Aktenzeichen L 5 KR 82/16
SGB V SGB V § 112
SGB I SGB I § 52
Leitsatz
Krankenhausabrechnungsstreit: Keine Abtrennung von Klage und Eventualwiderklage (amtlicher Leitsatz)
Tenor
I.
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 04.01.2016 aufgehoben und die Streitsache an das Sozialgericht München zurückverwiesen.
II.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
III.
Der Streitwert wird auf 2.151,71 festgesetzt.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist begründet im Sinne einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Danach kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Hierüber entscheidet das LSG nach eigenem Ermessen von Amts wegen, ein Antrag des Berufungsklägers ist nicht erforderlich (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 159 Rdnr. 5; Bayer. LSG, Urteil vom 5. Februar 2014 – L 2 U 406/13, Rn. 19, zitiert nach juris).
1. Das Sozialgericht hat elementare Verfahrensregeln missachtet und das verfassungsrechtliche Gebot des gesetzlichen Richters außer Acht gelassen. Die Behandlung der wirtschaftlich und rechtlich mit der Hauptsache aufs engste in Zusammenhang stehenden Eventualwiderklage vom 24.4.2014 war verfahrensrechtlich nicht zulässig sowie willkürlich. Denn die vorgenommene Verfahrens-Abtrennung ist nicht zulässig (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 100 Rdnr. 7), weil durch die Abtrennung der Widerklägerin die prozessualen Privilegien der Widerklage entzogen werden und weil ein weiteres gerichtskostenpflichtiges Verfahren mit Verdopplung der Kostenrisiken für die Beteiligten eröffnet wird. Das abgetrennte Verfahren wird dem gesetzlich nach § 100 SGG zugewiesenen Richter der Hauptsache entzogen. Es wird die Möglichkeit divergierender Gerichtsentscheidungen eröffnet. Zudem war sich das Sozialgericht nach den Ausführungen im Gerichtsbescheid vom 4.1.2016 augenfällig nicht im Klaren, wie es die Widerklage behandelt, weil es im Tatbestand auf die Widerklage Bezug genommen hat – andererseits in der Kostenentscheidung einheitlich über Klage und Widerklage befunden hat. Daneben fällt es nicht wesentlich ins Gewicht, dass das Sozialgericht die Widerklage ohne Antrag der Beteiligten „auf Antrag der Beteiligten“ zum Ruhen gebracht hat.
2. Das Sozialgericht durfte nicht durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache Schwierigkeiten rechtlicher Art aufwies und der Sachverhalt keineswegs geklärt war, so dass die Entscheidung gegen zwingende Regelungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG verstößt.
a) Das Sozialgericht hat beiseite gelassen, dass auf die gegenständliche stationäre Behandlung die Bestimmungen der im Behandlungsjahr 2010 geltenden Pflegesatzvereinbarung Anwendung finden und dass dort die besonderen Regelungen zu Zahlung und Fälligkeit einer Vergütung zwingend zu beachten sind. Das Sozialgericht hat eine Aufrechnung angenommen, obgleich die Beklagte nur ein Zahlungsavis übersandt, nicht aber eine Aufrechnung erklärt hatte; die somit vorliegende Verrechnung erlaubt § 52 SGB I nicht. Sonderregelungen dazu finden sich nicht in einem – nicht existenten – Landesvertrag nach § 112 SGB V und auch nicht in der gültigen Pflegesatzvereinbarung.
b) Auch tatsächlich war der Sachverhalt keineswegs geklärt, denn auf die gerichtliche Beweisanordnung vom 13.5.2015 hin ist kein Sachverständigengutachten erstellt worden.
Der Senat macht von dem ihm in § 159 SGG eröffneten Ermessen, die Sache zurückzuverweisen, Gebrauch, weil eine Kombination mehrerer massiver Rechts- und Verfahrensverstöße vorliegt und weil nur durch die Zurückverweisung eine zutreffende Sachbehandlung der Eventualwiderklage durch den gesetzlichen Richter sicherzustellen ist.
Der Berufungsstreitwert entspricht dem Wert der geltend gemachten Forderung sowie der erstinstanzlichen Festsetzung.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch weicht das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).