Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Genehmigung für die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum in einem Erhaltungssatzungsgebiet

Aktenzeichen  M 8 K 14.3090

Datum:
9.5.2016
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 22 Abs. 5, § 172 Abs. 1 S. 4, Abs. 4, § 173 Abs. 1
DVWoR DVWoR § 5
WoGeV WoGeV § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 1
BayVwVfG BayVwVfG Art. 42a
BGB BGB § 177a Abs. 2, § 574, § 577a Abs. 2
GG GG Art. 14

 

Leitsatz

1. Eine Verdrängung durch die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum im Sinne von § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB i. V. m. § 5 DVWoR (GVBl. 2014, S. 39) ist nicht gegeben, wenn aufgrund vertraglicher – auch für die Rechtsnachfolger bindend – Verpflichtungen gesichert ist, dass für den Zeitraum der Geltung der Erhaltungssatzung und damit des Verbots nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB i. V. m. § 5 DVWoR oder darüber hinaus, Mieter des betroffenen Anwesens vor dem Verlust ihrer Wohnungen geschützt sind. Dies gilt umso mehr, als zusätzlich gesetzliche Regelungen – wie hier § 1 Mieterschutzverordnung vom 10. November 2015 (GVBl. 2015, S. 398) diesen Schutz noch intensivieren. (amtlicher Leitsatz)
2. Soweit die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum derartigen Schutzmechanismen unterworfen ist, kann von ihr auch keine Vorbildwirkung ausgehen, die eine Versagung der begehrten Genehmigung rechtfertigen könnte. Vielmehr verstößt die Versagung der Genehmigung in diesem Fall gegen das Übermaßverbot des Art. 14 Grundgesetz (GG). (amtlicher Leitsatz)

Tenor

I.
Der Bescheid vom 16. Juni 2014 wird aufgehoben.
II.
Die Beklagte wird verpflichtet, die gemäß Antrag vom 27./28. Februar 2014 beantragte Genehmigung für die Begründung von Wohnungseigentum zu erteilen.
III.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Erteilung der Genehmigung für die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum an der streitgegenständlichen Wohnanlage, da gemäß § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB i. V. m. § 5 der Verordnung zur Durchführung des Wohnungsrechts und des Besonderen Städtebaurechts (DVWoR) vom 8. Mai 2007 (GVBl. 2007, S. 326) in der Fassung vom 4. Februar 2014 (GVBl. 2014, S. 39) und § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB keine Versagungsgründe gegeben sind (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Da die Genehmigungsfiktion gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BauGB i. V. m. § 22 Abs. 5 Sätze 2, 3 und 4 BauGB nicht eingetreten ist (I.), war die Beklagte gemäß § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB i. V. m. § 172 Abs. 4 Satz 3 BauGB und § 5 DVWoR zu verpflichten, die Genehmigung für die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum in der beantragten Form zu erteilen (II.).
Aufgrund des Anspruchs der Klägerin nach § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB bedurfte ein etwaiger Genehmigungsanspruch der Klägerin nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 4 BauGB für die Gesamtaufteilung der streitgegenständlichen Wohnanlage in der beantragten Form keiner Entscheidung mehr (III.).
I.
Entgegen der Ansicht der Klagepartei ist eine Genehmigungsfiktion nicht eingetreten.
Gemäß § 173 Abs. 1 Satz 2 BauGB sind die Vorschriften des § 22 Abs. 5 Sätze 2 – 5 BauGB entsprechend anzuwenden. Nach § 22 Abs. 5 Satz 2 BauGB ist über die Genehmigung innerhalb 1 Monats nach Eingang des Antrages bei der Baugenehmigungsbehörde zu entscheiden. Kann die Prüfung des Antrages in dieser Zeit nicht abgeschlossen werden, ist die Frist vor ihrem Ablauf in einem dem Antragsteller mitzuteilenden Zwischenbescheid um den Zeitraum zu verlängern, der notwendig ist, um die Prüfung abschließen zu können; höchstens jedoch um 3 Monate (§ 22 Abs. 5 Satz 3 BauGB). Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn sie nicht innerhalb der Frist versagt wird (§ 22 Abs. 5 Satz 4 BauGB).
Der Genehmigungsantrag für die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum am streitgegenständlichen Anwesen datierte auf den 27. Februar 2014 und ist am 28. Februar 2014 bei der Beklagten eingegangen (Eingangsstempel). Die Einmonatsfrist des § 22 Abs. 5 Satz 2 BauGB begann demnach am 1. März 2014 zu laufen und endete am 31. März 2014 (Art. 31 Abs.1 BayVwVfG i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). § 22 Abs. 5 Satz 3 BauGB entsprechend hat die Beklagte vor Ablauf dieser Monatsfrist unter dem 20. März 2014 (mit PZU am 22. März 2014 an die Rechtsvorgängerin der Klägerin zugestellt) die Frist bis zum 9. Mai 2014 verlängert. Diese Fristverlängerung steht mit § 22 Abs. 5 Satz 3 BauGB in Einklang. Dies gilt auch für die weitere Fristverlängerung mit Zwischenbescheid vom 29. April 2014 (Zustellung mit PZU an die Rechtsvorgängerin der Klägerin am 7. Mai 2014), in dem die Frist bis zum 20. Juni 2014 verlängert wurde. Die beiden Zwischenbescheide vom 20. März 2014 und 29. April 2014 halten sich im Rahmen der maximalen Bearbeitungsfrist von 4 Monaten ab Eingang des Genehmigungsantrages. Da diese Frist durch die Bearbeitungsdauer von 3 Monaten und 3 Wochen nicht ausgeschöpft wurde und die Zwischenbescheide jeweils vor Ablauf der zunächst gesetzten Bearbeitungsfrist erlassen worden sind, ist keine Fiktion eingetreten. Die genannten gesetzlichen Vorschriften schließen den Erlass eines zweiten Zwischenbescheides nicht aus; vielmehr wird hier entscheidend auf die Höchstdauer der Bearbeitungsfrist von 4 Monaten abgestellt. Der Einwand der Klägerin in zwei Parallelverfahren hinsichtlich der fehlenden zeitlichen Transparenz des Fristenlaufs führt zu keiner anderen Beurteilung. Soweit die Beklagte in dem ersten Zwischenbescheid vom 20. März 2014 das Antragsdatum (27. Februar 2014) und nicht das Eingangsdatum (28. Februar 2014) benannt hat, führt dies zu keiner, von der Klägerin insoweit beanstandeten, mangelnden Zeittransparenz, da die Beklagte hierdurch allenfalls die ihr zustehende Monatsfrist nach § 22 Abs. 5 Satz 1 BauGB bzw. die maximale Bearbeitungsfrist von 4 Monaten nach § 22 Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 2 BauGB entsprechend verkürzt hätte. Da sowohl der erste Zwischenbescheid vom 20. März 2014 eindeutig vor Ablauf der Einmonatsfrist ergangen ist, da diese nicht vor dem Ablauf eines Monats ab dem Datum des Antrages enden konnte und dies entsprechend für die maximale viermonatige Bearbeitungsfrist galt, ist eine Rechtsverletzung der Klägerin insoweit nicht ersichtlich. Die Klägerin konnte anhand der gesetzten Verlängerungsfristen ohne weiteres erkennen, dass die Viermonatsfrist im Hinblick auf ihren auf den 27. Februar 2016 datierten Antrag zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides bzw. dessen Zustellung (16. Juni 2014 – Empfangsbekenntnis v. 17. Juni 2014) nicht überschritten sein konnte.
