Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Keine Pflicht zur Duldung von fremden Mülltonnen auf dem Grundstück

Aktenzeichen  20 U 749/17

Datum:
16.8.2017
Fundstelle:
NJOZ – 2018, 901
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 157, § 242, § 917, § 1004
BayBO Art. 28 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Aus einer Baugenehmigung, zu der die Baubeschreibung die Angabe “Müllbehälter im Hof” enthält, kann ein subjektives Recht zum Aufstellen von Mülltonnen auf einem fremden Grundstück bzw. umgekehrt eine Verpflichtung des Grundstückseigentümers zu einer entsprechenden Duldung nicht abgeleitet werden. Eine Baugenehmigung – einschließlich der damit verbundenen Auflagen – hat keinen Einfluss auf private Nachbar- und Abwehrrechte. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Weder eine analoge Anwendung des § 917 BGB, wie sie für Versorgungsleitungen anerkannt ist, noch das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis als Ausprägung von § 242 BGB vermögen eine dauerhafte Mülllagerung auf fremdem Eigentum zu rechtfertigen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

23 O 867/15 2016-07-27 Endurteil LGLANDSHUT LG Landshut

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) – 3) wird das Endurteil des Landgerichts Landshut vom 08.02.2017, Az. 23 O 867/15, in Ziffern 1, 4 und 6 des Tenors teilweise abgeändert wie folgt:
1. Bezüglich der Beklagten zu 1) – 3) wird die Klage insoweit abgewiesen, als sie gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 4) in Ziffer 1 des vorgenannten Urteils verurteilt wurden, die Gebäudezufahrt, die sich in der nordseitigen, zur Parkfläche auf dem Grundstück der Klägerin Fl.-Nr. 1 der Gemarkung T./V. angrenzenden, Außenwand des auf dem Grundstück der Fl.-Nr. 1/2 stehenden Gebäudes befindet, zurückzubauen.
4. Bezüglich der Beklagen zu 1) – 3) wird die Klage insoweit abgewiesen, als sie gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 4) in Ziffer 4 des vorgenannten Urteils über einen Betrag von 334,75 € hinaus verurteilt wurden, an die Klägerin weitere außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 552,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29.04.2015 zu zahlen.
6. Die Gerichtskosten des Verfahrens erster Instanz tragen die Klägerin zu 44%, die Beklagten zu 1) – 3) als Gesamtschuldner zu 26% und die Beklagte zu 4) zu 30%. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten zu 1) – 3) als Gesamtschuldner zu 26% und die Beklagte zu 4) zu 30%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) – 3) trägt die Klägerin zu 74%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 4) trägt die Klägerin zu 19%. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagen zu 1 – 3) zurückgewiesen.
III. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
IV. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 38%, die Beklagten zu 1) – 3) als Gesamtschuldner zu 29% und die Beklagte zu 4) zu 33%. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten zu 1) – 3) als Gesamtschuldner zu 29% und die Beklagte zu 4) zu 33%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) – 3) trägt die Klägerin zu 71%. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
V. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts, soweit die Berufung der Beklagten zu 1) – 3) zurückgewiesen wurde, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
VII. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.100 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Darstellung eines Tatbestandes bedarf es nicht, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist (§ 313a Abs. 1 Satz 1, § 540 Abs. 2 ZPO, § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO).
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1) – 3) hat teilweise Erfolg, die zulässige Anschlussberufung der Klägerin ist unbegründet.
1. Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1) – 3) hat im Hinblick auf die in Ziffer 1 des erstinstanzlichen Urteils ausgesprochene Verurteilung der Beklagten zu 1) – 3) zum Rückbau der Gebäudezufahrt Erfolg. Darüber hinaus sind auch die in Ziffer 4 des Urteils zugesprochenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten, soweit sie von den Beklagten zu 1) – 3) gemeinsam mit der Beklagten zu 4) als Gesamtschuldner zu tragen sind, zu reduzieren. Im Übrigen erweist sich die Berufung der Beklagten zu 1) – 3) als unbegründet.
a) Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten zu 1) – 3) aus § 1004 Abs. 1 BGB auf Rückbau der Gebäudezufahrt, die sich in der an das Grundstück der Klägerin angrenzenden Gebäudeaußenwand befindet, besteht nicht.
