Aktenzeichen L 11 AS 872/15
SGG SGG § 159
Leitsatz
1. Zu Fragen der Schlüssigkeit eines Konzepts zur Ermittlung einer angemessenen Referenzmiete.
2. Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht bei fehlender Prüfung des Konzepts zur Ermittlung einer angemessenen Referenzmiete.
3 Das Sozialgericht verletzt seine Amtsermittlungspflicht, wenn es das Konzept eines Leistungsträgers ohne aus dem Urteil heraus erkennbare eingehende inhaltliche Prüfung als schlüssig ansieht. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
4 Zwingende Voraussetzung für das Einhalten der Amtsermittlungspflicht und der Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs ist insoweit zumindest, dass das Konzept nachvollziehbar zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wird. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
S 19 AS 626/15 2015-10-30 Urt SGNUERNBERG SG Nürnberg
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 30.10.2015 wird aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Nürnberg zurückverwiesen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Sozialgerichts Nürnberg vorbehalten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und im Sinne der Aufhebung des Urteils des SG und einer Zurückverweisung an das SG in vollem Umfang begründet. Die Klägerin hat mit ihren Anträgen aus dem Schriftsatz vom 28.12.2015 die Aufhebung des Urteils des SG und die Zurückverweisung an das SG begehrt (§ 123 SGG).
Streitgegenstand ist die Höhe der der Klägerin zu zahlenden Leistungen für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung, den Zeitraum vom 01.04.2015 bis 31.08.2015 betreffend. Dies war (ua) Gegenstand des angefochtenen Bewilligungsbescheides vom 17.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2016. In zulässigerweise hat die Klägerin den Streitgegenstand auf Leistungen für Bedarfe der Unterkunft und Heizung beschränkt (vgl BSG, Urteil vom 04.06.2014 – B 14 AS 42/13 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 78; Urteil vom 06.08.2014 – B 4 AS 55/13 R – BSGE 116, 254; Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 49/14 R – juris).
Das Verfahren des SG leidet an wesentlichen Mängeln (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Das SG hat vorliegend gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 Satz 1 SGG) verstoßen. Danach erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Dabei sind alle Tatsachen, abhängig von den maßgeblichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs, zu ermitteln, die für Entscheidung in prozessualer und materieller Hinsicht wesentlich und entscheidungserheblich sind. Eine Tatsache ist dann wesentlich oder entscheidungserheblich, wenn sich aus ihr ein Tatbestandsmerkmal der anzuwendenden Norm ergibt oder mittelbar auf Vorliegen oder Nichtvorliegen einer unmittelbar erheblichen Tatsache geschlossen werden kann (vgl dazu insgesamt: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 103 Rn 4a mwN). Dabei verletzt ein Gericht die Amtsermittlungspflicht, wenn es sich – ausgehend von seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung – zu einer weiteren Sachaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen (ständige Rspr des BSG, zB Beschluss vom 31.01.2017 – B 3 KR 44/16 B; Leitherer, aaO, Rn 5).
Zutreffend hat das SG darauf abgestellt, dass sich die Höhe des von der Klägerin – die ohne Zweifel und unbestritten im Zeitraum vom 01.04.2015 bis 31.08.2015 die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 SGB II dem Grunde nach erfüllt – zu beanspruchenden Alg II (ua) nach deren (angemessenen) Unterkunftsbedarf richtet. So werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze hat das SG die Rechtsprechung des BSG dargestellt, wonach in einem gestuften Verfahren zunächst eine abstrakte und dann eine konkret-individuelle Prüfung stattzufinden hat. Damit hat es zu Recht erkannt, dass die Höhe des vom Beklagten zu berücksichtigenden Bedarfs für die Unterkunft von deren Angemessenheit abhängig ist und dies für entscheidungserheblich gehalten. Die Angemessenheit der Unterkunftskosten unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle (vgl BSG, Urteil vom 06.04.2011 – B 4 AS 119/10 R).