Die Bescheide wurden auch jeweils an den richtigen Adressaten zugestellt. Soweit die Zwischenbescheide vom 20. März 2014 und vom 29. April 2014 an die … AG zugestellt wurden, ist dies nicht zu beanstanden, da der Beklagten erst mit Schreiben vom 27. Mai 2014 (Eingang 3. Juni 2014) mitgeteilt wurde, dass die Klägerin insoweit als neue Eigentümerin der streitgegenständlichen Wohnanlage Rechtsnachfolgerin der … AG geworden ist und auch das Verfahren an deren Stelle fortsetzen wolle. Folgerichtig wurde auch der Ablehnungsbescheid vom 16. Juni 2014 nunmehr an die Klägerin adressiert und dieser zugestellt.
Die Ausschöpfung der Viermonatsfrist des § 22 Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 2 BauGB ist vorliegend ebenfalls nicht zu beanstanden.
Zum einen wurden mit dem ersten Zwischenbescheid vom 20. März 2014 noch Unterlagen nachgefordert, die die Beklagte zur Bearbeitung des Antrages für notwendig erachtete. Die hier geforderten Unterlagen waren nach Auffassung des Gerichts auch zur Bearbeitung einer Genehmigung – jedenfalls nach dem Genehmigungstatbestand gemäß § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 4 BauGB – notwendig; für die geforderte Abgeschlossenheitsbescheinigung mit den zugehörigen Aufteilungsplänen gilt dies auch für einen Genehmigungsanspruch nach § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB. Abgesehen davon ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Beklagte sich mit zwei Genehmigungstatbeständen, nämlich nach § 172 Abs. 4 Satz 1 und Satz 3 Nr. 4 BauGB auseinandersetzen musste, deren Prüfung sowohl tatsächlich als auch rechtlich einen erheblichen Schwierigkeitsgrad aufweist und bei denen aufgrund der Neueinführung der Vorschrift des § 5 DVWoR zum 1. März 2014 auch nicht auf bereits bestehende Erkenntnisse zurückgegriffen werden konnte.
Im Hinblick darauf erscheint dem Gericht die Ausschöpfung der maximalen Bearbeitungsfrist von 4 Monaten nicht unangemessen.
Die Genehmigungsfiktion ist auch nicht deshalb eingetreten, weil – wie die Klägerin meint – die Frist nicht zweimal verlängert werden durfte, da hier zumindest ergänzend Art. 42a Abs. 2 BayVwVfG zur Anwendung kommt. Art. 42a Abs. 2 BayVwVfG bestimmt, dass die Entscheidungsfrist für eine beantragte Genehmigung nach Art. 42a Abs. 1 BayVwVfG 3 Monate beträgt, soweit durch Rechtsvorschrift nichts Abweichendes bestimmt ist. Sie beginnt mit Eingang der vollständigen Unterlagen und kann einmal angemessen verlängert werden, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Angelegenheit gerechtfertigt ist. Anders als in § 22 Abs. 5 Sätze 3 und 4 BauGB beschränkt sich die maximale Bearbeitungsfrist hier nicht auf 4 Monate. Allerdings kann – insoweit auch anders als § 22 Abs. 5 Sätze 2 und 3 BauGB – die Frist nur einmal verlängert werden: Die in Art. 42a BayVwVfG geregelten allgemeinen Grundsätze gelten jedoch nur, wenn die Genehmigungsfiktion fachgesetzlich angeordnet und soweit dort nichts Abweichendes geregelt ist (vgl. BT-Drs. 16/10493, S. 13 und OVG Berlin-Brandenburg, B v. 28.3.2011 – OVG 2 S 79.10 – juris). Da insoweit § 22 Abs. 5 Sätze 3 und 4 BauGB als spezialgesetzliche Vorschrift mit abweichender Regelung Art. 42a BayVwVfG verdrängt, konnte trotz zweimaliger Verlängerung der Bearbeitungsfrist keine Genehmigungsfiktion eintreten.
Abgesehen davon wäre eine solche Genehmigungsfiktion auch bei Anwendung des Art. 42a Abs. 2 BayVwVfG nicht eingetreten, da die Dreimonatsfrist des Art. 42a Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG nach dessen Satz 2 erst mit Eingang der vollständigen Unterlagen beginnt. Diese waren aber zum Zeitpunkt des Erlasses des ersten Zwischenbescheides am 20. März 2014 noch nicht vollständig vorgelegt (s. oben). Somit hat die Beklagte rechtlich im Sinne des Art. 42a Abs. 2 BayVwVfG die Bearbeitungsfrist auch nur einmal verlängert.
Eine Genehmigungsfiktion kann somit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eingetreten sein.
II.
Die Klägerin hat einen Genehmigungsanspruch nach § 172 Abs. 4 Satz 1 i.V.m 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB, da die streitgegenständliche Begründung von Wohnungs- und Teileigentum weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Verdrängungsgefahr für die im Erhaltungssatzungsgebiet zu schützende Wohnbevölkerung hat und die Versagung vorliegend nicht mit den Grundsätzen des Art. 14 Grundgesetz (GG) in Einklang steht.
Die Bayerische Landesregierung hat von der Ermächtigung nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB Gebrauch gemacht und in § 5 der DVWoR (Änderung v. 4.2.2014, GVBl. 2014 S. 39 mit Wirkung zum 1.3.2014) bestimmt, dass für Grundstücke in Gebieten einer Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB die Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum (§ 1 des Wohnungseigentumsgesetzes – WEG) an Gebäuden, die ganz oder teilweise Wohnzwecken zu dienen bestimmt sind, auf die Dauer von 5 Jahren nicht ohne Genehmigung erfolgen darf.
Der streitgegenständliche Gebäudekomplex befindet sich im Gebiet der Erhaltungssatzung „…-und …platz“ vom 6. August 2012 bzw. 3. Februar 2014 (Erweiterung), die am 20. August 2012 bzw. 11. Februar 2014 (Erweiterung) 2014 im Amtsblatt (MüAbl. 2012 Nr. 23 S. 266 bzw. 2014 Nr. 4 S. 68) der Beklagten veröffentlicht wurde und am 21. August 2012 in Kraft getreten ist.
1. Anders als die Klagepartei geht das Gericht auch von der Wirksamkeit dieser Erhaltungssatzung aus.
Formelle Mängel sind nicht erkennbar und wurden auch nicht dargetan.
Grundlage einer solchen Satzung ist, dass die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im Satzungsgebiet aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden und die Bevölkerungsstruktur in einem bestimmten Ortsteil vor unerwünschten Veränderungen geschützt werden soll. Da an die Art der Wohnbevölkerung, deren Zusammensetzung durch eine Milieuschutzsatzung gewahrt werden soll, vom Gesetz keine besonderen Anforderungen gestellt werden, ist deshalb schutzwürdig ein Gebiet mit grundsätzlich jeder Art von Wohnbevölkerung, soweit deren Zusammensetzung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll (vgl. BVerwG, U.v. 18.6.1997 – 4 C 2/97, NVwZ 1998, 503 – juris; BayVGH, U.v. 18.4.2005 – 2 N 02.2981 – juris).
Diese Voraussetzung ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn wegen eines sich im Satzungsgebiet abzeichnenden Potentials zur baulichen Aufwertung und damit zur Verdrängung von einkommensschwächeren Bewohnern die Gefahr einer unerwünschten Änderung der Struktur der Wohnbevölkerung besteht (vgl. BayVGH, U.v. 5.8.1994 – 2 N 91.2476, BRS Nr. 56, S. 645 ff.).
