGB VI erfasst seien, keine Rolle spielen und nicht in den § 11 SGB VI hineingelesen dürften, überzeugt nicht. Richtig ist zwar, dass § 10 SGB VI in § 42 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX a.F. nicht genannt ist. Das Sozialgericht verkennt jedoch, dass § 42 SGB IX a.F. nicht isoliert gesehen werden kann, sondern der oben aufgezeigte rechtssystematische Zusammenhang der Regelungen des SGB VI und des SGB IX zu beachten ist. § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI verwendet ausdrücklich den Begriff „voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation“, was sich mit der Prognose in § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI deckt. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob § 42 SGB IX a.F. ausdrücklich auf § 10 SGB VI Bezug nimmt oder nicht.
Letztlich ergibt sich für die Regelung des § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI, in Erweiterung der allgemeinen Zuständigkeit an weitere Personen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen, dass diese im Interesse der Versichertengemeinschaft der Rentenversicherung nur gerechtfertigt ist, wenn durch die Reintegration in den Arbeitsmarkt der Versichertengemeinschaft auch zukünftig Beiträge zufließen. Dabei beinhaltet der Umstand, dass die Teilhabeleistung zur Integration in eine beschützende Werkstatttätigkeit als für den Versicherten erforderlich angesehen wird, nur dann die „erfolgreiche Rehabilitation“ im Sinne des § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI, wenn eine Reintegration in eine versicherungspflichtige Beschäftigung des allgemeinen Arbeitsmarktes angestrebt wird. Allein die dauerhafte Integration in eine WfbM reicht nicht aus. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass im Rahmen der Werkstatttätigkeit ebenfalls in geringem Umfang Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet werden.
In Ermangelung einer Sonderzuständigkeit der Beklagten verbleibt es im Fall des Versicherten bei der Zuständigkeit der Klägerin nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX a.F. für die Erbringung der Leistungen im Eingangsbereich und im Berufsbildungsbereich der WfbM.
Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten hin das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.05.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -, da weder die Klägerin noch die Beklagte zu dem nach § 183 SGG privilegierten Personenkreis gehören.
Der Streitwert des Verfahrens ergibt sich aus § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. Er war auf 51.229,57 Euro festzusetzen, da dies dem Berufungsbegehren der Beklagten entspricht. Eine zwischenzeitlich erfolgte Reduzierung infolge einer Rückzahlung einer Überzahlung ändert den maßgeblichen Streitwert nicht.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Entscheidung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Die Auslegung des Begriffs „voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation“ im Sinne des § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI ist noch nicht höchstrichterlich entschieden, soweit es um Leistungen zur Teilhabe in einer WfbM geht.