Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Fristlose Kündigung wegen Diebstahls einer außen am Haus angebrachten Eisentreppe durch den Mieter

Aktenzeichen  424 C 13271/17

Datum:
16.3.2018
Fundstelle:
LSK – 2018, 18683
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ErbbauRG § 12 Abs. 1
BGB § 543 Abs. 1, § 546
StGB § 242

 

Leitsatz

Entfernt der Mieter eine fest mit dem Gebäude verbundene Eisentreppe, die vom Garten in den 1. Stock führt, liegt ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung ohne Abmahnung vor, wenn mit der Entfernung der Treppe der Zugang zum 1. Stock des Hauses unmöglich gemacht wird, weil der Vermieter ansonsten nur noch die Möglichkeit hat, die Wohnung durch die Haustüre und die Diele, die jedoch dem Mieter zusteht, zu erreichen, die Wegnahme der Treppe also offensichtlich allein dem Ziel diente, den Vermieter zeitweise aus dem Haus herauszuhalten. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, die von ihm gemietete Wohnung im Erdgeschoss im Haus … bestehend aus 3 Zimmer, 1 Küche, 1 Bad, 1 WC, geräumt, sowie alle übrigen Räume in diesem Hausanwesen, an den Kläger herauszugeben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, 334,75 € incl. 19 % Mehrwertsteuer vorgerichtliche Kosten an den Kläger zu bezahlen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist in Ziffer 1. vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung in Ziffer 1. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 4.800,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Das Urteil ist in Ziffer 2. und 3. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die zum örtlich und sachlich gemäß §§ 29 a Abs. 1 ZPO, 23 Nr. 2 a GVG zuständigen Amtsgericht München erhobene Klage auf Räumung und Herausgabe sowie Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist zulässig und begründet.
Der Kläger ist unstrittig Erbbaurechtsinhaber an dem Hausanwesensgrundstück und insoweit in das Mietverhältnis zwischen der vorherigen Erbbaurechtsinhaberin und dem Beklagten eingetreten und damit aktivlegitimiert für den Räumungs- und Herausgabeanspruch, vgl. § 12 Abs. 1 ErbbauRG.
I.
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gem. §§ 546 Abs. 1, 542 Abs. 1 BGB. Die erstmals mit Schreiben vom 28.03.2017 formell wirksam ausgesprochene Kündigungserklärung beendete das Mietverhältnis fristlos.
Auch wenn die Kündigung wegen Zahlungsverzuges nach Ansicht des Gerichts aufgrund der nachträglichen Begleichung der Mietschulden durch die Zahlung eines Betrages in Höhe von 997,79 € am 18.09.2017 nicht mehr zur fristlosen Räumung und Herausgabe führen konnte, so konnte die fristlose Kündigung auf die schuldhafte Wegnahme der Außentreppe gestützt werden. Weitere Kündigungsgründe wurden vom Kläger nicht mehr aufrechterhalten.
1. Die Kündigung war formell wirksam, §§ 568 Abs. 1, 569 Abs. 4 BGB.
2. Nach § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB liegt ein wichtiger Grund im Sinne der Vorschrift vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung grundsätzlich erst nach erfolgloser Abmahnung zulässig (§ 543 Abs. 2 BGB).
a) Ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung liegt dann vor, wenn die Durchführung des Vertrags durch Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage durch das Verhalten eines Vertragsteils derart gefährdet ist, dass sie dem Kündigenden auch bei strenger Prüfung nicht mehr zuzumuten ist. Die Entscheidung über die Kündigung ist unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben zu treffen. Ein Verschulden dessen, dem gekündigt wird, ist nicht erforderlich. Ein solches Verschulden kann aber bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen sein. Bei einem überwiegenden Verschulden des Mieters wird regelmäßig das Kündigungsrecht des Vermieters zu bejahen sein, während im umgekehrten Fall, wenn den Vermieter die überwiegende Schuld an der Zerrüttung trifft, i.d.R. dem Vermieter nach Treu und Glauben eine Fortsetzung des Miet- oder Pachtvertrags zugemutet werden kann (Schmidt-Futterer-Mietrecht/Blank, 13. Aufl. 2017, § 543 Rn. 168).
b) Vorliegend liegt ein solcher wichtiger Grund nach Überzeugung des Gerichts vor, welcher die das Schuldverhältnis tragende Vertrauensgrundlage zerstört hat. Nach Ansicht des Gerichts hat der Beklagte vorliegend einen Diebstahl im Sinne des § 242 StGB und damit eine unerlaubte Handlung begangen, indem er die Außentreppe abmontierte und für sich verwertete.
