Aktenzeichen 481 C 26682/15 WEG
WEG § 10 Abs. 6 S. 3, § 14 Nr. 1, § 15 Abs. 3, § 22 Abs. 1 S. 1
GO § 9
Leitsatz
Tenor
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, das auf der an die Wohnung Nr. 29 laut Aufteilungsplan, … angrenzenden Dachterrasse vorhandene Anlehngewächshaus einschließlich etwaiger Befestigungsvorrichtungen zu beseitigen sowie den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.
2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin, zu Händen der Verwalterin, € 492,54 zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 17.10.2015 zu zahlen.
3. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist in Ziffer 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,00 €, im Übrigen in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht München ist nach § 23 Nr. 2 c GVG und §§ 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG örtlich und sachlich zuständig.
Rechtlich nicht relevant ist, ob die Bezeichnung „Glashaus“ durch die Klägerin für das von den Beklagten so bezeichnete Anlehngewächshaus korrekt ist. Für die Bestimmtheit der Klage im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und damit deren Zulässigkeit ist die Bezeichnung ausreichend, da allen Parteien und auch dem Gericht zweifelsfrei klar war, wogegen der Beseitigungsanspruch gerichtet wurde. Das Gericht hat sich im Urteil einheitlich der Bezeichnung der Beklagten als „Anlehngewächshaus“ angeschlossen.
II.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Beseitigung des Anlehngewächshauses nach § 1004 BGB i.V.m. §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG.
Die Aktivlegitimation der Klägerin gem. § 10 Abs. 6 S. 3 Alt. 1 WEG ergibt sich aus dem Ansichziehungs- und Vergemeinschaftungsbeschluss vom 23.09.2015 unter TOP 13 („gekorene Ausübungsbefugnis“, vgl. etwa BGH, Urteil vom 05.12.2014 – V ZR 5/14, BGHZ 203, 327).
Bei der Errichtung des Anlehngewächshauses auf der zur Sondereigentumseinheit der Beklagten gehörenden Dachterrasse handelt es sich um eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums, für das gem. §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer erforderlich gewesen wäre. Bauliche Veränderung ist jede Umgestaltung des Gemeinschaftseigentums, die vom Aufteilungsplan oder früheren Zustand des Gebäudes nach Fertigstellung abweicht und über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgeht (st. Rspr., Nachweise bei Merle, in: Bärmann, WEG, 13. Auflage 2015, § 14, Rn. 10). Eine Beeinträchtigung im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG ergibt sich bereits aus der damit einhergehenden Veränderung des optischen Erscheinungsbildes des Gemeinschaftseigentums; ein Substanzeingriff in das Gemeinschaftseigentum, etwa durch Befestigungsvorrichtungen, ist für das Vorliegen einer baulichen Veränderung nicht Voraussetzung, so dass die Frage, ob Befestigungsvorrichtungen hier angebracht wurden, offen bleiben kann (vgl. Suilmann, in: Bärmann, WEG, 13. Auflage 2015, § 14, Rn. 10; Merle, ebd., § 22, Rn. 191 m.w.N.; AG Oberhausen v. 10.05.2011 – 34 C 130/10, ZMR 2012, 62–63). Angesichts der Tatsache, dass das Anlehngewächshaus der Beklagten von außen deutlich sichtbar ist, wie die Lichtbilder (Anlage K2) zeigen, liegt schon deshalb eine deutliche Veränderung des optischen Erscheinungsbildes des Gemeinschaftseigentums vor. Der Einwand, dass auch in anderen Bereichen des Gemeinschaftseigentums bauliche Veränderungen von anderen Wohnungseigentümern vorgenommen worden seien, hat nicht zur Folge, dass die Qualifizierung der Errichtung des Anlehngewächshauses durch die Beklagten als bauliche Veränderung entfiele. Daher wäre vorliegend nach § 22 Abs. 1 S. 1 WEG die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer, deren Rechte davon beeinträchtigt sein können, erforderlich gewesen. Unstreitig liegt eine solche Zustimmung nicht vor. Insbesondere wurde hier auch nicht vorab die Zustimmung der Verwalterin eingeholt, was nach § 9 lit. 1 a. der GO ausreichend gewesen wäre. Die Beklagten können daher auf Beseitigung nach § 1004 BGB i.V.m. §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG in Anspruch genommen werden. Selbst unzulässige bauliche Veränderungen in anderen Bereichen des Gemeinschaftseigentums führen nicht dazu, dass die bauliche Veränderung der Beklagten entgegen §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG ohne Zustimmung anderer Wohnungseigentümer zulässig wäre. Ein unrechtmäßiger Zustand begründet – wie auch im Bereich des Verfassungsrechts – keinen Anspruch auf Gleichbehandlung.
Im Ergebnis sind die Beklagten daher gegenüber der Klägerin gemäß § 1004 BGB i.V.m. §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG verpflichtet, das Anlehngewächshaus von der zu ihrer Sondereigentumseinheit gehörenden Dachterrasse zu entfernen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gemäß § 709 ZPO.