Aktenzeichen 31 S 3878/16
Leitsatz
1. Eine formularmäßige Verpflichtung des Mieters, einen Kostenbeitrag zu – seitens des Vermieters durchzuführenden – Schönheitsreparaturen zu leisten, ist wegen unangemessener Benachteiligung gem. § 307 I 1 BGB unwirksam. Im Ergebnis handelt es sich hierbei um eine vom BGH als unwirksam angesehene Quotenabgeltungsklausel (vgl. BGHZ 204, 316 = NZM 2015, 424 = NJW 1015, 1871).
2. Der Wirksamkeit einer den Mieter belastenden Kostenbeitragsklausel steht weiter entgegen, wenn es ihm verwehrt ist, die Arbeiten in kostengünstiger Eigenleistung zu erbringen. Auch wäre die Klausel jedenfalls „weich“ – bedarfsabhängig – auszugestalten, so dass die formularmäßige Kostenbeteiligung nicht unbedingt (hier: auf „starrer“ Berechnungsgrundlage) eintritt. Schließlich darf dem Mieter keine Beteiligung an solchen Arbeiten abverlangt werden (Anstrich der Fenster von außen, Versiegelung des Parketts), die formularmäßig ohnehin nicht wirksam auf ihn überwälzt werden könnten. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
452 C 755/15 2016-02-03 Endurteil AGMUENCHEN AG München
Tenor
1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 03.02.2016, Az. 452 C 755/15, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Die Entscheidung des Amtsgerichts ist jedenfalls im Ergebnis zutreffend. Denn die streitgegenständliche Klausel § 5 Ziff. 4 des Mietvertrages ist gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
Der BGH hat seine Entscheidung vom 18.03.2015 – VIII ZR 242/13 – insbesondere damit begründet, dass die der Entscheidung zugrundeliegende Quotenabgeltungsklausel vom Mieter verlangt, zur Ermittlung der auf ihn bei Vertragsbeendigung zukommenden Kostenbelastung mehrere hypothetische Betrachtungen anzustellen, die eine sichere Einschätzung der tatsächlichen Kostenbelastung nicht zulassen. Folge davon sei es, dass solche Klauseln einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht standhalten. Sie benachteiligen den Mieter unangemessen, weil sie dem Mieter bei Vertragsschluss keine realistische Einschätzung der auf ihn zukommenden Kostenbelastung ermöglichen.
Denn es sei für den durchschnittlichen und verständigen Mieter bei dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht erkennbar, welcher tatsächliche Abnutzungsgrad der Wohnung bei Beendigung des Mietverhältnisses, dessen Zeitpunkt bei Vertragsschluss noch nicht feststeht, unter Zugrundelegung seines (möglicherweise Veränderungen unterworfenen) individuellen Nutzungsverhaltens erreicht sein wird. Aber nicht nur der tatsächliche Zustand der Wohnung bei Vertragsende sei für den Mieter bei Vertragsschluss nicht einschätzbar. Um eine Kostenquote ermitteln zu können, ist darüber hinaus die empirische Prognose notwendig, zu welchem Zeitpunkt bei unterstellter gleicher Nutzungsart und gleicher Nutzungsintensität voraussichtlich Renovierungsbedarf eintreten wird. Quotenabgeltungsklauseln verlangen vom Mieter daher bei Vertragsschluss seine bei Beendigung des Mietverhältnisses bestehende Zahlungspflicht aufgrund eines in der Zukunft liegenden, auf mehreren Variablen beruhenden hypothetischen und damit fiktiven Sachverhalts einzuschätzen. Derartige Bestimmungen benachteiligten den Mieter nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen und seien unwirksam.
Im Ergebnis gilt dies auch für die hier streitgegenständliche Klausel. Letztlich handelt es sich hierbei auch um eine solche Quotenabgeltungsklausel, auch wenn nur von „Kostenbeitrag“ die Rede ist. Auf die Formulierung kann es nicht entscheidend ankommen, sondern auf den tatsächlichen Gehalt der Verpflichtung des Mieters, hier der Beklagten. Dass diese zu Schönheitsreparaturen nicht verpflichtet sind, ändert daran nichts. Vielmehr liegt ohne eine solche Verpflichtung erst recht eine unangemessene Benachteiligung des Mieters vor. Insbesondere auch, da es dem Mieter nicht gestattet ist, seiner anteiligen Zahlungsverpflichtung dadurch zuvorzukommen, dass er vor dem Ende des Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen in kostensparender Eigenarbeit ausführt (vgl. BGH Urteil vom 18. Oktober 2006 – VIII ZR 52/06 m. w. N.).
Die Formularklausel benachteiligt den Mieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben auch deshalb unangemessen, da sie eine „starre“ Berechnungsgrundlage hat, die eine Berücksichtigung des tatsächlichen Erhaltungszustands der Wohnung nicht zulässt.
Denn dies kann im Einzelfall dazu führen, dass der Mieter – gemessen am Abnutzungsgrad der Wohnung und der Zeitspanne bis zur Fälligkeit der Zahlung – eine übermäßig hohe Abgeltungsquote zu tragen hat. Sind etwa Wände und Decken der Wohnung mit besonders „langlebigen“ Materialien dekoriert oder hat der Mieter die Wohnung oder einzelne Räume wenig genutzt, kann es an einem Renovierungsbedarf bei Beendigung des Mietvertrages
fehlen (vgl. BGH a. a. O..). Dies ist mit dem Grundgedanken des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB ebenso wenig zu vereinbaren wie die Auferlegung von Renovierungspflichten nach einem feststehenden Fristenplan ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Renovierungsbedarf.
Hinzu kommt noch, dass der Mieter Kosten zu tragen hätte für Arbeiten, welche grundsätzlich Angelegenheit des Vermieters sind, nämlich der Anstrich der Fenster von außen und die Versiegelung des Parkettbodens. Diese rechnen nicht zu den Schönheitsreparaturen und es würde damit dem Mieter ein Übermaß an Renovierungspflichten auferlegt werden (vgl. BGH v. 13.01.2010 – VIII ZR 48/09). Wenn diese Arbeiten aber nicht wirksam formularmäßig auf den Mieter umgelegt werden können, kann er ebenso wenig bzw. erst recht nicht an den Kosten hierfür beteiligt werden.
Im Übrigen ist aber auch die Begründung des Amtsgerichts zutreffend. Nach dem Wortlaut der Klausel ist eine tatsächlich durchführte Erneuerung Voraussetzung für die (unwirksame) Zahlungsverpflichtung. So ist jeweils von „Erneuerung“ und „erfolgt“ im Zusammenhang mit der Fälligkeit des Kostenbeitrages die Rede. Im Übrigen würden Zweifel zulasten der Klägerin gehen (§ 305c Abs. 2 BGB). Dabei liegen Zweifel in jedem Falle vor, da die Formulierung keinesfalls eindeutig im Sinne der Klägerin verstanden werden kann.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).