aa) Die Treppe war für den Beklagten aus Sicht des Gerichts eine fremde bewegliche Sache. Die Treppe gehörte als wesentlicher Bestandteil des Gebäudes zum Erbbaurecht des Klägers, welches der Kläger durch den Zuschlagsbeschluss erworben hat, § 20 Abs. 2, 90 ZVG. Damit ging das Eigentum an dem Gebäude und der Treppe auf ihn über.
Wird eine bewegliche Sache mit einem Gebäude dergestalt verbunden, dass sie wesentlicher Bestandteil des Gebäudes wird, so erstreckt sich das Eigentum an dem Gebäude auf die Sache, §§ 946, 94 Abs. 2 BGB (Palandt-BGB/Herrler, 76. Aufl. 2017, § 946 Rn. 2). Nach § 12 Abs. 2 ErbbauRG finden die §§ 94, 95 BGB entsprechende Anwendung auf das Erbbaurecht.
Eine Metalltreppe ist aus Sicht des Gerichts ein zur Herstellung eines Gebäudes eingefügte Sache im Sinne des § 94 Abs. 2 BGB. Die feste Verbindung ergibt sich bereits aus den in Augenschein genommenen Fotos. Unabhängig davon wäre eine solche feste Verbindung gar nicht erforderlich (BGH, NJW 1978, 1311).
Soweit der Beklagte angegeben hat, dass diese von ihm im Jahre 2001 angeschafft wurde und in seinem Eigentum stand, ist dies für die Fremdheit der Sache irrelevant, da mit der Verbindung nach § 946 BGB das Eigentum auf den Erbbaurechtsinhaber übergegangen ist. Auch konnte der Beklagten keinen Beweis dafür liefern, dass die Treppe tatsächlich von ihm angeschafft wurde. Aufgrund der langen Zeitdauer kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Treppe lediglich um einen Scheinbestandteil nach § 95 BGB gehandelt hat. Eigene Rechte an der Treppe hatte der Beklagte auch nicht im Sinne des §§ 55 Abs. 2, 37 Nr. 5 ZVG im Zwangsversteigerungsverfahren geltend gemacht.
Irrelevant wäre es für die Eigentumsverhältnisse daher auch, wenn die Treppe auf dem Nachbargrundstück stehen würde. Die Bestandteile des Erbbaurechts sind gerade nicht zugleich Bestandteile des Grundstücks. Unerheblich für die Eigenschaft der Fremdheit ist es auch, ob die – Treppe Gegenstand eines baurechtlichen Genehmigungsverfahrens war.
Die Treppe stellt auch im Sinnes Strafrechts eine bewegliche Sache dar, auch wenn sie mit dem Gebäude fest verbunden ist (Schönke/Schröder-Strafgesetzbuch/Eser/Bosch, 29. Aufl. 2014, § 242 Rn. 11).
bb) Die Wegnahme der Treppe wurde von dem Beklagten auch vorsätzlich und mit Zueignungsabsicht begangen.
Auch wenn die Treppe von dem Beklagten angeschafft worden wäre, was vom Beklagten nicht bewiesen wurde, so musste der Beklagte davon ausgehen, dass spätestens mit dem Zuschlagsbeschluss das Eigentum auf den Kläger übergegangen ist. Für die Fremdheit der Sache reicht bedingter Vorsatz bereits aus. Es genügt das Bewusstsein, dass die Sache in fremdem Eigentum und fremdem Gewahrsam steht (Schönke/Schröder-Strafgesetzbuch/Eser/Bosch, 29. Aufl. 2014, § 242 Rn. 45).
Das Gericht ist auch aus folgenden Gründen überzeugt, dass die Wegnahme vorsätzlich erfolgte.
Mit der Entfernung der Treppe wurde der Zugang zum 1. Stock des Hauses unmöglich gemacht. Der Kläger hatte somit nur noch die Möglichkeit, die Wohnung durch die Haustüre und die Diele, die jedoch dem Beklagten zusteht, zu erreichen. Das Gericht ist überzeugt davon, dass die Wegnahme der Treppe allein dem Ziel diente, den Kläger zeitweise aus dem Haus herauszuhalten. Hierfür spricht auch der geringe Verwertungspreis von unwidersprochen 25,00 €.
Doch selbst, wenn der Beklagte hinsichtlich der Fremdheit der Treppe lediglich grob fahrlässig gehandelt hätte, liegt aus Sicht des Gerichts aufgrund dieser Absicht, dem Vermieter den Zugang zur oberen Wohnung zu vereiteln, ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 S. 2 BGB vor.
Andere nachvollziehbare Gründe, die eine Wegnahme plausibel erscheinen lassen, wurden weder vorgetragen, noch sind solche erkennbar.
c) Aufgrund dieser Umstände nimmt das Gericht hier die Unzumutbarkeit der Vertragsfortführung unter Würdigung der Gesamtumstände und der Interessen der Beteiligten an.
Die festgestellte schuldhafte Vertragsverletzung berechtigt zur Beendigung des Mietverhältnisses, da sie so schwer wiegt, dass dem Kläger die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zugemutet werden kann.
Zu Lasten der Beklagten spricht, dass es sich bei der Vereitelung des Zugangs zur obigen Wohnung um eine erhebliche Pflichtverletzung handelt und der Wert der Treppe, ausweislich der von der Klagepartei vorgelegten Rechnung vom 19.01.2018 in Höhe von 3.250,01 € über eine Ersatzbeschaffung, bedeutend war.
