Miet- und Wohnungseigentumsrecht

kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe

Aktenzeichen  43 O 81/19 Miet

Datum:
11.11.2019
Fundstelle:
ZMR – 2020, 743
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 157, § 242, § 544, § 580 a Abs. 2, 4, § 986

 

Leitsatz

Wird das Mietverhältnis um einen Zeitraum verlängert, ist davon auszugehen, dass ein Optionsrecht grds. mit Ablauf der um die Optionszeit verlängerten urspr. Vertragsdauer erlischt. Soll es hingegen fortbestehen, bedarf es einer unmissverständlichen Vereinbarung der Vertragsparteien. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 138.000, … € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
A.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Mieträumlichkeiten zu (§§ 546 Abs. 1, 985, 986 Abs. 1 BGB).
Die Voraussetzungen dieser Normen – wonach der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses die Rückgabe der Mietsache bzw. der Eigentümer vom Besitzer, der kein Besitzrecht (mehr) hat die Herausgabe der ihm gehörenden Sache verlangen kann – liegen im Ergebnis nicht vor, weil das unstreitig zwischen den Rechtsvorgängern der Parteien begründete Mietverhältnis nicht durch die Kündigung der Klägerin vom 06.11.2017 zum 31.12.2018 beendet worden ist und der Beklagten damit auch weiterhin ein Recht zum Besitz im Sinne von § 986 BGB zusteht.
I.
Der Klägerin steht kein Kündigungsrecht nach § 2 Abs. 2 S. 1 des Mietvertrages zu, weil die Beklagte mit Schreiben vom 01.09.2017 wirksam – und der erklärten Kündigung vorgehend – von ihrem Optionsrecht nach § 2 Abs. 2 S. 3 des Mietvertrages Gebrauch gemacht hat.
Das Optionsrecht ist nicht im Rahmen der Vertragsverlängerung am 30.08.2005 erloschen:
Das ursprünglich bis 01.02.2008 fest laufende Mietverhältnis wurde unstreitig mit Vereinbarung vom 30.08.2005 (Anlage K 2) bis zum 31.12.2013 verlängert – damit um einen Zeitraum, der den bei Ausübung nur eines der eingeräumten Optionsrechte erreichbaren Zeitraum überschreitet.
In einem derartigen Fall ist davon auszugehen, dass ein Optionsrecht grundsätzlich mit Ablauf der um die Optionszeit verlängerten ursprünglichen Vertragsdauer erlischt. Soll es hingegen fortbestehen, bedarf es einer unmissverständlichen Vereinbarung der Vertragsparteien (vgl. insb. BGH, Urteil vom 14.07.1982 – VIII ZR 196/81 = zitiert nach juris).
Im konkreten Fall wäre deshalb anzunehmen, dass jedenfalls eines der vertraglich geregelten Optionsrechte entfällt, weil die neue Festlaufzeit bis 31.12.2013 die durch Ausübung eines der Optionsrechte mögliche Vertragsdauer bis 01.02.2013 übersteigt, damit der bei Abschluss des Vertrages bedachte Sinn und Zweck des Optionsrechts erreicht ist und damit das Gestaltungsrecht erloschen ist.
Die schriftlichen vertraglichen Regelungen können allein anhand ihres Wortlauts auch nicht als ausdrücklich gegenteilige Regelung verstanden werden, da dort das Optionsrecht nicht nochmals ausdrücklich bestätigt wird. Die Formulierungen entsprechen den im vom BGH entschiedenen Fall verwendeten Formulierungen, wobei dort allein daraus eine unmissverständliche Regelung nicht abgeleitet werden konnte, weil dies zu vertraglichen Bindungen führen würde, die auch für Dauerschuldverhältnisse nicht ohne weiteres tragbar sind – auch wenn gleichzeitig die Miete erhöht wird.