Fraglich erscheint bereits, ob in der Schaffung des Zufahrtstores am Gebäude der Beklagten zu 1) bis 3) eine Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks Fl.-Nr. 1 der Gemarkung T./V. zu sehen ist. Jedenfalls aber hat die Klägerin eine etwaige Eigentumsbeeinträchtigung aufgrund der bestellten und eingetragenen Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB) zugunsten der Beklagten zu 1) bis 3) als derzeitige Erbbauberechtigte zu dulden, § 1004 Abs. 2 BGB.
Der Inhalt der Grunddienstbarkeit ist durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Die Einigung über die Bestellung und die im Grundbuch regelmäßig in Bezug genommene Eintragungsbewilligung sind in dem Messungsnachtrag vom 16.05.1984 (Anlage B 2/K 9) enthalten, der weitgehend auf die Vorurkunde zur Erbbaurechtsbestellung vom 04.10.1979 (Anlage B 1/K 8) Bezug nimmt und nunmehr auch die Eintragungsbewilligung für das Erbbaurecht enthält. In Ziffer VII. 1) des Messungsnachtrages wird einleitend ausgeführt, dass die im beigehefteten Lageplan 2 gelb schraffierte Fläche in der Natur als Geh- und Fahrtrechtsfläche und als Parkfläche ausgebaut wird und mit Betonsteinverbundpflaster zu befestigen ist, wobei die aus dem Lageplan 2 ersichtlichen Stellplätze durch schwarze Betonverbundsteine zu markieren sind. Dem jeweiligen Erbbauberechtigten wird außerdem das Recht eingeräumt, die betroffene gelb schraffierte Fläche zu begehen und zu befahren sowie zum Parken von Fahrzeugen zu benützen, und zwar in Gemeinschaft mit dem Eigentümer des betroffenen Grundbesitzes. Zur Sicherung der eingeräumten Rechte und der damit verbundenen Duldungsverpflichtungen wird sodann – beschränkt auf die gelb gekennzeichnete Fläche – eine Grunddienstbarkeit für den jeweiligen Erbbauberechtigten bestellt.
Bereits aus dieser generellen Regelung kann nach Ansicht des Senats nicht abgeleitet werden, dass die im Lageplan 2 eingezeichneten einzelnen Stellplätze verbindlich festgelegt und jegliche Veränderungen nicht mehr vom Inhalt der Grunddienstbarkeit in Form des eingeräumten Geh-, Fahrt- und Parkrechts umfasst sein sollten. Hinzu kommt, dass dem Erbbauberechtigten in Ziffer II § 3 1) der Vorurkunde ausdrücklich das Recht eingeräumt wurde, auf dem Erbbaugrundstück Betriebsgebäude für einen Gewerbebetrieb im weitesten Sinne nach eigenen Plänen mit Nebenanlagen zu errichten, ggf. abzureißen und wiederherzustellen, wobei dies im Messungsnachtrag bestätigt und ausdrücklich auf das Recht zur Errichtung von Wohnungen in dem Bauwerk erweitert wurde (Ziffer III. 2)). Das dem jeweiligen Erbbauberechtigten eingeräumte Geh-, Fahrt- und Parkrecht kann daher zwar eindeutig als auf die gelb schraffierte Fläche beschränkt, nicht aber als endgültig auf einzelne im Lageplan 2) eingezeichnete Stellplätze fixiert angesehen werden. Bei einer der Art nach gleichbleibenden Benutzung (Gewerbetrieb im weitesten Sinne), die auch eine Anlieferung von Waren über die streitgegenständliche Fläche erlaubt, da ein Befahren mit Fahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis zu sechzehn Tonnen ausdrücklich zugelassen ist (Ziffer VII. 1) des Messungsnachtrages), hat die Klägerin aufgrund der Grunddienstbarkeit auch eine Änderung wie hier bezüglich der vor der neuen Zufahrt gelegenen zwei Parkplätze zu dulden. Dies gilt umso mehr, als im Gegenzug der ursprüngliche Zugangsbereich zum Gebäude nunmehr als neue Parkfläche nutzbar wird. Eine willkürliche Änderung ist ebenfalls nicht anzunehmen, nachdem gemäß den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts auf Grundlage der Aussage des Zeugen S. von einer betriebsnotwendigen Änderung für den Gewerbebetrieb der Beklagten zu 4) auszugehen ist.
