Aktenzeichen 21 U 137/18
Leitsatz
In einem Urteil nach Lage der Akten gem. § 251a ZPO kann verspätetes Vorbringen gem. § 296 ZPO zurückgewiesen werden. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
15 O 20277/16 2017-12-11 Endurteil LGMUENCHENI LG München I
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 11.12.2017, Aktenzeichen 15 O 20277/16, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 34.120,01 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein gebrauchtes KFZ.
Die Klägerin hat am 04.12.2015 von der Beklagten ein gebrauchtes KFZ zuzüglich gebrauchter Winterräder und unter Zahlung der Zulassungskosten erworben mit einem „reparierten Schaden: Smart Repair Lackierung“ am Stoßfänger vorne und hinten.
Die Klägerin trägt vor, sie sei bei Abschluss des Kaufvertrags arglistig getäuscht worden. Das Fahrzeug habe einen nicht unerheblichen Unfallschaden, der nicht mit Smart Repair zu beheben gewesen sei.
Die Beklagte bestreitet dies.
Das Landgericht hat am 13.03.2017 mündlich verhandelt und am 24.04.2017 einen Beweisbeschluss erlassen, einen Sachverständigen bestimmt und einen Auslagenvorschuss von 2.500 € angeordnet, der bis 24.05.2017 einzuzahlen sei.
Der Klägervertreter hatte Einwendungen gegen die Formulierung des Beweisbeschlusses, die er später nicht mehr aufrecht erhielt, sowie gegen die Höhe des Auslagenverschusses.
Mit Verfügung vom 17.05.2017 teilte das Gericht der Klägerin mit, dass es nicht beabsichtige, den Vorschuss herabzusetzen.
Nachdem bis 06.06.2017 kein Vorschuss eingegangen war, bestimmte das Gericht neuen Termin auf den 18.09.2017 (Bl. 32 d.A.) unter Hinweis auf die nicht fristgerecht erfolgte Vorschusszahlung.
Nach mehrmaligen Nachfragen des Klägervertreters teilte das Gericht diesem mit Verfügung vom 18.08.2017 (Bl. 40 d.A.) mit, dass kein Anlass zur Änderung des Beweisbeschlusses oder der Vorschusshöhe gesehen werde. Mit Schriftsatz vom 04.09.2017 (B. 41 d.A.) teilte der Klägervertreter schließlich mit, dass der Vorschuss eingezahlt worden sei und fragte an, ob die Erholung eines Sachverständigengutachtens vor dem Termin noch möglich sei, andernfalls der Termin zu verlegen sei. Eine telefonische Nachfrage des Einzelrichters beim Sachverständigen ergab, dass eine Begutachtung vor dem Termin nicht durchführbar sei. Das Gericht teilte dem Klägervertreter daraufhin mit, dass es bei dem Termin verbleibe, aber nicht, dass es beim Sachverständigen nachgefragt habe. Der Klägervertreter beantragte daraufhin mit Schriftsatz vom 12.09.2017 (Bl. 43 d.A.) unter Hinweis darauf, dass eine Begutachtung vor dem Termin ausgeschlossen sei, nochmals Terminsverlegung und wies darauf hin, dass er gegebenenfalls in die Säumnis flüchten müsse. Mit Telefax vom 18.09.2017 teilte er mit, dass er der Unterbevollmächtigten das Mandat entzogen habe.
In der mündlichen Verhandlung erschien für die Klägerin niemand und beantragte der Beklagtenvertreter den Erlass eines Urteils nach Aktenlage.
Mit Schriftsatz vom 19.09.2017 beantragte der Klägervertreter die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
Mit Urteil vom 11.12.2017 wies das Gericht in einem Urteil nach Lage der Akten die Klage ab und das Angriffsmittel, die unter Sachverständigenbeweis gestellte Behauptung des irreparablen Stoßfängerschadens, als verspätet nach § 296 Abs. 2 ZPO zurück. Im Übrigen wird hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.
