Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Gerichtsvollziehererinnerung – Inhaltliche Bestimmtheit von Räumungstiteln

Aktenzeichen  14 T 6466/17

Datum:
24.5.2017
Fundstelle:
ZMR – 2017, 941
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 793

 

Leitsatz

1. In einem Räumungsurteil ist die zu räumende Wohnung mit der Angabe des Stockwerkes sowie der Angabe links, Mitte oder rechts, hinreichend bestimmt. Dabei ist die Richtungsangabe stets so zu verstehen, dass diese sich von der Straße aus, dem Haus zugewandt, vor diesem stehend, bemisst. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch die Angabe einer Wohnungsnummer nach einem Aufteilungsplan ist zur hinreichenden Bestimmtheit eines Räumungstitels ausreichend. Dabei braucht der Aufteilungsplan nicht mit dem Titel verbunden zu sein, da er als Bestandteil des Grundbuchs allgemein zugänglich ist. (Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1508 M 226/17 2017-04-25 Bes AGMUENCHEN AG München

Tenor

I. Der Beschluss des Amtsgerichts München vom 25.04.2017 wird aufgehoben.
II. Die Obergerichtsvollzieherin Monika Vierthaler wird angewiesen, auf den Räumungsantrag vom 28.11.2016 hin die Zwangsräumung der Wohnung Lortzingstraße 16, 81241 München, 4. OG rechts, Wohnung Nr. 8 gemäß beigefügten Aufteilungsplan durchzuführen und die vorgenannte Wohnung zu räumen.
III. Die Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens hat der Schuldner zu tragen.
IV. Der Beschwerdewert wird auf 10.208,88 € festgesetzt.
V. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Die Gläubiger betreiben gegen den Schuldner die Vollstreckung aus dem rechtskräftigen Versäumnisurteil des Amtsgerichts München vom 12.10.2016, mit welchem der Schuldner verurteilt wurde, die von ihm innegehaltene Wohnung zu räumen. Im Tenor des Versäumnisurteils ist bezüglich der Räumungsvollstreckung wie folgt tenoriert: „Der Beklagte wird verurteilt, die Wohnung Lo. straße 16, 8. M., bestehend aus einem Zimmer, Küche, Bad, Wohnungsnummer 8 gemäß Aufteilungsplan, gelegen im 4. OG rechts zu räumen und geräumt an die Kläger herauszugeben.“
Mit dem Versäumnisurteil ist ein Aufteilungsplan nicht verbunden.
Mit Zwangsvollstreckungsauftrag vom 28.11.2016 beauftragten die Gläubiger die zuständige … Mo. V. mit der Zwangsräumung des zu räumenden Objekts.
Die Zwangsräumung wurde von Seiten der Gerichtsvollzieherin abgelehnt, da die Lage der Wohnung im Titel nicht ausreichend bezeichnet sei.
Gegen die Weigerung der Gerichtsvollzieherin, den Vollstreckungsauftrag durchzuführen, legten die Gläubiger mit Schriftsatz vom 09.01.2017 Erinnerung ein und führten aus, dass der Titel ausreichend bestimmt sei, da die Wohnung des Schuldners aufgrund der Bezugnahme auf den Aufteilungsplan ausreichend konkretisiert sei. Ein Beifügen des Aufteilungsplans sei nicht notwendig, da dieser allgemein zugänglich sei.
Die Gerichtsvollzieherin nahm auf die Erinnerung Stellung und führte aus, dass ein Aufteilungsplan gerade nicht vorliege, die Wohnungen nicht nummeriert seien und es nicht genau beschrieben ist, von wo aus rechts die Wohnung liegt.
Im Folgenden wurde von Seiten der Gläubiger der Aufteilungsplan nochmals an die Gerichtsvollzieherin übersandt.
Die Gerichtsvollzieherin nahm nach Rücksprache mit der entscheidenden Richterin zu der Bestimmtheit Stellung und führte aus, dass aufgrund des Aufteilungsplanes gerade nicht sicher sei, da dieser gerade nur von einer Partei vorgelegt wurde.
Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 25.04.2017 wurde sodann die Erinnerung zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde dem Gläubigervertreter am 02.05.2017 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom gleichen Tag, eingegangen bei Gericht ebenfalls am 02.05.2017, legten die Gläubiger gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens ein. Dieser Beschwerde half das Amtsgericht München mit Beschluss vom 05.05.2017 nicht ab und legte die Beschwerde dem Landgericht München I zur Entscheidung vor.
Dem Schuldner wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
II. Die sofortige Beschwerde der Gläubiger ist gem. §§ 793, 567 ff. ZPO zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das Amtsgericht München hat zu Unrecht die Erinnerung der Gläubiger gegen die Ablehnung der Zwangsvollstreckung durch die Gerichtsvollzieherin zurückgewiesen.
Unerheblich ist, dass der Termin zur Zwangsräumung bereits verstrichen ist. Ein Rechtsschutzbedürfnis der Gläubiger für eine Entscheidung im Beschwerdeverfahren liegt auch zum jetzigen Zeitpunkt noch vor. Denn das zugrundeliegende Erinnerungsverfahren war und ist zulässig, so lange die Individualvollstreckung noch nicht beendet ist.
Der von Seiten des Amtsgerichts München mit Versäumnisurteil vom 12.10.2016 geschaffene Titel ist ausreichend bestimmt, um eine Vollstreckung zu ermöglichen. Für die Bestimmtheit eines Räumungstitels ist erforderlich, dass aus dem Tenor des Titels heraus das zu räumende Objekt genau identifiziert werden muss. Eine derartige Identifikation ist hinsichtlich der durch den Schuldner bewohnten Wohnung ausreichend gegeben. Dies ergibt sich vorliegend aus zwei, voneinander unabhängigen Punkten:
1) Eine Bestimmtheit des Titels ist bereits dadurch ausgeführt, dass die Wohnung als „4. OG rechts“ genau bezeichnet. Allein diese Bezeichnung ist für sich gesehen bereits ausreichendes Identifizierungsmerkmal für die zuständige Gerichtsvollzieherin. Die Einwendungen der Gerichtsvollzieherin, dass nicht ersichtlich sei, von wo die Bezeichnung rechts aus zu betrachten ist, vermag die Kammer nicht zu überzeugen. In der Titulierung von zu vollstreckenden Titels betreffend Wohnungen, ist die Bezeichnung unter Angabe des Stockwerkes sowie links, Mitte oder rechts üblich und nach dem allgemeinen Sprachgebrauch stets so zu verstehen, dass diese sich von der Straße aus, dem Haus zugewandt vor diesem stehend bemisst. Die Bezeichnung 4. OG rechts ist damit so zu verstehen, dass die Wohnung betroffen ist, welche von der Straße aus gesehen, das Gesicht dem Anwesen zugewandt sich auf der rechten Seite befindet. Zusammen mit der Angabe des Namensschildes sowie der Aufteilung der Wohnung nämlich mit einem Zimmer sowie Nebenräumen ist es der Gerichtsvollzieherin ausreichend möglich zu identifizieren, ob es sich um die betroffene Wohnung handelt. Soweit von Seiten der Gerichtsvollzieherin eingewandt wird, dass das Namensschild stets ausgetauscht werden könne, mag dies zwar richtig sein, in Verbindung mit den weiteren Angaben ermöglicht es jedoch dennoch eine Identifizierung der Wohnung. Allein aus diesen Überlegungen heraus hält das Gericht eine Vollstreckung des Titels bereits für möglich.
2) Aufgrund der obigen Ausführungen ergibt sich die Bestimmtheit des Vollstreckungstitels nicht allein aufgrund des Aufteilungsplans, auf welchen das Versäumnisurteil Bezug nimmt. Vielmehr ermöglicht die Bezugnahme auf Wohnung Nr. 8 des Aufteilungsplanes es dem Vollstreckungsorgan, bei Unklarheiten über die Lage des Vollstreckungsobjektes durch einen Blick in dem beim Grundbuchamt gehaltenen Aufteilungsplan sich Klarheit über das Vollstreckungsobjekt zu verschaffen. Ein geschaffener Titel ist durch das Vollstreckungsorgan bei Unklarheiten auszulegen. Zur Auslegung dieses Titels hat sich das Vollstreckungsorgan ggf. weitere, öffentlich zugänglicher Quellen zu bedienen. Eine solche öffentlich zugängliche Quelle stellt das Grundbuch mitsamt der dazugehörigen Pläne dar. Ist nunmehr die Gerichtsvollzieherin auch allein aufgrund der oben geschilderten Umstände nicht in der Lage, das Vollstreckungsobjekt im Anwesen zu identifizieren, so hat sie unter Zuhilfenahme des Grundbuches auf den Aufteilungsplan Zugriff zu nehmen und aufgrund dessen das Objekt mit einer für sie ausreichenden Sicherheit zu identifizieren. Das von Seiten der Gerichtsvollzieherin darauf verwiesen wird, dass ihr es sich dabei nur um die Vorlage der Partei handelt, damit nicht sicher sei, ob dies noch dem aktuellen Stand entspricht, vermag dabei nicht zu überzeugen. Zum einen kann die Gerichtsvollzieherin selber Einsicht in die Grundbuchakten nehmen, zum anderen hätte es der Gerichtsvollzieherin aber auch frei gestanden, von Seiten der Gläubiger einen beglaubigten und aktuellen Auszug des Aufteilungsplanes anzufordern, was jedoch auch nicht erfolgt ist.
Auch die weiteren Ausführungen der Gerichtsvollzieherin, dass der Aufteilungsplan mit dem Titel nicht verbunden ist, vermag nicht zu überzeugen. Die Vollstreckung und die damit erforderliche Bestimmtheit wird vorliegend nicht erst aufgrund des Aufteilungsplanes hergestellt, dieser bildet vielmehr nur ein ggf. heranzuziehendes Objekt der Konkretisierung bzw. Auslegung des Titels. Damit ist eine Verbindung mit dem Titel bereits aus diesem Grund nicht erforderlich. Darüber hinaus stimmt die Kammer den Ausführungen des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung vom 11.04.2013 (NJW 2013, 2287) zu, wonach eine Verbindung mit Plänen, welche allgemein zugänglich sind, was jedenfalls aufgrund des berechtigten Interesses für das Grundbuch gilt, nicht notwendig ist.
Nach alldem verbleibt unter nochmaliger Würdigung der Räumungstitel des Amtsgerichts München ausreichend bestimmt, um eine Vollstreckung zu ermöglichen. Der Beschluss über die Erinnerung war daher aufzuheben, die Gerichtsvollzieherin anzuweisen, die Vollstreckung vorzunehmen.
III. Die Kosten sind gemäß § 91 ZPO dem Schuldner aufzuerlegen. Der Beschwerdewert im Räumungszwangsvollstreckungsverfahren entspricht der Höhe der Miete für ein Jahr. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Mietrecht: Was tun bei Heizungsausfällen?

Gerade in den kälteren Monaten ist eine funktionierende Heizung für die Wohnqualität von Mietern unerlässlich. Ein plötzlicher Heizungsausfall kann nicht nur unangenehm sein, sondern auch rechtliche Fragen aufwerfen. Hier sind einige wichtige Informationen, was Mieter beachten sollen.
Mehr lesen