Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Fahrlässiges Anbohren einer Wasserleitung durch Mieter kein Kündigungsgrund

Aktenzeichen  424 C 27317/16

Datum:
12.4.2017
Fundstelle:
LSK – 2017, 147802
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 543 Abs. 3, § 573 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Es stellt keine schuldhafte, nicht unerhebliche Pflichtverletzung iSv § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar, wenn der Mieter Sockelleisten mit Dübeln, die so lang sind, dass sie 3 cm in die Wand ragen,  befestigt und dabei ein Wasserschaden ausgelöst wird, auch wenn ihm der Leitungsverlauf weder positiv bekannt noch dieser durch den Einsatz eines Metalldetektors abgeklärt ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Mieter ist während der Mietzeit zu Veränderungen in den Wohnräumen, die vor Rückgabe des Mietobjekts wieder rückgängig zu machen sind, zB Anbringung von Sockelleisten, mberechtigt. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 14.184,84 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet, und zwar im Hinblick auf den Hilfsantrag genauso wie im Hinblick auf den Hauptantrag. Das Mietverhältnis besteht unbeendet fort.
A.
Denn weder das Verhalten der Beklagten noch das Verhalten des Zeugen … dessen Hilfe sie sich bedienten, gibt Grund zur ordentlichen Kündigung.
I. Anbohren der Leitung
Das Anbohren der Leitung stellt keine schuldhafte nicht unerhebliche Pflichtverletzung i.S.v. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar.
Das Gericht sieht es als fahrlässige Pflichtverletzung an, Sockelleisten mit Dübeln, die so lang sind, dass sie 3 cm in die Wand ragen, zu befestigen, wenn einem der Leitungsverlauf weder positiv bekannt noch dieser durch den Einsatz eines Metalldetektors abgeklärt ist.
Eine Abmahnung ist für eine ordentliche Kündigung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich auch das Gericht anschließt, zwar nicht zwingend nötig. Die Abmahnung hat aber Bedeutung für die Frage, ob die Pflichtverletzung als nicht unerheblich zu bewerten ist. Danach ist denkbar, dass die Abmahnung der Pflichtverletzung ein besonderes Gewicht verleiht, etwa weil vorher nur ein schlichtes Versehen des Mieters vorgelegen hat (BGH, NJW 2008, 508). Eine Abmahnung fehlt hier. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist eine solche im Schreiben vom 03.06.2015 (Anlage K3a) nicht zu sehen, da dieses Schreiben einen völlig anderen Sachverhalt als die streitgegenständliche Verursachung des Wasserschadens durch Handwerksarbeiten in der streitgegenständlichen Wohnung betrifft, nämlich den Ausbau der Balkontüre und dies noch dazu nicht in der streitgegenständlichen Wohnung 2. OG links des streitgegenständlichen Anwesens, sondern in der mit separatem Mietvertrag angemieteten Wohnung im 2. OG rechts. Denn auf dem Plan Anlage K 7 (Bl. 142) ist ersichtlich, dass sich das sogenannte Elternschlafzimmer, dessen Balkontüre von dem Schreiben betroffen ist, in der rechten Wohnung befindet.
Entgegen der Ansicht der Klägerseite liegt für den hiesigen Sachverhalt eine wirksame Abmahnung auch nicht im Schreiben Anlage K4 vor, welches Malerarbeiten an der Wohnungseingangstüre betrifft und den Beklagten die Verpflichtung auferlegen möchte, die Kläger bei „Veränderungen in und außerhalb ihrer Wohnungen, die über die üblichen Schönheitsreparaturen hinausgehen“ um Zustimmung zu fragen. Eine solche Verpflichtung trifft einen Mieter jedoch nicht. Es kann hier dahinstehen, ob es sich bei dem Austausch von Fußleisten noch um Schönheitsreparaturen handelt. Der Mieter ist während der Mietzeit zu Veränderungen in den Wohnräumen, die vor Rückgabe des Mietobjekts wieder rückgängig machbar sind berechtigt. Dies ist bei der Anbringung neuer Fußleisten der Fall. Die angebrachten Fußleisten hätten bei Rückgabe der Wohnung ohne Weiteres durch Modelle der Art ersetzt werden können, die bei Einzug vorhanden waren.
Ihre Behauptung, dass die Beklagten einen neuen Parkettboden eingebaut hätten, hat die Klägerin im Termin noch dahingehend korrigiert, dass die Beklagten einen neuen Parkettboden über den ursprünglichen gelegt hätten. Auch dies wäre vor Rückgabe des Mietobjekts also rückgängig machbar, so dass es nicht darauf ankommt, ob eine solche Einbaumaßnahme durch die Beklagten überhaupt stattgefunden hat.
Es verbleibt also bei einem fahrlässigen, aber nicht im Vorfeld abgemahnten Handeln der Beklagten. Das Maß des Verschuldens steht in enger Beziehung zum Erheblichkeitskriterium (Schmidt-Futterer, Mietrecht, § 573 Rdnr. 19 m.w.N.). Es gilt der Grundsatz, dass Vertragsverletzungen mit bedeutenden Auswirkungen auf die Mietsache i.d.R. zur Kündigung berechtigen. Hier hat der Wasserschaden zwar zu einem beträchtlichen finanziellen Schaden geführt, aber zum einen steht zu erwarten, dass der Klägerin hierfür Versicherungsleistungen zu kommen werden und zum anderen ist den Beklagten lediglich einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen.