Nach der maßgeblichen sog Produkttheorie sind die Unterkunftskosten als Produkt der nach Personenzahl angemessenen Wohnungsgröße und dem durchschnittlichen Quadratmeterpreis zu bilden. Hinsichtlich der Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl nur Urteil vom 16.06.2015 – B 4 AS 44/14 R; Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 3) auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen, so dass sich diese grundsätzlich nach den Werten, welche die Länder aufgrund des § 10 Wohnraumförderungsgesetz vom 13.09.2001 (BGBl I 2376) festgelegt haben, bestimmt. Dies sind in B. für einen Ein-Personen-Haushalt 50 qm (Wohnraumförderungsbestimmungen 2012 – WFB 2012 – Bekanntmachung der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 11.01.2012 – AllMBl 2012, 20). Dies hat auch das SG zutreffend zugrunde gelegt.
Soweit aber das SG im Anschluss hinsichtlich des angemessenen Quadratmeterpreises darauf verweist, dass der vom Beklagten zugrunde gelegte Wert auf einem mit Hilfe der Firma R. & Partner GbR erstelltem schlüssigen Konzept iS der Rechtsprechung des BSG beruht, fehlt es an einer inhaltlichen Auseinandersetzung des SG mit den vom BSG erstellten Anforderungen. Dafür ist auch der Verweis auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Beklagten ungenügend, da dort alleine die zutreffende Ermittlung der Mietobergrenze vorausgesetzt wird. Zudem befand sich das vom SG benannte Konzept weder in der Verwaltungsakte des Beklagten noch in den Akten des SG. Demnach ist nicht ersichtlich, dass dieses Gegenstand des Verfahrens gewesen ist. Soweit dieses außerhalb der Verfahrensakten der Kammer vorgelegen haben sollte, hätte es ausdrücklich zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden müssen. Ausweislich des Tatbestandes des Urteils des SG ist dies nicht der Fall gewesen. Im Hinblick auf die Einräumung rechtlichen Gehörs für die Klägerin hätte ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme dazu gegeben werden müssen.
Zur Überprüfung des Konzeptes waren vom SG hier auch weitere Ermittlungen anzustellen gewesen, selbst wenn die Klägerin im Klageverfahren vor dem SG nicht explizit dargelegt hat, weshalb das Konzept nicht schlüssig ist. Das SG hätte seinen Prüfungsumfang nicht einschränken können (vgl dazu für den Fall einer „Unstreitigstellung“: BSG, Urteil vom 16.05.2012 – B 4 AS 109/11 R). Zwar wird die Amtsermittlungspflicht auch vom Vortrag der Beteiligten mit gesteuert, in keinem Fall ist das Gericht aber von der Pflicht zur nachvollziehbaren Darlegung einzelner Anspruchselemente entbunden (vgl BSG aaO).
Aus dem im Berufungsverfahren vom Beklagten vorgelegten Konzept „Erstellung eines grundsicherungsrelevanten Mietspiegels zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft im Landkreis R.“ vom Dezember 2012 kann auch keineswegs ohne weiteres geschlossen werden, dass dieses den vom BSG – und vom Senat geteilten – Voraussetzungen an ein schlüssiges Konzept entspricht. Für ein schlüssiges Konzept müssen folgende Mindestvoraussetzungen erfüllt sein (vgl BSG, Urteil vom 16.06.2015 – B 4 AS 44/14 R; Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 70):
– Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen;
– Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung (Art von Wohnungen, Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete/Vergleichbarkeit, Differenzierung nach Wohnungsgröße);
– Angaben über den Beobachtungszeitraum;
– Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel);
– Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten;
– Validität der Datenerhebung;
– Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung;
– Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
Zur Prüfung der genannten Kriterien hätte das SG von Amts wegen eine weitere Sachverhaltsaufklärung und -ermittlung vornehmen müssen. In keinster Weise kann dem vom Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Konzept entnommen werden, dass es ein schlüssiges Konzept im genannten Sinne darstellt. Allein der Verweis darauf, das Konzept sei schlüssig iS der Rechtsprechung des BSG, ohne auch nur im geringsten eine Subsumtion des Konzeptes unter die vom SG genannten Voraussetzungen des BSG vorzunehmen, in unzureichend. Jedenfalls die folgenden Punkte hätten Anlass zu weiteren Ermittlungen und einer weiteren Prüfung geben müssen:
Für die Erstellung eines Konzeptes ist zunächst ein Vergleichsraum festzulegen. Überlegungen zur Bestimmung eines maßgeblichen örtlichen Vergleichsraums – insbesondere in Bezug auf die Datenerhebung – sind eine logische Voraussetzung zur Entwicklung eines schlüssigen Konzepts (vgl dazu BSG, Urteil vom 16.04.2013 – B 14 AS 28/12 R). Dabei geht es um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Leistungsberechtigten (vgl BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R; Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R; nach BSG, Urteil vom 18.06.2008 – B 14/7b AS 44/06 R und Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 R – ist in erster Linie auf den Wohnort abzustellen). Auch wenn ein Umzug in einen anderen Wohnort, der mit einer Aufgabe des sozialen Umfeldes verbunden wäre, von einem Leistungsberechtigten im Regelfall nicht verlangt werden kann, bedeutet dies jedoch nicht, dass sich der räumliche Vergleichsmaßstab strikt am kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der „Gemeinde“ nach dem jeweiligen landesrechtlichen Kommunalrecht orientieren muss (vgl BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 R). Dieser kann größenmäßig in Abhängigkeit davon, ob es sich um einen ländlichen Raum oder ein Ballungszentrum, durchaus unterschiedlich sein (vgl BSG, Urteil vom 18.06.2008 – B 14/7b AS 44/06 R). Insbesondere im ländlichen Raum kann es geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen, während in größeren Städten andererseits eine Unterteilung in mehrere kleinere Vergleichsgebiete, die kommunalverfassungsrechtlich keine selbständigen Einheiten darstellen, in Betracht kommen kann (vgl BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 R). Für die Bestimmung des Vergleichsraumes bedarf es daher der Festlegung ausreichend großer Räume der Wohnbebauung, die aufgrund räumlicher Nähe (nicht bloße Orts- oder Stadtteile/-bezirke) eine zusammenhängende Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnische Verbundenheit aufweisen, sowie insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen (vgl BSG, Urteil vom 16.06.2015 – B 4 AS 44/14 R; Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R). Um eine sog Ghettobildung zu vermeiden ist hinsichtlich der Referenzmieten zwar auf Mieten für „Wohnungen mit bescheidenem Zuschnitt“ abzustellen. Insoweit dürfen aber nicht einzelne, besonders heruntergekommene und daher „billige“ Stadtteile bzw Gegenden herausgegriffen werden, sondern es ist auf Durchschnittswerte des unteren Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw räumlichen Vergleichsraum abzustellen; besondere Belange und die konkrete Situation des jeweiligen Leistungsberechtigten (zB bei Alleinerziehenden oder Familien mit minderjährigen schulpflichtigen Kindern) ist nicht bereits bei der (abstrakt-generell vorzunehmenden) Festlegung der Vergleichsräume, sondern erst bei der konkreten Zumutbarkeit einer Kostensenkung zu berücksichtigen (vgl BSG, Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R). Der für die Prüfung von Letzterem heranzuziehende Vergleichsraum kann dabei enger zu begrenzen sein als der für die Ermittlung der (abstrakten) Referenzmiete (so auch BSG, Urteil vom 18.06.2008 – B 14/7b AS 44/06 R).
Im Konzept des Beklagten ist hierzu unter Punkt 2.2 zu entnehmen, dass der Landkreis R. – zur Vermeidung des Herausreißens eines Leistungsberechtigten aus seinem sozialen Umfeld – in homogene Lebens- und Wohnbereiche gegliedert werden muss. Nach Punkt 2.2.3 wird die Untergliederung in vier Regionen vorgenommen (zur Zulässigkeit des Aufteilens eines Flächenlandkreises in verschiedene Vergleichsräume: BSG, Urteil vom 16.06.2015 – B 4 AS 44/14 R). Die Stadt A-Stadt, in der die Klägerin wohnt, bildete im streitgegenständlichen Zeitraum demnach zusammen mit der Stadt A., dem Markt A. und den Gemeinden B., G., K., R. und R. den Vergleichsraum A. Dabei ist dem Konzept nicht zu entnehmen, wie die verkehrstechnische Verbundenheit der Orte der Region A genauer geprüft worden ist, insbesondere ob diese untereinander mit öffentlichen Verkehrsmitteln in angemessener Zeit und Häufigkeit zu erreichen sind. Alleine die Entfernungsmatrix in Anlage 1 ist diesbezüglich nicht aussagekräftig. Wäre eine verkehrstechnische Verbundenheit nicht gegeben, so wäre bei dem Verweis auf eine in einem vom Wohnort weit entfernt liegende Wohnung gerade ein „Herausreißen“ aus dem bisherigen Wohnumfeld gegeben, welches durch die Einteilung in verschiedene Vergleichsräume nach den Aussagen des Konzeptes gerade verhindert werden soll. Zudem ist weiter zu überprüfen, weshalb die Stadt A-Stadt ab 01.01.2017 – ausweislich der vom Beklagten ab diesem Zeitpunkt geltenden Richtwerte – offensichtlich nunmehr alleine mit der Stadt R. einen eigenen Vergleichsraum bildet. Die Richtwerte sind dabei höher als die, für die im vorherigen Vergleichsraum verbliebenen Orte. Ob daraus auch für die Zeit vor dem 01.01.2017 entsprechende Schlüsse zu ziehen sind, wird noch aufzuklären sein.
