Aktenzeichen 7 C 1352/18
BGB § 546, § 574, § 577a, § 573 Abs. 2 Nr. 2
BGB aF § 564 b
Leitsatz
1. § 577a BGB ist auch dann anwendbar, wenn die Teilung des Grundstücks vor Inkrafttreten dieser Norm erfolgt ist, die Veräußerung aber erst zu einem Zeitpunkt nach Inkrafttreten von § 577a BGB erfolgt.(Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Veräußerung iSv § 577a BGB erfordert eine rechtsgeschäftliche Übertragung des Eigentums, hierfür genügt eine Umfirmierung nicht. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 7.407,96 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet, da dem Kläger der geltend gemachte Räumungs- und Herausgabeanspruch nicht zusteht.
I. Der Kläger kann von den Beklagten nicht die Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gemäß § 546 BGB beanspruchen, da die ausgesprochene Kündigung vom 01.02.2018 gemäß § 577 a I, II BGB unzulässig ist und das Mietverhältnis nicht beendet hat. Der Kläger stützt seine Kündigung auf ein berechtigtes Interesse gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, da er vorträgt, dass er die streitgegenständliche Wohnung für sich und seine Familie benötigt. Die Kündigung ist jedoch unzulässig, da im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die Sperrfrist i.S.v. § 577 a I, II BGB noch nicht abgelaufen war.
1. Die Vorschrift des § 577a BGB ist auf das streitgegenständliche Mietverhältnis anzuwenden. Zutreffend weist die Klageseite zwar darauf hin dass die Regelung des § 577 a BGB erst ab dem 01.05.2003 in Kraft getretenen, die Teilung des Grundstücks jedoch bereits am 09.01.1998 erfolgt ist. Dies steht der Anwendbarkeit des § 577 a BGB auf das vorliegende Mietverhältnis jedoch nicht entgegen. § 577 a BGB sieht keine Übergangsvorschriften vor, so dass die Vorschrift auf das streitgegenständliche Mietverhältnis anwendbar ist. Zudem ist § 577 a BGB der Vorgängervorschrift des § 564 b Abs. 2 Nr. 2 Sätze 2-4, Abs. 2 Nr. 3 Sätze 3 und 4 BGB ab. a.F. nachgebildet. Durch das Gesetz über eine Sozialklausel in Gebieten mit gefährdeter Wohnungsversorgung, veröffentl. als Art. 14 Investitionserleichterungs- und WohnbaulandG v. 22.4.1993 (BGBl. I S. 466) wurden die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnungen Gebiete zu bestimmen, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder in einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und die Sperrfrist für die Kündigung bis zu 10 Jahre zu verlängern. Hiervon hat Bayern bereits durch die Verordnung vom 17.07.1995 (GVBl. S. 399) Gebrauch gemacht. Da im vorliegenden Fall die Umwandlung in Wohnungseigentum erst im Jahr 1998 erfolgte und der Eigentumserwerb durch den Kläger im Jahr 2011 bzw. die Übertragung des Eigentums an der streitgegenständlichen Wohnung auf die … R. E. GmbH & Co. KG im Rahmen des Ausgliederungs- und Übernahmevertrags im Jahr 2008 erfolgte, liegt keine unzulässige Rückwirkung der Vorschrift des § 577 a BGB vor.
2. Da es sich bei der streitgegenständlichen Wohnung um in Wohnungseigentum umgewandelten Wohnraum handelt, welcher zum Umwandlungszeitpunkt bereits an die Beklagten vermietet war und der Kläger nach Umwandlung der Wohnung in Wohnungseigentum dieses als Ersterwerber erworben hat, war der Kläger am 01.02.2018 nicht berechtigt, die Eigenbedarfskündigung auszusprechen, da zu diesem Zeitpunkt die 10-jährige Sperrfrist gemäß § 577 a I, II BGB i.V.m. § 1 Mieterschutzverordnung Bayern noch nicht abgelaufen war.
a) Unstreitig haben die Beklagten die streitgegenständliche Wohnung bereits durch Vertrag vom 21.6.1971 angemietet. Im Jahr 1998 wurde das Anwesen, in dem sich die streitgegenständliche Wohnung befindet in Wohnungseigentum umgewandelt.
b) Gemäß § 1 der Mieterschutzverordnung Bayern beträgt die Sperrfrist für die in der Anlage 1 der Verordnung aufgeführten Gebiete 10 Jahre. Unter Ziffer 1.9.3. Ist die Stadt G. in der Anlage 1 der Mieterschutzverordnung aufgeführt.
c) Nach Ansicht des Gerichts ist der Erwerb der streitgegenständlichen Wohnung durch den Kläger erstmals als „Veräußerung“ i.S.v. § 577 a BGB zu qualifizieren.
Soweit die Firma … GmbH mit Eintragung im Grundbuch am 12.09.2005 in die Firma … GmbH umgewandelt wurde, kann hierin kein Veräußerungsakt hinsichtlich des Eigentums an der streitgegenständlichen Wohnung gesehen werden. Die Firma … GmbH hat lediglich ihren Namen geändert. Das Grundbuch wurde insoweit lediglich aufgrund der Umfirmierung berichtigt. Eine rechtsgeschäftliche Veräußerung ist hierdurch nicht erfolgt.