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie durch die vorangegangenen Renovierungsarbeiten in der ursprünglich angemieteten Wohnung in einem selbst bei spiegelbildlicher Betrachtungsweise anderen Zimmer den Leitungsverlauf im streitgegenständlichen Zimmer positiv kannten. Dies insbesondere, nachdem die Klägerin ihren ursprünglichen Vortrag, die Beklagten hätten den Leitungsverlauf moniert, im Termin noch dahingehend korrigierte, sie hätten die Öffnung der Wand korrigiert. Damit ist nichts dazu gesagt, ob sie bei den früheren Renovierungsarbeiten den dortigen Leitungsverlauf überhaupt bewusst wahrnahmen oder sich lediglich an der Beeinträchtigung durch die aufgeschlagene Wand störten. Abgesehen davon ist auch nicht vorgetragen, wann die Renovierungsarbeiten stattfanden, so dass auch nicht aufgrund besonderer zeitlicher Nähe davon ausgegangen werden müsste, eine etwaige Erinnerung sei bei den Beklagten noch frisch vorhanden gewesen. Insbesondere, wenn selbst der Einsatz eines Metalldetektors keine Klarheit zum Leitungsverlauf gebracht hätte, so kann aus dessen Nichtbenutzung lediglich ein einfacher Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden.
Einem groben Fahrlässigkeitsvorwurf steht entgegen, dass das senkrechte Abknicken der Leitung unter Putz von außen nicht erkennbar war und auch keinem allgemein üblich bekannten Leitungsverlauf entspricht.
Außerdem ist bei der Frage der Erheblichkeit zu berücksichtigen, dass die Beklagten den Schaden umgehend an die Klägerseite meldeten und der Zeuge Zimmermann ihn auch umgehend an seine Haftpflichtversicherung meldete.
II. Vorwurf der Verzögerung der Schadensregulierung
Dafür, dass die Beklagten entgegen einer Zusage einen Schadensbericht nicht bereits Mitte Oktober lieferten, hat die Klägerseite keinen Beweis angeboten. Der Sachvortrag gibt auch nicht her, dass die Beklagten die Schadensabwicklung bewusst verzögern würden. Die Beklagten waren unstreitig beim Schadensereignis nicht dabei, mussten also selbst erst die Schadensberichte von den beiden anwesenden Herren anfordern, was sie auch unternommen haben. Sie haben diese auch jedenfalls einen Monat nach dem Schaden an die Klägerin weitergeleitet. Die Klägerin hatte hierfür im Schreiben vom 20.10.2016 zwar eine Frist bis 25.10.2016 gesetzt. Dass die Beklagten diese bei Berücksichtigung der Postlaufzeit des Schreibens sehr kurze Frist nicht eingehalten haben, führt aber nicht zu einem derart erheblichen Vorwurf, dass dies eine ordentliche Kündigung rechtfertigen könnte, insbesondere da die Beklagten selbst auf die Berichte der anwesenden Herren angewiesen waren und diese jedenfalls am 13.11.2016 und damit noch relativ zeitnah an die Klägerin weiterleiteten. Dazu, dass der Klägerin aus dieser Zeitverzögerung ein Schaden oder eine Schadensvertiefung entstanden ist, gibt der Sachvortrag nichts her.
Der Schaden als solcher wurde jedenfalls behoben und die beteiligten Versicherungen sind mit der Schadensabwicklung beschäftigt. Die Klägerseite hat nichts dazu vorgetragen, dass trotz der Schadensberichte Anlage B10 und B11 eine Schadensregulierung nicht möglich wäre, weil diese Berichte nicht ausreichen würden. Es ist bekannt, dass Schadensregulierungen durch Versicherungen Zeit in Anspruch nehmen, dass dies auf schuldhaftem Verhalten der Beklagten beruht, ist nicht ersichtlich.
B.
Nachdem schon kein Grund zur ordentlichen Kündigung besteht, besteht erst recht kein solcher zur fristlosen Kündigung. Denn bei verhaltensbedingten Kündigungen wie hier besteht ein Stufenverhältnis dahingehend, dass bei einer fristlosen Kündigung die Vermieterseite nicht nur ein berechtigtes Interesse an der Kündigung haben müsste, sondern ihr ein Festhalten am Vertragsverhältnis sogar unzumutbar sein müsste. Außerdem ist bei einer fristlosen verhaltensbedingten Kündigung grundsätzlich eine vorherige Abmahnung nötig, die, wie oben erörtert, nicht vorliegt. Eine Ausnahme gilt nach § 543 Abs. 3 BGB nur dann, wenn die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist. Dies ist hier bei der vorliegenden einfach-fahrlässigen Pflichtverletzung und einem reparierten Schaden, der sich lediglich bzgl. der finanziellen Ausgleichsansprüche noch in Regulierung befindet, nicht der Fall.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
D.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
E.
Der Streitwert der Räumungsklage entspricht dem Jahresbetrag der Miete ohne Nebenkosten (§ 41 Abs. 3, Abs. 1 GKG), hier also 12 × 1.182,07 €, also insgesamt 14.184,84 €.

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