Medizinrecht

Zurückweisung einer Behauptung aufgrund verspäteter Zahlung eines Sachverständigenvorschusses

Aktenzeichen  15 O 20277/16

Datum:
11.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 158520
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 296 Abs. 2

 

Leitsatz

Wird ein Vorschuss für die Einholung eines Sachverständigengutachtens mit der Begründung, dieser sei überhöht, zunächst nicht eingezahlt, obwohl das Gericht auf die Folgen der Nichtzahlung hingewiesen hat, ist die unter Beweis gestellte Behauptung nach § 296 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, wenn der Vorschuss kurz vor dem anberaumten Verhandlungstermin eingezahlt wird, der Sachverständige aber zu einer kurzfristigen Begutachtung nicht in der Lage ist. (Rn. 21 – 25) (red. LS Dirk Büch)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 34.120,01 € festgesetzt.

Gründe

A) Die Entscheidung ergeht nach §§ 331a, 251a Abs. 2 ZPO.
Es liegt eine Säumnis der Klagepartei im Termin am 18.9.2017 vor, da ein Prozessvertreter trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist. Unerheblich ist, ob sich die Unterbevollmächtigte weigerte, sich mit dem Hauptbevollmächtigten in Verbindung zu setzen. Sollte diese Behauptung zutreffen, wäre ein Verschulden der Unterbevollmächtigten gegeben, soweit man überhaupt verlangt, dass sich diese mit dem Hauptbevollmächtigten in Verbindung setzt. Andernfalls läge ein Verschulden des Hauptbevollmächtigten vor, wenn er der Unterbevollmächtigten grundlos das Mandat entzieht, ohne selbst zum Termin zu erscheinen oder einen Vertreter zu beauftragen. Die Klagepartei hat nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass sie ohne ihr Verschulden ausgeblieben ist und die Verlegung des Termins nicht rechtzeitig beantragen konnte, § 251a Abs. 2 S. 4 ZPO. Der Sachverhalt ist hinreichend geklärt, § 331a ZPO.
B) Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB
Die Klägerin hat keinen bereicherungsrechtlichen Anspruch.
1. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB scheidet aus.
Die Klägerin behauptet, die Beklagte hätte arglistig verschwiegen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug einen Unfallschaden habe. Arglist setzt zumindest bedingten Vorsatz voraus.
Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass die Mitarbeiter der Beklagten Kenntnis vom behaupteten Unfallschaden gehabt hätten. Unstreitig war den Mitarbeitern der Beklagten jedoch bekannt, dass Schäden an den Stoßfängern vorhanden waren.
Einen Gebrauchtwagenhändler, der – wie hier – die Vorschädigung eines zu veräußernden Fahrzeugs kennt, trifft eine Untersuchungspflicht (BGH, NJW 2010, 2426, Rz. 29).
Vorliegend wurde ein erkennbarer, irreparabler Unfallschaden jedoch nicht nachgewiesen.
Beweispflichtig ist die Klagepartei, da sie sich auf den Schaden beruft. Das Gericht hat am 24.4.2017 einen Beweisbeschluss erlassen mit einer Vorschussanforderung von 2.500,- € bis 24.5.2017, §§ 402, 379 ZPO. Ein Vorschuss wurde innerhalb der Frist nicht einbezahlt, da der Klägervertreter der Auffassung war, der Sachverständige könne sein Gutachten ohne Besichtigung des Fahrzeugs ausschließlich anhand der Aktenlage erstatten, sodass ein Vorschuss von 500 € ausreichend sei. Mit Verfügung vom 17.5.2017 wies das Gericht darauf hin, dass es der Auffassung des Klägervertreters nicht folge und an der Vorschussanforderung festhalte.
Nachdem eine Reaktion hierauf ausblieb, wurde Termin auf den 18.9.2017 bestimmt mit dem erneuten Hinweis, dass ein Vorschuss bislang nicht einbezahlt ist. Nachdem der Klägervertreter weiterhin daran festhielt, die nicht anfechtbare Vorschussanforderung sei überhöht, wies das Gericht mit Verfügung vom 18.8.2017 erneut darauf hin, dass es bei der Vorschussanforderung verbleibe. Nachdem der Klägervertreter offenbar zwischenzeitlich an die Rechtsschutzversicherung herangetreten war, teilte er mit Schreiben vom 4.9.2017 mit, dass der Vorschuss von der Rechtsschutzversicherung überwiesen worden sei. Nach Vorlage der Akte am 7.9.2017 fragte das Gericht umgehend noch am selben Tag beim Sachverständigen an, ob eine Begutachtung kurzfristig möglich sei. Der Sachverständige teilte mit, dass bis zum Termin eine Begutachtung nicht möglich sei.