Ergänzend zu den schriftlichen Vereinbarungen kann bei Auslegung der Regelungen in der Vereinbarung vom 30.08.2005 gemäß §§ 133, 157, 242 BGB hier jedoch auf die Begleitumstände und die mündlichen Erklärungen der Vertragsparteien bei Abschluss der Nachtragsvereinbarung abgestellt werden. Danach ist von einem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien zum Bestehenbleiben der Optionsrechte auszugehen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen … ist das Gericht dabei nämlich davon überzeugt (§ 286 Abs. 1 ZPO), dass es der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien war, dass die Optionsrechte trotz verlängerter Festlaufzeit bestehen bleiben sollen.
Der Zeuge … hat insoweit bekundet, dass aufgrund einer geplanten größeren Investition in das Anwesen eine Vertragsverlängerung angestrebt wurde, um die Investition rentabel erscheinen zu lassen. In diesem Zusammenhang sei mit den damaligen Vermietern … ausdrücklich darüber gesprochen worden, dass neben der Verlängerung der Festlaufzeit auch die Optionsrechte bestehen bleiben sollen und die Vermieter hätten sich ausdrücklich hiermit einverstanden erklärt (“waren erfreut“) und die schriftlichen Regelungen entsprechend verstanden.
Die Angaben des Zeugen sind dabei für das Gericht uneingeschränkt glaubhaft.
Der Zeuge hat ersichtlich aus seiner Erinnerung berichtet, wobei seine Ausführungen von hinreichenden Realitätskennzeichen durchsetzt waren – insbesondere konnte der Zeuge die Motivationslage der Beklagten (Sicherstellung der Rentabilität einer Investition) darlegen, überflüssige Details darstellen (Ablauf des Gesprächs, einer der Vermieter kommt 10 Minuten zu spät, warmer Tag) und stimmt seine Aussage mit der allgemeinen Lebenswahrscheinlichkeit überein, weil es wenig sinnhaft ist, dass die Beklagte – ohne daraus Vorteile zu ziehen, die sie bei Ausübung ihrer Rechte aus dem bestehenden Mietvertrag nicht ohnehin hat – eine Erhöhung des Mietzinses vereinbart.
Ein die Richtigkeit der Aussage in Frage stellendes Eigeninteresse ist bei dem seit knapp 10 Jahren nicht mehr für die Beklagte tätigen Zeugen (Rentner) nicht ersichtlich.
Dieser Auslegung steht auch nicht die Schriftformklausel in § 21 Abs. 1, 2 des Mietvertrages entgegen, weil mit der beiderseits als verbindlich gewollten Vereinbarung – von der die Parteien zudem ausgingen, dass sie im schriftlichen Vertrag hinreichend dargestellt ist – jedenfalls auch konkludent der Formzwang aufgehoben worden ist.
II.
Der Klägerin steht auch kein Kündigungsrecht nach § 544 BGB zu.
Unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit der Norm bei Kettenmietverträgen scheidet die Annahme eines hierauf gestützten Kündigungsrechts bereits deshalb aus, weil die Kündigungserklärung zeitlich vor Ablauf von 30 Jahren nach Überlassung der Mietsache erfolgt ist (vgl. etwa OLG Celle, NJW-RR 1994, 1473).
III.
Schließlich kann auch der Klageschrift selbst keine Kündigungserklärung nach §§ 544, 580 a Abs. 2, 4 BGB entnommen werden, weil in einer Räumungsklage nur dann eine Kündigungserklärung liegt, wenn mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, dass die Klageschrift neben der Prozesshandlung noch eine materiell – rechtliche Willenserklärung enthalten und nicht lediglich der Durchsetzung einer bereits außerprozessual erklärten Kündigung dienen soll (vgl. etwa BGH, Urteil vom 02.11.1988 – VIII ZR 7/88 = WM 1989, 153).
Derartiges kann der Klageschrift nicht entnommen werden.
B.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 91 Abs. 1 ZPO.
C.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.
D.
Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus § 42 Abs. 2 S. 1 GKG i.V.m. dem unstreitigen Mietzins von 11.500, … € / Monat und dem sich daraus ergebenden Jahreswert.

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