Für die nachvollziehbare Definition des Gegenstands der Beobachtung wirft die Vergabe verschiedener Punkte für Ausstattungsmerkmale der jeweiligen Wohnungen, mit der nach Punkt 2.3 des Konzepts Wohnungen des gehobenen Standards ausgesondert werden, ebenfalls weiteren Ermittlungsbedarf auf. Die gezogenen Schlussfolgerungen aus den Kriterien und dem Schluss auf einen gehobenen Standard oder nicht, sind aus dem Konzept nicht ohne weiteres ersichtlich, zB weshalb sich für ein Keller-Dachbodenabteil eine Punktzahl von -2 ergeben soll, für einen Fahrradkeller bzw Trockenraum eine Punktzahl von -1, etc. Ein Zusammenhang mit einer Wohnung gehobenen bzw einfachen Standards wäre weiter aufzuklären. Der Verweis auf Mietspiegel für Altbauwohnungen und freifinanzierte Neubauwohnungen von S-Stadt bzw R. wäre zu überprüfen, insb ob die zitierten Mietspiegel in Bezug auf die Standardbestimmung der Wohnungen mit einer Konzepterstellung zur Bestimmung der angemessenen Miete nach dem SGB II in Einklang steht. Auch die konkrete Punktevergabe erschließt sich nicht ohne weiteres, so nur exemplarisch die Punktzahl von „+1 bis -1“ bzw „+2 bis -1“ bei Balkon, Loggia und Terrasse”. Unklar ist, wann von einem Ausgesetztsein von Immissionen oder einer besonderen Lärmbelästigung bzw von Frei- und Grünflächen auszugehen ist. Insbesondere wäre zu ermitteln, inwiefern bei Befragungen hierzu für Vermieter bzw Mieter Angaben und Hinweise zu einer gleichmäßigen Beurteilung dieser Kriterien gegeben worden sind und wie letztlich die abschließende Bewertung der einzelnen Wohnungen vorgenommen wurde. Dem Konzept ist nicht zu entnehmen, ob Maßnahmen ergriffen worden sind, um auf der anderen Seite Wohnungen des untersten Standards (siehe dazu BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 42 und Urteil vom 20.12.2011 – B 4 AS 19/11 R – BSGE 110, 52) ebenfalls aus dem Datenbestand zu eliminieren. Die Berücksichtigung der Quadratmeterpreise auch solche Wohnungen könnte im Ergebnis dann zu einer zu niedrig festgelegten Referenzmiete führen.
In Punkt 2.5 des Konzeptes wird der Gesamtwohnungsbestand im Landkreis R. dargestellt. Allerdings erschließt sich nicht, welche öffentlichen statistischen Quellen mit welchem Stand hierzu herangezogen worden sind. Ebenso fehlt die Darlegung, woher die Erkenntnis stammt, dass Leistungsberechtigte nie in Wohngebäuden mit nur einer Wohnung wohnen bzw solcher Wohnraum gar nicht auf dem Wohnungsmarkt angeboten wird. Auch fehlt eine wissenschaftliche oder statistische Quelle für die Annahme, der Wohnungsmarkt würde einen Anteil von 30 bis 50% an Wohnungen einfachen Wohnungsstandards enthalten. Soweit hierzu ein Urteil des SG Darmstadt vom 14.03.2011 – S 22 AS 395/10 – zitiert wird, enthält dieses hierzu keine weiteren Hinweise.
Im Hinblick auf die Ermittlung der angemessenen kalten Neben- und Betriebskosten fällt auf, dass in Bezug auf einen Ein-Personen-Haushalt und je qm nach Abbildung 12 in der Region A rund 25% niedriger sein sollen als in der Region C2. Im Konzept findet sich hierzu keine Erläuterung dafür, dass dieses Ergebnis schlüssig ist. Eine derartig hohe Abweichung innerhalb eines Landkreises bedürfte der weiteren Untersuchung bzw Begründung.