Die Methodik zur Feststellung des einerseits vorhandenen Potentials zur baulichen Aufwertung und andererseits der Bevölkerungsstruktur, deren Verbleib im entsprechenden Gebiet gefährdet ist bzw. sein könnte, mittels Festlegung von Indikatoren, die in Bezug zu ihrem Vorhandensein im gesamten Stadtgebiet gesetzt werden, ist nicht zu beanstanden; vielmehr wurde diese von der Beklagten seit Jahrzehnten beim Erlass bzw. der Verlängerung von Erhaltungssatzungen angewandte Untersuchungspraxis mehrfach vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof als rechtens bestätigt (vgl. U.v. 2.4.1996, – 1 N 92.1636, BayVBl 1996, S. 594/595; U.v. 5.8.1994 – a. a. O. und U.v. 18.4.2005 – a. a. O.).
Soweit die Beklagte zwischenzeitlich bei den Aufwertungs- und Verdrängungsindikatoren Veränderungen vorgenommen hat, ist dies ebenfalls rechtlich unbedenklich, da hiermit auch veränderten gesellschaftlichen Strukturen angemessen Rechnung getragen wird. In Hinblick auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, U.v. 18.4.2005 – 2 N 02.2981, a. a. O.) ist auch bei den, den Untersuchungen zugrunde liegenden Daten die erforderliche Aktualität noch gegeben.
Zwar stellen die von der Beklagten in der Erhaltungsatzung „…- und …platz“ verwendeten Aufwertungsindikatoren:
– Anteil der Wohneinheiten in Gebäuden vor 1949 erbaut in Prozent
– Anteil der Wohneinheiten in Gebäuden zwischen 1949 und 1968 errichtet
– Anteil der Wohneinheiten in Gebäuden zwischen 1969 und 1978 errichtet
ein relativ grobes Raster dar, da allein der Errichtungszeitpunkt von Gebäuden über ihren aktuellen baulichen Zustand und Ausstattungsstandard im Einzelnen keinen Aufschluss gibt. Vielmehr können diese nur unter Berücksichtigung der Umbau- und/oder Modernisierungsmaßnahmen, denen die Gebäude seit ihrer Errichtung unterworfen wurden, konkret festgestellt werden.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof akzeptiert allerdings als relevantes Strukturmerkmal das Vorhandensein eines hohen Anteils älterer Gebäude mit den entsprechend niedrigen Mieten und schreibt diesen grundsätzlich eine Tendenz zur Aufwertung des Gebäudebestandes durch Modernisierungsmaßnahmen zu.
Auch nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist dieses Strukturmerkmal zur Erfassung des Aufwertungspotentials auch ohne Berücksichtigung des baulichen Zustandes der Einzelgebäude geeignet, da im Vergleich zu Gebieten mit anderer Gebäudealtersstruktur grundsätzlich ein erhöhtes Aufwertungspotential angenommen werden kann.
Auch kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Aufwertungsindikator „Gebäudealter“ in eine Gesamtbetrachtung mit weiteren Aufwertungsindikatoren eingebracht wird. Die Beklagte muss bei der Festlegung des Gebietes nicht den aktuellen baulichen Zustand der Gebäude berücksichtigen, zumal dies gegebenenfalls zur Zersplitterung und entsprechenden Unübersichtlichkeit des Umgriffs des Satzungsgebietes führen könnte. Einen willkürlichen Einbezug des streitgegenständlichen Gebäudekomplexes kann das Gericht nicht erkennen. Dieser liegt inmitten des Erhaltungssatzungsgebietes; eine spezielle Lage im Gebiet – wie möglicherweise bei einer Ecklage an zwei Grenzen – bei der gegebenenfalls auf die Einbeziehung verzichtet werden könnte, ist dementsprechend nicht gegeben.
Eine Berücksichtigung des konkreten baulichen Zustandes ist aufgrund der Zweistufigkeit des Genehmigungsverfahrens nach § 172 BauGB daher grundsätzlich weder bei dem Ansatz der Aufwertungsindikatoren, noch beim Satzungsumgriff geboten. Vielmehr sind – weil es für die Rechtmäßigkeit einer Erhaltungssatzung nicht darauf ankommt, ob für ein einzelnes Grundstück die Voraussetzungen zum Satzungserlass gegeben sind – auf der zweiten Stufe der Prüfung des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt die aktuellen Gegebenheiten des Einzelgrundstücks in den Blick zu nehmen (vgl. BayVGH, U.v. 5.8.1994 – a. a. O. und U.v. 18.4.2005 – a. a. O.). Diese Prüfung im Rahmen der zweiten Stufe ist auch ausreichend, da für das einzelne Grundstück mit dem Erlass der Erhaltungssatzung und dessen Einbezug in das Satzungsgebiet noch keine verbindliche Nutzungsregelung verbunden ist. Diese vollzieht sich erst auf der zweiten Stufe des Verfahrens, nämlich bei der Entscheidung über einen das einzelne Grundstück betreffenden Genehmigungsantrag.
2. § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB bestimmt, dass in den Fällen des Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 4 die Genehmigung nur versagt werden darf, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll. Nach dem Bundesverwaltungsgericht (U.v. 18.6.1997 – 4 C 2/97 – juris) folgt daraus im Umkehrschluss, dass die Genehmigung nur versagt werden darf, wenn die Maßnahme geeignet ist, die Gefahr der Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung hervorzurufen und wenn eine solche Verdrängung aus den besonderen städtebaulichen Gründen nachteilige Folgen haben würde.
Anders als bei Erlass der Erhaltungssatzung genügt bei der Prüfung der Genehmigungsversagung nicht das allgemeine Verdrängungspotential, sondern es muss der konkrete Einzelfall aufgrund einer Prognoseentscheidung im Hinblick auf die künftige Entwicklung geprüft werden (vgl. insoweit auch BayVGH, U.v. 2.4.1996 – a. a. O.).
Eine solche Einzelfallprüfung hat die Beklagte – was sie auf S. 8 des Schriftsatzes vom 29. Januar 2016 (unter 4.2 zweiter Absatz) auch einräumt – nicht vorgenommen. Im Hinblick auf die von der Rechtsprechung geforderte Zweistufigkeit des Genehmigungsverfahrens nach § 172 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. mit § 172 Abs. 1 Nr. 2 und Satz 4 BauGB, bei dessen erster Stufe (Erlass der Erhaltungssatzung) das allgemeine Erhaltungsziel nicht bei jedem einzelnen im Erhaltungssatzungsgebiet liegenden Grundstück gegeben sein muss, lässt sich die Versagung der Genehmigung nicht mit einer pauschal angenommenen Vorbildwirkung einer bestimmten Art von Maßnahmen begründen.
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 18. Juni 1997 („Loggia-Entscheidung“ – 4 C 2/97 – juris) ausgeführt, dass es für die Erteilung oder Versagung der Genehmigung nicht entscheidend sei, ob durch die konkrete Baumaßnahme die davon betroffenen Bewohner tatsächlich verdrängt würden. Vielmehr reiche es aus, wenn die Baumaßnahme generell geeignet sei, eine solche Verdrängungsgefahr auszulösen. Dementsprechend war für den dem Urteil zugrunde liegenden Fall nicht entscheidend, ob ein Leerstand der Wohnung oder das Einverständnis des aktuellen Mieters vorlag, da eine einzelne Baumaßnahme innerhalb eines größeren Satzungsgebietes kaum jemals zu einer städtebaulich in das Gewicht fallenden Änderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung führen würde. Es komme hiernach vielmehr darauf an, ob die einzelne Maßnahme aufgrund ihrer Vorbildwirkung geeignet sei, eine Entwicklung in Gang zu setzen, die tendenziell die Veränderung der Zusammensetzung der vorhandenen Wohnbevölkerung nach sich zieht. Allerdings sei die Verdrängungsgefahr aufgrund einer Prognose der künftigen Entwicklung auf der Basis der differenzierten Betrachtung der Einzelmaßnahme zu ermitteln.