Hiergegen legte die Klägerin Berufung ein. Sie ist der Auffassung, die Voraussetzungen für ein Urteil nach Lage der Akten hätten nicht vorgelegen und das Landgericht hätte keine Zurückweisung nach § 296 Abs. 2 ZPO vornehmen dürfen.
Sie beantragt zuletzt,
1.Das Urteil des Landgerichts München I verkündet am 11.12.2017 unter dem Aktenzeichen 15 O 20277/16, wird aufgehoben.
2.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 33.300,00 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs BMW 535d xDrive Gran Turismo, Fahrzeug-Ident-Nummer …26 nebst beider Zulassungsbescheinigungen und zweier Schlüssel zuzüglich Zinsen hieraus seit dem 15.09.2016 zu zahlen.
3.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere € 820,01 Zug um Zug gegen Rückgabe von 4 gebrauchten Winterrädern, bestehend aus 4 Felgen und 4 aufgezogenen Winterreifen zuzüglich Zinsen hieraus seit dem 15.09.2015 zu zahlen.
4.Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte im Verzug befindet. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Der Senat hat am 14.05.2018 einen Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO erlassen, zu dem die Parteien Stellung genommen haben.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 11.12.2017, Aktenzeichen 15 O 20277/16, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 14.05.2018 Bezug genommen. Auch der Schriftsatz des Klägervertreters vom 08.06.2018 rechtfertigt keine andere Entscheidung:
1. Die Voraussetzungen für ein Urteil nach Lage der Akten waren gegeben.
a. Soweit der Klägervertreter vorträgt, er habe die Säumnis im Termin vom 18.09.2017 nicht zu verantworten und es sei ihm zeitlich und organisatorisch nicht mehr möglich gewesen, einen anderen Unterbevollmächtigten zu beauftragen, sind dies lediglich Behauptungen, die durch keine Tatsachen belegt werden, auch nicht nach den umfänglichen Ausführungen im Hinweisbeschluss. Letztlich kommt es auf diese Behauptungen im Berufungsverfahren aber auch nicht an, weil es Sache des Klägervertreters gewesen wäre, in erster Instanz eine unverschuldete Säumnis glaubhaft zu machen, § 331a, 251a Abs. 2 S. 4 ZPO. Dies ist nicht geschehen. Der Kläger hätte bis 7 Tage vor dem zur Verkündung bestimmten Termin neuen Termin beantragen und die unverschuldete Säumnis glaubhaft machen müssen, §§ 331a, 251a Abs. 2 S.4 ZPO. Er hat zwar mit Schriftsatz vom 19.09.2017 die „Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 Abs. 2 Nr. 2 ZPO“ beantragt, aber vor dem Verkündungstermin nicht glaubhaft gemacht, dass er unverschuldet säumig war. Insbesondere genügt der Vortrag in dem Schriftsatz vom 05.10.2017 den Anforderungen nicht (Bl. 50/51 d.A.).
b. Die Sache war entgegen der klägerischen Auffassung auch entscheidungsreif. Eine Sache ist dann entscheidungsreif, wenn der Sachverhalt geklärt, die Beweise erschöpft oder aber eine Partei mit noch ungeklärtem Vorbringen nicht mehr zugelassen bzw zurückgewiesen wird (Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Auflage, § 300, Rn. 2). Hier wurde, anders als in dem mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.04.1985 entschiedenen Fall (BVerfG, Beschluss vom 24.04.1985, Az. 2 BvR 1248/82), das Sachverständigengutachten unter zutreffender Anwendung der Vorschriften des Beweisverfahrens nicht erholt. Es sind keine Gründe ersichtlich, warum in einem solchen Einzelfall – anderes mag für verspäteten Sachvortrag gelten (vgl. den Rechtsgedanken des § 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) – bei einem Urteil nach Lage der Akten § 296 ZPO nicht grundsätzlich anwendbar sein sollte. Würde man nämlich in allen Fällen des § 296 ZPO eine Anwendung des § 251 a ZPO von vornherein ausschließen, hätte es die Partei in der Hand, durch verspätete Angriffs- und Verteidigungsmittel und Flucht in die Säumnis auch nach bereits erfolgter mündlicher Verhandlung den Erlass eines Urteils nach Lage der Akten zu verhindern. Dies widerspricht aber dem Sinn und Zweck der Vorschrift, deren Zweck es gerade ist zu verhindern, dass eine Partei „unter Inkaufnahme des relativ ungefährlichen Versäumnisurteils in Verschleppungsabsicht dem Termin fernbleibt“ (Zöller/Herget, ZPO, 31. Auflage, § 331a, Rn. 1).