2. Das Angriffsmittel – die unter Sachverständigenbeweis gestellte Behauptung eines erkennbaren, irreparablen Unfallschadens – wird nach § 296 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Die Klagepartei ist somit beweisfällig geblieben.
a) Eine Begutachtung zum jetzigen Zeitpunkt würde zu einer erheblichen Verzögerung des Rechtsstreits führen. Der Gutachter müsste jetzt mit der Begutachtung beginnen, sodann müsste ein neuer Termin zur Verhandlung über das Beweisergebnis gefunden werden. Das würde zu einer Verzögerung von rund einem halben Jahr führen.
b) Grobe Nachlässigkeit des Klägervertreters liegt vor, weil er die prozessuale Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet gelassen hat, was jedem, der einen Prozess führt, hätte einleuchten müssen (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 296 ZPO, Rn. 27). Die Verzögerung beruht auf vorsätzlichem Verhalten des Klägervertreters, der bewusst mit der Vorschussanforderung nicht an die Rechtsschutzversicherung herangetreten ist, obwohl das Gericht noch vor Ablauf der Zahlungsfrist der Gegenvorstellung des Klägervertreters nicht gefolgt ist.
c) Nach Mitteilung der Zahlung teilte der Sachverständige auf Nachfrage des Gerichts mit, dass eine Begutachtung bis zum Termin nicht möglich sei. Die Verzögerung beruht daher ausschließlich auf der Nichtzahlung des Vorschusses.
d) Im Rahmen der Ermessensausübung sind das Maß der Nachlässigkeit des Klägervertreters, die Verzögerung des Rechtsstreits und die Bedeutung der Sache zu berücksichtigen. Ob auch die Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen ist, dass das verspätete Vorbringen zutrifft und seine Nichtberücksichtigung deshalb zu einer materiell unrichtigen Entscheidung führen würde (BeckOK ZPO/Bacher ZPO § 296 Rn. 62), kann hier offen bleiben, da das Gericht das Ergebnis der nicht durchgeführten Begutachtung nicht abzuschätzen vermag, sodass dieser Gesichtspunkt für die Ermessensentscheidung letztlich keine Rolle spielt. Die Bedeutung der Sache ist für die Klagepartei nicht als besonders hoch anzusetzen. Wie die Klägerin persönlich mitteilte, wird das streitgegenständliche Fahrzeug derzeit nicht genutzt. Im Übrigen geht es um rein wirtschaftliche Interessen. Die Verzögerung ist als erheblich anzusehen, da die Beweisaufnahme, die jetzt hätte abgeschlossen sein können, jetzt erst begonnen werden müsste. Ebenso ist die Nachlässigkeit als erheblich einzustufen (s.o.). Demnach überwiegen die Gründe, das Angriffsmittel zurückzuweisen.
e) Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß §§ 156 Abs. 2 Nr. 2, 580 Nr. 7 ZPO scheidet aus, da keine Tatsachen nach Schluss der mündlichen Verhandlung bekannt geworden sind. Auch eine sonstige Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO besteht nicht.
II.
Auch alle weiteren denkbaren Anspruchsgrundlagen, insbesondere aus Vertrag, scheiden aus, weil die Klagepartei beweisfällig geblieben ist.
III.
Entsprechendes gilt auch für den Feststellungsantrag, wobei offen bleiben kann, ob nun die Feststellung des Verzugs gemäß § 286 BGB beantragt wird (vgl. Klageschrift und Sitzungsprotokoll) oder des Annahmeverzugs nach § 293 BGB (vgl. Schriftsatz vom 3.4.2017).
C) Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 2, 711 ZPO.
D) Die Streitwertfestsetzung beruht auf der Höhe des Leistungsantrags. Der Feststellungsantrag wirkt nicht streitwerterhöhend.

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