Eine differenzierte Prognoseentscheidung im Hinblick auf die Maßnahme (Begründung von Wohnungs- und Teileigentum) im Kontext der Gesamtumstände hat die Beklagte nicht getroffen.
Vielmehr hat sie sich auf den Standpunkt gestellt, dass sich – weil der Begründung von Wohnungs- und Teileigentum grundsätzlich eine Vorbildwirkung zukommt – eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Gesamtumständen des Einzelfalles erübrigt.
Ein derartiger Rechtsstandpunkt geht über den Inhalt der so genannten „Loggia-Entscheidung“ hinaus und konterkariert vor allem das von der Rechtsprechung entwickelte Zweistufen-System. Das bloße Abstellen auf eine generelle Vorbildwirkung einer bestimmten Art von Maßnahmen, auch auf der Ebene der zweiten Stufe, hat praktisch den Ausschluss der Erteilung von Genehmigungen nach § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB zur Folge.
Eine solche Handhabung würde schon nicht einem generellen Verbot mit Befreiungs- und Ausnahmemöglichkeit gerecht, geschweige denn einem hier vorliegenden, präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.
2.1 Die Zugrundelegung der abstrakten Aufwertungsindikatoren im Rahmen der Erhaltungssatzungserlasses erfordert nach der „Zweistufen-Theorie“ eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Aufwertungspotential des betroffenen Anwesens.
Die Beklagte hat sich weder im streitgegenständlichen Bescheid mit dem Aufwertungspotential des streitgegenständlichen Gebäudekomplexes auseinandergesetzt, noch hat sie im Antwortschreiben vom 29. Januar 2016 in Beantwortung der gerichtlichen Anfrage vom 21. Dezember 2015 (hier wurde unter Ziff. 4.1 das konkrete Aufwertungspotential nachgefragt) Ausführungen hierzu gemacht.
Das Gericht kann daher nur davon ausgehen, dass die Erklärungen der Klagepartei zu den umfassenden Modernisierungen in den Jahren 2004 und 2012 mit der Folge, dass dem streitgegenständlichen Anwesen aktuell kein Aufwertungspotential mehr zuzuschreiben ist, von der Beklagten nicht bestritten werden und den Tatsachen entsprechen.
2.2 Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch das Verdrängungspotential der zur Genehmigung beantragten Maßnahme in Bezug auf den streitgegenständlichen Gebäudekomplex zu beurteilen.
Bei der Verdrängungsgefahr ist zu hinterfragen, ob – sollte durch die Umwandlung in Wohnungs- und Teileigentum den Mietern des streitgegenständlichen Anwesens der Verlust ihrer Wohnungen drohen – bereits hierdurch die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus städtebaulichen Gründen gefährdet wird. Soweit dies aufgrund einer mangelnden Gewichtigkeit in Bezug auf das Erhaltungssatzungsgebiet zu verneinen wäre, ist nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 1997 (a. a. O.) zu berücksichtigen, inwieweit die beantragte Maßnahme durch eine etwaige Vorbildwirkung die Gefahr in sich birgt, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im Erhaltungssatzungsgebiet zu gefährden.
2.2.1 Eine potentielle Verdrängung von 80 Mietern kann – wenn auch in geringem Maße – Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung haben.
Allerdings besteht bei der Begründung von Wohnungs- und Teileigentum im streitgegenständlichen Anwesen aufgrund der Sozialcharta der Klägerin keine konkrete Verdrängungsgefahr.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Schutz der Mieter durch die Sozialcharta dem Kündigungsschutz der einschlägigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht nur allenfalls gleichwertig.
Die Verpflichtungen der Sozialcharta sind sowohl für die Klägerin als auch für etwaige Käufer der Wohnungen bindend, weil diese unter Vermeidung hoher Vertragsstrafen in den notariellen Kaufverträgen an die Käufer weiterzugeben sind. Im Hinblick auf die detaillierten Festlegungen der Weitergabe-, Einhaltungs- und auch Überwachungsverpflichtungen – die jeweils hoch vertragsstrafenbewehrt sind – hat das Gericht keine Zweifel daran, dass die Bestimmungen auch umgesetzt werden; auch die Beklagte hat insoweit keinerlei Bedenken geäußert.
Nach den Bestimmungen der Sozialcharta besteht bis zum 27. Mai 2023 ein Schutz aller Mieter vor Eigenbedarfskündigungen und Kündigungen zum Zwecke der besseren wirtschaftlichen Verwertung. Damit geht dieser Schutz zeitlich über den Kündigungsschutz des § 577a Abs. 1 BGB nach Umwandlung und auch über den des Umwandlungsverbotes gemäß § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB i. V. m. § 5 DVWoR hinaus.
Zwar betreffen der Kündigungsschutz nach Umwandlung einerseits und das Umwandlungsverbot andererseits zwei verschiedene Rechtsvorgänge. Sowohl das Kündigungsverbot als auch das Umwandlungsverbot dienen letztlich aber demselben Zweck, nämlich die Mieter vor dem Verlust der Wohnung zu schützen.
Zwar soll dem Umwandlungsverbot – im Gegensatz zu den Kündigungsschutzregeln – keine Mieterschutzfunktion zukommen, sondern es soll die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus städtebaulichen Gründen bewahren. Allerdings ist der Erhalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung ohne den Schutz der Mieter, aus denen – jedenfalls die gefährdete – Wohnbevölkerung besteht, nicht denkbar.
Dies räumt auch das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 18. Juni 1997 (a. a. O. – juris Rn. 18) ein, indem dort ausgeführt wird, dass die Erhaltungssatzung als städtebauliches Element – und dementsprechend auch die hieraus resultierenden Einschränkungen – jedenfalls nicht unmittelbar dem Schutz einzelner konkreter Bewohner, sondern dem allgemeinen und längerfristigen Ziel dient, die Struktur der Wohnbevölkerung zu erhalten. Das Schutzziel der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung kann aber nur erreicht werden, wenn verhindert wird, dass die ansässigen Mieter ihre Wohnungen verlieren, weshalb deren Schutz eine maßgebliche Rolle bei dem Erhalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zukommt.
Der Umstand, dass der bayerische Verordnungsgeber mit § 1 Abs. 2 Wohngebieteverordnung (WoGeV) vom 10. November 2015 (GVBl. 2015, S. 398) von der Ermächtigung des § 577a Abs. 2 BGB Gebrauch gemacht hat und in Gebieten, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist – wozu nach der Anlage der genannten Verordnung auch … gehört – die Frist des § 577a Abs. 1 BGB von 3 Jahren auf 10 Jahre verlängert hat, vermag den Schutz durch die Sozialcharta – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht zu relativieren.
Vielmehr wird hierdurch auch der Schutz der Mieter des streitgegenständlichen Anwesens und in Erhaltungssatzungsgebieten – soweit diese in den nach der Anlage 1 der Verordnung genannten Gemeinden liegen – intensiviert. Dies hat auch Einfluss auf die Beurteilung der Verdrängungsgefahr durch die Umwandlung in Wohnungs- und Teileigentum und kann bei der Einzelfallprüfung nicht außer Acht gelassen werden.