In Punkt 4 des Konzepts wird die Auswertung der erhobenen Angebotsmieten angesprochen. Das Konzept könnte hier so zu verstehen sein, dass die Referenzmiete zunächst nur anhand der erhobenen und bereinigten Bestandsmieten ermittelt worden ist. Hierfür wurde nach Punkt 3.3 für die Angemessenheit der Netto-Kaltmiete die obere Grenze des 95-prozentigen Konfidenzintervalls ermittelt. So wurde für einen Ein-Personen-Haushalt bei einer Wohnungsgröße bis 50 m² ein Quadratmeterpreis von 5,39 € für die Region A errechnet (Abbildung 11). Unter Berücksichtigung der ermittelten angemessenen kalten Neben- und Betriebskosten von 1,04 € in der Region A (Abbildung 12) wurde die angemessene Bruttokaltmiete auf 322 € gerundet (Übersicht der Angemessenheitsgrenzen). Die erhobenen Angebotsmieten dienten anschließend offenbar lediglich einer Überprüfung der zuvor gefundenen Werte im Hinblick auf eine tatsächliche Verfügbarkeit von Wohnungen zur Anmietung zu diesem Preis. Sofern dies der Fall sein sollte, würde sich die Frage stellen, ob damit den Anforderungen des BSG genüge getan wäre, wonach eine vorgenommene Ergebniskontrolle durch Auswertung der Wohnungsangebote eine systematische Einbeziehung des Faktors der Neuvertragsmieten (gemeint ist dabei wohl der Mietpreis für auf dem Wohnungsmarkt zur Vermietung angebotene Wohnungen, vgl zu dem entsprechenden Begriff in § 22c Abs. 1 Satz 3 SGB II: Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 10/2011, § 22c SGB II Rn 2) von vornherein, dh bereits bei den Grundlagen der Datenerhebung, nicht ersetzen kann (vgl BSG, Urteil vom 16.06.2015 – B 4 AS 44/14 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 85; hier hat das BSG alleine eine dreimonatige Ergebniskontrolle anhand von Wohnungsanzeigen in Anzeigenblättern für nicht ausreichend erachtet). Zweifel an dem im Konzept festgelegten Referenzwert für Ein-Personen-Haushalte der Region A könnten sich insofern auch dadurch ergeben, dass offenbar nach der Darstellung in der Abbildung 18 nur für 47% der Leistungsberechtigten, die bereits unangemessen wohnen, ein entsprechendes Angebot an angemessenem Wohnraum vorhanden wäre. Zuvor wurde ermittelt, dass den 34 Leistungsberechtigten (Abbildung 16) nach dem SGB II und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) 12 Angebote für Wohnungen mit einer angemessenen Miete (Abbildung 17) gegenüberstehen würden. Rechnerisch könnten demnach nur 35% (12 / 34) der unangemessen wohnenden Ein-Personen-Haushalte in der Region A eine nicht über der Referenzmiete liegende Wohnung anmieten. Wie es diesbezüglich in Abbildung 18 zu einem Wert von 47% kommt, ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar und wäre aufzuklären.
Konkrete Zahlen dazu, wie viele Personen auf der Nachfragerseite berücksichtigt wurden, deren unangemessene Unterkunftskosten vom Beklagten voll berücksichtigt werden, weil bei ihnen zB ein Härtefall vorliegt, sind nicht genannt. Auch wäre zu prüfen, ob der Hinweis unter Punkt 4.3 des Konzepts, die nicht über Internet und Zeitungen vermittelten Wohnungen würden ca 52% des Vermietungsangebots ausmachen und das tatsächliche Angebotssegment wäre um diesen Prozentwert zu erhöhen, tatsächlich schlüssig ist. Insofern soll sich der Wert von 52% aus einer Mieterbefragung ergeben, bei der gefragt wurde, wie das Mietverhältnis zustande gekommen sei, und bezieht sich auf Angebote von Immobilienmaklern bzw von Familie, Freunden und Bekannte. Dabei dürften aber gerade Immobilienmakler Wohnungen auch über Zeitungen und Internet anbieten. Somit mag zwar das Mietverhältnis über einen Makler oder einen persönlichen Kontakt zustande gekommen sein, aber es ist nicht auszuschließen, dass es gleichwohl in einem der genannten Medien inseriert gewesen ist. Dies wäre genauer zu ermitteln. Die Behauptung, Wohnungsgesellschaften würden mehrere Wohnungen eines Typs nur einmal anbieten, wäre ebenfalls zu belegen. Gerade im ländlichen Bereich bzw der Region A kann nicht ohne weiteres erkannt werden, dass dies überhaupt einen nennenswerten Anteil ausmacht. Weitere Angaben dazu enthält das Konzept nicht und wären im Einzelnen zu ermitteln.