Das Gericht ist überzeugt davon, dass der Beklagte mit der Wegnahme und Verwertung der Treppe bewusst diese Zugangsvereitelung für eine nicht unerhebliche Zeit wollte. Einen anderen rational nachvollziehbaren Grund für die Wegnahme der Treppe konnte der Beklagten nicht vorgetragen. Diese Annahme wird auch dadurch bestätigt, dass der Beklagte unwidersprochen einen Verwertungserlös weit unter den Anschaffungskosten generierte.
Zu Gunsten des Beklagten sind lediglich das seit längerer Zeit bestehende Mietverhältnis zu berücksichtigen. Jedoch wiegt dieser Umstand gering. Die Verwertung der Treppe erfolgte gerade nicht spontan in einer emotional aufgeladenen Situation aufgrund des Erbpachtrechtswechsels.
Der Abtransport der Außentreppe musste vielmehr geplant werden. Für den Beklagten hatte diese Verwertung keinerlei nennenswerte Vorteile. Der Schaden des Klägers war jedoch umso größer.
Aus den genannten Gründen ist es dem Kläger nicht länger zuzumuten, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu warten. Die gesamten Umstände lassen die Prognose zu, dass ein friedliches Miteinander der Parteien in Zukunft nicht möglich sein wird. Das Verhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger ist bereits jetzt nicht mehr tragbar. Es steht zu befürchten, dass der Beklagte auch in der Zukunft den Zugang zum Objekts für den Kläger erschweren wird, weil, nach dem Eindruck des Gerichts, er alles daran setzen wird, diesen aus seiner „persönlichen Privatssphäre“ und damit seiner Wohnung herauszuhalten und das Anwesen insoweit vollständig für sich zu bewohnen.
Besondere Umstände, die einen Ausschluss der fristlosen Kündigung erkennen lassen, sind nicht erkennbar. Insbesondere wurde der Zustand nachträglich nicht mehr wieder hergestellt.
3. Einer Abmahnung bedurfte es vorliegend nicht.
Eine außerordentliche Kündigung kommt bei Dauerschuldverhältnissen grundsätzlich nur nach vorheriger Abmahnung in Betracht. Eine Ausnahme gilt nach § 543 Abs. 3 BGB jedoch dann, wenn die Vertrauensgrundlage erschüttert ist, weil diese auch durch eine Abmahnung nicht wiederhergestellt werden kann (Schmidt-Futterer-Mietrecht/Blank, 13. Aufl. 2017, § 543 Rn. 169). Es liegen besondere Gründen vor, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen das sofortige Auseinandergehen der Parteien gerechtfertigen (§ 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BGB). Entscheidend sind hier sowohl die Schwere der Vertragsverletzung als auch deren Folgen für den betroffenen Vertragsteil (Staudinger-BGB/Emmerich, Neubearbeitung 2018, § 543 Rn. 81; KG, Urteil vom 18.11.2004 – 8 U 125/04 = NZM 2005, 254), die wie bereits ausgeführt beide erheblich sind.
Eine Abmahnung war aufgrund des Verhaltens des Beklagten und der Folgen für den Kläger damit nicht erforderlich.
Eine unangemessene Härte ist vorliegend nicht gegeben, jedoch bei einer außerordentlichen Kündigung auch unbeachtlich.
II.
Dem Kläger steht auch ein Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 € zu, da sich der Beklagte zum 28.03.2017 mit der Zahlung eines Betrages in Höhe von mindestens zwei Monatsmieten in Verzug befand, §§ 280 Abs. 1, 286 BGB.
Dabei mag zwischen der Vorvermieterin Frau … und dem Beklagten durchaus eine andere Handhabung der Nebenkostenzahlungen erfolgt sein, wie dies auf Bl. 70 der Akte und in dem Widerspruchsschreiben auf Bl. 41/42 ausgeführt wurde. Eine vertragliche Änderung ist damit jedoch noch nicht verbunden. Auch wurden die Rückstände mit Zahlung vom 18.09.2017 vorbehaltlos beglichen.
Einer Einvernähme der Zeugin … zu dieser anderweitigen Handhabung bedurfte es daher nicht.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit regelt sich nach §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO hinsichtlich Ziffer 1., wobei sich das Gericht zur Festlegung der Sicherheitsleistung an der 12-fachen Monatsbruttomiete von 400,00 € orientiert hat. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich Ziffer 2. und 3. beruht auf § 709 S. 1 ZPO.
Der Streitwert war vorliegend auf 3.000,00 € festzusetzen. Dieser errechnet sich aus der streitgegenständlichen Nettojahresmiete.
C.
Dem Beklagten war nach Überzeugung des Gerichts keine Räumungsfrist nach § 721 Abs. 1 ZPO zu gewähren. Die Interessenabwägung zum Nachteil des Beklagten beruht insbesondere auf dem Fehlverhalten des Beklagten und dem verursachten Schaden für den Kläger, welche einer Fristgewährung entgegenstehen. Auch wurde die außerordentliche Kündigung bereits erstmals vor fast einem Jahr ausgesprochen.

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