Aktenzeichen 422 C 6013/16
Leitsatz
1. Es stellt keine arglistige Täuschung des Mietinteressenten durch Unterlassen dar, wenn er den Vermieter vor Vertragsabschluss nicht darauf hinweist, dass die vereinbarte Miete aufgrund der §§ 556d ff. BGB in Verbindung mit der Mietpreisbremseverordnung überhöht ist. Eine solche Verpflichtung des Mietintessenten besteht nicht, da sie dazu führen würde, dass die „Mietpreisbremse“ völlig leerläuft. (redaktioneller Leitsatz)
2. Da keine vorvertragliche Verpflichtung des Mietinteressenten besteht, den Vermieter auf einen Verstoß gegen die „Mietpreisbremse“ hinzuweisen, liegen die Voraussetzungen für eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung des Mietvertrages nicht vor. (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Mieter kann sich auch dann noch auf die Vorschriften der §§ 556d ff. BGB berufen, wenn seit Abschluss des Mietvertrages eine längere Zeit verstrichen ist (hier: ca. 7 Wochen). Es kommt nicht darauf an, wie lange der neue Mietvertrag bereits vorlag; es gibt keine Frist, innerhalb der ein Mieter auf eine mögliche Wirkung der „Mietpreisbremse“ hinweisen muss. (redaktioneller Leitsatz)
4. Die §§ 556d ff. BGB finden auch dann Anwendung, wenn der Mietinteressent bereits als Untermieter in der Wohnung wohnte. Die genannten Vorschriften unterscheiden auch nicht danach, ob der Mietvertrag mit oder ohne weitere explizite Verhandlungsmöglichkeiten hinsichtlich der Mietzinshöhe zustande kam. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.
4. Der Streitwert wird auf 15.900,00 € festgesetzt.
Gründe
A) Die zum gem. §§ 29 a Abs. 1 ZPO, 23 Nr. 2 a GVG örtlich und sachlich zuständigen Amtsgericht München erhobene Klage ist zulässig jedoch unbegründet.
Es besteht weder ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung noch ein Anspruch auf Zahlung ausstehender Nutzungsentschädigungen oder Mietzinses.
I.
1. Der zwischen den Parteien am 30.10.2015 geschlossene Mietvertrag ist nicht gem. § 142 BGB nichtig, sondern begründet auch weiterhin einen wirksamen Anspruch der Beklagten gem. § 535 Abs. 1 BGB gegenüber der Klägerin auf Gebrauchsüberlassung der streitgegenständlichen Wohnung.
Soweit die Klägerin meint aufgrund einer arglistigen Täuschung ein Anfechtungsrecht zu besitzen, kann das Gericht dem nicht folgen.
Grundsätzlich käme hier nur eine Täuschung durch Unterlassen in Betracht. Das Verschweigen von Tatsachen stellt jedoch nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen eine Aufklärungspflicht bestand. Die Rechtsgrundlage dieser Verpflichtung ist § 242 BGB. Entscheidend ist somit, ob der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehranschauung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte (vgl. Palandt 74. Auflage 2015, Kommentar zum BGB, § 123 Ellenberger Rdn. 5).
Das Gericht ist davon überzeugt, dass keine Verpflichtung der Beklagten bestand, darauf hinzuweisen, dass die vereinbarte Miete aufgrund der §§ 556 d ff in Verbindung mit der Mietpreisbremseverordnung überhöht war.
Eine solche Verpflichtung würde aus Sicht des Gerichts dazu führen, dass die „Mietpreisbremse“ völlig leerläuft. Sinn und Zweck der Mietpreisbremse ist es in Gegenden mit angespanntem Mietmarkt ein weiteres Explodieren der Mietpreise zu verhindern. Gerade Mieter, die schon vor Vertragsabschluss den Vermieter auf etwaige überhöhte Mieten hinweisen und damit deutlich machen, nicht gewillt zu sein den gewünschten Mietpreis mitzutragen, dürften mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bereits vorausscheiden.
2. Unabhängig davon sieht es das Gericht auch nicht als erwiesen an, dass die Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses tatsächlich Kenntnis von einem möglichen Verstoß gegen die „Mietpreisbremse“ hatten. Hierfür ist die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet, vgl. Palandt § 123 Rdn. 30. Die Klägerin führt zwar aus, dass eine nachträgliche Überprüfung eines Mietvertrages aus keinem anderen Grund Sinn machen würde, denn alle anderen übrigen bereits vereinbarten Konditionen könnten im Nachgang eh nicht mehr verändert werden. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die Beklagten zu einem späteren Zeitpunkt – also nach Mietvertragsschluss – von diesen rechtlichen Neuerungen erfahren haben und sich aus diesem Grund anwaltlich beraten ließen. Im Übrigen ist die Klägerin hierfür somit beweisfällig geblieben.
3. Das Mietverhältnis wurde auch nicht wirksam gekündigt.
Unabhängig davon, ob hier die formelle Voraussetzungen einer wirksamen Kündigung eingehalten sind, mangelt es bereits an der Geltendmachung eines berechtigtes Interesse i. S. d. § 573 Abs. 1 BGB. Das Gericht sieht auch keinen wichtigen Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 BGB.
4. Es besteht auch kein Anspruch auf Rückgängigmachung des Vertrages aus §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 i. V. m. § 249 BGB.
Grundsätzlich schließt die Möglichkeit eines Anfechtungsrechts eine Haftung aus c.i.c. nicht aus (Palandt Grüneberg § 311 Rdn 13 sowie Rdn. 40)
Es bestand jedoch auch hier keine vorvertragliche Verpflichtung der Beklagten die Klägerin auf eine Verstoß gegen die „Mietpreisbremse“ hinzuweisen (vgl. oben).
4. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus den §§ 823 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB und 826 BGB
II.
Der Zahlungsanspruch in Höhe von 300,00 Euro ist ebenfalls zurückzuweisen.
a) Gem. § 556 g BGB ist die im Mietvertrag vom 30.10.2015 bei Mietbeginn vereinbarte Miete unwirksam, soweit sie die nach § 556 d BGB und § 556 e BGB zulässige Miete überschreitet.
Gem. § 556 e Abs. 1 BGB ist die Miete, die der Mieter zuletzt schuldete (Vormiete), höher als die nach § 556 d Abs. 1 BGB zulässige Miete, so darf eine Miete bis zur Höhe der Vormiete vereinbart werden.
Mit Mietvertrag vom 30.10.2015 wurde eine Bruttokaltmiete von € 1.150,00 (zzgl. 150,00 € Betriebskostenpauschale) vereinbart. Der vorhergehende Mietvertrag enthielt als Vormiete € 1.000,00 (zzgl. 110,00 € Betriebskostenpauschale)
Die gem. § 556 d Abs. 1 BGB mögliche Miete liegt bei € 909,99, weshalb vorliegend nach § 556 e Abs. 1 BGB von der Vormiete auszugehen ist. Maßgeblich ist somit die Vormiete von 1.000,00 €.
Die Beklagten bezahlten in den Monaten Februar und März 2016 1.000 zzgl. 150,00 €. Gem. § 556 g Abs. 1 BGB i. V. m. dem Mietvertrag vom 30.10.2015 besteht kein weitergehender Anspruch.
b) Die Vorschriften der 556 d ff BGB sind vorliegend auch anwendbar.
Die Mietpreisbremseverordnung (§ 556 d Abs. 2 BGB) wurde am 14. Juli 2015 erlassen und ist seit dem 01.08.2015 in Bayern wirksam, in Anlage 3 findet sich auch … als betroffenes Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt.
Bei dem streitgegenständlichen Mietverhältnis handelt es sich auch um ein Wohnraummietverhältnis.
Den Beklagten konnten sich auch auf die Vorschriften der §§ 556 d ff BGB noch berufen. Es kommt nicht darauf an, wie lange der neue Mietvertrag bereits vorlag, es gibt keine Frist, innerhalb der ein Mieter auf eine mögliche Wirkung der „Mietpreisbremse“ hinweisen muss.
Auch die Tatsache, dass die Beklagte zu 1) bereits Untermieterin in der streitgegenständlichen Wohnung war, ändert daran nichts. Zum einen wurde der Mietvertrag auch mit der Beklagten zu 2) abgeschlossen, die allenfalls über die Beklagte zu 1) hinter die Informationen kam und somit auf jeden Fall schutzwürdig war. Zum anderen handelte es sich nur um ein Untermietverhältnis mit der Hauptmieterin …. Die Klägerin kann lediglich vermuten, dass die vormalige Hauptmieterin … die notwendigen Informationen an die Beklagte zu 1) übermittelte.
Aus Sicht des Gerichts kommt es aber auch gar nicht darauf an, ob die Beklagten einen Wissensvorsprung hatten oder nicht, denn Zielrichtung der Mietpreisbremse ist die Begrenzung der Wiedervermietungsmiete. § 556 g Abs. 3 BGB stellt lediglich eine Möglichkeit der Informationsbeschaffung dar. Ein Mieter, der die Information schon vorher hatte und nicht erst nach Abschluss des Mietvertrages sich „erkämpft“, kann nicht schlechter stehen.
Unabhängig davon stellt § 556 d BGB auch nur darauf ab, ob ein Mietvertrag über Wohnraum abgeschlossen wird. Es finden sich keine Ausnahmen in den betreffenden Vorschriften, dass diese nicht gelten sollten, wenn die Mieterin bereits als Untermieterin in der Wohnung wohnte.
Die Vorschriften der §§ 556 d ff BGB unterscheiden auch nicht danach, ob der Mietvertrag mit oder ohne weitere explizite Verhandlungsmöglichkeiten hinsichtlich der Mietzinshöhe zustande kam.
Es ist auch nicht treuwidrig sich auf einen Verstoß gegen die Mietpreisbremse zu berufen. Bei den Vorschriften der Mietpreisbremse handelt es sich um gesetzlich normierte Rechte.
Sofern die Klägerin der Ansicht ist, dass es ja „nicht angehen könnte“, dass nur weil hier ein neuer Mietvertrag geschlossen wurde, die niedrigere Miete gelten würde, die Beklagten aber bei der Übernahme des alten Mietvertrages ab August 2016 mit der neuen Staffelmieterhöhung eine Miete von 1.240,00 € bezahlt hätten müssen, ändert auch dieser Einwand nichts an der Anwendbarkeit der Mietpreisbremse. Durch den neuen Mietvertrag wurde offensichtlich versucht bereits ab Dezember 2015 eine höhere Miete zu erzielen, was jedoch aufgrund der nunmehr anzuwendenden Vorschriften scheiterte.
III.
Es besteht kein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
B) Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
C) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckung begründet sich auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
D) Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 41 Abs. 1 Satz 2 GKG, § 3 ZPO.
Hinsichtlich der Klage auf Räumung und Herausgabe war der Jahresbetrag der Miete, wobei die Nebenkostenpauschale zu addieren ist, weil keine gesonderte Abrechnung vereinbart ist.
Hinzuzurechnen war der Zahlungsantrag in Höhe von 300,00 Euro.