Schließlich fehlen Ausführungen dazu, ob im Falle der Klägerin nach dem Konzept ein Zuschlag bei der ermittelten Referenzmiete zu machen wäre. Im Konzept werden insofern exemplarisch Personen genannt, die besondere Zugangsprobleme zum Wohnungsmarkt haben. Ob dies im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin bei ihr der Fall ist, wäre weiter aufzuklären.
Unabhängig vom ursprünglichen Konzept zur Ermittlung der Mietobergrenze ist im Anschluss auch die Fortschreibung des Konzepts durch den Beklagten zu überprüfen, da streitgegenständlich die zum 01.01.2015 fortgeschriebenen Werte sind. Sollte sich nach den weiteren Ermittlungen ergeben, dass das Konzept nicht schlüssig ist, ist zu prüfen, ob anhand der vorhandenen Daten noch ein schlüssiges Konzept erstellt werden könnte. Wäre dies nicht möglich, so würde für die Bestimmung der angemessenen Referenzmiete auf die Tabellenwerte des § 12 Wohngeldgesetzes (WoGG) zzgl eines „Sicherheitszuschlags“ nach generell-abstrakten Kriterien im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze erforderlich sein (ständige Rspr des BSG, vgl nur Urteil vom 16.06.2015 – B 4 AS 44/14 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 85). Dabei wäre zu prüfen, ob im vorliegenden Fall ein mit 10% bemessener Sicherheitszuschlag ausreichend wäre. Der Stadt A-Stadt ist die Mietstufe I zugeordnet, so dass sich ein Tabellenwert nach § 12 Abs. 1 WoGG (in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung) für einen Ein-Personen-Haushalt von 292 € ergeben würde. Bei einem Sicherheitszuschlag von nur 10% läge die angemessene Referenzmiete mit 321,20 € unter dem Wert des Konzeptes des Beklagten. Es wäre daher ein höherer Sicherheitszuschlag zu erwägen.
Unabhängig von der zu ermittelnden abstrakt angemessenen Miete wäre weiter aufzuklären, ob es der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich möglich gewesen wäre, eine angemessene Wohnung anzumieten. Dies hat das SG ohne weitere Begründung bejaht. Auch hier hätten sich aber weitergehende Ermittlungen aufgedrängt, die das SG unterlassen hat.
Soweit die Aufwendungen eines Leistungsberechtigten für die Unterkunft (Nettokaltmiete plus Betriebskosten) die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft übersteigen, sind die Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Zwar ist vorliegend bereits die Sechs-Monats-Frist abgelaufen, unklar bleibt aber, ob eine Möglichkeit für die Klägerin bestanden hat, ihre Unterkunftskosten abzusenken. Die Klägerin hat im Verwaltungsverfahren angegeben, eine Untervermietung sei mangels Zustimmung ihres Vermieters nicht möglich. Dies wurde vom Beklagten auch nicht bestritten. Fraglich ist aber, ob die Klägerin tatsächlich auf eine andere angemessene Wohnung verwiesen werden kann. Zwar könnte unter Umständen bei Vorliegen eines schlüssigen Konzepts davon ausgegangen werden, dass ausreichend Wohnungen zu dem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im Vergleichsraum angemietet werden können (vgl dazu BSG, Urteil vom 22.08.2012 – B 14 AS 13/12 R; Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R). Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden (vgl BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 32/09), was insbesondere im Hinblick auf die von der Klägerin vorgelegten Nachweise und Darlegungen im Einzelnen zu prüfen wäre. Hierzu hätte sich das SG mit den vom Beklagten vorgelegten Mietangeboten einerseits und den Ausführungen der Klägerin andererseits auseinandersetzen müssen. Hinsichtlich der Liste des Beklagten wäre zunächst zu prüfen, welche der Wohnungen überhaupt innerhalb des Vergleichsraums, auf den die Klägerin verwiesen werden kann, liegen. In Konsequenz zu den Ausführungen zur Festlegung des Vergleichsraumes