Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Kostenentscheidung nach Vergleichsschluss

Aktenzeichen  5 T 5095/16

Datum:
1.8.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 133808
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 91a Abs. 1, § 92, § 98, § 100 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Beenden die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache durch Vergleich und stellen in diesem die Kostenentscheidung ins Ermessen des Gerichts, liegt hierin eine negative Kostenregelung, die keinen Raum für eine Entscheidung nach § 98 ZPO lässt. In einem solchen Fall hat das Gericht deshalb in analoger Anwendung von § 91a ZPO auf den ohne den Vergleichsschluss zu erwartenden Verfahrensausgang abzustellen und hierbei den Umfang des gegenseitigen Nachgebens im Vergleich nicht zu berücksichtigen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nimmt einer von mehreren Klägern seine Klage teilweise zurück, ist der auf diesen zurückgenommenen Teil entfallende Kostenwert nach Maßgabe der Mehrkostenmethode durch eine Differenzrechnung zu ermitteln, die ergibt, um welchen Betrag bis zur teilweisen Klagerücknahme diejenigen Kosten überschritten worden sind, die angefallen wären, wenn der Kläger den Rechtsstreit von Anfang an nur über den Wert des nicht zurückgenommenen Teils seiner Klage geführt hätte. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

31 C 154/16 2016-06-28 Bes AGNUERNBERG AG Nürnberg

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird die Kostengrundentscheidung des Amtsgerichts Nürnberg vom 28.06.2016 aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Der Kläger zu 1) trägt 12%, die Klägerin zu 2) trägt 5% und die Beklagte 83% der Gerichtskosten.
Der Kläger zu 1) hat der Beklagten 17% und die Klägerin zu 2) hat der Beklagten 5% ihrer außergerichtlichen Auslagen zu erstatten. Die Beklagte hat 75% der notwendigen Auslagen des Klägers zu 1) und 86% der notwendigen Auslagen der Klägerin zu 2) zu erstatten.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger zu 1) und die Beklagte je zur Hälfte.
3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf die Streitwertstufe bis 500 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Der Kläger zu 1) hat die Beklagte mit Klage vom 08.01.2016 auf Zahlung von 1.225,00 Euro (zzgl. Zinsen) sowie auf Zahlung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten von 229,08 Euro (zzgl. Zinsen) wegen Schadensersatz nach der EU-Fluggastrechteverordnung aus eigenem und abgetretenem Recht in Anspruch genommen. Mit Schriftsatz vom 14.04.2016 trat die Klägerin zu 2) dem Rechtsstreit bei. Gleichzeitig hat der Kläger zu 1) seinen Antrag auf Zahlung von 825,00 Euro (zzgl. Zinsen) sowie auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 166,60 Euro (zzgl. Zinsen) verringert. Die Klägerin zu 2) begehrte (nunmehr aus eigenem Recht) Zahlung in Höhe der vom Kläger zu 1) zurückgenommenen Klageanträge an sich. Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 14.04.2016 Kostenentscheidung zu ihren Gunsten, soweit der Kläger zu 1) die Klage zurückgenommen hat.
Das Amtsgericht hat den Rechtsstreit in der Hauptsache durch Vergleich beigelegt. Die von den Parteien ins Ermessen des Gerichts gestellte Kostenentscheidung hat es mit Beschluss vom 28.06.2016 dahingehend getroffen, dass die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten ergebe, dass die Beklagte unterlegen wäre, da sie keine erheblichen Einwendungen gegen die Forderung vorgebracht habe.
Hiergegen wendet sich mit Schreiben vom 04.07.2016, bei Gericht am 06.07.2016 eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten. Sie macht geltend, dass das Amtsgericht nicht berücksichtigt habe, dass der Kläger zu 1) seinen Klageantrag reduziert hat. Die Beschwerde begehrt eine Abänderung dahingehend, dass von den Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) und der Beklagten der Kläger zu 1) 33% und die Beklagte 67% zu tragen haben. Daneben solle die Beklagte die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) zu tragen haben.
Das Amtsgericht Nürnberg hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
2. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde führt zur teilweisen Abänderung der angegriffenen Kostengrundentscheidung (§§ 91a Abs. 2, 511, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Angriffe gegen die vom Amtsgericht vorgenommene Ermessensentscheidung dringen durch. Zum einen ergibt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage, dass die Kläger teilweise unterlegen wären. Zum anderen war zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1) seinen Klageantrag teilweise zurückgenommen hat