Schließlich weist die Sozialcharta der Klägerin noch einen weiteren Schutzmechanismus auf, der die Kündigung von Mietern über 60 Jahren und/oder mit Schwerbehinderung einschließlich deren Ehe- und Lebenspartnern – wobei deren Alter wiederum keine Rolle spielt – gänzlich ausschließt. Hierbei handelt es sich nach Auffassung des Gerichts um einen per se städtebaulich relevanten Mieterschutz, da hier ein Personenkreis vor dem Verlust der Wohnung geschützt wird, der in besonderem Maße auf die in seinem Umfeld vorhandene städtebauliche Infrastruktur angewiesen ist.
Das Gericht folgt nicht der Auffassung der Beklagten, dass der absolute Kündigungsschutz für über 60-jährige Mieter und/oder Mieter mit Schwerbehinderung und jeweils deren Ehe-/Lebenspartnern nicht über den Schutz des § 574 BGB hinausgeht.
Zum einen kann schon der Ausschluss eines Kündigungsrechts nicht mit einem Widerspruchsrecht gegen eine Kündigung gleichgesetzt werden, da es sich um verschiedene Schutzinstrumente handelt. Nach § 574 Abs. 1 BGB kann der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushaltes eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.
Nach § 574 Abs. 2 BGB liegt eine Härte auch vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann. Anders als bei dem Schutz vor Kündigung einer bestimmten Personengruppe müssen hier die jeweils betroffenen Mieter im Einzelfall nachweisen, dass die Kündigung für sie eine Härte bedeutet. Allein hierdurch wird offensichtlich, dass das Schutzniveau ein völlig anderes ist.
Im Übrigen kann nicht davon ausgegangen werden, dass jeder über 60-jährige Mieter entweder aufgrund seiner gesundheitlichen Konstitution und/oder der Schwierigkeit, sich auf dem Mietwohnungsmarkt zu behaupten, eine unzumutbare Härte geltend machen kann.
Auch bedeutet das Vorliegen einer Härte nicht ohne weiteres – anders als beim Schutz durch die Sozialcharta – dass das Mietverhältnis auf Dauer fortgesetzt werden kann bzw. aus Sicht des Vermieters werden muss. Zur Durchsetzung des Widerspruchsrechts nach § 574 BGB bedarf es ferner einer Interessenabwägung, bei der durchaus die Möglichkeit besteht, dass sich die Interessen des Vermieters auch gegen die über die kündigungstypischen Erschwernisse hinausgehenden Belastungen eines Mieters durchsetzen können.
Es ist daher für das Gericht offensichtlich, dass der Kündigungsschutz des genannten Personenkreises durch die Sozialcharta weit über den Schutz hinausgeht, den § 574 BGB eben diesem Personenkreis bietet.
Hieran ändert auch der Einwand der Beklagten, dass der Kündigungsschutz der Sozialcharta nur für Mieter gelte, die am Vollzugstag – 27. Mai 2013 – die Voraussetzungen erfüllen, nichts. Gerade Erhaltungssatzungsgebiete dürften eher in geringem Maße von freiwilliger Fluktuation betroffen sein, anderenfalls wären sie nicht schutzwürdig. Soweit vereinzelte Neumieter dem Schutz der Sozialcharta nicht unterfallen, dürfte dies schon auf die Zusammensetzung der Mieterschaft des streitgegenständlichen Anwesens und erst recht auf die Wohnbevölkerung im Erhaltungssatzungsgebiet von vernachlässigbarem Einfluss sein. Abgesehen davon werden diese „Neumieter“ vor entsprechenden Kündigungen durch § 1 Abs. 2 WoGeV geschützt. Im Übrigen weist auch § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB nicht den Perfektionsgrad bezüglich des Schutzes der Mieter vor Verlust ihrer Wohnungen auf, wie ihn die Beklagte offensichtlich fordert. § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB beschränkt den kaufberechtigten Personenkreis nicht auf die jeweiligen Mieter der zu verkaufenden Wohnung (Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Komm. zum BauGB, § 172 Rn. 199a), so dass ein Mieter nicht nur eine, sondern mehrere andere Wohnungen erwerben kann. Hierdurch können sich ebenfalls Veränderungen in der Zusammensetzung der Mietergemeinschaft ergeben.
Aufgrund der dargestellten Schutzmechanismen der Sozialcharta, die jedenfalls bis Mai 2023 greifen, ist auszuschließen, dass auch nur einzelne Bestandsmieter des streitgegenständlichen Anwesens bis zu diesem Zeitpunkt einem Verlust der Wohnung ausgesetzt sein könnten. Das Umwandlungsverbot gemäß § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB i. V. m. § 5 DVWoR ist an die Geltungsdauer der Erhaltungssatzung geknüpft und daher – zunächst – auch bis 20. August 2018 befristet.
Eine Verdrängung von Teilen der angestammten Wohnbevölkerung ist daher aufgrund der Begründung von Wohnungs- und Teileigentum am streitgegenständlichen Anwesen für einen längeren Zeitraum als den, für den die Erhaltungssatzung und das Umwandlungsverbot Geltung beanspruchen können, nicht gegeben. Der angenommenen Verdrängungsgefahr durch Umwandlung liegt – die grundsätzlich sicherlich zutreffende – Überlegung zugrunde, dass Einzeleigentümer von Wohnungen eher in der Lage sind, Eigenbedarf und/oder bessere wirtschaftliche Verwendung als Kündigungsgrund geltend zu machen, als ein Eigentümer von Wohnungen eines einheitlichen, nicht aufgeteilten Gebäudekomplexes. Diese, das Umwandlungsverbot rechtfertigende Überlegung trifft aller-dings nicht – mehr – zu, wenn der oder die Käufer der – umgewandelten – Eigentumswohnungen aufgrund vertraglich bindender und auch sonstiger rechtlicher Schutzmechanismen nicht – mehr – in der Position sind, derartige Kündigungen durchzusetzen. Soweit die Situation für die Bestandsmieter – und damit auch der Teil der im Erhaltungssatzungsgebiet angestammten Bevölkerung, die von dem Kündigungsverbot betroffen ist – durch die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum nicht verschlechtert werden kann, fehlt der rechtfertigende Grund für die Versagung der Genehmigung.
So liegt der Fall hier.
Für keinen der Bestandsmieter des streitgegenständlichen Anwesens besteht – unabhängig von den Eigentumsverhältnissen vor oder nach der Umwandlung in Eigentumswohnungen – die Gefahr, bis 2023 die Wohnung durch Kündigung zu verlieren, soweit nicht – insoweit unbeachtliche – Gründe für eine fristlose Kündigung vorliegen. Etwaige Kündigungsmöglichkeiten nach diesem Zeitraum sind aufgrund der ohnehin kürzeren Geltungsdauer der Erhaltungssatzung – die insoweit Grundlage des Umwandlungsverbotes ist – nicht zu berücksichtigen. Die Versagung eines Anspruchs kann nur auf der Basis des aktuellen Rechts erfolgen und nicht im Hinblick auf eine vermutete, zukünftige Rechtslage. Die Verlängerung der Erhaltungssatzung bzw. deren Neuerlass nach Ablauf der Geltungsdauer der vorangegangenen erfolgt nicht automatisch, sondern kann nur aufgrund einer Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den (Neu-)Erlass einer Erhaltungssatzung erfolgen. Daher kann zum Zeitpunkt der Beurteilung der Versagung gemäß § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB nicht die Weitergeltung der Erhaltungssatzung in ihrer aktuellen Form über ihre Geltungsdauer hinaus unterstellt werden. Dies gilt umso mehr, als bei der Erhaltungssatzung „…- und …platz“ vom 6. August 2012 die entsprechenden Untersuchungen zu dem Ergebnis geführt haben, dass im Erhaltungssatzungsgebiet nur eine zu Teilen als verdrängungsgefährdet einzustufende Bevölkerung vorhanden ist. Von einer Prognosesicherheit hinsichtlich eines Neuerlasses kann daher – unabhängig davon, dass eine solche Prognose nicht zur Grundlage der streitgegenständlichen Genehmigung gemacht werden kann – ohnehin nicht die Rede sein.