kann die Klägerin in der Regel nur auf konkrete Wohnungen innerhalb des maßgeblichen Vergleichsraums verwiesen werden (siehe dazu auch: BSG, Urteil vom 06.05.2010 – B 14 AS 7/09 R; Urteil vom 01.06.2010 – B 4 AS 60/09 R). Würde man auf die Region A abstellen, würden beispielsweise Wohnungen in R. nicht zum Vergleichsraum zählen. Gegebenenfalls wäre zu prüfen und zu ermitteln, ob der Klägerin ein Umzug auch in einen anderen Vergleichsraum zuzumuten wäre (offen gelassen in BSG, Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R – BSGE 102, 263). Ferner wäre zunächst zu überlegen, welche Art von Wohnungen der Klägerin zumutbar wäre. Zwar wird nicht alleine auf Wohnungen mit einer Wohnfläche von genau 50 m² (oder größer) abzustellen sein, wie sie für die Ermittlung der abstrakt angemessenen Miete zugrunde gelegt wird. Allerdings könnte fraglich sein, ob sich die Klägerin auf Wohnungen mit lediglich 30 m² oder weniger verweisen lassen muss. Dies wäre ein um 40% geringerer Wohnraum als bei der Bestimmung der abstrakten Angemessenheit. Schließlich wären auch die Bemühungen der Klägerin genauer zu ermitteln. Bereits nach dem Vortrag der Klägerin im Verwaltungsverfahren hat sie dort Unterlagen aus ihrem Besitz vorlegen wollen. Dies hat sie dann im Berufungsverfahren getan. Hier hätte das SG die Klägerin zur Vorlage der Unterlagen auffordern müssen. Insofern hätte überprüft werden können, ob sich die Klägerin um die vom Beklagten benannten Wohnungen tatsächlich erfolglos bemüht hat. Allerdings wäre zu beachten, dass der Beklagte darauf hingewiesen hat, die Klägerin müsse bereits vor einer Wohnungsbesichtigung beim Vermieter in Erfahrung bringen, wie sich ungenau aufgeschlüsselte Nebenkostenabschläge in den Anzeigen aufteilen würden. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass Vermieter dazu nicht bereit sind, wenn andere Interessenten dies nicht verlangen. Auch hat der Beklagte die Übernahme von Kosten für die Einschaltung eines Maklers abgelehnt.
Schließlich wird zu prüfen sein – sofern sich die vom Beklagten zugrunde gelegten Mietobergrenzen als unzureichend darstellen sollten -, ob und inwieweit die Klägerin durch die Informationen und Hinweise des Beklagten gehindert gewesen sein könnte, eine günstigere Wohnung anzumieten. Allerdings führt die objektive fehlerhafte Angabe zur Höhe der Referenzmiete nur dann zur subjektiven Unmöglichkeit der Kostensenkung mit einem Ausnahmefall, wenn dadurch die Klägerin in ihrer Suche auf Grund der unzutreffenden Angabe in wesentlichem Umfang beschränkt gewesen ist (vgl dazu BSG, Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R – BSGE 102, 263).
Aufgrund des dargestellten Verfahrensfehlers war das Urteil des SG aufzuheben und der Rechtsstreit an das SG zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen, da wegen des Verfahrensfehlers auch im Hinblick auf obige Ausführungen eine umfangreiche und aufwändige Beweiserhebung notwendig ist (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Im Einzelnen wird das SG jedenfalls zu den aufgezeigten Problemen weitere Ermittlungen anstellen müssen.
Bei einer Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG hat der Senat sein Ermessen dahingehend auszuüben, ob er die Sache selbst entscheiden oder zurückverweisen will. Die Zurückverweisung soll die Ausnahme sein (Keller aaO § 159 Rn 5a). In Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten an der Sachentscheidung sowie den Grundsätzen der Prozessökonomie hält es der Senat vorliegend für angezeigt, den Rechtsstreit insoweit an das SG zurückzuverweisen. Dies hat die Klägerin insoweit auch beantragt.
Das SG wird im Rahmen der erneuten Entscheidung über die Kosten zu befinden haben.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.