Auch die Argumentation der Klägerin zu einem Anspruch auf Wiederherstellung der ursprünglich vorhandenen Brandschutzwand wegen Verletzung von Brandschutzvorschriften mit drittschützender Wirkung (Art. 28 Abs. 2 BayBO) greift hier nicht durch, da sich die Klägerin derzeit im Verhältnis zwischen den Parteien hierauf jedenfalls wegen der eingetragenen Grunddienstbarkeit nicht berufen kann. Sie kann die streitgegenständliche Fläche ohnehin nicht bebauen, so dass der erforderliche Abstand zwischen den Gebäuden gewahrt ist.
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) – 3) war das Urteil mithin insoweit abzuändern, als sie zum Rückbau der Gebäudezufahrt verurteilt worden sind und die Klage insoweit abzuweisen.
b) Im Hinblick auf die Mülltonnen teilt der Senat hingegen die Ansicht des Landgerichts, dass die Klägerin deren Beseitigung von den Beklagten zu 1) – 3) nach § 1004 Abs. 1 BGB verlangen kann.
Eine Pflicht der Klägerin zur Duldung der Mülltonnen auf ihrem Grundstück aufgrund eines dinglichen Rechts oder Vertrages ist nicht ersichtlich, insbesondere ist das Abstellen von Mülltonnen nicht Gegenstand der Dienstbarkeit.
Entgegen der von der Berufung vertretenen Auffassung ergibt sich ein Nutzungsrecht mit dinglicher Wirkung gegenüber der Klägerin auch nicht aus § 2 Nr. 1 ErbbauG. Denn das Erbbaurecht wurde nur an dem neu gebildeten Grundstück Fl.Nr. 1/2 der Gemarkung T. bestellt und insoweit die Eintragung bewilligt, wie sich insbesondere aus dem Messungsnachtrag vom 16.05.1984 ergibt. Eine Erstreckung auf das daneben liegende Grundstück gemäß § 1 Abs. 2 ErbbauRG kommt daher nicht in Betracht.
Ebenso wenig kann aus der Baugenehmigung zum jetzigen Gebäude, zu der die damalige Baubeschreibung die Angabe „Müllbehälter im Hof“ enthielt, ein subjektives Recht der Erbbauberechtigten zum Aufstellen von Mülltonnen auf einem fremden Grundstück bzw. umgekehrt eine Verpflichtung der Klägerin zu einer entsprechenden Duldung auf ihrem Grundstück abgeleitet werden. Eine Baugenehmigung – einschließlich der damit verbundenen Auflagen, die in Bezug auf die Müllbehälter hier nicht einmal vorliegen – hat keinen Einfluss auf private Nachbar- und Abwehrrechte (vgl. BGH vom 27.05.1959, V ZR 78/58; BayObLG NJW-RR 1991, 19).
Eine analoge Anwendung des § 917 BGB, wie sie für Versorgungsleitungen anerkannt ist, erscheint dem Senat für die hier geforderte Müllsammlung und
– lagerung zu weitgehend. Auch das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis als Ausprägung von § 242 BGB vermag eine dauerhafte Mülllagerung auf fremdem Eigentum nicht zu rechtfertigen. Im Rahmen der erforderlichen Abwägung der beiderseitigen Interessen durfte das Landgericht dabei auch berücksichtigen, dass das Abstellen des Mülls im konkreten Fall eine erhebliche Beeinträchtigung des Grundstücks der Klägerin darstellt, die sogar schon zu Beschwerden von Nachbarn geführt hat.