2.2.2 Die Erklärung der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016, dass es nach der Lebenserfahrung nach der Umwandlung in Eigentumswohnungen häufiger zu Mieterhöhungen komme, bewegt sich nach Auffassung des Gerichts im spekulativen Bereich, zumal hierfür keinerlei Belege erbracht worden sind.
Es ist nicht ersichtlich, weshalb Einzeleigentümer einer oder auch mehrerer Eigentumswohnungen eher die maximal mögliche Miete durchzusetzen versuchen, als der oder die Eigentümer eines größeren Mietwohnungskomplexes. Vielmehr dürfte dem Einzeleigentümer die Durchsetzung einer Mieterhöhung eher schwerer fallen, da dieser bei der vorauszusehenden Auseinandersetzung mit dem Mieter auf sich allein gestellt ist. Hinter dem Eigentümer eines Mietwohnungskomplexes steht dagegen in der Regel ein größerer Verwaltungsapparat mit den entsprechenden Fachleuten. Hierbei kann in der Regel sowohl auf ein besseres Know-how als auch auf höhere finanzielle Ressourcen zur Durchsetzung der Mieterhöhungsansprüche zurückgegriffen werden. Dies gilt umso mehr, wenn es sich bei einem solchen Eigentümer um eine Wohnungsbaugesellschaft handelt, die schon gegenüber ihren Gesellschaftern zur Gewinnmaximierung verpflichtet ist.
In Hinblick auf diese, für die Erhaltung der Mietergemeinschaft als Teil der betroffenen Wohnbevölkerung wirksamen Schutzmechanismen, kommt es nicht darauf an, ob die in der Sozialcharta zusätzlich festgeschriebenen Bestimmungen bezüglich des Ausschlusses von Luxusmodernisierungen (Ziffer 2.3) und Mieterhöhungen (Ziffer 2.4) über den gesetzlichen Schutz hinausgehen.
2.3 Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich die Versagung der Genehmigung gemäß § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB i. V. m. § 5 DVWoR auch nicht mit einer Gefährdung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aufgrund einer entsprechenden Vorbildwirkung rechtfertigen.
Zwar stellte das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 18. Juni 1997 (a. a. O.) hinsichtlich der Frage, ob der genehmigungspflichtigen Maßnahme eine solche Wirkung zugeordnet werden kann, auf deren generelle Geeignetheit im Sinne einer Vorbildwirkung ab, da die seinerzeit zu beurteilende Baumaßnahme – Einbau einer Loggia – innerhalb eines größeren Satzungsgebiets kaum jemals unmittelbar zu einer städtebaulich ins Gewicht fallenden Änderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung führen würde.
Anders als eine bauliche Einzelmaßnahme, die allenfalls für den betroffenen Mieter Auswirkungen hat, aber schon im Hinblick auf die Zusammensetzung der Bewohner des betroffenen Gebäudes von untergeordneter Bedeutung ist, wird von der Begründung von Wohnungseigentum die gesamte Mietergemeinschaft erfasst, die jedenfalls bei größeren Gebäudekomplexen bei der Zusammensetzung der Wohn-bevölkerung durchaus eine Rolle spielen kann. Insoweit ist der hier zur Genehmigung gestellte Lebenssachverhalt mit dem der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im genannten Urteil zugrunde liegenden schon nicht ohne weiteres vergleichbar.
Selbst wenn man von einer Vergleichbarkeit im Hinblick auf die Vorbildwirkung ausgehen wollte, ist hier die streitgegenständliche Einzelmaßnahme zu beurteilen und nicht – wie dies durch die Beklagte geschehen ist – die Art der Maßnahme im Allgemeinen. Dies wird den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 18. Juni 1997 (a. a. O.) nicht gerecht. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass es darauf ankomme, „ob die einzelne Maßnahme aufgrund ihrer Vorbildwirkung geeignet ist, eine Entwicklung in Gang zu setzen, die tendenziell die Veränderung der Zusammensetzung der vorhandenen Wohnbevölkerung nach sich zieht“. Daher muss die einzelne Maßnahme eine entsprechende Vorbildwirkung entfalten. Vorbildwirkung bedeutet, dass sich einer oder mehrere Antragsteller/Bauherren auf eine verwirklichte Maßnahme mit dem Anspruch auf Gleichbehandlung berufen können. Eine entsprechende Gleichbehandlung muss nicht erfolgen, wenn unterschiedliche Auswirkungen zu erwarten sind. Dementsprechend kann sich die Vorbildwirkung nicht an einer ihrer speziellen Ausgestaltung entkleideten und aus dem Kontext genommenen Maßnahme orientieren. Auch die bloße grundsätzliche Gleichartigkeit von Maßnahmen reicht nicht für eine Bezugsfallwirkung aus, zumal der Begriff der Gleichartigkeit auch vom Abstrahierungsgrad abhängig ist. Für eine Berufung auf einen – zum Tragen kommenden – Bezugsfall kann die Vergleichbarkeit nicht nur an Hand eines möglicherweise weit gefassten Oberbegriffs – z. B. bauliche Maßnahme – und/oder der abstrakten Fallkonstellation bemessen werden, sondern nur Hand des konkreten Einzelfalls.
Da die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum im streitgegenständlichen Anwesen sowohl den Bestimmungen der Sozialcharta als auch der des § 2 Abs. 1 WoGeV i. V. m. § 177 a Abs. 2 BGB unterworfen ist, bedeutet sie – wie oben ausführlich unter Ziffer II. 2.2.1 dargestellt – langfristig keine Verdrängungsgefahr für die Mieterschaft des streitgegenständlichen Anwesens. Dies gilt gleichermaßen für die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum andernorts im Erhaltungssatzungsgebiet – oder auch darüber hinaus – soweit diese den gleichen Beschränkungen unterworfen ist.
Die hier zu genehmigende Maßnahme ist daher aufgrund ihrer Vorbildwirkung gerade nicht geeignet, eine Entwicklung in Gang zu setzen, die tendenziell die Veränderung der Zusammensetzung der vorhandenen Wohnbevölkerung nach sich ziehen kann. Sie ist vielmehr so gestaltet, dass die betroffene Mieterschaft vor dem Verlust ihrer Wohnungen geschützt ist. In dieser Ausgestaltung und unter den hier geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen gilt dies auch für andere vergleichbare Fälle der Begründung von Wohnungs- und Teileigentum. Die streitgegenständliche Maßnahme führt nicht zur Verdrängung der betroffenen Mieterschaft, weshalb sie auch keine negativen Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung haben kann. Aus diesem Grund kann die Genehmigung nicht mit der Berufung auf eine abstrakte Vorbildwirkung versagt werden.
2.3.2 Die von der Beklagten vorgenommene Analogie zur Vorbildwirkung bei der Begründung von Wohnungs- und Teileigentum in Fremdenverkehrsgebieten ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht zielführend, da insoweit völlig verschiedene städtebauliche Ziele im Raum stehen, die durch die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum auch entsprechend unterschiedlich beeinflusst werden.