2. Die Anordnung der Erholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens durch das Landgericht war sachgerecht. Dass der Klägervertreter den hierfür angesetzten Vorschuss für zu hoch hielt, ändert nichts an seiner Zahlungsverpflichtung. Im Übrigen ist gerichtsbekannt (auch wenn es darauf hier letztlich nicht ankommt), dass bei KFZ-Gutachten häufig Sachverständigenkosten von deutlich über 2.000 € anfallen. Soweit der Klägervertreter vorträgt, es gehe lediglich um die Überprüfung des Privatgutachtens, nicht um eine vollständige Neuerstellung, geht dies fehl: Der Sachverständige hat das Fahrzeug zu untersuchen und die unter Beweis gestellten Behauptungen zu bewerten. Dass in anderen Fällen auch einmal Gutachten mit einem Vorschuss von 500 bis 800 € erstellt wurden, kann unterstellt werden. Beweis war hierzu nicht zu erheben. Es kommt jeweils auf den Einzelfall an.
3. Die Voraussetzungen einer Zurückweisung nach § 296 Abs. 2 ZPO durch das Landgericht lagen vor. Zur Frage der groben Nachlässigkeit durch die nicht erfolgte Vorschusseinzahlung wird vollumfänglich auf den Hinweisbeschluss verwiesen.
4. Hinsichtlich der Kausalität der Verletzung der Hinweispflicht für die Entscheidung hat der Klägervertreter vorgetragen, er hätte bei einem Hinweis des Gerichts einen unabhängigen Sachverständigen/Organisation vorschlagen können, der eine Begutachtung vor dem Verhandlungstermin zu geringeren Kosten hätte durchführen können. Dies greift aber nicht durch, weil ein Hinweis überhaupt erst nach der Vorschusseinzahlung im September veranlasst gewesen wäre, nämlich dahingehend dass der Zeitraum für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens bis zum Termin zu knapp ist. Solange der Vorschuss nicht eingezahlt war, war ein Hinweis nicht veranlasst. Es ergibt sich aus dem Beweisbeschluss vom 24.04.2017, dass die Akten erst nach Einzahlung des Vorschusses an den Sachverständigen versandt werden. Nach der Einzahlung hätte aber auch ein Hinweis nicht mehr dazu geführt, dass ein Gutachten rechtzeitig zum Termin hätte erstellt werden können. Dies trägt auch die Klägerin nicht vor (vgl. Hinweisbeschluss).
5. Soweit der Klägervertreter vorträgt, die Ermessenserwägungen des Landgerichts seien fehlerhaft, sei zunächst angemerkt, dass der Senat nicht sein Ermessen an die Stelle des Landgerichts zu setzen hat, sondern die Entscheidung des Landgerichts auf zutreffende Erwägungen überprüft, wie bereits im Hinweisbeschluss dargelegt. Insbesondere die Ausführungen des Landgerichts, dass es den Ausgang des Verfahrens nicht abzuschätzen vermag, waren zutreffend. Dies zeigt sich schon daran, dass es eines Sachverständigengutachtens bedurfte.
6. Es handelt sich vorliegend um einen Einzelfall, der keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen von allgemeinem Interesse aufwirft. Es geht um die Eine Zulassung der Revision kam damit nicht in Frage, so dass eine Entscheidung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO ergehen konnte.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.