Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Einstweilige Verfügung gegen Durchführung einer Eigentümerversammlung

Aktenzeichen  36 T 6636/17

Datum:
5.5.2017
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 935, § 940
WEG WEG § 24 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 5

 

Leitsatz

1 Lädt eine hierzu nicht befugte Partei zu einer Eigentümerversammlung, kann dies einen auf Unterlassung der Durchführung der Eigentümerversammlung gerichteten Verfügungsanspruch begründen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Verfügungsgrund kann mit Blick auf die angekündigten Beschlussgegenstände gegeben sein, wenn den Antragstellern die vorläufige Vollziehbarkeit etwaig hierzu gefasster Beschlüsse – auch im Hinblick auf ihre Dringlichkeit – nicht zuzumuten ist. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3 Das Rechtschutzbedürfnis für die auf Unterlassung der Eigentümerversammlung gerichtete einstweilige Verfügung fehlt nicht deshalb, weil die auf der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse ohne Weiteres nichtig wären. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

483 C 8625/17 EVWEG 2017-05-04 Bes AGMUENCHEN AG München

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Amtsgerichts München vom 04.05.2017 aufgehoben.
II. Der Antragsgegnerin wird verboten, am Montag, … eine Eigentümerversammlung der „WEG …“ abzuhalten.
III. Der Antragsgegnerin wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziff. I ausgesprochene Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,– Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt werden kann.
IV. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens, einschließlich des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
V. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässige Beschwerde der Antragsteller hat Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft, nachdem das Amtsgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung durch Beschluss abgelehnt hat (Seiler, in Thomas/Putzo, ZPO, 33. Auflage, §§ 922, RZ 7). Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt.
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
Die Entscheidung beruht auf den §§ 935 ff ZPO, 241, III, V WEG.
a) Es ist ein Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht.
Die Antragsteller haben glaubhaft gemacht, werdende Wohnungseigentümer in der WEG … zu sein, zu deren Eigentümerversammlung am Montag, den 08.05.2017 die Antragsgegnerin eingeladen hat.
Sie haben weiter glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin hierzu nicht befugt war, insbesondere nicht die derzeit bestellte Hausverwaltung ist. Sie haben glaubhaft gemacht, dass vielmehr die … GmbH bestellte Verwalterin gemäß Teilungserklärung und damit gem. § 24 I WEG zu Einberufung von Eigentümerversammlungen befugt ist. Sie haben insoweit weiterhin glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin auch nicht gem. § 24 V WEG befugt ist, die Versammlung abzuhalten und die Versammlung zu führen.
Die als Anlage AS 4 vorgelegte Einladung zur Eigentümerversammlung kann auch nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Antragsgegnerin insoweit im Namen der bestellten Verwalterin eingeladen hat. Insoweit ist der Text des Einlagungsschreibens, wonach die Einladung durch die Antragsgegnerin als „Verwalter des Objekts“ die Einladung vornimmt unzweifelhaft dahingehend zu verstehen, dass hier kein Handeln in fremdem Namen vorliegt, sondern dass die Antragsgegnerin für sich in Anspruch nimmt, Verwalterin der WEG.
Die Antragsteller haben einen Anspruch auf ordnungsgemäße und gesetzesgemäße Verwaltung. Dazu gehört auch rechtlich einwandfreies Vorgehen bei der Herbeiführung einer Eigentümerversammlung und ihrer Leitung. Die Antragsteller haben auch einen Anspruch auf Unterbindung der Herbeiführung und Durchführung einer Eigentümerversammlung, die nicht im Einklang mit Gesetz und Recht steht. Sie müssen nicht sehenden Auges das Zustandekommen einer Eigentümerversammlung hinnehmen, die den rechtlichen Vorgaben nicht genügt.
b) Es besteht auch ein Verfügungsgrund. Die Antragsteller sind zur Wahrung ihres Rechtes auf ordnungsgemäße und gesetzesgemäße Verwaltung auf einstweiligen Rechtsschutz angewiesen.