In Fremdenverkehrsgebieten soll der entsprechende Wohnraum dem Fremdenverkehr zur Verfügung stehen. Die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum beinhaltet hier in der Tat die Gefahr, dass eine Eigentumswohnung zweckentfremdet und als Zweitwohnung genutzt wird. Diese Gefahr besteht bei einer nicht in Eigentumswohnungen aufgeteilten Ferienwohnanlage in deutlich geringerem Maße, da dies eine relativ unwirtschaftliche Daueranmietung voraussetzen würde. Der Anreiz, eine Eigentumswohnung, die in der Regel gleichzeitig als Kapitalanlage und/oder auch zukünftiger Alterswohnsitz dient, als Zweitwohnung unter Ausschluss der Fremdvermietung zu Ferienwohnzwecken zu nutzen, ist ungleich größer als zu diesem Zweck eine Ferienwohnung dauerhaft zu mieten. Vor allem besteht hier durch die Vorbildwirkung die Gefahr der Umwandlung eines Fremdenverkehrsgebiets in ein Zweitwohnungsgebiet (sog. „Rolladensiedlung“, vgl. BVerwG, U.v. 27.9.1995 – 4 C 12.94 – juris), da die seltener genutzten Zweitwohnungen einen gewissen Verödungseffekt haben, der der Umgebung Attraktivität entzieht, was wiederum weitere Begehrlichkeiten hinsichtlich der Begründung von Wohnungs- und Teileigentum wecken dürfte.
Damit sind die Gefahren für die städtebaulichen Ziele in Fremdenverkehrsgebieten bei der Begründung von Wohnungs- und Teileigentum einerseits und der in Erhaltungssatzungsgebieten andererseits nicht vergleichbar, ganz abgesehen davon, dass für die städtebaulichen Ziele im vorliegenden Fall Schutzmechanismen (siehe Ziffer II. 2.1 und Ziffer II. 2.2) vorhanden sind.
2.4 Die ausschließlich auf einer abstrakten Vorbildwirkung beruhende Versagung der streitgegenständlichen Genehmigung steht auch mit Art. 14 Grundgesetz (GG) nicht im Einklang.
§ 172 Abs. 1 und 4 BauGB entziehen keine konkreten Eigentumspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben, sondern beschränken generell und abstrakt die Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks bzw. der hierauf befindlichen Wohngebäude. Sie bestimmen also nur Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Allerdings ist hierbei der Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG Rechnung zu tragen (BVerwG, B.v. 18.7.1997 – 4 BN 5/97, NVwZ-RR 1998, 225 bis 229). Das Wohl der Allgemeinheit ist nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Belastungen. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weiter gehen als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. Der Kernbereich der Eigentumsgarantie darf dabei nicht ausgehöhlt werden. Zu diesem gehört sowohl die Privatnützigkeit – also die Zuordnung des Eigentumsobjekts zu einem Rechtsträger, dem es als Grundlage privater Initiative von Nutzen sein soll – als auch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand (BVerfG, B.v. 2.3.1999 – 1 BvL 7/91, BVerfGE 100, 249 bis 263; BVerfG, B.v. 30.11.1988 – 1 BvR 1301/84, BVerfGE 79, 174/198; BVerfG, B.v. 23.9.1992 – 1 BvL 15/85 und 1 BvL 36/87, BVerfGE 87, 114/128; BVerfG, B.v. 22.11.1994 – 1 BvR 351/91, BVerfGE 91, 294/308). Es ist dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, eigentumsbeschränkende Maßnahmen, die er im öffentlichen Interesse für geboten hält, auch in Härtefällen durchzusetzen, wenn er durch kompensatorische Vorkehrungen unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Belastungen des Eigentümers vermeidet und schutzwürdigem Vertrauen angemessen Rechnung trägt (BVerfG, B.v. 30.11.1988, a. a. O., S. 192; BVerfG, B.v. 9.1.1991 – 1 BvR 929/89, BVerfGE 83, 201 ff.). Sollen Ausgleichsregelungen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in besonderen Härtefällen wahren, verlangt die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG allerdings, dass in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums so weit wie möglich erhalten. Als Instrumente stehen dem Gesetzgeber dabei Übergangsregelungen, Ausnahme- und Befreiungsvorschriften zur Verfügung. Im vorliegenden Fall sind dies das – hier streitgegenständliche – präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt des § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB und die festgelegten Genehmigungstatbestände des § 172 Abs. 4 Sätze 2 und 3 BauGB. Durch diese Regelungen sollen unverhältnismäßige oder gleichheitssatzwidrige Beschränkungen des Grundeigentums durch die Verbote des § 172 Abs. 1 BauGB verhindert werden.
Ebenso wie das Ermessen des Gesetzgebers beim Erlass inhalts- und schrankenbestimmender eigentumsrechtlicher Regelungen durch das Gebot gerechter Abwägung begrenzt ist, gilt dieses auch, soweit beim Vollzug dieser Normen aufgrund der oben genannten Ausgleichsregelungen Spielräume bestehen (st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts, vgl. zuletzt B.v. 20.2.2008 – 1 BvR 2722/06 – juris Rn. 54; B.v. 29.7.2009 – 1 BvR 1606/08 – juris RdNr. 32). Die Einzelmaßnahme ist dann selbstständig an Art. 14 Abs. 1 und 2 GG zu messen. Exekutive und Rechtsprechung haben grundsätzlich die gleichen Grenzen zu beachten wie der Gesetzgeber; vor allem müssen sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren, wobei auf den Einzelfall abzustellen ist, während der Gesetzgeber eine gewisse Typisierungsbefugnis hat.
Der von der Beklagten praktizierte Vollzug des Erlaubnisvorbehalts des § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB steht mit diesen Grundsätzen nicht in Einklang. Das Verbot der Begründung von Wohnungs- und Teileigentum ist kein Selbstzweck. Soweit hiervon keine durch das Verbot zu verhindernden Gefahren ausgehen (vgl. oben Ziffer II. 2.1 und Ziffer II. 2.2), ist die Versagung der Genehmigung unverhältnismäßig und verstößt gegen das Übermaßverbot. Das gleiche gilt für das Abstellen auf eine bloße abstrakte Vorbildwirkung der begehrten Maßnahme. Wie unter Ziffer II. 2.3 dargelegt, kann die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum im streitgegenständlichen Einzelfall keinen Bezugsfall für die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum in Erhaltungssatzungsgebieten im Allgemeinen darstellen, da Gleichbehandlungsansprüche auch nur im Rahmen gleicher Sachverhalte und gleicher rechtlicher Konsequenzen mit Erfolg gestellt und durchgesetzt werden können.
Im Ergebnis führt diese Handhabung der Beklagten zu einem vollständigen Verbot der Begründung von Wohnungseigentum in Erhaltungssatzungsgebieten. Fallgestaltungen, die eine Erlaubnis nach § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB rechtfertigen würden, sind praktisch nicht mehr vorstellbar, da weder das konkrete Anwesen noch die konkrete Maßnahme in den Blick genommen werden.
III.