Inwieweit die Durchführung des Ausgliederungs- und Übernahmevertrags vom 02.11.2007 zwischen der Firma … GmbH und der … R. E. GmbH & Co KG und die damit verbundene Übertragung des Grundbesitzes – auch an der streitgegenständlichen Wohnung – von der Firma… GmbH auf die … R. E. GmbH & Co KG als rechtsgeschäftliche Veräußerung i.S.v. § 577 a BGB zu qualifizieren ist, kann für das vorliegende Verfahren dahinstehen. Insbesondere ist nach der Rechtsprechung des BGH davon auszugehen, dass die Kündigungssperrfrist des § 577 a BGB nur in solchen Fällen gilt, in denen durch die Veräußerung eine zuvor nicht bestehende Eigenbedarfssituation entsteht (Schmidt-Futterer Mietrecht, BGB § 577 a Rn. 12, 13). Der Lauf der Kündigungssperrfrist nach Umwandlung der Mietwohnung in eine Eigentumswohnung beginnt nach dem Zweck des Gesetzes damit erst mit der Veräußerung an einen Erwerber, der in Hinsicht auf die vermietete Wohnung Eigenbedarf geltend machen könnte (vgl. AG München WuM 1993, 740). Da weder die Firma… GmbH noch die … R. E. GmbH & Co KG berechtigt gewesen wäre, eine Eigenbedarfskündigung auszusprechen, wurde erst durch die Veräußerung der streitgegenständlichen Wohnung an den Kläger die Möglichkeit geschaffen, eine Kündigung gemäß § 573 I, II Ziffer 2 BGB auszusprechen, so dass nach Ansicht des Gerichts die Kündigungssperrfrist des § 577a I, II BGB erst mit dem Erwerb durch den Kläger zu laufen begann und im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch nicht verstrichen war.
d) Selbst falls jedoch die Übertragung des Eigentums an der streitgegenständlichen Wohnung auf die Firma … R. E. GmbH & Co KG als Veräußerung i.S.v. § 577 a BGB zu qualifizieren wäre, wäre die Sperrfrist bei Ausspruch der streitgegentändlichen Kündigung durch den Kläger noch nicht abgelaufen gewesen und würde der Wirksamkeit der Kündigung entgegen stehen. Zwar wurde der notarielle Ausgliederungs- und Übernahmevertrag bereits am 02.11.2007 geschlossen. Die Frist des § 577 a I BGB beginnt jedoch erst mit der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch. Maßgeblich ist insoweit die Vollendung des ersten Eigentumserwerbs (§§ 873, 925 BGB). Auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags kommt es nicht an (Schmidt-Futterer/Blank, 13. Aufl. 2017, BGB § 577a Rn. 15.). Nach dem eigenen Vortrag der Klageseite wurde die … R. E. GmbH & Co KG als neue Eigentümerin der streitgegenständlichen Wohnung erst am 14.05.2008 eingetragen. Dies ergibt sich insbesondere auch aus dem als Anlage K 3 vorgelegten Grundbuchauszug. Aufgrund dessen endete die 10-jährige Sperrfrist – soweit man die Eintragung der … R. E. GmbH & Co KG im Rahmen des Ausgliederungs- und Übernahmevertrags als Veräußerung i.S.v. § 577a BGB qualifiziert – erst mit Ablauf des 13.05.2018. Die Kündigung wurde jedoch bereits am 01.02.2018 ausgesprochen.
Die Klageseite selbst weist zutreffend darauf hin, dass der Zweiterwerber in die noch laufende Frist eintritt. Soweit die Klageseite der Ansicht ist, dass die Frist, die durch die Eintragung des Ersterwerbers in Lauf gesetzt wurde, zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kläger das Eigentum an der streitgegenständlichen Wohnung erworben hat, bereits abgelaufen war, ist dies jedoch unzutreffend. Die Sperrfrist i.S.v. § 577 a BGB beginnt mit der Eintragung der … R. E. GmbH & Co KG im Grundbuch, mithin am 14.05.2008, soweit entsprechende der klägerischen Ansicht insoweit von einer Veräußerung i.S.v. § 577 a BGB auszugehen ist. Der Kläger wurde jedoch unstreitig am 07.02.2012 im Grundbuch als neuer Eigentümer eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt war die 10-jährige Sperrfrist des § 577 a BGB noch nicht abgelaufen.
Da das Kündigungsrecht des Vermieters für die Wartezeit des § 577 a BGB ausgeschlossen ist, kann die Kündigung erst nach Fristablauf wirksam ausgesprochen und mit dem Ablauf der jeweiligen Kündigungsfrist des § 573 c BGB wirksam werden. Eine vorherige Kündigung zum Ende der Wartezeit ist nicht zulässig. Auch insoweit ist die Rechtslage bei dem gesetzlichen Kündigungsausschluss keine andere als in den Fällen, in denen ein vertraglicher Kündigungsausschluss vereinbart worden ist. Es entspricht dem Sinn und Zweck beider Kündigungssperren, dass der Mieter nicht nur in den Genuss der Sperrfrist, sondern auch in den Genuss der gestaffelten Kündigungsfrist kommen soll. Eine vor Ablauf der Sperrfrist erklärte Kündigung kann aus Gründen der Rechtsklarheit auch nicht als Kündigung zum nächst zulässigen Termin behandelt werden; vielmehr ist eine solche Kündigung unwirksam (Schmidt-Futterer/Blank. 13. Aufl. 2017, BGB § 577a Rn. 17). Aufgrund dessen ist die streitgegenständliche Kündigung vom 01.02.2008 auch dann unwirksam, wenn ein Ersterwerb der Firma … R. E. GmbH & Co KG i.S.v. § 577 a BGB bejaht werden würde.
II. Kosten: § 91 ZPO
III. Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Ziffer 11, 73 ZPO.