Dem Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung steht im vorliegenden Fall nicht bereits das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Die von den Antragsstellern im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrten Anordnungen haben ihren Schwerpunkt in einem abwehrenden Charakter, bei der als Unterart der Leistungs- oder Befriedigungsverfügung das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache dem Erlass nicht grundsätzlich entgegen steht.
Hierbei ist es zwar so, dass nicht allein der Umstand, dass die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Titel im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist, schon den Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtfertigt. Es ist vielmehr eine Interessenabwägung vorzunehmen. Hierbei ist auch darauf abzustellen, ob dem Antragssteller nicht auch mit einer späteren Realisierung seines Rechts hinreichend gedient ist (vgl. LG München I, 36 T 14667/14; Roth, in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 13. Auflage, § 43, 78).
Das Beschwerdegericht hält es in der vorliegenden Konstellation nicht für angemessen, die Antragsteller auf die spätere Durchführung eines Anfechtungsverfahrens zu verweisen.
Gerade mit Blick auf die angekündigten Beschlussgegenstände erscheint es vorliegend geboten, bereits die Durchführung der Eigentümerversammlung durch die Antragsgegnerin zu untersagen und damit den Antragstellern nicht die vorläufige Vollziehbarkeit etwaig hierzu gefasster, jedoch anfechtbarer Beschlüsse zuzumuten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Wohnungseigentümer auch ein Interesse haben, zeitnah über die angekündigten Beschlussgegenstände zu entscheiden, insbesondere über den Wirtschaftsplan. Die Beschlüsse zu Jahresabrechnung, Geltendmachung von Nacherfüllungs- und Gewährleistungsansprüchen haben eminente Bedeutung für eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Zudem soll hier gerade der Antragsgegnerin eine Verwaltervollmacht nach § 14 Ziffer 14.6 der GO erteilt werden.
Ein Verfügungsgrund entfällt auch nicht unter Berücksichtigung des Selbstorganisationsrechts der Wohnungseigentümer deshalb, weil es möglicherweise zu einer Vollversammlung kommen könnte, so dass Ladungsmängel nicht durchgreifen würden. Gerade der hier gerügte Mangel der Ladung und letztlich auch angekündigten Durchführung einer Eigentümerversammlung durch eine unzuständige Person legt auch noch das Entstehen weiterer formeller Fehler (Verstoß gegen Vertretungsbeschränkungen gem. 13 Nr. 6 GO durch „Verwaltervollmachten“; Verstoß gegen die Nichtöffentlichkeit der Versammlung, etc.) nahe. Darüber hinaus darf hier nicht verkannt werden, dass formelle Fehler im Regelfall zur Aufhebung der hiermit behafteten Beschlüsse führen und die Antragsteller einen Anspruch auf ordnungsgemäße Durchführung der Eigentümerversammlung haben.
Es fehlt auch nicht bereits an einem Rechtschutzbedürfnis für die begehrte einstweilige Verfügung, weil die auf der angekündigten Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse ohne Weiteres nichtig wären. Soweit ein außenstehender Dritter zur Eigentümerversammlung lädt, würde dies nach einer Ansicht der Rechtsprechung nicht zur bloßen Anfechtbarkeit der Beschlüsse, sondern zu Nichtbeschlüssen führen, da schon keine Wohnungseigentümerversammlung vorliege. Nach anderer Ansicht führt dies nur zur Anfechtbarkeit der betroffenen Beschlüsse (zum Meinungsstand eingehen Merle in Bärmann, WEG, 13. Aufl., § 23 Rn. 181). Hier wird hinsichtlich der Fehlerfolgen teilweise nach den subjektiven Vorstellungen der Wohnungseigentümer unterschieden (vgl. Merle, a.a.O.). Vor dem Hintergrund, dass hier unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls im Rahmen eines möglichen Anfechtungsverfahrens gegebenenfalls von einer bloßen Anfechtbarkeit ausgegangen werden könnte, kann den Antragstellern ein Rechtschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden.
Die Antragsteller haben ihre Darlegungen gem. § 940 ZPO hinreichend glaubhaft gemacht. Im Hinblick auf den unmittelbar bevorstehenden Versammlungstermin konnte der Antragsgegnerin kein rechtliches Gehör vor der Entscheidung gewährt werden. Ihr obliegt es ihre Rechte im Widerspruchsverfahren zu wahren.
Nach alledem war die begehrte einstweilige Verfügung zu erlassen.
II.
1. Die Entscheidung über die Kosten in 1. und 2. Instanz beruht auf § 91 I ZPO.
2. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wurde in Übereinstimmung mit der Streitwertfestsetzung des Amtsgerichts auf € 2.500,00 festgesetzt.
3. Die Entscheidung erging gemäß § 568 I Satz 1 ZPO durch den Einzelrichter.

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