Da die Klägerin dementsprechend einen Anspruch auf Genehmigung der begehrten Maßnahme nach § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB hat, kann letztlich offen bleiben, wie weit der Genehmigungsanspruch nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 4 BauGB reicht. Nach dieser Vorschrift ist die Genehmigung ferner zu erteilen, wenn ohne die Genehmigung Ansprüche Dritter auf Übertragung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht erfüllt werden können, zu deren Sicherung vor dem Wirksamwerden des Genehmigungsvorbehalts eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist. Vorliegend ist vor Inkrafttreten des § 5 DVWoR für eine Käuferin für eine Sondereigentumswohneinheit verbunden mit einem Miteigentumsanteil in Höhe von 84,05/10.000 eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen worden. Es stellt sich daher im Zusammenhang mit § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 4 BauGB die Frage, ob auf der Basis der Teilungserklärung vom 10. Februar 2014/13. Februar 2014 ein Genehmigungsanspruch für alle 80 Sonderwohnungseigentumswohneinheiten verbunden mit den zugehörigen Miteigentumsanteilen sowie der Aufteilung in drei Teileigentumseinheiten oder nur für die Aufteilung in den vormerkungsgesicherten Anspruch, d. h. die Miteigentumsanteile in Höhe von 84.05/10.000 verbunden mit der Sondereigentumseinheit Nr. 26 und einem Miteigentumsanteil in Höhe von 9.815,05/10.000 verbunden mit dem Sondereigentum an den Wohnungen Nr. 1 – Nr. 25 und Nr. 27 – Nr. 80 – ganz abgesehen davon, dass der Anspruch auf die Bildung der 3 gewerblich genutzten (Teileigentums-)Einheiten ohnehin gegeben ist – besteht. Wohnungseigentum für die genannten Miteigentumsanteile verbunden mit dem entsprechenden Sondereigentum kann ohne die Begründung zumindest eines weiteren Miteigentumsanteils verbunden mit dem Sondereigentum an den restlichen Wohnungen nicht geschaffen werden, da isolierte Miteigentumsanteile nicht möglich sind (Palandt, Kom. zum BGB 74. Aufl., Rn. 2 zu § 3 WEG).
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist allerdings keine Rechtsgrundlage ersichtlich, aufgrund derer die Klägerin von der Käuferin des oben genannten Miteigentumsanteils verbunden mit dem Sondereigentum an den Wohnungen Nr. 26 eine Mitwirkung an der Änderung der Teilungserklärung vom 10. Februar 2013/13. Februar 2014 verlangen könnte.
Für die mindestens zu begründenden 2 Miteigentumsanteile bedarf es, auch wenn hierfür die Teilungserklärung zu ändern wäre, keiner Zustimmung der vormerkungsberechtigten Käuferin. Ein Wohnungseigentümer kann eine in seinem Eigentum stehende Einheit ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer auch nachträglich aufteilen (BGH, U.v. 27.3.2012 – V ZR 2011/11 und BGH, B.v. 24.11.1978 – V ZB 2/78, BGHZ 73, 150-156). Entgegen der Ansicht der Klägerin führt die Entscheidung des Bayrischen Obersten Landesgerichts (BayObLG, B.v. 24.06.1993 – 2 Z BR 56/93, NJW-RR 1993,1362-1363) zu keiner anderen Beurteilung, da hier durch die einseitige Änderung auch der Gemeinschaftsordnung ein anderer Sachverhalt zugrunde lag. Vielmehr betont das BayObLG in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass, auch soweit das Wohnungseigentum mit dem Recht eines Dritten belastet ist, dessen Zustimmung hinsichtlich einer Inhaltsänderung unnötig ist, wenn seine dingliche Rechtsstellung durch die Änderung nicht berührt wird.
Dementsprechend kann ein Eigentümer erst recht sein nicht vormerkungsbelastetes Eigentum ohne Mitwirkung des Vormerkungsberechtigten neu aufteilen oder auch wieder zusammenfassen. Daher kann auch eine Änderung der Teilungserklärung ohne Zustimmung der Käuferin vorgenommen werden, soweit sie nicht die vormerkungsbelasteten Miteigentumsanteile betrifft.
Da ein Miteigentumsanteil auch mit mehreren in sich abgeschlossenen Sondereigentumseinheiten verbunden werden kann (Timme, Komm. zum WEG, 2. Aufl. 2014, § 7 Rn. 20; Kammergericht Berlin, B.v. 27.6.1989 – 1 W 2309/89, NJW-RR 1989, 1360 bis 1362 – juris), dürfte eine Änderung der Teilungserklärung ohnehin nicht notwendig sein. Die Begründung von Wohnungseigentum wird erst mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher wirksam, § 8 Abs. 2 Satz 2 WEG. Für den Vollzug der Aufteilung nach § 8 WEG im Grundbuch ist die Bewilligung nebst Antrag des aufteilenden Eigentümers gemäß § 19 GBO in der Form des § 29 GBO nötig und ausreichend (Timme, Beck´scher Online-Kommentar zum WEG, § 8 Rn. 19). Der Eintragungsantrag muss bei einer Teilung gemäß § 8 WEG angeben, welche Regelungen der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung neben der Aufteilung zum Gegenstand der Grundbucheintragung werden sollen, da nur die zur Eintragung beantragten Bestimmungen nach ihrer Eintragung gegenüber den Rechtsnachfolgern wirken (vgl. Beck´scher Online-Kommentar, a. a. O., Rn. 20). Dementsprechend könnte die Klägerin auf der Basis der vorhandenen Teilungserklärung einen Eintragungs-antrag für die Anlegung von zwei Wohnungsgrundbüchern stellen, die jeweils den Miteigentumsanteil der Käuferin verbunden mit der dazugehörigen Sondereigentumseinheit und den restlichen Miteigentumsanteil in Höhe von 9.815,04/10.000 verbunden mit dem Sondereigentum an den Wohnungen Nrn. 1 – 25 und 27 – 80 beinhaltet.
Insoweit würden die einschlägigen Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes i. V. m. denen der Grundbuchordnung einer eingeschränkten Genehmigung der Begründung von Wohnungs- und Teileigentum in einer, durch einen entsprechenden Eintragungsbewilligungsantrag modifizierten Form der Teilungserklärung nicht entgegenstehen.
Allerdings ist der Klagepartei zuzugeben, dass ein solcher Vollzug der Teilungserklärung in modifizierter Form die zur Genehmigung gestellte Teilung in ihrem Wesen verändern würde. Dies wäre auch nicht ohne Auswirkung auf die Käuferin, da deren Stellung innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft eine andere würde als beim Vollzug der Teilungserklärung in der ursprünglich beabsichtigten Aufteilung. Für eine derartige Auslegung des Genehmigungsanspruchs nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 4 BauGB könnte auch der Gesetzeswortlaut sprechen, wonach die Genehmigung zu erteilen ist, wenn – und nicht soweit – ohne die Genehmigung Ansprüche Dritter auf Übertragung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht erfüllt werden können, zu deren Sicherung vor dem Wirksamwerden des Genehmigungsvorbehalts eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist. Auch konfrontierte eine enge Auslegung dieses Genehmigungstatbestandes ausschließlich zugunsten der Käuferin den Verkäufer mit einer Miteigentumsbildung, die sich gegenüber der beabsichtigten und bereits vor Wirksamwerden des Genehmigungsvorbehalts in die Wege geleiteten Aufteilung als völlig anders darstellen würde. Da der Verkäufer aufgrund der Vormerkung(en) die Teilung nicht insgesamt rückgängig machen könnte, würde die bei einer solchen Auslegung des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 4 BauGB eintretende – nicht gewollte – Rechtsfolge eine für ihn nicht unerhebliche Belastung darstellen. Dies könnte auch für einen Genehmigungsanspruch auf der Basis der ursprünglichen – vor Wirksamwerden des Genehmigungsvorbehalts – erfolgten Teilungserklärung sprechen. Dies gilt umso mehr, als der Verordnungsgeber die Regelung in § 5 DVWoR ohne eine Übergangsregelung kurzfristig geschaffen und in Kraft gesetzt hat.
IV.
Da die Klägerin aber bereits aufgrund der Vorschrift des § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB einen Anspruch auf – uneingeschränkte – Genehmigung der Begründung von Wohnungs- und Teileigentum in der von ihr beabsichtigten Form hat (II.), bedarf es keiner abschließenden Klärung der im Zusammenhang mit § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 4 BauGB auftretenden Rechtsfragen.
V.
Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 415.000,– festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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