Aktenzeichen 1 S 8293/19 WEG
Leitsatz
1. Ein Ersatzanspruch gem. § 14 Nr. 4 WEG besteht grundsätzlich nur dann, wenn der betroffene Eigentümer gem. § 14 Nr. 4 WEG zur Duldung des Betretens und der Benutzung der in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteile verpflichtet ist. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein eigenmächtiges Handeln des Verwalters, das weder durch wirksamen Beschluss der Wohnungseigentümer noch durch wirksam getroffene Vereinbarung mit den Wohnungseigentümer oder durch das Gesetz legitimiert ist,kann dem Verband nicht zugerechnet werden. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
483 C 23714/18 2019-05-23 Urt AGMUENCHEN AG München
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 23.05.2019, Aktenzeichen 483 C 23714/18 WEG, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i.H. von 110 % des vollstreckbaren Betrages aus diesem Beschluss und dem in Ziffer 1 genannten Urteil des Amtsgerichts München abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H. von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 10.000,00 festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger ist Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Verwalterin bis 30.06.2018 die Streitverkündete war. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Beseitigung von Veränderungen, die nach seiner Behauptung an seinem Sondereigentum im Zuge von seitens der Streithelferin in Auftrag gegebenen Instandsetzungsarbeiten des Gemeinschaftseigentums vorgenommen wurden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich der in 1. Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts München vom 23.05.2019 Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.05.2019 abgewiesen. Wegen der Gründe wird auf die Urteilsgründe verwiesen.
Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt.
Er ist der Ansicht, die Beklagte sei gem. § 14 Nr. 4, 2. Halbsatz WEG dazu verpflichtet, den ursprünglich auf der Terrasse seiner Wohnung verlegten Plattenbelag, der sich von dem nunmehr darauf befindlichen Plattenbelag optisch unterscheide und höherwertig sei als dieser, wieder herzustellen. Einzige Voraussetzung des sich aus § 14 Nr. 4, 2. Halbsatz WEG ergebenden Aufopferungsanspruchs sei, dass die Benutzung des Sondereigentums zur Instandsetzung und Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich war, was vorliegend der Fall gewesen sei. Demgegenüber setze der Ersatzanspruch des § 14 Nr. 4, 2. Halbsatz WEG nicht voraus, dass der betroffene Eigentümer gem, § 14 Nr. 4, 1. Halbsatz WEG auch zur Duldung der instandsetzungsmaßnahme verpflichtet war. Denn es sei widersprüchlich, einem Eigentümer, der eine Maßnahme, die zur Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums objektiv erforderlich sei, überobligatorisch dulde, ohne hierzu verpflichtet zu sein, einen Ersatzanspruch gem. § 14 Nr. 4, 2. Halbsatz WEG zu versagen. Vielmehr sei in einem solchen Fall der Ersatzanspruch erst recht gegeben. Die gegenteilige Anssicht sei wenig praxisgerecht und würde im Ergebnis zu inakzeptablen Risiken des betroffenen Wohnungseigentümers bei der Anspruchsdurchsetzung führen. Sie korrespondiere auch nicht mit der von der Rechtsprechung anerkannten analogen Anwendung des § 14 Nr. 4 WEG bei Übertragung der Durchführungskompetenz und Kostentragung für Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum auf einen Sondereigentümer. Der Kläger trägt zudem vor, dass nach dem zum Zeitpunkt der Durchführung der streitgegenständlichen Maßnahmen bestehenden Verwaltervertrag der Verwalter berechtigt gewesen sei, Instandsetzungsmaßnahmen zu einem Betrag von € 5.000,00 zu beauftragen, ebenso Instandsetzungsmaßnahmen zu einem Betrag von € 25.000,00, sofern letztgenannte mit dem Verwaltungsbeirat abgestimmt wurden. Der Verwaltungsbeirat … wohne in der Erdgeschosswohnung des Gebäudes, in dem die Maßnahmen durchgeführt worden seien. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 18.06.2019 verwiesen.
Der Kläger beantragt:
1.Das Urteil des Amtsgerichs München vom 09.05.2019, Az: 483 C 23714/18, wird aufgeboben.
2.Die Beklagte wird verpflichtet, den grauen Granitbelag auf der nach Westen ausgerichteten Terrasse der Dachgeschosswohnung … in …, Wohnungsnummer: … nach Aufteilungsplan, Grundfläche der Terrasse ca. 36,35 m² zu entfernen.