a) Ausgangspunkt der Kostenentscheidung sind die §§ 91a Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO analog
(1) Die Parteien haben mit der im Vergleich vorgesehen Entscheidung der Kostentragung durch das Gericht eine negative Kostenregelung getroffen, so dass für eine Entscheidung nach § 98 ZPO kein Raum verbleibt. § 91a ZPO gilt für alle kontradiktorischen Verfahren der Zivilprozessordnung, in denen eine Kostengrundentscheidung möglich ist. Wie das Amtsgericht zu Recht ausführt, hat das Gericht daher unter analoger Anwendung dieser Norm den bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu berücksichtigen und darüber zu entscheiden, wie die Kosten des Rechtsstreits zu verteilen sind. Dabei hat das Gericht vor allen auf den ohne den Vergleichsschluss zu erwartenden Verfahrensausgang abzustellen, also die Erfolgsaussichten der Klage. Denn darauf kommt es nach den allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen der Zivilprozessordnung an (§§ 91,92 ZPO). Der Umfang des gegenseitigen Nachgebens im Vergleich ist hingegen nicht zu berücksichtigen.
(2) Die Kläger obsiegen nur teilweise. Dabei sind neben den Hauptforderungen auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Nebenforderungen zu berücksichtigen, da über Haupt- und Nebenforderung teilweise gegenläufig zu entschieden gewesen wäre und die Rechtsanwaltskosten im Verhältnis zur Hauptforderung erhebliches Gewicht haben (vgl. Jaspersen/Wache, in: Vorwerk/Wolf, Beck´scher Online-Kommentar ZPO, 21. Edition, Stand: 01.07.2016, § 92, Rn. 26). Der Kläger zu 1) wäre mit der Kostenpauschale von 25 Euro und beide Kläger wären mit den vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten unterlegen. Aus ihrem Vortrag ist keine Anspruchsgrundlage für den Ersatz dieser Kosten ersichtlich. Zudem hat die Beklagte den Anfall der Rechtsanwaltskosten bezüglich der Klägerin zu 2) bestritten. Nach dem klägerischen Vortrag besteht insbesondere kein Schadensersatzanspruch wegen Verzugs. Mithin hätte voraussichtlich der Kläger zu 1) in Höhe von 800 Euro und die Klägerin zu 2) in Höhe von 400 Euro obsiegt.
(3) Nachdem die Kläger Streitgenossen sind, richtet sich die Kostenentscheidung nach § 100 ZPO. Die Vorschrift erfasst über ihren Wortlaut hinaus nach ständiger Rechtsprechung auch das teilweise Obsiegen von Streitgenossen (vgl. Herget, in Zöller, ZPO, 28. Auflage 2016, § 100, Rn. 1).
(4) In der Beschränkung der Klageanträge des Klägers zu 1) von 1.225 Euro sowie 229,08 Euro (RA-Kosten) auf 825 Euro sowie 166,60 Euro (RA-Kosten) liegt eine teilweise Klagerücknahme, welcher die Beklagte in der mündlichen Verhandlung konkludent zugestimmt hat, indem sie den Rechtsstreit durch widerruflichen Vergleich beilegte und gleichzeitig für den Fall des Vergleichwiderrufs Antrag auf Klageabweisung stellte. Sie hat sich damit rügelos auf den von der Klagepartei für den Fall des Widerrufs gestellten -nunmehr in Ziffer 1 und 2 reduziertenKlageantrag eingelassen.
b) Bei der Kostenentscheidung ist nach dem Grundsatz der Unterliegenshaftung (§ 92 Abs. 1 ZPO) das anteilmäßige Obsiegen/Unterliegen der Parteien ausschlaggebend. Die vom Gericht zu treffende Ermessensentscheidung hat sich daran zu orientieren.
(1) Für den Kläger zu 1) ergibt sich ohne Berücksichtigung der Klagerücknahme ein Obsiegen in Höhe von 80% (800 Euro / 991 Euro) und für die Klägerin zu 2) ein Obsiegen in Höhe von 86% (400 Euro / 462,48 Euro).
(2) Die Beklagte hat grundsätzlich 83% der Gerichtskosten zu tragen. Von ihrem Unterliegensanteil ist auszugehen, da sie an allen Prozessrechtsverhältnissen beteiligt ist. Bei dem Gesamtstreitwert von 1.453,48 Euro ergibt sich bei einem Unterliegen der Beklagten in Höhe von 1.200 Euro die angeführte Quote. Die Kläger wären insgesamt zu 17% unterlegen, so dass die auf sie entfallenden Gerichtskosten gemäß dem Anteil des Wertes ihrer jeweiligen Prozessrechtsverhältnisse am Gesamtstreitwert für den Kläger zu 1) grundsätzlich 12% (991 Euro / 1453 Euro) und für die Klägerin zu 2) 5% (462,48 Euro / 1.453,48 Euro) betragen.
(3) Die von den Klägern zu tragenden außergerichtlichen Kosten der Beklagten werden entsprechend dieser Quoten verteilt, da die Beklagte an beiden Prozessrechtsverhältnissen beteiligt ist. Der Kläger zu 1) hat mithin 12% und die Klägerin zu 2) 5% der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu tragen.