Eine etwaige schuldrechtliche Vereinbarung der Erbbauberechtigten mit der früheren Eigentümerin des klägerischen Grundstücks, der Zeugin R.-F., entfaltet keine Bindungswirkung gegenüber der Klägerin.
Die Berufung der Beklagten zu 1) – 3) bleibt daher hinsichtlich ihrer Verurteilung zur Beseitigung der Mülltonnen ohne Erfolg.
c) Ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gegen die Beklagten zu 1) – 3) errechnet sich aus einem Gegenstandswert von 2.600 €, nachdem die Klägerin gegen diese nur bezüglich der Mülltonnen obsiegt. Sie kann daher von allen Beklagten als Gesamtschuldner einen Betrag von 334,75 € erstattet verlangen. Bezüglich des überschießenden Betrages von 552,28 € haftet lediglich die bereits rechtskräftig verurteilte Beklagte zu 4); gegen die Beklagten zu 1) – 3) war die Klage hingegen insoweit auf ihre Berufung hin ebenfalls abzuweisen.
2. Die zulässige Anschlussberufung der Klägerin ist unbegründet.
Mit ihrer Anschlussberufung wendet sich die Klägerin gegen die teilweise Abweisung ihrer Klage, nachdem das Landgericht in erster Instanz nur den Rückbau der Gebäudezufahrt, nicht aber die darüber hinaus beantragte Wiederherstellung der Brandschutzwand zugesprochen hat.
Wie oben unter Ziffer 1 a) ausgeführt, ist ein Anspruch der Klägerin auf Rückbau oder Wiederherstellung der Brandschutzwand nicht gegeben. Auf die entsprechenden Ausführungen wird Bezug genommen.
Da die Klägerin zur Duldung der Gebäudezufahrt aufgrund der Dienstbarkeit verpflichtet ist, bleibt auch ihr Hilfsantrag, mit der sie die Verurteilung der Beklagten dahingehend begehrt, durch geeignete Maßnahmen die uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit der vor der Gebäudezufahrt vorhandenen Parkplätze sicherzustellen, ohne Erfolg.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 100 ZPO. Die Berufung der Beklagten zu 4), die bereits mit Beschluss vom 22.05.2017 (Bl. 243/247 d.A.) verworfen wurde, sowie die Anschlussberufung der Klägerin waren insgesamt erfolglos. Die Berufung der Beklagten zu 1) – 3) hatte teilweise Erfolg.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen dafür liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren bestimmt sich nach § 47, § 48 GKG, § 3 ZPO und war auf 9.100 € festzusetzen. Im Rahmen des ursprünglichen Klageantrages Ziffer 1 auf Rückbau der Gebäudezufahrt, den das Landgericht mit insgesamt 6.500 € bewertet hat, war die teilweise Klageabweisung in erster Instanz bezüglich der Wiederherstellung der Brandschutzwand und damit auch die hiergegen gerichtete Anschlussberufung der Klägerin mit 500 € anzusetzen. Die Beseitigung der Mülltonnen wurde mit 2.600 € berücksichtigt. Mit der Berufung bzw. Anschlussberufung nicht mehr angegriffen wurde die teilweise Klageabweisung in erster Instanz bezüglich der Restmüll- und Papierrollcontainer (900 €).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Mietrecht: Was tun bei Heizungsausfällen?

Gerade in den kälteren Monaten ist eine funktionierende Heizung für die Wohnqualität von Mietern unerlässlich. Ein plötzlicher Heizungsausfall kann nicht nur unangenehm sein, sondern auch rechtliche Fragen aufwerfen. Hier sind einige wichtige Informationen, was Mieter beachten sollen.
Mehr lesen