3.Die Beklagte wird weiter verpflichtet, auf der vorgenannten Terrasse einen Belag in Naturstein, Südtiroler Porphyr rot, Oberflächenbeschaffenheit gespalten, Kanten gesägt, verlegt in Bahnen ungleicher Breite und in Platten ungleicher Länger ohne Aussparungen von Gitterrosten aufzubringen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie ist der Meinung, der Entschädigungsanspruch des § 14 Nr. 4, 2. Halbsatz WEG korrespondiere mit dem Duldungsanspruch aus § 14 Nr. 4, 1. Halbsatz WEG. § 14 Nr. 4, 2. Halbsatz WEG sei eine Ausnahmevorschrift und löse spiegelbildlich zur Duldungspflicht aus § 14 Nr. 4, 1. Halbsatz WEG betreffend Maßnahmen der Gemeinschaft einen entsprechenden Entschädigungsanspruch des Betroffenen aus. Die Vorschrift sei damit unanwendbar, wenn – wie das vorliegend erfolgt sei – die Vorverwalterin in doppelter Hinsicht rechtswidrig eigenmächtig sich an Instandsetzungsmaßnahmen versuche. Als zivilrechtlicher Aufopferungsanspruch setze der Entschädigungsanspruch des § 14 Nr. 4, 2. Halbsatz WEG rechtmäßiges Tun voraus. Der Kläger müsse sich wegen des von ihm geltend gemachten Ersatzanspruchs gegebenenfalls an die vormalige Verwalterin, die Streitverkündete halten. Die Beklagte bestreitet überdies, dass die streitgegenständlichen Instandsetzungsmaßnahmen durch den Verwaltervertrag legitimiert worden seien und der Verwaltungsbeirat den Maßnahmen zugestimmt habe. Sie trägt vor, dass die Verwaltungsbeiräte aufgrund des Bestellungsbeschlusses vom 05.10.2009 nicht dazu befugt gewesen seien, den als Anlage K 7 vorgelegten Verwaltervertrag vom 22.03.2010/16.08.2010 abzuschließen, insbesondere nicht, Vollmachten gem. Ziffer II., 6. Abs., Ziffer 1 i.V. mit Ziffer II. 1. c) des Verwaltervertrags zu erteilen. Die genannten Regelungen des Verwaltervertrags sind nach Auffassung der Beklagten darüber hinaus AGB-rechtlich unwirksam. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 08.07.2019 verwiesen.
Die Kammer hat am 06.11.2019 einen Hinweis erteilt, dass sie beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 II ZPO zurückzuweisen, Hierzu hat die Klagepartei mit Schriftsatz vom 09.12.2019, auf den wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird, Stellung genommen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und alle sonstigen Aktenbestandteile Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 23.05.2019, Aktenzeichen 483 C 23714/18 WEG, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis der Kammer vom 06.11.2019 Bezug genommen. Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 09.12.2019 geben zu einer Änderung keinen Anlass. Insbesondere ergibt sich eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht bereits daraus, dass zu der Frage, ob ein Entschädigungsanspruch gem. § 14 Nr. 4, 2. Halbsatz WEG auch dann in Betracht kommt, wenn der Eigentümer zur Duldung der Maßnahme nicht nach § 14 Nr. 4, 1. Halbsatz WEG verpflichtet ist, bislang keine, jedenfalls keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist, und erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherherung einer einheitlichen Rechtsprechung aus diesem Grund auch keine Entscheidung des Berufungsgerichts. Grundsätzliche Bedeutung würde der Sache vielmehr nur dann zukommen, wenn in der Rechtsprechung zu der streitgegenständlichen Frage verschiedene Auffassungen vertreten würden (vgl. Heßler in Zöller, 32. Aufl., Rn 38 zu § 522 ZPO und Rn. 11 zu § 543 ZPO). Dass dies vorliegend der Fall wäre, ist jedoch nicht ersichtlich und behauptet der Kläger auch gar nicht.
Im Übrigen bleibt die Kammer bei ihrer im Hinweis vom 06.11.2019 dargelegten Auffassung, dass ein Ersatzanspruch gem. § 14 Nr. 4, 2. Halbsatz WEG grundsätzlich nur besteht, wenn der betroffene Eigentümer gem. § 14 Nr. 4, 1. Halbsatz WEG zur Duldung des Betretens und der Benutzung der in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteile verpflichtet ist. Wie die Beklagtenseite zutreffend ausgeführt hat, soll durch den Ersatzanspruch des § 14 Nr. 4, 2. Halbsatz WEG ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass der Eigentümer das Betreten und Benutzen der in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteile zum Zwecke der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums und damit im Interesse aller Wohnungseigentümer dulden muss (vgl. Müller, Maximilian A. in BeckOK zum WEG, 38. Edition, Stand 01.08.2019, Rn 195 und 196 zu § 14 WEG). Ist er dagegen schon nicht zu einer Duldung der Maßnahme nach § 14 Nr. 4, 1. Halbsatz WEG verpflichtet, bedarf er des Ersatzanspruchs nach § 14 Nr. 4, 2. Halbsatz WEG nicht, weil er sich bereits gegen die Maßnahme selbst zur Wehr setzen kann und ihm bei einer rechtswidrigen Durchführung der Maßnahme gegebenenfalls Schadensersatzansprüche zustehen.
Die Kammer bleibt darüber hinaus bei der im Hinweis vom 06.11.2019 dargelegten Auffassung, dass ein eigenmächtiges Handeln des Verwalters, das weder durch wirksamen Beschluss der Wohnungseigentümer noch durch wirksam getroffene Vereinbarung mit den Wohnungseigentümer oder durch das Gesetz legitimiert ist, dem Verband schon nicht als dessen Handeln zugerechnet werden kann und auch deshalb eine Ersatzpflicht des Verbandes gem. § 14 Nr. 4, 2. Halbsatz WEG für aus einem solchen Handeln resultierende Schäden einzelner Wohnungseigentümer ausscheiden muss. Denn der Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist gerade kein mit umfassenden Befugnissen und Vollmachten ausgestattetes Organ des Verbandes (vgl. auch BGH, Urteil vom 08.06.2018, Az: V ZR 125/17, juris Rn 16, 17 und 20), sondern nur in dem durch § 27 I WEG vorgegebenen Rahmen befugt, für diesen zu handeln.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO, die Abwendungsbefugnis war gem. §§ 711, 709 Satz 2 ZPO auszusprechen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde gem. § 49 a GKG in Übereinstimmung mit dem Streitwert für die 1. Instanz entsprechend den Angaben in der Klageschrift auf € 10.000,00 bestimmt.