(4) Die von der Beklagten zu tragenden außergerichtlichen Kosten der Kläger entsprechen grundsätzlich dem Unterliegen in ihrem jeweiligen Prozessrechtsverhältnis. Mithin hätte die Beklagte 80% der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) und 86% der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) zu tragen.
c) Bei der Kostenverteilung ist aber weiter die Teilklagerücknahme des Klägers zu 1) zu berücksichtigen. Die Bildung der Kostenquote bei der Teilklagerücknahme ist gesetzlich nicht geregelt. In der Rechtsprechung ist die Methode zur Ermittlung umstritten. Teilweise wird vertreten die Kosten seien so zu ermitteln, als wenn der Kläger teilweise unterlegen wäre (“Quotenmethode“, vgl. z.B. OLG Hamm, Beschluss v. 12.06.2001, Az. 21 W 7/01). Danach wird für jede einzelne Gebühr anhand der jeweiligen Verlustquote der Kostenbetrag ermittelt, den der Kläger zu tragen hat, und dann die Summe dieser Beträge ins Verhältnis zu Summe der Kostenbeträge gesetzt. Nach anderer Auffassung sind die Mehrkosten zu ermitteln, welche durch die zu hohe Klageforderung angefallen sind (“Mehrkostenmethode“, vgl. z.B. BGH, Beschluss v. 13.07.1988, Az. VIII ZR 289/87). Vorliegend führt letztere Methode zu einem sachgerechten Ergebnis, da die Klagerücknahme allein den Kläger zu 1) betrifft und er dafür als Veranlasser einzustehen hat. Mithin ist daher zunächst jeweils die Mehrkostendifferenz der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten zu ermitteln und dabei jeweils die Kostenquote zu bilden.
(1) Gerichtskosten
Auf die Gerichtskosten hat die Teilklagerücknahme keine Auswirkungen, da die Klägerin zu 2) dem Rechtsstreit mit einem Antrag in der Höhe beigetreten ist, um den ihn der Kläger zu 1) reduziert hat. Der Streitwert verändert sich daher nicht. Zwar sind bei der subjektiven Klagehäufung verschiedene Streitgegenstände zu addieren (§ 5 ZPO). Die vom Kläger zu 1) zurückgenommenen Klageanträge wurden aber von vornherein aus abgetretenem Recht der Klägerin zu 2) geltend gemacht, so dass den Anträgen schon keine verschiedenen Streitgegenstände zu Grunde liegen. Zudem würde eine Zusammenrechnung voraussetzen, dass die Ansprüche gleichzeitig geltend gemacht werden. Beides ist nicht der Fall.
(2) Außergerichtliche Kosten
(aa) Hätte der Kläger zu 1) nur den nach der Teilklagerücknahme eingeklagten Betrag geltend gemacht (Streitwert von 825 Euro) wären jeweils 261,80 Euro für eigene und fremde Rechtsanwaltsgebühren angefallen (1,3 Verfahrensgebühr – 104 Euro, 1,2 Terminsgebühr – 96 Euro, Auslagenpauschale – 20 Euro, MWSt 41,80 Euro), mithin insgesamt ein Betrag von 523,60 Euro.
(bb) Vorliegend ist die Verfahrensgebühr jedoch noch aus dem Streitwert von 1.225 Euro angefallen. Es ergibt sich für eigene und fremde Rechtsanwaltsgebühren jeweils ein Betrag von 274,89 Euro (1,3 Verfahrensgebühr aus 1.225 Euro – 115 Euro, 1,2 Terminsgebühr aus 825 Euro – 96 Euro, Auslagenpauschale – 20 Euro, MWSt 43,89 Euro), mithin insgesamt ein Betrag von 549,78 Euro.
(cc) Damit ergeben sich bei den außergerichtlichen Kosten des Kläger zu 1) und der Beklagten Mehrkosten in Höhe von 26,18 Euro (549,78 Euro – 523,60 Euro).
Die Hälfte dieses Betrages – 13,09 Euro -, also der Anteil der auf die eigenen RA-Kosten des Klägers zu 1) entfällt, ist von dem Betrag abzuziehen, welchen die Beklagte dem Kläger zu 1) an außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat. Die Beklagte hat grundsätzlich 80% der außergerichtlichen Kosten des Kläger zu 1) zu erstatten (vgl. oben unter Ziffer 2 b 4). Dies entspricht einem Betrag von 219,91 Euro. Abzüglich der durch die zu hohe Klageforderung des Klägers zu 1) verursachten Mehrkosten von 13,09 Euro (bei den eigenen RA-Kosten) verbleibt ein Betrag von 206,82 Euro, was einer Kostenquote von 75% (206,82 Euro / 274,89 Euro) entspricht.
Dementsprechend ist die andere Hälfte der Mehrkosten (also der Anteil, der auf die RA-Kosten der Beklagten entfällt) dem Betrag zuzuschlagen, welchen der Kläger zu 1) der Beklagten für ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat. Der Kläger zu 1) hat grundsätzlich 12% der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu tragen (vgl. oben unter Ziffer 2 b 3). Dies entspricht einem Betrag von 32,99 Euro. Dem sind die durch die zu hohe Klageforderung des Klägers zu 1) verursachten Mehrkosten von 13,09 Euro zuzuschlagen (Mehrkosten beim RA der Beklagten), womit sich ein Betrag von 46,08 Euro ergibt. Dies führt zu einer Quote von 17% (46,08 Euro /274,89 Euro).
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO.

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